Protokoll der Sitzung vom 29.01.2004

Die lfd. Nrn. 6 und 7 sind bereits durch die Konsensliste erledigt.

Lfd. Nr. 8:

Wahl

Einen Vertreter der Berliner Arbeitgeberverbände als Mitglied des Kuratoriums der Universität der Künste Berlin

Wahlvorlage Drs 15/2408

Wir kommen zur einfachen Wahl durch Handaufheben. Den Kandidaten entnehmen Sie bitte der Begründung der Drucksache. Wer den dort genannten Herrn Ulrich Wiegand zu wählen wünscht, den bitte ich jetzt um das Handzeichen. – Danke schön! Die Gegenprobe! – Enthaltungen? – Das war einstimmig ohne Enthaltungen. Damit ist Herr Wiegand gewählt.

Dann rufe ich auf

lfd. Nr. 9:

a) Große Anfrage

Es grünt so grün, doch wie geht es weiter?

Große Anfrage der FDP Drs 15/2306 – neu –

b) I. Lesung

Mehr Berlin, weniger Staat (49) – Gesetz zur Neuordnung des Grünanlagenwesens in Berlin

Antrag der FDP Drs 15/2450

c) Antrag

Mehr Berlin, weniger Staat (50) – „Großer Tiergarten“ – aufpoliert und attraktiv

Antrag der FDP Drs 15/2448

Die Große Anfrage wurde zuletzt auf unserer Sitzung am 15. Januar vertagt. Für die Begründung hat nun die antragstellende Fraktion der FDP mit einer Redezeit von fünf Minuten das Wort. Es spricht Herr Schmidt. – Bitte schön, Sie haben das Wort!

Wieland, Wolfgang

Vielen Dank! – Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Berlin ist eine grüne Stadt, das weiß jeder, der in dieser Stadt lebt und der in die Stadt kommt. Mit dem Tiergarten, dem Grunewald – um nur ein paar Beispiele zu nennen – und auch den Wäldern in Köpenick haben wir Oasen in der Stadt, um die uns andere Städte beneiden.

[Brauer (PDS): Das Wuhletal!]

Auch das Wuhletal – es gibt so viele, dass ich sie in fünf Minuten nicht alle aufzählen könnte. Um das Grün ist es aber nicht gut bestellt. Um das zu wissen, braucht man nicht erst die Zeitungen des letzten Jahres Revue passieren zu lassen. Ich will hierzu nur ein paar Beispiele aufführen.

Im April 2002 gab es einen Artikel über Heckenbeseitigungen in Spandau. Da hat das Grünflächenamt in Spandau Hecken an Straßenrändern herausgerissen, um die Pflegekosten für den Heckenschnitt zu sparen. Das hat mich veranlasst, in einer Kleinen Anfrage nachzufragen, wie es um das Grün in der Stadt bestellt ist. Da gab es relativ interessante Ausführungen.

Für das Jahr 2001 wurden als notwendige Ausgaben, um das Grün der Stadt zu pflegen, an Personal- und Sachmitteln 260 Millionen € angegeben. Den Bezirken wurde jedoch nur ein Betrag von 140 Millionen € zugewiesen, das heißt rund die Hälfte. Über den Teil der Zuweisung, der Sachmittel ist, können die Bezirke frei verfügen, und hier gab es ein Soll von 85 Millionen €. Letztlich kam bei den Grünflächenämtern aber nur ein Drittel davon an, und zwar 28,5 Millionen €. Das macht deutlich, wie sich die Situation darstellt. Vermutlich ist sie seitdem eher schlechter als besser geworden.

Insgesamt ist für die Jahre 2002 bis 2006 der Neubau von 89 Grünanlagen geplant, die künftig auch zur Erhöhung der Pflegekosten beitragen werden.

Im August 2003 – ich überspringe die Berichte über Glutgruben im Tiergarten und ganze Schweine am Grill – gab es die Meldung, dass einzelne Bezirke sogar erwägen, Parks oder Teile von Parks zu sperren, weil sie der Verkehrssicherungspflicht aus finanziellen Gründen nicht mehr nachkommen können. Das zeigt deutlich: Hier haben wir einige Hausaufgaben zu machen, um den Zustand der Grünanlagen der Stadt nicht weiter herunterkommen zu lassen.

Es ist deshalb notwendig, an dieser Stelle eine umfassende Debatte zu führen, die sich nicht nur auf einzelne Grünanlagen beschränkt, sondern den gesamten Bestand betrachtet und wie dieser für die Bürgerinnen und Bürger der Stadt gesichert und qualifiziert werden kann.

Aus diesem Grund haben wir Fragestellungen zum Beispiel in quantitativer Hinsicht mit unserer Großen Anfrage gestellt, und zwar nach dem Bestand in unserer Stadt. Um das auch für die weiteren Diskussionen für alle Abgeordneten zu vergegenwärtigen, fragen wir: Wie

haben sich die Finanzmittel, die für die Grünflächen und deren Pflege eingesetzt wurden, in der Vergangenheit entwickelt? Wie wird sich der Bedarf an Finanzmitteln für Pflege, Unterhaltung und Neubau in der Zukunft entwickeln? Wie stellen sich die Pflegekosten in anderen deutschen Städten dar?

Ein anderer Aspekt sind qualitative Fragestellungen: Wie sieht der Zustand der Grünflächen in der Stadt im Einzelnen aus? Wird dieser Zustand regelmäßig erfasst und dokumentiert? Wie sieht es mit Anlagen aus, die durch mangelnde Pflege – dies wird zunehmen – auch in ihrer Substanz bedroht sind?

Ein weiterer Punkt in unserer Großen Anfrage ist es, einen Ausblick zu bekommen: Wie kann es weitergehen? Welche neuen Anlagen sind in der Planung? Wie wird sich der Bedarf an Pflegemitteln entwickeln? Welche Instrumente gibt es, um zu einer nachhaltigen Verbesserung der Situation zu kommen? Welche Vorstellungen hat der Senat, um die geschilderten und durch die Öffentlichkeit gegangenen Probleme zu beheben und eine grundlegende Lösung zu finden? – Der Zustand der Parkanlagen ist nur ein Symptom, das das Beheben der Ursache erfordert.

Ich hoffe – damit will ich zum Ende kommen –, dass wir eine ergebnisorientierte Debatte über alle möglichen Maßnahmen, die es gibt, führen können, um den Erhalt der Grünanlagen zu sichern und zu qualifizieren, offen betrachtet. – Vielen Dank!

[Beifall bei der FDP]

Danke schön, Herr Kollege Schmidt! – Dann hat der Senator Strieder das Wort zur Beantwortung. – Bitte schön, Herr Senator!

Herr Präsident! Herr Abgeordneter Schmidt! Meine Damen und Herren! Das grüne Image von Berlin ist weltbekannt. Mit dem hohen Anteil an Grünflächen, Kleingärten, Friedhöfen, Wäldern, Gewässern und landwirtschaftlich genutzten Flächen nimmt Berlin nicht nur im deutschen, sondern auch im europäischen Vergleich eine Spitzenstellung ein.

Insgesamt sind – Herr Schmidt hat auch nach Zahlen gefragt – rund 45 % des Stadtgebietes nicht bebaut. Das sind 16 000 ha Wald, 4 600 ha Landwirtschaftsflächen, 3 500 ha Kleingartenanlagen und 6 000 ha Wasserflächen. Sie alle werden – zum Teil sogar sehr intensiv –für die Erholung genutzt.

Ziel der Senatspolitik ist es, auch in Zukunft das grüne Berlin als Wohlfühlfaktor für die Berlinerinnen und Berliner wie auch für die Gäste der Stadt zu sichern. Worüber wir heute im Detail sprechen, ist nur ein Ausschnitt, das sind die 2 500 öffentlichen Grün- und Erholungsanlagen, die 1 800 Kinderspielplätze, das, was man unter dem Begriff „Stadtgrün“ zusammenfasst. Nimmt man die Gesamtfläche öffentlicher Grün- und Erholungsanlagen, so kommt man auf 6 350 ha. Umgerechnet auf die Bevöl

kerung heißt das, dass es 17,7 qm öffentlicher Grünflächen pro Einwohner in Berlin gibt. Im Durchschnitt von 15 Großstädten liegt dieser Wert bei 18,7 qm, in Hamburg bei 17,2 qm, in Bremen bei 19,5 qm pro Einwohner. Aber welche Stadt außer Berlin hat darüber hinaus im Stadtgebiet solche Waldflächen wie den Grunewald, die Müggelberge oder den Tegeler Forst? – Statistisch gesehen verfügt Berlin über eine ausreichende Versorgung mit Grünflächen, tatsächlich jedoch variiert die Situation von Bezirk zu Bezirk erheblich. Vor allem die Innenstadtbereiche und die Gebiete um den S-Bahnring sowie Teile von Spandau, Neukölln und Lichtenberg haben einen Mangel an Grünflächen.

Von den öffentlichen Grünflächen werden 5 750 ha durch die zwölf bezirklichen Grünflächenämter gepflegt und unterhalten. Darüber hinaus unterhalten die Bezirke 412 000 Straßenbäume sowie 3 850 ha weitere Grünflächen, nämlich die landeseigenen Friedhöfe, die Grünflächen im Straßenland und in den Kleingartenanlagen, Grünflächen für Schulen, Sportanlagen und sozialen Einrichtungen. Das heißt, die Bezirke haben fast 10 000 ha Fläche oder, anders ausgedrückt, 10 % der Gesamtfläche Berlins, um die sie sich kümmern müssen.

Die Pflege und Unterhaltung der öffentlichen Grün- und Erholungsanlagen kostete in Berlin im Jahr 2002 durchschnittlich 1,70 € pro Quadratmeter. Die besonders aufwändige Pflege und Unterhaltung der zu den Grünanlagen gehörenden Kinderspielplätze kostete 4,80 € pro Quadratmeter. Ein Vergleich mit anderen deutschen Städten ist schwierig, denn die Spannbreite der Unterhaltungskosten reicht von 79 Cent pro Quadratmeter bis zu 2,30 € pro Quadratmeter. Die Kosten beispielsweise im Bezirk Spandau liegen bei 1,10 € pro Quadratmeter. Berlin läge bei diesem Vergleich insgesamt mit seinen Kosten im mittleren Bereich. Das ist angesichts der intensiven Nutzung der Grünflächen in Berlin durchaus bemerkenswert. Darüber hinaus sind wir dabei, die Pflegekosten detaillierter mit denen anderer deutscher Großstädte zu vergleichen und dabei vor allen Dingen – wen wundert es? – Hamburg zu betrachten.

Die Pflege und Unterhaltung der öffentlichen Grün- und Erholungsanlagen ist grundsätzlich Sache der Bezirke. Den bezirklichen Grünflächenämtern steht ein immer geringer werdender finanzieller Ansatz zur Pflege und Unterhaltung der öffentlichen Grünflächen zur Verfügung. Das hat zwei Gründe. Zum einen wurden die Zuweisungen an die Bezirke auf Grund pauschaler Minderungen von 70 Millionen € im Jahr 1994 auf 36,8 Millionen € im Jahr 2003 nahezu halbiert. Zum anderen aber fallen die Ansätze in den Bezirkshaushalten noch weitaus niedriger aus. Sie sind von 60 Millionen € im Jahr 1994, die tatsächlich bei den Grünflächenämtern angekommen sind, auf 20,1 Mio € im Jahr 2003 gesunken, weil die Bezirke in ihrer Haushaltsverantwortung eine Umverteilung zu Lasten der Grünpflege betreiben. Gleiches gilt für die zur Verfügung stehenden Stellen. 2002 gab es theoretisch 5 141 Stellen zur Pflege und

Unterhaltung von Grünflächen, tatsächlich vorhanden waren jedoch nur rund die Hälfte, nämlich 2 666.

Ich bin dafür, dass wir das bisherige pauschale Modell der Mittelzuweisung ablösen und differenzieren nach Bezirken, in denen viel zu tun ist, und nach Bezirken, in denen das Grün geringer genutzt wird, also auch ein geringerer Bedarf herrscht. Vor allem in der Innenstadt sind durch die höhere Nutzung besondere Maßnahmen und eine intensivere Pflege der Anlagen erforderlich. Es ist eben, wie jedem einleuchtet, ein Unterschied, ob ich den Stadtpark Steglitz, den Mauerpark oder aber den Görlitzer Park in Schuss halten muss. Deshalb wird zurzeit von meinem Haus mit den Bezirken ein Modell erarbeitet, bei dem die Nutzungsintensität und Gestaltungsqualität der bestehenden Anlagen gezielter bei der Mittelverteilung einbezogen wird. Aber auf der anderen Seite muss ich auch fragen, wo die Bezirke ihre Prioritäten setzen. Es kann nicht sein, dass geklagt wird, die Höhe der Mittel sei nicht ausreichend, auf der anderen Seite die Bezirke aber noch nicht einmal 60 % der Zuweisungen auch wirklich zur Pflege der Grünanlagen verwenden.

Grünanlagen sind kostspielig. Deshalb haben wir in den vergangenen Jahren immer wieder veranlasst, dass wir bei der Ausstattung und Anlage von Grünanlagen darauf achten, dass die Pflegekosten reduziert werden. So haben wir beispielsweise empfohlen, auf die Anlagen von Hochbeeten oder das Aufstellen von Pflanzkübeln zu verzichten. Der Senat hat durch eine Vereinfachung der Standards auch eine Kostenreduzierung im Bereich des Landschaftsbaus durchgesetzt. Ziel ist es, die Investitionskosten zu reduzieren und eine möglichst kostengünstige Pflege und Unterhaltung zu erhalten.

Diese Debatte wäre unvollständig, würden wir nicht auch über die Schäden durch Zerstörungen sprechen, die die Berlinerinnen und Berliner – oder besser gesagt, einige wenige von ihnen – in den Grünanlagen anrichten. Das summiert sich nach Angaben der Bezirksämter zurzeit auf 5 Millionen € pro Jahr. Angesichts dieser Situation wie auch der Erwartung, dass wir in den kommenden Jahren eine Zunahme an öffentlichen Grünflächen haben werden, die zu unterhalten sind, geht es um neue Wege bei der Substanzerhaltung und der Bestandspflege unserer öffentlichen Grünanlagen. Dabei lautet die erste Frage: Braucht Berlin mehr Grün und wenn ja, können wir es uns leisten? – Neue Grünflächen entstehen dort, wo es nötig ist und wo Berlin rechtliche Verpflichtungen eingegangen ist, vor allem also im Zusammenhang mit städtebaulichen Projekten sowie in Entwicklungsgebieten, wo auf Grund von Verträgen und Bebauungsplänen neue Grünflächen anzulegen sind. Ich nenne hierfür das Gleisdreieck, den Nordbahnhof, den Spreebogenpark oder auch den ehemaligen Flugplatz Johannisthal. Die Realisierung neuer Parkanlagen über die Investitionsplanung Berlins erfolgt nur noch ausnahmsweise. Während 1991 den Bezirken noch rund 41,5 Millionen DM für den Neubau für Grünanlagen zur Verfügung standen, waren 2003 nur noch rund 8,6 Millionen € oder 17 Millionen DM etatisiert. Dabei ist

Sen Strieder

aber zu berücksichtigen, dass ein Großteil dieser Mittel für die Grunderneuerung bestehender Anlagen – insbesondere von Kinderspielplätzen – verwendet wurde und wird.

Wir haben eine gesamtstädtische Ausgleichskonzeption entwickelt, um die Mittel, die wir aus Ausgleichs- und Ersatzmaßnahmen erhalten, nicht mehr in dem Gebiet des jeweiligen Bebauungsplans einsetzen zu müssen, sondern Prioritäten in der Stadt setzen zu können. Aus diesen Mitteln, den Ausgleichs- und Ersatzmaßnehmen, können wir die wesentlichen Neuinvestitionen, die immer noch notwendig sind, aber vor allem den Bestanderhalt, die Instandsetzung und Aufwertung der Grünflächen finanzieren. Es macht keinen Sinn, dass am Stadtrand ein Bahnprojekt entsteht und darum herum neue Wiesen angelegt werden, während die grünen Plätze in der Innenstadt verwahrlosen.

[Beifall bei der SPD]

Eine weitere Frage ist, wie wir angesichts der finanziellen Lage der öffentlichen Haushalte – da unterscheidet sich Berlin nicht von anderen Städten – die Grünflächen sichern und weiterentwickeln können. Wenn wir über Berlin 2020 und die Perspektiven der Stadt sprechen, müssen wir auch die Frage einbeziehen, welche Auswirkungen die demographischen Veränderungen, aber auch die ökonomischen Neupotentiale Berlins auf die Versorgung mit Grünflächen haben. Dabei wird es darauf ankommen, dass wir wohnortnahes Grün haben. Wir werden darauf achten müssen, dass die Älteren, die möglicherweise nicht mehr so beweglich sind, auch die Chance haben, Grünflächen aufzusuchen.

Darüber hinaus müssen wir darüber nachdenken, wie wir Modelle mit privater Verantwortung schaffen können, die geeignet sind, die Bereitschaft und Eigenleistung von Bürgerinnen und Bürgern, von Stadtteilinitiativen, Wohnungsbaugesellschaften und Investoren zu aktivieren. Aufbauend auf bisherigen Erfahrungen soll das ehrenamtliche Engagement von Bürgerinnen und Bürgern gefördert oder die vertragliche Übernahme öffentlichen Grüns in private Obhut möglich gemacht werden.