Protokoll der Sitzung vom 17.03.2004

Der Rechnungshof ist auf die Verfassung vereidigt. Er macht seine Arbeit im Auftrag des Landes Berlin und der Steuerzahler. Unter diesem Aspekt beurteilt er das, was er dort findet. Der Rechnungshofbericht soll nun delegitimiert werden, indem ein Kienbaum-Gutachten angefordert wird, das natürlich das gewünschte Ergebnis haben wird, wenn es dann vielleicht auch öffentlich wird, nämlich dass das bei der BVG alles marktüblich sei und aus anderen Gründen Gehaltszahlungen vorzugsweise wie in privaten Unternehmen geleistet würden. Wir haben die BVG aber nicht privatisiert, wir haben ein öffentliches Unternehmen.

Frau Matuschek

Dahin wollte ich gerade kommen, zur Rolle des Aufsichtsrates. Die Satzung der BVG ist ganz klar. Sie sagt, bei Sonderverträgen mit Arbeitnehmern ist der Aufsichtsrat vorher zu befragen. Dazu ist der Vorstand, der ansonsten für sein Handeln insbesondere im Personalbereich eigenverantwortlich ist, verpflichtet. Der Rechnungshofbericht geht davon aus, dass sich der Aufsichtsrat in den letzten Jahren zwei Mal über diese Praxis der außertariflichen Verträge verständigt hat – 1995 und 1999.

Das Verhältnis zwischen Vorstand und Aufsichtsrat ist ein zweiseitiges. Einerseits hat der Vorstand die Pflicht und Schuldigkeit, solche Sachen vorzulegen, und andererseits hat der Aufsichtsrat, wenn so etwas ausbleibt, danach zu verlangen. Wenn innerhalb des Aufsichtsrates seit geraumer Zeit immer wieder vom Vorstandsvorsitzenden und vom Vorstand eine klare Auskunft über Beraterverträge und sonstige Kostenrisiken verlangt wurde und das nicht erfolgt oder nicht zur Zufriedenheit aller Aufsichtsratsmitglieder erfolgt, dann muss ich auch in diesem Fall zu dem Schluss kommen, dass der Aufsichtsrat offensichtlich seitens des Vorstandes missachtet wird. Ich fordere deshalb den Aufsichtsratsvorsitzenden auf, dort unnachgiebig die Aufsicht zu führen und dafür zu sorgen, dass solche Geschäftspraktiken nicht länger Bestand haben.

Ich habe nicht mehr viel Redezeit und werde deshalb auch nichts mehr über unsere Forderungen zum Sanierungsprozess sagen. Das habe ich bei der letzten Debatte schon mehrfach getan. Ich sage nur kurz Folgendes noch einmal: Die BVG ist kein normales Unternehmen. Sie hat eine soziale Verantwortung. Die Praxis, die hier zum Gegenstand der Debatte wurde, ist umso verwerflicher, wenn man bedenkt, dass die 2,8 Millionen € an Kostenrisiken, die durch diese außertariflichen Verträge entstanden sind, in etwa die Summe sind, die die BVG bräuchte, um ein soziales Ticket anzubieten. Damit ist der Eindruck noch verheerender. Die soziale Verantwortung dieses Unternehmens besteht auch darin, ein sozial ausgewogenes Fahrpreisangebot zu unterbreiten. Die Fahrgäste der BVG erw

[Ritzmann (FDP): Sie haben keine Ahnung von der Materie!]

Ein öffentliches Unternehmen muss sich der öffentlichen Kritik stellen und sich daran ausrichten, dass es im öffentlichen Interesse agiert. Eine Delegitimierung des Rechnungshofs lassen wir nicht zu und weisen sie strikt zurück.

[Beifall bei der PDS]

Der Koalition wurde vorgeworfen, wir würden eine Hinhaltetaktik mitmachen. Diesen Vorwurf weise ich zurück.

[Cramer (Grüne): Die Senatsbank schweigt doch!]

Wir haben heute zum zweiten Mal innerhalb eines halben Jahres eine Aktuelle Stunde zur BVG. Das gibt zu denken. Offensichtlich ist sich das Parlament einig, dass der Sanierungsprozess, wie er in der BVG läuft, nicht entsprechend den Zielvorgaben des Landes Berlin und den Wünschen des Parlaments verläuft. Wir hatten im November den Vorstandsvorsitzenden Herrn von Arnim zu einer ausführlichen Anhörung eingeladen. Ich persönlich habe ihn dabei gefragt, wie es mit den AT-Beschäftigten sei. Darauf hörte ich: Legendenbildung! – Wir haben vor zwei Wochen, sofort nachdem der Rechnungshofbericht in die Presse gelangt war, die Spontane Fragestunde genutzt, um den Aufsichtsratsvorsitzenden Herrn Sarrazin über die Existenz und Richtigkeit dieses Rechnungshofberichts zu befragen.

[Wieland (Grüne): Und was hat er gesagt? – Gar nichts! Jeder soll leistungsgerecht bezahlt werden!]

Ich komme langsam nicht mehr darum herum, dass all die vielen Äußerungen, die im parlamentarischen Raum, in den Plenardebatten und den Ausschüssen, auch im Hauptausschuss und in vielen politischen Gesprächen mit verschiedenen Etagen der BVG gemacht werden, dort offenbar nicht ankommen. Ich halte dieses Vorgehen auch seitens der BVG für eine eklatante Missachtung des Parlaments.

[Hoffmann (CDU): Oh!]

Ja! Anders kann ich es nicht nennen. – Die Kritik am Sanierungsverlauf ist so häufig geäußert worden, dass man sie sich von den Spatzen von den Dächern heruntersingen lassen könnte. Es wurde mehrfach gesagt, dass sich die Kritik eindeutig darauf beziehe, dass es nicht nur darum gehen kann, Personalkosten zu reduzieren, die Mitarbeiter zu verschrecken, zu demotivieren, sondern dass es auch darum geht, die Ertragslage zu steigern. Dies aber durch überdurchschnittliche Fahrpreiserhöhungen zu erreichen, ist nicht akzeptabel. Das haben wir im Parlament mehrfach gesagt.

Herr Schruoffeneger, ich habe Sie winken sehen. Ich muss mich entschuldigen, wir haben wenig Zeit. Wir können die Debatte außerdem nachher noch weiterführen.

[Schruoffeneger (Grüne): Ich wollte Sie bitten, noch etwas zur Rolle des Aufsichtsratsvorsitzenden zu sagen!]

arten ein soziales Ticket. [Ritzmann (FDP): Jedes Ticket der BVG ist ein soziales!]

Das ist möglich, wenn man das Geschäftsgebaren endlich darauf zurückführt, was die BVG zu tun hat, nämlich Nahverkehr zu machen, statt – wie Herr Kaczmarek völlig zu Recht sagt – Geschäftsfelder sonstwo aufzumachen, nur nicht in Berlin. Das kritisieren wir, und wir fordern die BVG und den Aufsichtsrat auf, hierbei Klarheit und – vor dem Hintergrund der Notlage des Unternehmens und des Landes – ordentliche Verhältnisse zu schaffen. – Vielen Dank!

[Beifall bei der PDS und der SPD]

Das Wort hat der Abgeordnete von Lüdeke. – Bitte sehr!

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Bei dem Thema dieser Aktuellen Stunde fiel

Zum Sachverhalt: Es soll bei der BVG etwa 80 außertarifliche Mitarbeiter geben – mit überhöhten Gehältern, wie es heißt. 1996 sollen es nach Angaben der Grünen acht Mitarbeiter gewesen sein. Wahrlich eine interessante Entwicklung, die bereits zur Zeit der großen Koalition begonnen hat. Einige dieser außertariflichen Mitarbeiter sollen sogar mehr verdienen als der Regierende Bürgermeister – als ob dieser das Richtmaß für die Spitzeneinkommen in Berlin wäre. Da gibt es aber – und das mag

den Regierenden Bürgermeister enttäuschen – sicher noch ganz andere Spitzen – wohlgemerkt: in florierenden Unternehmen wie z. B. Schering! Das ist also insgesamt ein Stoff, der sich für eine Neid- und Gerechtigkeitsdebatte direkt anbietet. Motto: Was verdient Herr Schrempp, Daimler-Chrysler, und ist es gerecht, dass der so viel verdient? – Ich sage Ihnen dazu: Gute und erfolgreiche Manager sind gefragt und kosten leider auch richtig Geld.

mir als erstes der Begriff „Bananenrepublik“ ein. Was war passiert? – Der Landesrechnungshof hat die BVG, ein landeseigenes Unternehmen, geprüft. Das ist sein gutes Recht. Über diese Prüfung hat er einen Bericht verfasst, und diesen Bericht hat er vertraulich an die Geschäftsleitung des betroffenen Unternehmens zur Stellungnahme gegeben. Das Unternehmen hat diesen Bericht in wenigen Exemplaren erhalten, wie man mir erzählt hat. Das Abgeordnetenhaus, der Hauptausschuss oder der Unterausschuss „Vermögensverwaltung und Beteiligungen“ des Abgeordnetenhauses haben diesen Bericht nicht bekommen. Aber wenige Exemplare dieses Berichtes hat die Presse bekommen.

Was ist passiert? – Die Herren von der Presse, die Journalisten, die diesen Bericht hatten, haben die Abgeordneten angerufen und sie zu dem Bericht befragt – zu außertariflichen Gehältern, zur Vielzahl von Dienstwagen oder zu einzelnen Personen etwa in folgender Form: Kennen Sie den Herrn XY, der inzwischen bei einem Tochterunternehmen der BVG tätig ist und tatsächlich noch bei der BVG auf der Payroll stehen soll? Das waren die Vorgänge. Mindestens zwei Journalisten hatten den Bericht – plus Senat, plus Herrn Schruoffeneger. Herr Schruoffeneger erklärte dann nämlich in einem Fernsehinterview: Jetzt habe ich auch einen!

[Wieland (Grüne): Ja, clever ist er! – Cramer (Grüne): Jetzt wollen Sie wissen, woher!]

Heute haben wir erfahren, dass Herr Cramer auch einen hat.

[Wieland (Grüne): Sie sind offenbar der Letzte, der etwas vorab bekommt!]

Jetzt möchte ich gern wissen, wer hier im Abgeordnetenhaus diesen Bericht hat. Vielleicht können sich die Betreffenden einmal melden und erklären: Wir haben ihn. – Bei Ihnen wissen wir es. Die FDP hat ihn nicht.

[Gelächter bei den Grünen]

Darüber können Sie ja lachen, der ehemalige Justizsenator dieser Stadt. Aber ich habe doch einige Bedenken, was Ihr Rechtsempfinden betrifft. Dieser Umgang scheint sich in dieser Stadt durchzusetzen, denn das merken wir auch beim Umgang mit Unterlagen der Staatsanwaltschaft in Sachen Tempodrom. Die werden auch alle öffentlich.

[Zurufe von den Grünen]

Wir sind wahrlich eine Bananenrepublik. Dieser Senat hat diese Stadt zur Bananenrepublik degradiert.

[Beifall bei der FDP]

[Zurufe von den Grünen]

Sie tragen dafür in der Regel das Risiko, bei Nichterfolg kurzfristig geschasst zu werden und damit an Marktwert zu verlieren.

[Over (PDS): Das ist ja ein erhebliches Risiko! – Weitere Zurufe]

Daran, dass das mit dem kurzfristigen Schassen auch bei der BVG der Fall ist, darf man allerdings erfahrungsgemäß zweifeln.

[Beifall bei der FDP]

Wenn sich diese Zweifel bestätigen würden, dann wäre das ein Skandal. Selbstverständlich sollten die außertariflichen Gehälter in irgendeiner Weise auch erfolgsabhängig sein. Es kann nicht sein, dass man sich einfach nur bedient.

Für die FDP-Fraktion stellt sich aber nicht in erster Linie die Frage: Was verdient Graf Arnim? – Von Herrn Cramer wurde ja sofort ein Feindbild hochgezogen, wo nicht nur von „Graf“ die Rede war, sondern auch von „Sanierer“ und „überdurchschnittlich bezahlt“. Einen Dienstwagen fährt er auch noch. Wir stellen eher die Fragen: Wie erfolgreich erledigt er seine Aufgabe, nämlich die dringende Sanierung der BVG? Wie erfolgreich ist er bei seiner Arbeit, den Monopolbetrieb BVG auf den bevorstehenden Wettbewerb vorzubereiten?

[Beifall bei der FDP]

Welche und wie viele Spitzenkräfte braucht er dazu, um seine Vorstellungen durchzusetzen? Sind er und seine Führungsmannschaft erfolglos, müssen ihre Gehälter gekürzt werden. Ihre Verträge müssen kündbar sein und gegebenenfalls auch gekündigt werden.

[Cramer (Grüne): Sie sind ein Traumtänzer!]

Man sollte aber nicht die Gehälter der AT-Mitarbeiter beispielsweise in Beziehung zum Sozialticket setzen, denn wenn der Senat – das haben wir in einer der letzten Debatten in diesem Hause bereits klar gemacht – ein Sozialticket haben will, soll er es bei der BVG bestellen und bezahlen.

Zur Frage: „Gibt es bei der BVG Überausstattungen in Bezahlung und Anzahl von außertariflichen Mitarbeitern?“ – Wie man die landeseigenen Unternehmen dieser Stadt kennt, dürfte daran wohl kein Zweifel bestehen. Die in der Presse genannten Zahlen haben sicher jeden von uns überrascht. Uns – die FDP – genauso wie Herrn Cramer von den Grünen! Letzte Klarheit in dieser Frage

)

Sorgen wir für Markt und Wettbewerb im Berliner ÖPNV. Sorgen wir für eine Politik, die das BVGMonopol aus dem Verkehr zieht – nicht nur ihre Vorstände –, die Selbstbedienungsmentalität der BVG-Vorstände wird dann mit Sicherheit von allein weichen. Meine Damen und Herren von den Grünen! Ihr Antrag verrät gerade keinen Mentalitätswechsel, denn Sie wollen im Grunde am Staatsbetrieb festhalten.