Protokoll der Sitzung vom 21.02.2002

[Beifall bei der FDP und der CDU]

Herr Körting sagte, der Senat müsse sich hier heraushalten. Er sagte, es sei nicht die Zuständigkeit des Senates, sich hier öffentlich zu positionieren, und hielt dann vorlesungsartige Ausführungen ab über europarechtliche Konsequenzen und über die Verfassungsmäßigkeit der FDP. Ich weiß nicht genau, was der Zusammenhang war. Ich habe es nicht wirklich verstanden.

[Heiterkeit]

Ich habe mich bemüht, das ist wichtig. Auch ich bin in diesem Land ausgebildet worden und habe es bis hierher geschafft, aber so weit wie Sie habe ich es denn doch nicht gebracht.

Es ist, glaube ich, lächerlich und es ist, ehrlich gesagt, auch unwürdig, wie der Senat auf ernst gemeinte Fragen reagiert. Es geht hier um Aufklärung. Was ich verlesen habe, waren zum großen Teil keine Meinungen der FDP, sondern Feststellungen der Bundesregierung.

[Beifall bei der FDP und der CDU]

Und in der Bundesregierung sitzen die SPD und die Grünen, und die haben das festgestellt, was ich hier verlesen habe. Als Reaktion kam Herr Körting, der uns wie in einer Grundschule eine Vorlesung darüber hielt, was das Parlament ihn fragen dürfe und was nicht und was er darauf antworten darf. So geht das hier nicht. Ich bin erst neu dabei, aber soweit ich weiß, ist das Parlament der Primat und die Regierung hat sich den Fragen zu stellen [Beifall bei der FDP und der CDU]

und hat im Rahmen dessen, was ihr möglich ist, zu antworten und nicht nur darauf, worauf sie Lust hat.

Ich weiß nicht genau, warum das so gelaufen ist, Herr Körting; ich schätze Sie sehr. Vielleicht ist das eine Überkompensation des inneren Konfliktes, in dem Sie sich möglicherweise befinden, mit einer Partei den Tag zu verbringen, über die Sie vielleicht abends im Verfassungsschutzbericht lesen.

[Beifall und Heiterkeit bei der FDP und der CDU]

Ich kann das verstehen. Das würde mich auch durcheinander bringen, und vielleicht ist das der Grund für die unwürdige Art und Weise, wie Sie das Parlament hier behandelt haben. Ich freue mich, dass Sie der FDP zugesprochen haben, dass sie nicht verfassungswidrig ist. Aber wenn Sie in diesen Stil weitermachen, können wir uns auf den nächsten Verbotsantrag aus Ihrem Haus freuen.

Ich wünsche mir, dass wir uns in dieser Debatte, die jetzt noch folgt, auf die Fragen konzentrieren, die wir gestellt haben.

Wenn wir alle zu dem Ergebnis kommen, dass es überhaupt kein Problem mit der PDS gibt, dass das, was die Bundesregierung sagt, alles falsch ist, dass das, was das Landesamt für Verfassungsschutz weiß, alles falsch ist, und dass das, was der gesunde Menschenverstand uns aus diesen Erkenntnissen vorgibt, auch falsch ist, dann können wir das Thema beerdigen. Wenn das nicht der Fall ist, wünsche ich mir eine seriöse Debatte und fordere auch den Senat auf, daran teilzunehmen.

[Beifall bei der FDP und der CDU]

Danke schön, Herr Kollege Ritzmann! Es gehört hier dazu, zu sagen, wieviel Zeit Sie genutzt haben, von zehn Minuten sind es drei gewesen. – Ja!

[Ritzmann (FDP): Na, na, wollen wir eine Debatte führen, was Inhalt des Anrufes war?]

Ich sage Ihnen, was wir hier angezeigt haben. – Dann hat für die Fraktion der SPD der Kollege Klaus Uwe Benneter das Wort. – Bitte schön, Herr Benneter!

[Ritzmann (FDP): Ich lasse mich doch nicht vom Präsidium inhaltlich bewerten. Und das war hier der Fall!]

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich bin Senator Körting dankbar,

[Heiterkeit bei der CDU und der FDP]

dass er in seiner Vorbemerkung schon darauf hingewiesen hat, dass bei uns nicht die Exekutive dafür zuständig ist, die Verfassungsfeindlichkeit von Parteien festzustellen. Herr Ritzmann, wenn Sie die Zusammenhänge nicht begriffen haben, gestatten Sie, Herr Senator, dass ich noch einmal den Versuch unternehme, der FDP insoweit ein Stück Nachhilfe zu geben,

[Widerspruch bei der CDU und der FDP – Zurufe von der CDU und der FDP]

obwohl es eigentlich auf Grund des laufenden NPD-Verbotsverfahrens jedem halbwegs durchschnittlichen Zeitungsleser geläufig sein müsste, wie sich das Verfahren bei einer Feststellung der Verfassungsfeindlichkeit einer Partei verhält.

Das Grundgesetz enthält dafür in Artikel 21 Abs. 2 eine besondere Regelung; darauf hat Herr Senator Körting schon hingewiesen. Ausdruck dieser besonderen Regelung ist nämlich der Grundsatz der wehrhaften Demokratie. Das bedeutet, dass die Freiheit demokratischer Betätigung nicht schrankenlos gewährt wird, sondern nur dem zustehen soll, der die Demokratie auch aktiv mitverteidigt und sie nicht abschaffen will. Das Grundgesetz zieht damit die Lehren aus der angeblich legalen Machtergreifung der NSDAP im Januar 1933. Für diese Feststellung, für die das Bundesverfassungsgericht zuständig ist, ist auch Voraussetzung, dass man die freiheitlich-demokratische Grundordnung beseitigen oder beeinträchtigen oder den Bestand der Bundesrepublik Deutschland in Frage stellen will. Wenn Sie das hier auf eine der Regierungsfraktionen anwenden wollen,

[Ritzmann (FDP): Das war eine Frage!]

dann müssen wir Ihnen schon sagen, dass der Begriff der freiheitlich-demokratischen Grundordnung definiert ist als eine Ordnung – ich zitiere –, die unter Ausschluss jeglicher Gewalt- und Willkürherrschaft eine rechtsstaatliche Herrschaftsordnung auf der Grundlage der Selbstbestimmung des Volkes nach dem Willen der jeweiligen Mehrheit und der Freiheit und Gleichheit darstellt. Da gibt es grundlegende Prinzipien dieser Ordnung, wozu zu rechnen sind – auch so weit das Bundesverfassungsgericht; ich zitiere – die Achtung vor den im Grundgesetz konkretisierten Menschenrechten, vor allem vor dem Recht der Persönlichkeit auf Leben und freie Entfaltung, die Volkssouveränität, die Gewaltenteilung, die Verantwortlichkeit der Regierung, die Gesetzmäßigkeit der Verwaltung, die Unabhängigkeit der Gerichte, das Mehrparteienprinzip und die Chancengleichheit für alle politischen Parteien und dem Recht auf verfassungsmäßige Bildung und Ausübung einer Opposition.

Herr Kollege Benneter, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Abgeordneten Braun?

Bitte, Herr Kollege Braun!

Bitte, Herr Braun, Sie haben das Wort!

Vielen Dank, Herr Präsident! – Herr Kollege Benneter, mich quält die Frage, ob eine Partei, für die kein Antrag beim Bundesverfassungsgericht gestellt wurde, eo ipso verfassungsgemäß ist. Dann würden Sie nämlich mit Ihrer Argumentation unterstellen, dass die NPD, solange der Antrag nicht gestellt worden war, bis zu diesem Zeitpunkt jedenfalls verfassungsgemäß ist. Mithin: Es kann doch wohl nicht so sein, dass eine Partei, für die kein Verbotsantrag gestellt wurde, –

Herr Kollege Braun, Sie wollten mir eine Frage stellen!

[unverständlich] – Antrag gestellt wurde.

Herr Braun, das war hart am Rande einer begründeten Frage. – Bitte schön, Herr Benneter!

Ich versuche herauszufinden, Herr Braun, was Sie quält.

[Heiterkeit bei der SPD und der PDS – Zuruf von rechts: Sie! – hierauf Heiterkeit bei der CDU und der FDP]

Sie haben offensichtlich dieser von mir im Einzelnen vorgetragenen Aufzählung der Gründe, die die freiheitlich-demokratische Grundordnung ausmachen, nicht zugehört. Wenn Sie da nämlich zugehört hätten, dann müssten Sie jetzt mir unterstellen,

dass ich der PDS unterstelle, dass sie das, was ich an einzelnen Punkten aufgezählt habe, voll und ganz erfüllt und voll und ganz dahinter steht und insofern eben gerade nicht als verfassungsfeindlich bezeichnet werden kann.

Herr Senator Körting, ich denke, an einem Punkt muss ich Sie korrigieren. Soweit ich weiß, zählt die bundesstaatliche Ordnung nicht zu den freiheitlich-demokratischen Verfassungsprinzipien, so dass wir Herrn Ritzmann und die FDP nicht in die verfassungsfeindliche Ecke stellen können, wenn Sie eben hier eine bundesstaatliche Organisation der Schulbildung fordern.

[Heiterkeit – Frau Senftleben (FDP): Danke! Danke!]

Das sollten wir der FDP insoweit schon nachsehen; aber wir können das ja im Ausschuss weiter nacharbeiten. Aber insofern möchte ich schon die FDP in Schutz nehmen, wenn sie eine zentralistische Schulausbildung für die Bundesrepublik fordert, dass sie sich da noch nicht außerhalb des Grundgesetzes bewegt. Sie will damit zwar das Grundgesetz ändern, aber sie hat sich damit noch nicht außerhalb der Verfassung gestellt.

[Brauer (PDS): Noch nicht!]

Das, denke ich, sollte man ihr zugute halten.

Anders ist es mit der Kommunistischen Plattform, die nach eigenem Bekunden ein offen tätiger Zusammenschluss von Kommunistinnen und Kommunisten in der PDS mit dem Ziel der Bewahrung und Weiterentwicklung marxistischen Gedankenguts ist. Die besteht offensichtlich aus einigen wenigen Verbohrten und Weltfremden. Wenn ich richtig informiert bin – ich verrate da keine Geheimnisse aus dem Verfassungsschutzausschuss –, dürften da nicht mehr als 30 Mitglieder sein.

[Widerspruch bei der CDU – Zurufe]

Herr Kollege Benneter, gestatten Sie eine Zwischenfrage?

Geht das von meiner Redezeit ab?

Na, wir schlagen es dazu.

Na, wenn ich es zugeschlagen bekomme – wer will denn?

Herr Cramer!