Protokoll der Sitzung vom 29.01.2004

Herr Abgeordneter! Dazu kann ich nichts sagen. Der Vorgang ist mir nicht bekannt, aber ich kann mich danach erkundigen. Ich selbst habe jedenfalls die Aufhebung einer Veränderungssperre meines Wissens nicht unterschrieben.

Danke schön! – Herr von Lüdeke, noch eine Nachfrage?

Dann geht die nächste Frage an Herrn Niedergesäß von der CDU-Fraktion. – Bitte sehr!

Ich frage den Bausenator Strieder: Die Deutsche Bahn ist auf die irrwitzige Idee gekommen, dreißig Meter Masten durch Alt-Glienicke aufzustellen. Hält der Senat weiterhin an seiner ablehnenden Haltung zu diesem Vorhaben fest?

Herr Strieder!

Ja, Herr Abgeordneter!

Danke schön! – Wir haben jetzt Schwierigkeiten. Wir haben die Nummer 200. Wer hat sich unter der Nummer 200 gemeldet? – Herr Dr. Jungnickel, Sie hatten noch eine Frage. – Bitte sehr!

[Dr. Jungnickel (fraktionslos): Ich habe mich nicht gemeldet.]

Sie haben sich nicht gemeldet. – Dann ist jetzt Herr Wieland gemeldet. – Bitte sehr! – Auch nicht?

[Wieland (Grüne): Ich war schon dran!]

Sie stehen bei mir noch einmal auf der Liste. – Dann ist jetzt Herr Mutlu dran. – Bitte sehr!

Ich stelle meine Frage an den Senator für Bildung, Jugend und Sport: Herr Senator! Wie kommt es, dass Berlin an einer weiteren internationalen Bildungsstudie, hier IGLU, zuvor PISA-E, nicht beteiligt ist?

[Frau Senftleben (FDP): Das haben wir schon mal gefragt: Weil kein Geld da war!]

Um Missverständnissen vorzubeugen: Ich habe keine Probleme mit der Element-Studie, ich begrüße sie. Nur, ist sie in der Lage, eine internationale Studie zu ersetzen?

Herr Senator Böger, bitte!

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Herr Abgeordneter Mutlu! Sie irren sich erneut. Die Frage wurde schon mehrfach beantwortet, aber ich kläre Sie gern noch einmal auf. – Berlin hat selbstverständlich an der internationalen Grundschulstudie teilgenommen, nach der Verteilung in Berlin mit etwa 25 Grundschulen. Der Berliner Senat hat 1998 – zu der Zeit war ich noch nicht im Amt – entschieden, dass er an einer nationalen Zusatzstudie nicht teilnimmt, an der Ergänzungsstudie IGLU-E. – Diesen Sachverhalt bringen Sie durcheinander. – In meiner Amtszeit habe ich relativ früh, 2002, entschieden, dass Berlin eine eigene Studie Element mit der Humboldt-Universität durchführt, in der repräsentativ der Leistungsstand der Schülerinnen und Schüler in der vierten Klasse und in der sechsten Klasse – gleichgültig, wo sie sich befinden – untersucht wird. Alle Ergebnisse werden veröffentlicht. Wir haben also in Berlin einerseits notwendige Hinweise von IGLU, und andererseits bekommen wir sehr detaillierte Einblicke mit der Studie Element, die sich im Übrigen sogar mit der IGLU-Studie international und national vergleichen lassen.

Herr Mutlu! Haben Sie eine Nachfrage? – Bitte!

Was stimmt an den Pressemeldungen, dass Berlin lediglich aus finanziellen Gründen nicht an den nationalen Vergleichsstudien teilgenommen hat, und wie wollen Sie gewährleisten, dass diese Gründe nicht auch in Zukunft verhindern, dass Berlin sich international und national an diesen Vergleichsstudien beteiligt?

Herr Senator!

Frau Präsidentin! Herr Abgeordneter Mutlu! In der Tat waren 1998 finanzielle Gründe dafür maßgebend, dass Berlin nicht an der nationalen Studie teilgenommen hat. Das kostet alles Geld. Wie Sie wissen, ist Berlin ansonsten an allen nationalen Ergänzungsstudien beteiligt, wie zum Beispiel an der nächsten Folge von PISA. Ihr Vorbehalt geht also ins Leere. Wir beteiligen uns an vielen Fragestellungen. Allerdings muss ich auch darauf achten – ich finde bemerkenswert, dass ausgerechnet ich das sagen muss –, dass die Schule sich allein durch immerfort erneuerte Qualitätstests nicht ändert, sondern wir brauchen eine Analyse der Ergebnisse, wir brauchen vor allem veränderten Unterricht, um besser zu werden. Aber ansonsten werden wir in Berlin eine Fülle von solchen Qualitätsstudien durchführen. Das kostet zwar Geld, aber

wenn dann die Rückmeldung an die Schulen kommt und eine Veränderung beginnt, hat sich auch der finanzielle Einsatz gelohnt.

Danke schön! – Damit sind wir am Ende der Spontanen Fragestunde angelangt.

Frau Senatorin Schubert hatte sich zu Wort gemeldet, um noch einmal eine Erklärung zu einer Frage abzugeben. Merkwürdigerweise befindet sich der Fragesteller, Herr Braun, gar nicht mehr im Saal. Aber die Frage ist vielleicht von allgemeinem Interesse. – Bitte sehr!

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren Abgeordneten! Ich denke, das Thema ist von allgemeinem Interesse. – Die Einleitung des Ermittlungsverfahrens beruht nicht auf einem individuellen Beschluss des dafür vorgesehenen Ausschusses dieses Hauses. Das Abgeordnetenhaus hat in seiner ersten Sitzung dieser Legislaturperiode, am 29. November 2001, einen allgemeinen Beschluss über die Aufhebung von Immunitätsangelegenheiten gegenüber allen Abgeordneten dieses Hauses gefasst. Darin steht, dass es bei der Aufnahme von Ermittlungen ausschließlich der Anzeige der Staatsanwaltschaft an den Präsidenten dieses Hauses bedarf. Diese Anzeige ist erfolgt, wie vorhin der Regierende Bürgermeister auch vorgelesen hat. Anschließend sind die Ermittlungen eingeleitet worden.

Herzlichen Dank! – Die Fragestunde ist damit für heute beendet.

Wir kommen zur

lfd. Nr. 2:

Aktuelle Stunde

Hauptstadtrolle Berlins gemeinsam definieren

Antrag der SPD und der PDS

Darüber wurde vorhin abgestimmt. – In der Reihenfolge der Redner beginnt für die SPD der Abgeordnete Momper. – Bitte sehr!

Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Wenn wir heute über die Hauptstadt sprechen, freue ich mich persönlich darüber, dass die besten Botschafterinnen und Botschafter Berlins diejenigen sind, die hier als Besucher waren, die die Stadt gesehen haben, die in ihre Heimatstädte und -gemeinden zurückfahren und sagen: In Berlin ist etwas los. Berlin ist kreativ. Berlin ist lebendig. In Berlin wächst etwas heran, was uns alle in Deutschland angeht. – Diese Besucherinnen und Besucher sind die besten Interessenvertreter für unsere Stadt und für die Hauptstadt Berlin.

[Beifall bei der SPD, der PDS – Vereinzelter Beifall bei der FDP]

Die Besucherinnen und Besucher haben die Hauptstadt längst angenommen, und ich freue mich darüber, dass Politiker in anderen Bundesländern regelrecht Druck aus der Bevölkerung bekommen und Berlin auch als Hauptstadt zu akzeptieren, Berlin auch im Interesse aller Deutschen so auszustatten, dass diese Aufgabe erfüllt werden kann. Diese Menschen haben durch ganz praktische Erfahrungen die Ängste, die ohne Frage Anfang der 90er Jahre vor dem Moloch Großstadt da warent, vor einer vielleicht gravitätisch oder gar wilhelminisch einherkommenden Hauptstadt verloren. Das hat sich gegenüber den frühen 90er Jahren verändert, und das ist gut so. Man kann durchaus sagen, dass viele Deutsche, die zu Besuch in Berlin waren, auf ihre Hauptstadt Berlin stolz sind – auf diese Bühne der Nation, die vieles von dem widerspiegelt, was sich in den verschiedenen Ländern und Regionen, in den Städten und Gemeinden der Bundesrepublik Deutschland tut.

Und auch die Bundespolitikerinnen und Bundespolitiker haben den Wert der Stadt durch ihre eigene praktische Erfahrung erkannt. Es war damals Kalkül zu sagen: Es wird die Politik verändern, wenn der Bundestag erst in den Osten Deutschlands und nach Berlin kommt. Und umgekehrt werden auch der Osten Deutschlands und Berlin verändert, wenn die Bundespolitik hierher kommt. – Das ist auch eingetreten, das hat die Politik von Bundesregierung, Bundestag und auch Bundesrat verändert. Das ist eine gute Entwicklung für unser Land und auch eine gute Entwicklung für unsere Stadt.

Um unsere Rolle als Hauptstadt zu definieren, erwähne ich ein paar Stichworte, die nicht in Vergessenheit geraten sollen, auch wenn es vielleicht Selbstverständlichkeiten sind: Wir wollen eine liberale, eine tolerante, eine weltoffene, eine friedliche Metropole sein – Berlin.

[Beifall bei der SPD, der PDS – Vereinzelter Beifall bei der CDU und der FDP]

Wir wollen eine europäische und eine westliche Metropole sein; ein Ort, wo preußisch-deutsche Geschichte mit allenHöhen und in Tiefen und die demokratische Gegenwart und die europäische Zukunft ganz eng beieinander liegen und wo wir auch Beiträge zu dieser Gegenwart und Zukunft leisten; keine Hauptstadt, die gravitätisch oder gar wilhelminisch daherkommt; eine Stadt, die mit der Vielfalt der deutschen Städte, auch der europäischen Städte, in einem friedlichen Wettbewerb steht; kein zentralistischer Moloch; keine Stadt, die alles und jedes an sich ziehen will.

Wir sind froh darüber, dass es in unserem Land eine Hauptstadtdiskussion gibt, nicht nur durch den Bundespräsidenten und die Föderalismuskommission angestoßen, sondern auch durch die Medien und die Nationalstiftung.

In diesem Zusammenhang möchte ich Sie auf die Rede des Vorstandsvorsitzenden Döpfner vom SpringerKonzern aufmerksam machen, die er anlässlich der Eröffnung des neuen Verlagshauses gehalten hat. Man mag über manche Organe dieses Hauses denken, wie man will,

Sen Böger

aber man sollte sich ansehen, warum aus geschäftlichem Kalkül – nicht etwa aus irgendeiner Sentimentalität heraus – die Firma Springer ihren Hauptsitz an die Spree, an die Kochstraße, verlegt hat. Das muss man sich ansehen, dann versteht man etwas mehr, warum Teile der deutschen Wirtschaft zu Recht auf Berlin setzen.

Ich bin froh und dankbar dafür, dass Frau Bundesministerin Kühnast und der Kollege Ratzmann für die Grünen Thesen über „Berlin, eine Hauptstadt als föderaler Identifikationspunkt“ vorgelegt haben. Das trifft sich sehr gut und sehr passgenau – möchte man sagen – mit dem Vorschlag, den der Regierende Bürgermeister – zum richtigen Zeitpunkt übrigens – gemacht hat. Da muss kein Regierender Bürgermeister vor allen anderen vorweg marschieren. Er muss mit dem richtigen Vorschlag zur richtigen Zeit kommen, und das hat der Regierende Bürgermeister Wowereit mit seinem Vorschlag der Ergänzung des Grundgesetzes um den dazu gehörenden Artikel über die Hauptstadt Berlin auch sehr gut gemacht.

[Beifall bei der SPD – Vereinzelter Beifall bei der PDS]

Da ist eine Diskussion in Gang gekommen, aber es gilt natürlich auch, dass Hauptstadtanforderungen an uns gestellt werden, dass wir uns hauptstadtmäßig verhalten müssen,

[Dr. Lindner (FDP): Er rudert zurück! Er hat einen aufs Dach bekommen!]

dass wir als Dienstleister für die auftreten müssen und wollen, die in unsere Stadt kommen oder unsere Stadt nutzen wollen. Das beginnt mit Offenheit und Toleranz für Migranten oder für Menschen, die aus anderen Ländern zu uns kommen, um hier vorübergehend oder für längere Zeit zu leben.

[Beifall bei der SPD – Vereinzelter Beifall bei der PDS]

Toleranz ist ein Wert, der immer neu erarbeitet werden muss. Ich bin stolz, dass in unserer Stadt wieder nicht nur die größte jüdische Gemeinde Deutschlands ist, sondern jüngst die erste jüdische Hochschule in der Bundesrepublik Deutschland, das Touro College, eröffnet worden ist.

[Vereinzelter Beifall bei der SPD und der PDS]

Aber es gehört auch ein investorenfreundliches Klima dazu. Das heißt, dass diejenigen, die bei uns Geld investieren wollen, sich nicht nur durch die Bauverwaltung, sondern auch durch die Bezirksämter gut empfangen und aufgehoben fühlen müssen. Es muss ebenso die Offenheit für den Wettbewerb mit anderen Städten hinzukommen. Man kann über Elite-Hochschulen denken, wie man will, wenn die Bundesregierung einen solchen Wettbewerb macht, sollten wir als Berlinerinnen und Berliner mit unseren Universitäten daran teilnehmen. Unsere Universitäten brauchen diesen Wettbewerb überhaupt nicht zu fürchten.