Die Justizsenatorin sagt gerade: 97. In der Presseerklärung der Innenverwaltung steht 95, das müssen wir noch einmal abklären.
Es hat weitere Verbesserungen gegeben: Die Polizei hat es dieses Jahr geschafft, präsent zu sein im Kreuzberger Kiez, ohne aber Präsenz zu zeigen. Sie hat sich sozusagen in Hinterhöfen zurückgehalten und kam erst dann heraus, wenn es Probleme gab. Das war sehr gut und sehr erfolgreich. Dieses Jahr hatten die Polizeiführer mehr konkrete Entscheidungsverantwortung vor Ort, damit schnellere Reaktionen auf Krawalle und Übergriffe stattfinden können. Auch das ist aus unserer Sicht eine sinnvolle Weiterentwicklung.
Etwas wirklich Neues ist das Konzept der Manndeckung. Zivile Polizeikräfte vor Ort fungieren als eine Art Anstandsdame, die auf Gruppen von jungen Leuten zugehen, die so ein bisschen nach Krawallen aussehen – das sieht man den Jungs dort an –, und sagen: „Guten Tag, mein Name ist Müller, Berliner Polizei, ich führe Sie durch den heutigen Abend!“
Die Antikonfliktteams, also Polizistinnen und Polizisten ohne Schutzausrüstung, nur mit der normalen Uniform und einem gelben Leibchen, haben ebenfalls eine wichtige Tätigkeit inne. Wir konnten das am Kottbusser Tor beobachten. Da saßen Punks nach Auflösung der Demonstration und hatten einen großen Pflasterstein in einem Rucksack. Eine Dame von dem Antikonfliktteam kam dazu und sagte: „Entschuldigung, könnte ich bitte diesen Pflasterstein haben?“ Der Punk sagte: „Nein, der
aber ein bisschen Restzweifel, ob Sie damit nicht andere, unangenehme Themen wegdrücken wollten, bleibt. Dennoch, es lohnt sich, über diesen 1. Mai zu reden. Herr Henkel hat es mit Verve getan. Sein Satz von diesem Menschen, der glänzt, obwohl er keinen Schimmer hat, war sehr beeindruckend. Schlimmer ist es aber, wenn jemand weder Schimmer hat noch glänzt. Aber das soll es auch geben in diesem Hause.
Bei so viel Lob, das auch von uns kommt, darf man nicht vergessen, dass wir – Frau Hertel, da man das Jahr 1987 mitzählen muss – nun tatsächlich schon den 18. unfriedlichen 1. Mai in Serie in Berlin hatten. Das ist zweifelsohne Weltrekord, aber einer, auf den wir als Bündnisgrüne gern verzichten könnten, auch wenn ein inzwischen in den märkischen Wäldern etwas verschrateter früherer Berliner Innensenator, Jörg Schönbohm, in der „Welt“ meinte feststellen zu müssen:
(D Die Berliner Grünen sähen noch immer lieber brennende Autos als einen konsequenten Schutz von Hab und Gut der Menschen.
gehört mir.“ Dann fragte die Polizistin: „Woher haben Sie denn diesen Pflasterstein?“ Darauf antwortete der Punk: „Den habe ich heute Morgen im Baumarkt gekauft.“ Der Punk daneben guckte auf und sagte zu seinem Kollegen: „Du, heute ist 1. Mai, Feiertag, der Baumarkt hat geschlossen.“ Daraufhin sagte der Punk mit dem Stein: „Oh, na gut, dann können Sie ihn haben.“ Die Dame hat den großen Pflasterstein dann davongetragen. – Das ist nur ein Einzelbeispiel, aber es illustriert, dass die Antikonfliktteams hier eine wichtige Arbeit leisten können.
Von entscheidender Wichtigkeit war in diesem Jahr, dass schnell und konsequent eingegriffen wurde, dass die Polizei bereits bei der Entstehung von Krawallen eingegriffen hat, aber auch, dass das Verhältnismäßigkeitsgebot gewahrt wurde. Das ist uns sehr wichtig. Das ist besser gelungen als im letzten Jahr. Es konnten große Straßenschlachten verhindert werden. Es gab gezielte Zugriffe auf Straftäter, und die Polizisten boten weniger Zielfläche an. Man hat eher in Gruppengrößen von 15 Mann operiert als mit 50 oder 100, ist dadurch auch schneller gewesen. Ich habe verschiedene Leute dort gehört, die auf Krawalle aus waren, die sagten: „Hej, wohin ist die Polizei?“ Es hat wirklich dazu geführt, dass eine gewisse Entspannung vor Ort eingetreten ist. Auch das hat dazu geführt, Chaoten vor Ort den Spaß zu verderben.
Es ist schon angesprochen worden: Die Zivilcourage der Bürger im Kiez, aber auch der Leute, die nicht dort wohnen, war in diesem Jahr beeindruckend. Wir haben verschiedene Dialoge von Türkisch sprechenden älteren Herren mit Gruppen von jungen Leuten verfolgt, sehr konfliktreiche Dialoge, die ich inhaltlich nicht verstehen konnte, die ich aber so interpretiert habe, dass gesagt wurde: Lasst das dieses Mal! – Auf der anderen Seite wurden aus der Menge heraus Leute angesprochen, die Krawalle einzustellen, auch hier ganz klar eine Verbesserung, mehr zivilbürgerliches Engagement gegen die Krawalle. Es hat weniger Krawalle gegeben, es hat mehr Festnahmen gegeben. Der Senator und die Polizeiführung haben aus den Fehlern, den Versäumnissen der vergangenen Jahre gelernt. Aber wir haben gezeigt, dass es noch weiteres Verbesserungspotential gibt. Unser besonderer Dank gilt den Beamtinnen und Beamten vor Ort rund um den 1. Mai für diese ganz besondere Leistung.
Siegesjubel über diese Krawallmacher, der in der Berichterstattung über den 1. Mai so ein bisschen aufkam, ist aus unserer Sicht ganz klar verfrüht. Nur wenn es uns – Polizei, Justiz und Bürgern – gelingt, den Chaoten auf Dauer den Spaß zu verderben, haben wir eine Chance, in der Zukunft einen friedlichen und bunten 1. Mai zu haben.
Vielen Dank, Herr Kollege Ritzmann! – Es folgt Bündnis 90/Die Grünen. Das Wort hat der Kollege Wieland – bitte schön!
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Fast hätte ich es der PDS geglaubt, dass Sie diese Aktuelle Stunde nur mir zuliebe beantragt haben,
Dazu sage ich – hier endet dann auch der Werbeblock Brandenburgwahl –, auch ganz deutlich in Richtung CDU: Wer mit den vielen Innensenatoren, die sich von Ihnen daran versucht haben, es niemals geschafft hat, mit einer Linie der Härte, mit einer Linie der Verbote dem 1. Mai beizukommen, der sollte in der Analyse des diesjährigen 1. Mais lieber ganz ruhig sein und schweigen.
Es wurde schon gesagt: Es ist nachgerade ein Scherz, Herr Henkel, Sie fühlten sich letztes Jahr noch wie in Beirut. Wir hatten schon Angst, dass Sie in diesem Jahr kommen und sagen, dieses Mal sei es wie in Falludschah. So ist es dann nicht gekommen. Aber die Begründung, die Polizei habe nun just das gemacht, was Sie ihr immer vorgeschlagen haben, nimmt Ihnen in dieser Stadt niemand ab. Die Polizei – insbesondere auch der Polizeipräsident Dieter Glietsch, der dies in seiner Antrittsrede gleich gesagt hat – hat trotz vielen Gegenwindes an der Strategie der Deeskalation festgehalten, die Polizei hat sie verfeinert. – Da mussten Sie wirklich nicht kommen, und Herr Ritzmann, bei allem Respekt, da brauchten wir auch die Vorschläge der FDP nicht.
Ich will Ihnen einmal sagen, insbesondere auch Ihnen, Herr Zimmer – ich habe die Ergebnisse Ihrer Klausur am Wochenende gelesen –, wenn Sie wirklich der Ansicht sind, mit Forderungen wie Wiedereinführung der Rasterfahndung – die haben wir im Übrigen –, Wiedereinführung der Schleierfahndung – die haben wir gerade abgeschafft –, flächendeckender Videoüberwachung, gar mit einer Reanimation des Freiwilligen Polizeidienstes die neue, kreativere CDU in der Stadt zu sein, kann ich Ihnen nur sagen: Bekommen Sie die absolute Mehrheit,
Es waren schon Staatsanwälte am 1. Mai vor Ort, als Sie noch geübt haben. Frau Hertel hat schon darauf hingewiesen: Der Erfolg hat für mich einige Väter zu viel oder besser gesagt einige vermeintliche Väter.
Die Polizei hat nüchtern analysiert, was in den letzten beiden Jahren falsch gelaufen ist: das Umschalten von Phase 1 auf Phase 2, was nicht klappte, die Frage, wer den Schalter überhaupt umlegt, das Zurück zur Auftragstaktik, zum Dezentralisieren, das ist in diesem Jahr hervorragend aufgegangen in Kreuzberg. Ich habe im Innenausschuss schon gesagt – und wiederhole es hier –: Der Direktionsleiter Klug hat seinem Namen alle Ehre gemacht an diesem Tag. Das war durch und durch erfreulich, über das von uns Erwartete hinaus erfreulich. Das soll hier deutlich festgestellt werden.
Und ich füge hinzu: Wenn mein Kollege Ströbele und ich uns heute einig sind in der Feststellung, dass man beruhigter sein kann am 1. Mai abends auf Kreuzbergs Straßen, wenn man Berliner Polizeibeamtinnen und Beamten gegenübersteht und nicht denen aus anderen Bundesländern, dann ist das das größte Kompliment, das wir der Berliner Polizei machen können und es hiermit machen. Denn dies ist jahrzehntelang leider anders gewesen.
Da ich hier von den Medien zu einer Art Nostalgietour verleitet worden bin, als Veteran, der jedes Mal dabei war – was richtig ist –, auch am 1. Mai 1987 hinzutelefoniert worden bin – das kam für alle überraschend, auch für uns –, muss ich sagen: Das Desaster zeigte sich damals darin, dass einzelne Einsatzhundertschaftführer buchstäblich weinend auf Parkbänken saßen, weil nicht nur ihre Einheiten nicht mehr da waren, sondern auch ihr Weltbild zerbrochen ist in dieser Situation. Wer gesehen hat, wie geplündert wurde, wie Bewag-Kästen, U-Bahnhöfe verwüstet wurden, konnte nicht die Lösung, die der seinerzeitige Senat hatte, akzeptieren, nämlich, darauf mit Rigorosität und Härte zu antworten – so seinerzeit der Innensenator Kewenig. Die Folgen sind bekannt, sie waren spektakulär. Es war die berüchtigte EbLT, die „Einheit für besondere Lagen und einsatzbezogenes Training“. – Ich werde diesen Begriff nie vergessen. – Es waren, wie der SPD-Fraktionsvorsitzende im Bayerischen Landtag formulierte, der „Prügelausflug ins Franz-Josef-Land“, nach Wackersdorf und andere Aktionen, die die Berliner Polizei in Verruf gebracht haben. Es war ein langer Weg von einer Polizei, die ein Jahr später selbst ihre Vorgesetzten, nur weil sie in Zivil waren, am Lausitzplatz niedergeschlagen hat – Herr Lorenz, wir erinnern uns –, von einer Polizei, die von oben die Parole bekam „Vor dem Schlagstock sind alle gleich“ – so die Interpretation des Grundgesetzes durch den besagten Herrn Kewenig –, hin zu einer Polizei, die sich dem Interesse und dem Wohl des Bürgers verpflichtet sieht. Es war ein langer Weg. Man ist
denn diese Horrorliste, diesen Quatsch macht noch nicht einmal die FDP mit. Damit begeben Sie sich völlig ins Abseits.
Natürlich gebührt das gleiche Lob, das für die Polizei auszusprechen ist, auch den Veranstaltern des „Myfestes“, gebührt dem Bezirksamt, gebührt den beteiligten Organisationen, insbesondere auch den türkischen Vereinen, die dieses Jahr in vorbildlicher Weise ihre Verantwortung für die Kinder und Jugendlichen der zweiten und dritten Generation gesehen und wahrgenommen haben, die sich eingereiht haben in dieses Bündnis für Prävention, mehr als in den vergangenen Jahren. Da gab es das auch schon, aber es ist in diesem Jahr sehr erfolgreich gewesen. Auch hier muss dieser Weg beschritten werden.
Wir hatten dieses Mal auch – viel sichtbarer als sonst – eine Art Sicherheitspartnerschaft im Kiez. Wir hatten Menschen mit Transparenten, die sich gegen Steinewerfer gestellt haben, die leider zum Teil hinterher in einem Restaurant regelrecht überfallen wurden, weil das genau den Nerv der ca. 200 bis 300 Steinewerfer getroffen hat. Es waren nicht mehr, es waren nicht weniger, aber ich darf mit einem Zitat schließen, das Berlins letzter Landesschutzpolizeidirektor Gernot Piestert einmal formuliert hat:
Ich appelliere an den Senat, dabei zu bleiben, die Hand auszustrecken. Nur so werden die Fäuste immer weniger. Sie sind immer weniger geworden. Wenn diese Balance zwischen Zurückhaltung und Entschlossenheit gewagt wird, dann wage ich die Prophezeiung, dass der zwanzigste 1. Mai in Berlin nach 1987 endlich gewaltfrei sein wird. Ich werde dann aus Brandenburg zu Besuch kommen.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Vielleicht zunächst ein kurzes Wort, weil Sie das eingangs auch sagten, Herr Ritzmann, zur Wahl der Aktuellen Stunde. Ich kann nur sagen, wenn Sie nicht praktisch jede Sitzung dazu nutzen würden, entweder einen Abwahlantrag zu stellen oder in irgendeiner anderen Form die Wissenschafts- bzw. Kulturpolitik des Landes Berlin zu thematisieren, hätte man Ihrer Aktuellen Stunde zustimmen können. Aber wenn Sie sich die letzten Sitzungen ansehen, werden Sie merken – ich glaube, zwei oder drei Abwahlanträge sind es inzwischen gewesen –, dass die Aktualität Ihrer