Protokoll der Sitzung vom 29.01.2004

Aber es gehört auch ein investorenfreundliches Klima dazu. Das heißt, dass diejenigen, die bei uns Geld investieren wollen, sich nicht nur durch die Bauverwaltung, sondern auch durch die Bezirksämter gut empfangen und aufgehoben fühlen müssen. Es muss ebenso die Offenheit für den Wettbewerb mit anderen Städten hinzukommen. Man kann über Elite-Hochschulen denken, wie man will, wenn die Bundesregierung einen solchen Wettbewerb macht, sollten wir als Berlinerinnen und Berliner mit unseren Universitäten daran teilnehmen. Unsere Universitäten brauchen diesen Wettbewerb überhaupt nicht zu fürchten.

[Beifall bei der SPD – Beifall des Abg. Zotl (PDS)]

Berlinidentifikation – eine Identität der politischen und gesellschaftlichen Kräfte, so etwas wie Corporate Identity. Das sagt nichts darüber, dass wir uns intern nicht kritisch bewerten und eine scharfe Diskussion führen. Aber nach außen deutlich zu machen, dass die, die in unsere Stadt kommen wollen, dass die hier auch willkommen sind. Jedes größere Bauprojekt und jedes größere wirtschaftliche Vorhaben immer von vornherein, ehe überhaupt klar ist, was passiert, als Pleiteprojekt zu denunzieren, das vermittelt keine Offenheit, sondern das wird in Berlin als Kleingeistigkeit und Ängstlichkeit empfunden.

Man kann – glaube ich – ziemlich gelassen abwarten, wie aus reiner Zweckmäßigkeit weitere Zentralinstanzen von Regierung und Wirtschaft nach Berlin kommen. Wir müssen etwas dafür tun, aber wir können auch mit Geduld abwarten. – Dazu zähle ich sowohl den Bundesnachrichtendienst als auch das Bundeskanzleramt. – Ich finde es – was das Bundeskanzleramt anbelangt – manchmal ein bisschen kleinkariert, wenn immer so getan wird – –

[Frau Dr. Klotz (Grüne): Das Bundeskanzleramt ist Gott sei Dank schon hier!]

Entschuldigung! Das Bundeskriminalamt! – Was den BND angeht, finde ich es kleinkariert, wenn gefragt wird, ob wirklich die grüne Durchwegung in der Mitte des Blocks hergestellt wird. – Nach allem, was ich darüber weiß, wird sie hergestellt werden. – Und ich finde es genauso kleinkariert, wenn andere Orte ausgesucht werden. Es erweckt immer nur den Eindruck, als wolle man diese Institution insgesamt nicht da haben.

[Beifall des Abg. Lindner (FDP)]

Und mein Verdacht bei Einzelnen ist, dass das tatsächlich auch dahinter steht.

[Vereinzelter Beifall bei der SPD – Beifall des Abg. Lindner (FDP)]

Im Übrigen kann man denen sagen, die bei solchen Umzügen dagegen mobilisieren, dass weder in Wiesbaden noch in Meckenheim die Welt untergeht, wenn eine Behörde selbstverständlich dorthin geht, wo sie in allen Hauptstädten der westlichen und östlichen Welt hingehört, in die Nähe der Regierung. Man sieht ja, wie vital Bonn trotz des Regierungsumzuges ist. In diesem Zusammenhang möchte ich nicht vergessen, darauf hinzuweisen – weil es das Gesetz Bonn-Berlin gibt –, dass es immer noch mehr Bedienstete der Bundesregierung im Großraum Bonn als im Großraum Berlin gibt.

[Abg. Niedergesäß (CDU) meldet sich zu einer Zwischenfrage.]

Das ist ein Merkposten, das löst sich mit der Zeit von allein, aber vergessen wollen wir das nicht.

Herr Abgeordneter! Gestatten Sie eine Zwischenfrage des Kollegen Niedergesäß?

Nein! Ich würde gern die Rede zu Ende bringen, indem ich noch einmal auf Folgendes hinweise: Den Rang Berlins als Hauptstadt zu erarbeiten, das

ist keine Tat von heute auf morgen, sondern es ist ein politischer Prozess. Wir müssen uns diesen Rang als Hauptstadt politisch erarbeiten. Da können wir etwas tun, da können wir nach außen hin wirken und unsere Offenheit deutlich machen. Es geht um einen Aneignungsprozess der übrigen Deutschen und der Länder, dass sie Berlin selbst als ihre Sache, die Hauptstadt als die Bühne der Nation, begreifen. Wir sind auf einem guten Weg, wenn wir so weiterarbeiten, wie wir das bis jetzt gemacht haben, wie der Regierende Bürgermeister, wie Frau Bundesministerin Kühnast, wie Herr Ratzmann und die anderen, die an diesem Feld arbeiten, es bereits vorgemacht haben. – Danke schön!

[Beifall bei der SPD – Vereinzelter Beifall bei der PDS]

Vielen Dank, Herr Kollege Momper! – Es folgt die Fraktion der CDU. Das Wort hat der Kollege Zimmer. – Bitte schön!

Vielen Dank, Herr Präsident! – Die Diskussion über die Rolle der Hauptstadt und ihre Finanzierung hat in der Stadt bereits einige Zeit in Anspruch genommen. Nur, wer hat sich lange dazu nicht geäußert? – Das war der Regierende Bürgermeister, Herr Wowereit. Er hat sehr lange geschwiegen. Viel zu lange für einen Regierungschef. Dann hat er uns überrascht mit einem Brief an die Bundesstaatskommission, in dem er einen Vorschlag gemacht hat. Justament zwei Tage später gab es Kritik von Herrn Momper, weil er der Auffassung war, dass man das Abgeordnetenhaus vielleicht an seinem Vorschlag hätte beteiligen müssen.

[Vereinzelter Beifall bei der CDU]

Das klang heute irgendwie ganz anders. Herr Momper, offensichtlich hatte man Ihnen aufgegeben, einiges gerade zu rücken. Ob Ihnen das gelungen ist, mag der geneigte Zuhörer und Zuschauer selbst entscheiden, aber es hatte relativ wenig mit der substantiellen Debatte zu tun, was wir denn eigentlich mit den anderen Ländern und dem Bund verhandeln. Es war zu guten Teilen eine kleine Motivationsrede, dass es in Berlin doch eine ganze Menge Gutes gibt, und wenn die Besuchergruppen aus Berlin wieder fortfahren, haben sie einen guten Eindruck gehabt. Doch das allein löst die Berliner Probleme mit Sicherheit nicht.

Herr Momper hat hingewiesen auf eine Rede, die Herr Döpfner auf dem Neujahrsempfang des Springer-Verlages gehalten hat. – Ja, die habe ich auch gehört. Ich habe auch Herrn Wowereit dazu gehört. Und Herr Wowereit sagte dort – in der Quintessenz zur Rolle der Hauptstadt –, die anderen Länder – er meinte die anderen Bundesländer – müssten schon akzeptieren, dass Berlin die Bundeshauptstadt ist. Damit kommen wir nicht wirklich weiter. Dass wir die Hauptstadt sind, das ist allgemein bekannt, das steht im Einigungsvertrag, das steht an vielen anderen Stellen – einschließlich der Schulatlanten – geschrieben. Worum es im Ergebnis geht, ist, wie wir unser eigenes Verständnis als Hauptstadt definieren, und wie wir die Finanzierung der Hauptstadtrolle im föderalen Gefüge

sicherstellen. Das ist der Punkt, über den wir uns unterhalten sollten und unterhalten müssten.

[Vereinzelter Beifall bei der CDU]

Nun schlägt uns Herr Wowereit vor, den Artikel 22 des Grundgesetzes zu ändern, einen Artikel, von dem die meisten, die nicht Jura studiert haben, gar nicht wussten, dass es ihn gibt. Darin steht bislang:

Die Bundesflagge ist schwarz-rot-gold.

Eine nicht unwichtige Erkenntnis, und er möchte dem hinzufügen: „Berlin ist Bundeshauptstadt“. Wenn Sie eine kleine Umfrage auf der Straße gemacht hätten, wie viele Menschen glaubten, dass nicht im Grundgesetz stehe, dass Berlin die Bundeshauptstadt ist, hätten Ihnen wohl die wenigsten die Antwort gegeben, es müsse hinein geschrieben werden. Den Teil können wir als reine Deklaration abhaken. Der Ort selbst ist auch etwas fragwürdig, denn es geht weniger um die Frage, ob Berlin so eine Art Bundessymbol sei – ein Symbol wollen wir nicht sein –, sondern wir wollen aktive Bundeshauptstadt sein. Wir wollen vor allem eines: Wir wollen eine gerechte Lastenverteilung. Ergo müsste man, wenn man systematisch genau sein wollte, das irgendwo in den Vorschriften der Finanzverfassung wiederfinden. Das müsste – wenn Sie es nachschlagen wollen, Herr Wowereit – im Zweifel in der Gegend von Artikel 107 stehen. Aber vom Grundsatz her beschreiben Sie Bekanntes. Sie sagen, Berlin sei Bundeshauptstadt, und es müssten Lasten gerecht verteilt werden. Das Problem ist nur, zu definieren, welche Lasten verteilt werden müssen, was Hauptstadtaufgaben sind und was Infrastrukturlasten des Regierungssitzes sind. Dieses Problem haben Sie mit dieser Norm überhaupt nicht gelöst.

Sie haben quasi eine Zustandsbeschreibung und einen Wunsch formuliert. Dass dieser aber untersetzt werden muss, ist der eigentliche Kern der Auseinandersetzung, der dann auch in der Bundesstaatskommission zu führen ist.

[Beifall bei der CDU – Vereinzelter Beifall bei der FDP]

Vor allen Dingen hat Ihr Vorschlag einen vehementen Strickfehler: Sie entlassen die anderen Länder aus der Verantwortung für Berlin, denn Sie wollen das Geld vom Bund. Der Bund soll die Lasten tragen.

Es wundert mich nicht, dass Ministerpräsidenten unterschiedlichster Parteibücher Ihnen dafür applaudieren. Das ist für sie natürlich ganz bequem, weil sie selbst aus der Verpflichtung entlassen werden. Das war kein ungeschickter Schachzug, Herr Wowereit. Im Ergebnis ist aber die Bundeshauptstadt eine föderale Veranstaltung. Natürlich sitzen hier die Bundesorgane. Aber hier sitzt auch der Bundesrat, in dem sich die ganzen Bundesländer fröhlich wieder finden. Das ist das föderale System. Das föderale System besagt auch, dass auch die Länder untereinander – der gleiche Gedanke, den Sie auch im Länderfinanzausgleich wiederfinden – die Lasten gerecht verteilen. Das bedeutet im Ergebnis, dass natürlich auch die anderen

Bundesländer an den Lasten der Hauptstadt und des Regierungssitzes beteiligt werden müssen. Im Ergebnis ist es also kein substanzieller Beitrag, den Herr Wowereit bislang geliefert hat. Es kann ein erster Schritt sein, der meines Erachtens unvollständig und noch überarbeitungsbedürftig ist.

Dieser Regierende Bürgermeister – das muss man an dieser Stelle auch noch einmal anmerken – möchte nun auch noch, nachdem er diesen großartigen Wurf zur Hauptstadtfinanzierung geliefert hat, Richtlinienkompetenz als Regierender Bürgermeister haben. Dabei kann einem Angst und Bange werden. Der einzige Vorteil wäre, dass Sie mit der Richtlinienkompetenz auch Ihren Skandalsenator Peter Strieder, der heute nicht mehr unter uns weilt, in den einstweiligen Ruhestand schicken könnten.

[Beifall bei der CDU]

Ich habe jedoch nach dem Zeitungsstudium den Eindruck, dass es die eigene Partei schon richten wird, wenn es um den Landesvorsitzenden geht. Da gilt bei Strieder genauso wie bei Ihnen, Herr Wowereit, die Gewissheit, dass alles, was danach kommt, nur besser sein kann.

[Beifall bei der CDU]

Sie brauchen ein systematisches Vorgehen, wenn Sie sich mit der Haushalts- und Hauptstadtfrage auseinandersetzen wollen. Jetzt wollen wir versuchen, dies nacheinander einmal aufzuknüpfen.

Der Hauptstadthaushalt ist der erste Schritt. Wir müssen erst einmal wissen, was uns die Leistungen kosten, die wir als Bundeshauptstadt erbringen. Das sind zwei Blöcke: Zum einen ist es das, was wir als Infrastrukturleistung für den Regierungssitz erbringen. Dazu gehört einiges, einschließlich der Polizei, wofür auch einiges Geld fließt, das will ich gar nicht aus der Diskussion stellen. Es gehört dazu natürlich die Aufgabe einer Bundeshauptstadt. Eine Hauptstadt hat einen Repräsentationsaufwand. Sie soll repräsentieren. Deswegen haben wir auch diverse Kultureinrichtungen schon in der Vergangenheit gefördert.

In diesen Hauptstadthaushalt – hier gibt es Anträge von uns, die Sie abgelehnt haben, weil Sie glaubten, diese Information nicht zu benötigen – müsste man die Ausgaben mit aufnehmen. Man muss natürlich auch das berücksichtigen, was Berlin bislang als Land als Einnahmen erhalten hat. Das gehört zur Fairness mit dazu. Dann haben Sie erst einmal Zahlenmaterial. Auf dieser Grundlage können Sie verhandeln.

Sie brauchen noch ein Leitbild für Berlin als deutsche Hauptstadt, verbunden mit der Frage, was wir eigentlich als Hauptstadt sein wollen. Wohin wollen wir? Was können wir – Herr Momper hat es zu Recht angesprochen – als Dienstleister den anderen Ländern und dem Bund anbieten? – Darüber müssen wir uns selbst auch im Klaren sein. Wenn wir die Kosten und das Angebot haben, können wir mit den anderen Ländern und dem Bund dar

über verhandeln, was sie davon haben wollen, was es ihnen auch wert ist, dies auch zu bezahlen. Das ist der einzige vernünftige Prozess, an die Frage der Hauptstadtfinanzierung herangehen zu können.

[Beifall bei der CDU]

Am Ende des Ganzen muss dann auch ein fairer Hauptstadtvertrag stehen. Es muss eine vertragliche Regelung geben, bei der sich alle Seiten damit einverstanden erklären, dieses gemeinsame Projekt, diese Gemeinschaftsaufgabe Berlin, auch auf gemeinsamen Schultern zu tragen.

Nun gibt es natürlich noch einen weiteren Aspekt, auf den man eingehen muss und der in diesem Zusammenhang immer wieder erwähnt wird. Es ist die Frage, ob Berlin dann – man liest es an vielen Stellen – weiterhin überhaupt noch ein eigenständiges Bundesland sein sollte. Dies sollte einmal jenseits der Diskussion um die Frage Berlin-Brandenburg geführt werden. Es ist die Überlegung, ob Berlin eine Art bundesunmittelbarer Bezirk, ein Bundesdistrikt, werden sollte. Ich halte das für einen falschen Ansatz.

[Beifall bei der CDU]

Ich halte es deshalb für einen falschen Ansatz, weil einerseits die Vorstellung, dass eine reine Stadtverwaltung ausreichen würde, allein für Berlin schon schwer umzusetzen wäre, weil Berlin nicht mit kleineren Städten in der Größenordnung von Mönchengladbach oder anderen vergleichbar ist. Sie würden aber auch die Berliner der Landesvertretungsebene berauben. Das dürfte mit dem Grundgesetz nicht vereinbar sein. Die Artikel 20 und 28 GG zählen dies auf. Sie haben die Bundesebene, die Länderebene und die kommunale Vertretung. Wenn Sie dieses wegfallen lassen würden, würden Sie definitiv und unter Demokratiegesichtspunkten einen Weg beschreiten wollen, der meines Erachtens nicht zulässig ist. Es ist also ein nettes Gedankenspiel, vielleicht aber im Ergebnis nicht umsetzbar.

Nun stellt sich die Frage, worin eine Alternative besteht. Ich verstehe schon, dass bei den anderen Bundesländern ein gewisses Misstrauen vorherrscht. Sie schauen sich den Berliner Landeshaushalt an, sehen, dass der Doppelhaushalt 2004/2005 eine Netto-Neuverschuldung über 9 Milliarden € beinhaltet. Sie fragen sich, wo ihr Geld bleibt, wenn es dem Land Berlin zur Verfügung gestellt wird und überlegen, ob es dann nicht wieder von Herrn Sarrazin in das große Loch gekippt wird und man am Ende des Tages nicht das erhält, wofür man bezahlt hat.

[Liebich (PDS): Das ist eine Frechheit! Sie stellen doch die ganze Zeit Erhöhungsanträge!]

Ich kann verstehen, dass es dort Bedenken gibt. Man könnte alternativ darüber diskutieren. Dies sollte aber an dieser Stelle zunächst ein Vorschlag sein, vielleicht auch eine alternative Struktur zu finden, bei der eine institutionelle Loslösung der Frage der Hauptstadtaufgabe erfolgt. Man könnte sich tatsächlich vorstellen, dass wir für Berlin

eine Art Hauptstadtkommission, wie auch immer, einrichten, die treuhänderisch die Mittel der anderen Länder und des Bundes verwaltet.

Man kann sich auch durchaus vorstellen – dazu müssten wir als Berliner auch bereit sein –, dass wir bestimmte Aufgaben auf diese Institutionen delegieren, um dies als eigene Aufgabe wahrzunehmen. Berlin als Land Berlin müsste darin vertreten sein, der Bund und die anderen Länder, um auch Angelegenheiten grundsätzlicher Bedeutung zu klären. Dies dürfte klar sein. Das könnte ein Weg sein, den man an dieser Stelle beschreiten könnte. Um das auszuloten – wenn es um Personal geht, haben wir in Berlin genug davon und könnten es an dieser Stelle auch zur Verfügung stellen, es sollten keine neuen Stellen geschaffen werden, sondern eine sinnvolle Verwendung für den einen oder anderen ermöglichen –, werden wir darüber sicherlich nicht in Aktuellen Stunden wie dieser hier diskutieren können. Wir haben jedoch eine EnqueteKommission. Diese – das sage mit Blick auf Frau Dr. Klotz – ist der richtige Ort, auch diese Frage zu diskutieren. Was ist das Selbstverständnis Berlins? In welcher Form kann Berlin an dieser Stelle ein Angebot machen, wenn es darum geht, sich an bestimmten Stellen etwas zurückzunehmen?