Protokoll der Sitzung vom 13.05.2004

Immer spielt dabei die Tendenz mit, Herr Liebich, die Verbrechen des Sozialismus insgeheim mit den Verbrechen des Nationalsozialismus zu rechtfertigen.

[Liebich (PDS): Das ist eine Unterstellung!]

Das habe ich gestern im Ausschuss für Bundes- und Europaangelegenheiten feststellen müssen. Ich rate Ihnen an, sich das Protokoll zu holen, wenn es fertig ist. Es war eine beschämende Veranstaltung.

Herr Kollege Hahn! Gestatten Sie eine Zwischenfrage des Abgeordneten Cramer?

Dann fahren Sie bitte fort!

Ich möchte mich zum Schluss an die Kollegen der SPD wenden, weil mich erschütterte, was gestern in dem Ausschuss passierte. Ich meine damit selbstverständlich nicht alle. Große Anerkennung dem Kollegen Hilse und vielen anderen, die sich in der Partei für die Opfer des Sozialismus und die Aufarbeitung der Vergangenheit einsetzen. Aber es ist nicht bloß eine Frage der politischen Moral, sich für die Opfer und die Aufar

In Zukunft muss aber die politische Bildung über die Mechanismen der Stasi mehr Bedeutung gewinnen. Senator Böger – jetzt ist er nicht hier, aber ich will ihm sagen, er ist zumindest aus meiner Sicht hier auf dem richtigen Weg. Allerdings reicht es nicht aus, Lehrerinnen mit zwei halben Stellen zu versehen, sondern die Archive müssen von allen Geschichtslehrerinnen und Geschichtslehrern genutzt werden. Auch ohne zusätzliche Freistellungen müssen sich Lehrerinnen und Lehrer die Stasiarchive aneignen und im Zusammenhang mit ihrem Unterricht aufarbeiten, um dem ostalgischen Geschichtsbild und der künftigen Legendenbildung vorzubeugen. Denn wir haben in der Vergangenheit sehr vielfältig die Gefahren und die Risiken erlebt, die von der Geschichtsklitterung ausgehen und von der Instrumentalisierung historischer Ereignisse. Weil wir solche Entwicklungen, die durch Unwissenheit oder Geschichtslügen begünstigt werden, nicht wollen, müssen die Stasiarchive für die politische Bildungsarbeit genutzt werden. Diese Aufgabe können wir aber nicht allein dem Stasibeauftragten überlassen, dieser Aufgabe muss sich das Bildungssystem und die ganze Gesellschaft stellen.

Vielen Dank, Frau Hämmerling! – Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor. – Eine Kurzintervention des Kollegen Apelt, er ist nicht angemeldet, aber hiermit erteile ich das Wort.

beitung der Vergangenheit einzusetzen, sondern auch eine Frage der Glaubwürdigkeit der Partei – Ihrer Partei, aber auch der Demokratie insgesamt.

Und damit zum Schluss: Im Umgang mit den Opfern der verbrecherischen Vergangenheit, der nationalsozialistischen wie der sozialistischen, zeigt sich die Glaubwürdigkeit unserer freiheitlichen Demokratie. Daran zu erinnern, ist das Verdienst des Landesbeauftragten und seiner Jahresberichte. Dafür haben wir Ihnen, Herr Gutzeit – auch wenn Ihre Vorschläge oft zu wenig Gehör finden –, auch in diesem Jahr wieder zu danken. – Ich bedanke mich für die Aufmerksamkeit.

[Beifall bei der FDP und der CDU]

Danke schön, Herr Kollege Hahn! – Das Wort für die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen hat nunmehr Frau Hämmerling. – Bitte schön, Frau Hämmerling!

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Herr Gutzeit! Auch ich begrüße Sie herzlich im Namen meiner Fraktion und bedanke mich für Ihre Arbeit.

Herr Hahn, ich rede jetzt wieder über diesen Bericht und nicht über die Ereignisse im Ausschuss gestern, denn ich denke, wir sollten zur Sache sprechen.

[Beifall bei den Grünen und der SPD – Hahn (FDP): Das hat ganz direkt damit zu tun!]

Der Bericht stellt klar, auch 14 Jahre nach der Wende sind die Stasiopfer die eigentlichen Verlierer der deutschen Einheit. Gewinner sind die ehemaligen Staatsfunktionäre und die Stasimitarbeiter. Herr Apelt hat diese Ungerechtigkeit gerade anschaulich dargestellt. Aber eines haben Sie vergessen, Herr Apelt: Die Gerechtigkeitslücke in der jetzigen Gesetzgebung ist eine Fortsetzung der Gerechtigkeitslücke unter der Kohl-Regierung.

[Beifall bei den Grünen und der SPD – Hilse (SPD): Genau!]

Und wenn Sie Ihre Kritik auf die Ungerechtigkeit der letzten paar Jahre reduzieren, sind Sie ein Heuchler.

[Beifall bei den Grünen]

Ich denke, es ist kein Wunder, dass die meisten Stasiopfer resigniert haben, denn der Rechtsstaat ist eben nicht mit Gerechtigkeit gleichzusetzen. In dieser Erkenntnis unterscheidet sich der jüngste Stasibericht nicht von den vorangegangenen.

Der aktuelle Bericht verweist auf Informationen aus den Rosenholz-Dateien – das ist neu. Hier deckt sich die Empfehlung des Stasibeauftragten mit unseren Forderungen. Wir meinen, alle Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter des öffentlichen Dienstes, alle Mandatsträgerinnen und Mandatsträger müssen einer letzten Überprüfung unterzogen werden. Zumindest diese Gerechtigkeitslücke sind wir zu schließen in der Lage.

[Beifall bei den Grünen]

[Beifall bei den Grünen]

Ich bin nicht angemeldet, aber ich wollte etwas zu Frau Hämmerling sagen. – Frau Hämmerling, ich finde, Sie haben nicht richtig zugehört. Ich habe vom Versagen der politischen Klasse gesprochen. Ich habe sehr deutlich keine Partei herausgehoben, sondern vom Versagen der politischen Klasse gesprochen. Ich habe aus zweierlei Gründen darüber gesprochen; erstens, weil ich fest davon überzeugt bin, dass alle Parteien viele Fehler gemacht haben seit 1990, und zweitens, weil ich wusste, dass spätestens die Grünen wieder sagen werden: Typisch Apelt, der erzählt wieder, was alles verkehrt ist, dann soll er mal über die CDU reden. – Darum ging es überhaupt nicht. Ich glaube, es geht hier nur um eins, und das ist ein Wert, der sollte für uns alle zählen, das ist ein hehrer Begriff: Menschenrechte. Damit kann man es umschreiben. Wenn das der Maßstab für uns alle ist und wenn wir allesamt – egal, welcher Partei wir auch immer angehören – uns diesen Maßstab zu Eigen machen und sagen, unter den Bedingungen würden wir das so oder so bewerten, dann wären wir alle ein ganz schönes Stück weiter. Und dann würden unsere Beschuldigungen, die wir uns hier gegenseitig leisten und die dem Verfolgten nicht ein kleines bisschen weiterhelfen, vielleicht unterlassen werden. – Danke!

[Beifall bei der CDU]

Vielen Dank, Herr Kollege Apelt. – Weitere Wortmeldungen liegen jetzt wirklich nicht mehr vor. Der Zehnte Tätigkeitsbericht des Berliner Landesbeauftragten für die Unterlagen des Staatssicher

Vizepräsident Dr. Stölzl

An dieser Stelle ein kurzer Hinweis: Die Vorsitzenden der Petitionsausschüsse und der Ombudsmänner treffen

sich regelmäßig europaweit. Es gab im vergangenen Jahr in Valencia ein Gespräch mit der Kollegin aus RheinlandPfalz. Nachdem wir dieses Thema angesprochen hatten, sagte sie: Bei uns in Rheinland-Pfalz ist das kein Problem, denn wir haben dieses Thema in die Verfassung eingeschrieben. Ich habe daraufhin mit unseren Mitarbeiterinnen im Büro veranlasst, dass ein wissenschaftliches Gutachten erstellt worden ist. Wir stellten die Kernfrage: Was müssen wir tun, um zukünftig bei disziplinarischen Vorkommnissen in privatrechtliche landeseigene GmbHs eingreifen zu können? – Die Antwort: Nach der Änderung des Gesetzes über den Petitionsausschuss müssen wir diesbezüglich auch die Verfassung von Berlin ändern. Sie haben den richtigen Hinweis gegeben, es gibt in der Zwischenzeit einen Allparteienantrag, der im Rechtsausschuss beraten wird. Ich kann nur hoffen, dass dieser Antrag nicht von irgendwelchen Bedenkenträgern oder von Rechtsverdrehern missbraucht wird, sondern dass er so, wie er eingegangen ist, in Zukunft Bestandteil der Berliner Verfassung wird.

Nun sind uns zwischenzeitlich die finanziellen Probleme der Vivantes GmbH bekannt. Ich habe auch diesbezügliche Anfragen gestellt. Ich glaube, dass dieses Thema hier noch einmal Gegenstand werden wird. Fazit: Welche Chance hat ein Aufsichtsrat, sich ein umfassendes Bild von einer Gesellschaft zu machen? – Natürlich gibt es Bilanzen und Wirtschaftsprüfer, aber haben wir nicht gerade in jüngster Vergangenheit schmerzliche Erfahrungen diesbezüglich gemacht? Und wie wird ein Aufsichtsrat über solche Fälle in Kenntnis gesetzt, wenn das Parlament eigentlich gar keinen Einfluss hat? – Nun erinnere ich an mein Eingangszitat, der Fisch fängt am Kopf an zu stinken. Und ich will auch kein Besserwisser sein, aber vielleicht hätte ein solcher disziplinarischer Vorfall den Anlass geboten, früher über die Arbeit des Vorstands der Vivantes GmbH nachzudenken.

heitsdienstes der ehemaligen DDR 2003 ist damit abgegeben und besprochen.

Wir kommen zur

lfd. Nr. 12:

Bericht

Bericht des Petitionsausschusses gemäß § 12 des Petitionsgesetzes für die Zeit vom 13. Februar 2003 bis 27. Februar 2004

Bericht Drs 15/2730

Ich erteile nun dem Vorsitzenden des Petitionsausschusses, Herrn Hillenberg, das Wort und bitte, die Redezeit von bis zu 10 Minuten nicht zu überschreiten. – Sie haben das Wort – bitte schön!

Sehr geehrter Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich weiß, dass Sie eigentlich einen Vortrag erwarten, der fast eine Stunde gehen soll, weil die Arbeit in unserem Ausschuss so umfangreich ist, aber der Präsident, der gleichzeitig Mitglied in unserem Ausschuss ist, hat mich gebeten, es kurz zu machen. Ich werde versuchen, diese Zeit einzuhalten.

Beginnen möchte ich den diesjährigen Bericht mit einem markanten Satz: Der Fisch fängt am Kopf an zu stinken, oder: Wie der Herr, so das Gescherr. Mit diesem kurzen, aber zutreffenden Satz möchte ich in unseren diesjährigen Bericht einsteigen, zugleich in Themen, die trotz des umfangreichen Berichtes noch einige Erläuterungen benötigen. Ich hoffe, dass Sie ihn alle gelesen haben und ich Sie hier nicht langweile.

Jetzt ein paar Beispiele: Vor fast zwei Jahren wurden zwei Homosexuelle während des Christopher-Street-Days so schwer verletzt, dass sie sich in ein Krankenhaus der Vivantes GmbH begeben mussten. Doch statt der zu erwartenden Hilfe kamen sie vom Regen in die Traufe. Ihnen wurden sogar vom ärztlichen Personal Schläge angeboten. Zwar haben wir nur die Aussagen des Petenten zu Protokoll, wir glauben jedoch, dass der Vorstand der Vivantes GmbH wissen muss, was er tut. Denn statt einer Stellungnahme erhielten wir lediglich die lapidare Antwort, dass wir als Parlament nicht zuständig und sie daher zu keiner Stellungnahme bereit seien.

[Brinsa (CDU): Das werden wir ändern!]

Das ist sehr gut, dass Sie das sagen. – Seit der Überführung von landeseigenen Unternehmen in die private Rechtsform einer GmbH können sicherlich viele von Ihnen über ähnliche Vorfälle ein Lied singen. Leider ist er nicht mehr da – auch vom Regierenden Bürgermeister haben wir auf Anfrage keine Hilfe bekommen. Vielmehr erhielten wir eine umfangreiche Darstellung von seinem Rechtsamt, warum die Antwort des VivantesVorstands so korrekt ist.

Ein weiterer Fall, zu dem meine Überschrift passt, bezieht sich auf das Bezirksamt Reinickendorf. Nun bitte ich wirklich die Kolleginnen und Kollegen aus Reinickendorf, einmal genau zuzuhören. Hierbei geht es mir weniger um die Petition als vielmehr um die Art und Weise, wie die Bezirksbürgermeisterin Wanjura mit dem Parlament umgeht. Bei der Petition handelt es sich um eine Klassenfahrt nach England, bei der eine Schülerin einer Sozialhilfeempfängerin wegen der zu hohen Kosten nicht hätte mitfahren können, weil der Bezirk diesen Zuschuss letztlich auch nicht anteilig übernommen hat. Denn es handelt sich nach Lesart des Bezirksamts um eine Luxusreise.

[Zuruf von der CDU: Aha!]

Die zuständige Berichterstatterin, Frau Herrmann, sowie der gesamte Ausschuss sahen das anders. Wenn Schriftverkehr nicht mehr hilft, bleibt als vorletzte Möglichkeit – ich sage das bewusst – ein persönliches Gespräch, welches mir Frau Wanjura mehrfach verweigert hat. Ich empfinde dieses Verhalten als eine Unverschämtheit ersten Ranges und eine Missachtung des Parlaments, was ich in dieser Form noch nicht erlebt habe. Dabei möchte ich

Ohne die Arbeit aller anderen Mitglieder schmälern zu wollen, hebe ich auch in diesem Jahr zwei Mitglieder unseres Ausschusses besonders hervor. Sie sollen nur stellvertretend genannt werden. Wie Sie in der Statistik erkennen, bilden die Ausländerfragen einen Schwerpunkt unserer Arbeit. Hier hat sich die zuständige Bearbeiterin, Frau Hopfmann, durch besonderes Engagement hervorgehoben. Auch wenn die Mehrheit unseres Ausschusses nicht immer ihrem Votum folgen kann, ändert das nichts an unserem Respekt vor ihrer Grundeinstellung. Warum Frau Hopfmann in den öffentlichen Sprechstunden in den Rathauscentern immer die problematischen Fälle bekommt, bleibt ein offenes Geheimnis.

Der zweite Bearbeiter, den ich hier stellvertretend nenne, ist Herr Lehmann. – Sie merken schon, es geht hier überhaupt nicht um Parteien. Wie bei dem vergangenen Thema gibt es im Petitionsausschuss keine Parteien, sondern wir versuchen, den Petenten zu helfen, und das ist mir auch wichtig. – Herr Lehmann ist für die öffentlich Bediensteten verantwortlich. Auch er konnte durch eine Vielzahl von persönlichen Gesprächen Dinge bewegen, die mit der vorhandenen Aktenlage nicht zu erreichen waren. Ich erinnere noch einmal an mein Thema mit Frau Wanjura. Bestimmt kann man über Dinge reden, und vielleicht hätte es auch Argumente geben, die uns dazu bewogen hätten, den Fall auf sich beruhen zu lassen, doch wenn man dieses Gespräch von vornherein ablehnt, hat man „schlechte Karten“.

Folgendes feststellen: Grundsätzlich begrüße ich die erfolgreichen Anstrengungen des Sozialamts Reinickendorf, durch strenge Kontrollen eine Kostenexplosion bei den Sozialkosten zu verhindern. Da wird mir der Finanzsenator Thilo Sarrazin sicherlich Recht geben, denn gerade in anderen Bezirken erleben wir andere Tendenzen. Aus meiner Sicht sind dann persönliche Gespräche sehr wertvoll, um sich ein objektives Bild zu machen. Ich kann Ihnen versprechen, das hier ist nur die Ouvertüre; der Hauptakt steht Frau Wanjura noch bevor, denn sie wird Gelegenheit haben, ihr Verhalten vor unserem Ausschuss zu rechtfertigen.