Das leuchtet ein. Hier müssen die richtigen Gesprächspartner im Raum sein. – Wir unterbrechen kurz und bitten den Senat, für die Anwesenheit des Innensenators Sorge zu tragen.
Wir begrüßen den Herrn Innensenator. Die Sitzung wird fortgesetzt, und der Kollege Henkel fährt fort in seiner Rede. – Bitte schön!
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Vor fast einem Jahr wurde nach kontroversen Diskussionen in den Ausschüssen die von der rot-roten Regierungskoalition durchgesetzte Änderung des Allgemeinen Sicherheits- und Ordnungsgesetzes, kurz ASOG, im Plenum verabschiedet. Die CDU-Fraktion sprach bereits damals von einer Rolle rückwärts, die dieser Senat mit dem neuen ASOG in Sachen Sicherheit für die Berlinerinnen und Berliner vollzogen hat.
Unser damaliger Kritikpunkt lag seinerzeit schwerpunktmäßig bei den Themen Videoüberwachung und Regelung des finalen Rettungsschusses. Und obwohl auch diese beiden Bereiche nach der Ablehnung unserer damaligen Änderungsanträge für uns nach wie vor noch nicht hinreichend geregelt sind, richtet sich unser heutiger Antrag auf einen Paragraphen des ASOG, nämlich § 17 Abs. 3, dessen Änderung auch wir noch vor einem Jahr als nicht so gravierend angesehen haben. Auch wir waren der Auffassung, dass die neue Regelung sehr wahrscheinlich im Stande sein wird, mögliche Abgrenzungsschwierigkeiten zu beseitigen und somit einen Beitrag zur Rechtsklarheit zu leisten. Für zwingend notwendig allerdings hielten wir diese Änderung, die eine Einschränkung polizeilicher Befugnisse zur Folge hatte, nicht, da wir im Unterschied zu manch anderer Fraktion hier im Hause überhaupt keinen Zweifel am maßvollen Einsatz polizeilicher Befugnisse haben.
Unabhängig davon müssen wir heute, ein Jahr später, feststellen, dass die Änderung des § 17 Abs. 3 ASOG für die polizeiliche Arbeit noch gravierender war, als – zumindest von uns – vorher angenommen. Heute werden die Probleme, die die Neuregelung für die Praxis der Polizei mit sich bringt, mehr als deutlich, und es ist nicht übertrieben, wenn man feststellt, dass sich die Änderung des § 17 Abs. 3 ASOG überhaupt nicht bewährt hat.
1. Verbrechen, 2. Vergehen, die auf Grund ihrer Begehungsweise, ihrer Dauer oder Schwere geeignet sind, den Rechtsfrieden besonders zu stören; dies gilt insbesondere für Straftaten, die gewerbs-, gewohnheits-, serien- oder bandenmäßig oder in anderer Weise organisiert begangen werden.
Straftaten von erheblicher Bedeutung sind alle Verbrechen und alle weiteren in § 100a der Strafprozessordnung aufgeführten Straftaten.
In ihrem Vorblatt zur Vorlage – zur Beschlussfassung – beschreibt die Koalition ihr Problem. Dort heißt es:
Der Begriff der Straftat von erheblicher Bedeutung wird in § 17 Abs. 3 ASOG definiert. Danach fallen alle Verbrechen und alle Vergehen darunter, die
auf Grund ihrer Begehungsweise, ihrer Dauer oder Schwere geeignet sind, den Rechtsfrieden besonders zu stören. Diese Generalklausel eröffnet der Polizei einen weiten Beurteilungsspielraum.
Hier kann man sich die Frage stellen: Warum eigentlich? Haben wir so wenig Vertrauen in unsere Polizei?
Ja, ich weiß, dass es in Ihren Reihen Leute gibt, die schon Schaum vor dem Mund und Angstschweiß auf der Stirn haben, wenn sie nur Grün sehen. Das fängt schon beim Oberförster an.
Schlimmer allerdings sind die Folgen, die sich ein Jahr nach der vollzogenen Änderung einstellen – negative Folgen übrigens, die der Polizeipräsident und der Innensenator offensichtlich auch so sehen, wenn ich die Antwort von Herrn Körting auf meine Mündliche Anfrage vom November letzten Jahres richtig verstehe. Damals antwortete der Innensenator auf meine Frage, ob es nach der Änderung des § 17 Abs. 3 ASOG Einschränkungen der präventivpolizeilichen Maßnahmen in einigen Deliktfeldern gibt, unter anderem:
Der Polizeipräsident hat mich allerdings auf Grund der Praxis, die sich mittlerweile eingespielt hat, darauf hingewiesen, dass es an einigen Stellen zu Problemen kommt, weil der Katalog des § 100a StPO nach seiner Auffassung in einigen Teilbereichen zu eng gefasst ist.
Genau das ist der Punkt, warum wir heute die erneute Änderung des ASOG beantragen. Denn durch die Einengung des Begriffs der Straftaten von erheblicher Bedeutung auf Verbrechen und alle weiteren in § 100a der Strafprozessordnung aufgeführten Straftaten wurde per Legaldefinition der zuvor vorhandene polizeiliche Auslegungs- und Handlungsspielraum derart eingeengt, dass hierdurch die Arbeit der Berliner Polizei massiv behindert und erschwert wird. Polizeiliche Befugnisnormen, die die Annahme einer Straftat von erheblicher Bedeutung voraussetzen, sind seit der Änderung des ASOG in der jetzigen Form in wichtigen Kriminalitätsfeldern nicht mehr anwendbar. Das bedeutet, dass beispielsweise bei Delikten im Zusammenhang mit der gewalttätigen Türsteherszene, bei Fällen des Kapitalanlagebetruges, bei Trickbetrug oder Trickdiebstahl, bei Sozialhilfebetrug oder auch bei Delikten rund um die Jugendgruppengewalt die Polizei den Schadenseintritt, also die Verübung der Straftat, quasi abwarten muss, um dann strafverfolgend tätig zu werden. Von Prävention kann nach Ihrer Neufassung des § 17 Abs. 3 ASOG überhaupt keine Rede mehr sein.
Im Übrigen wissen Sie doch genau, dass die Mehrzahl der von der Polizei gefahrenabwehrend zu erforschenden Sachverhalten eben keine Straftaten betreffen, die per Definitionem entweder Verbrechen oder Katalogtaten nach § 100a StPO sind. Sie wissen, dass die Mehrzahl vielmehr Vergehen betreffen, die auf Grund ihrer besonderen Umstände oder Begehensweise den Anforderungen des alten § 17 Abs. 3 – wie bereits von mir benannt – entsprechen.
Wir alle diskutieren im Augenblick unter anderem auch den Umgang mit Kriminalität in den so genannten Problemkiezen. Auch die Bekämpfung der Straßenkriminalität ist mit dem jetzigen § 17 Abs. 3 nicht effektiv genug zu leisten. Auch aus diesem Grund wollen wir wieder die alte Fassung in Kraft setzen und bitten deshalb um Ihre Zustimmung. – Herzlichen Dank!
Danke schön, Herr Kollege Henkel! – Für die Fraktion der SPD erhält das Wort die Kollegin Frau Hertel. – Bitte schön!
Nach der sehr großzügigen Auslegung der fünf Minuten, Herr Henkel, für Ihre Rolle rückwärts möchte ich mich zu Ihrem Antrag äußern.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Sie haben Recht, wir haben im Februar letzten Jahres – also vor knapp einem Jahr – das ASOG geändert, weil wir fanden und finden, dass eine Formulierung wie – mit Erlaubnis des Präsidenten –:
ein wenig schwammig, ein wenig konturenlos ist. Wir haben damals – und auch heute – kein Zurück zu einer Generalklausel, wie Sie sie formuliert haben, praktiziert, weil wir fest davon überzeugt sind, dass wir, wenn wir ein rechtsstaatlich sauberes Verfahren und ein rechtsstaatlich sauberes Vorgehen wählen wollen – und das wollen wir –, sehr darauf achten müssen, dass wir eine möglichst genaue, klare Aussage, eine präzise Formulierung und vor allen Dingen ein transparentes Verfahren anwenden müssen. Das ist uns nur dann möglich, wenn allen, die daran beteiligt sind – und die davon eventuell betroffen sind –, klar ist, wann sie sich in Gefahr begeben bzw. wann ein Paragraph des ASOG auf sie angewendet wird.
Sie haben allerdings Recht. Die Anwendung des geänderten ASOG, die Präzisierungen haben auch – das liegt in der Natur der Sache – zu einer gewissen Einengung geführt dahin gehend, dass insbesondere – und das ist eine Gefahr, die wir, der Senator für Inneres und der Polizeipräsident bereits erkannt haben – im präventiven Polizeibereich und in der organisierten Kriminalität Nachbesserungspotential vorhanden ist. Wenn Sie besser schlafen, will ich gern sagen, dass es zu einer Regelungslücke geführt hat,
Aber wir werden es nicht tun, indem wir allgemein über einen Kamm scheren, alles möglich machen, was Ihnen Recht ist, sondern wir werden sehr vorsichtig vorgehen.
Der Katalog des § 100a der Strafprozessordnung, der jetzt als abschließende Definition eingeführt ist, ist zu eng. Wir werden Erweiterungen einführen müssen, aber wir wollen es vorsichtig machen. Ich habe beim Lesen Ihrer Begründung für den Antrag, den Sie eingebracht haben, allerdings – das möchte ich an dieser Stelle noch hinzufügen – als ordentliches Mitglied des ersten Untersuchungsausschusses „Bankenskandal Berlin“ mit sehr viel Freude, auch mit sehr viel Überraschung, eine Formulierung gelesen, bei der ich mich gefragt habe, was Ihnen, als Sie dies so formulierten – und ich gehe davon aus, dass Sie das allein formuliert haben –, durch den Kopf gegangen sein mag. Ich darf mit Erlaubnis des Präsidenten zitieren. Sie machen sich ja wohl insbesondere Sorgen um die Problematik bei der Bekämpfung bestimmter Kriminalitätsfelder und hier liegt Ihnen sehr am Herzen die des „Kapitalanlagebetruges (z. B. Feststellung von betrügerischen Anbietern mit unrealistisch hohen Gewinnangaben)“. Seien Sie mir nicht böse, aber da fiel mir in diesem Zusammenhang sofort der Gardelegen-Fonds oder der GEHAG-Fonds ein.
Ich gehe davon aus, dass das auch die Vorstellung war, die Ihnen dabei durch den Kopf ging. Sie werden verstehen, dass wir den Antrag als solchen ablehnen, ihn aber gern in den Ausschuss für Inneres, Sicherheit und Ordnung übernehmen und dort zusammen mit den Fachleuten beraten.
Vielen Dank, Frau Kollegin Hertel! – Die Fraktion der FDP folgt. Herr Ritzmann hat das Wort. – Bitte schön!
Herzlichen Dank, Herr Präsident! – Meine sehr verehrten Damen und Herren! Die CDU benennt ein konkretes Problem. Es hat im Vorfeld im ASOG eine Generalklausel gegeben. Die Regelung, die darauf folgte, war eine Einschränkung der polizeilichen Befugnisse, eine Präzisierung, insbesondere was den Einsatz von V-Leuten, Hausdurchsuchungen und ähnliches angeht. Die Befugnisse der Polizei wurden in ihrer Arbeit beschränkt und – auf der anderen Seite – natürlich Bürgerrechte gestärkt. Das war eine langjährige FDPForderung, die wir unter anderem im ehemaligen Entwurf des Koalitionsvertrages verhandelt haben. Deswegen waren wir hier mit dem Senat sehr zufrieden. Jetzt ist es fast ein Jahr her seit der Änderung, und wir sind in der Pflicht, zu überprüfen, ob es berechtigte Kritik gibt und
inwieweit nachgebessert werden muss. Das gehört allerdings in den Ausschuss für Inneres, Sicherheit und Ordnung, da ist es gut aufgehoben.
Ich möchte das Thema erweitern, denn ich glaube, dass es sich um ein Grundsatzproblem, eine andere Positionierung z. B. der FDP und der CDU handelt. Das möchte ich bei der Terrorismusbekämpfung und auch bei der Kriminalitätsbekämpfung deutlich machen. Die Bedrohung durch Terrorismus auch in Berlin ist offensichtlich. Wie aber steht es mit der Gefahr für Freiheitsrechte durch die Bekämpfung des Terrorismus? – Diese Debatte müssen wir ebenfalls führen.