Protokoll der Sitzung vom 03.06.2004

[Vereinzelter Beifall bei den Grünen]

[Beifall bei den Grünen]

[Vereinzelter Beifall bei den Grünen – Gaebler (SPD): Vier Wochen!]

Die FDP kritisiert lang und breit die Sozialleistungen. Dass Sie kein soziales Gespür haben und dass Ihnen jede soziale Verantwortung in dieser Hinsicht fehlt, ist uns bekannt. Eines sollten Sie aber überlegen, auch finanziell, wenn wir schon über finanzielle Dinge reden: Was kostet es, wenn wir langfristig angeblich vorhandene Belegungsrechte kaufen müssen? – Ich kann Ihnen heute schon sagen: Die Erfahrungen, die es in der Bundesrepublik dazu gibt – fragen Sie in Köln oder Hannover nach –, lauten: Wir zahlen den doppelten und dreifachen Preis der Wohnungen, die wir jetzt verkaufen, wenn wir nur für 10 Jahre Belegungsrechte haben wollen. Dass Ihnen das recht ist, dass die Hauseigentümer dadurch die Möglichkeit bekommen, Geld zu verdienen, kann ich noch verstehen, aber mein Interesse ist es nicht und wird es auch nie sein.

[Beifall bei den Grünen – Dr. Lindner (FDP): Es müssen Gewinne in der Stadt gemacht werden, sonst bewegt sich hier nichts!]

Herr Lindner, dass Sie der Meinung sind, dass der Staat die Cash-Cow für die Leute ist, die schon Geld haben, haben Sie schon des Öfteren bewiesen. Das ist aber nicht meine Position.

[Beifall bei den Grünen, der SPD und der PDS]

Die CDU als Volkspartei – ich war jetzt etwas verwirrt, als Herr Kaczmarek das sagte – will nun ein Gesamtkonzept der Entstaatlichung. Eigentlich habe ich die CDU immer so verstanden, dass sie als Volkspartei einen bestimmten sozialen Aspekt sieht.

[Hoffmann (CDU): Ist auch richtig!]

Vielen Dank, Frau Präsidentin! – Meine Damen und Herren! Die bisherigen Beiträge zeigten, dass das Thema breit und tief ist. Es geht über das Thema, ob wir gut oder nicht gut verkauft haben, weit hinaus. Insofern geht es auch über das hinaus, über was ich hier sprechen kann und für was ich mich zuständig fühle. Gleichwohl – ich bin dafür dankbar, dass mich alle gelobt haben – haben wir mehr Geld eingenommen als erwartet. Das ist nicht ganz unwichtig. Der Kaufpreis – das wurde schon gesagt –, das Elffache der Bruttomiete, 2,1 Milliarden € im Endergebnis, das ist für diesen doch sehr gemischten Bestand ein sehr guter Kaufpreis.

Herr Senator! Gestatten Sie eine Zwischenfrage des Abgeordneten Dr. Lindner?

Herr Senator! Sind Sie von Ihren Fraktionen darüber informiert worden, dass das Thema der Aktuellen Stunde nun heißt: „Nach dem GSWVerkauf – schon Ende der Fahnenstange? Zur Privatisierung in Berlin.“ – Das geht also über den GSW-Verkauf deutlich hinaus. Hat man Sie darüber informiert, und wollen Sie auch zu diesem Thema sprechen?

Sie haben dann gesagt: Wir müssen die Verantwortung für die Mieter übernehmen. – Aber wie, bitte schön, wenn Sie sämtliche Gesellschaften verkaufen?

[Hoffmann (CDU): Haben wir so nicht gesagt!]

Wie bitte schön, wenn Sie nur noch bei Privaten an die Tür klopfen und bitten dürfen? – Die werden Sie schamlos ausnutzen.

[Dr. Lederer (PDS): Bloßes Bekenntnis!]

Das gibt es als Erfahrung – fragen Sie in Köln nach.

Das Einzige, was mich bei diesem Verkauf relativ beruhigt, ist, dass die Mieter ihre Mietvertragsergänzung erhalten haben, denn es gibt nur eine Sicherheit für die Mieter, und das ist das, was sie als Mietvertragsergänzung in Händen halten. Alles andere, was in den Verträgen zwischen Land Berlin und Investor ausgemacht wird, ist gut und richtig, aber es hat keine juristische Wirkung.

[Zuruf des Abg. Dr. Lindner (FDP)]

Nein, hat es nicht! – Wir haben es bei dem GEHAGVerkauf eindeutig gesehen. Da waren sehr viele schöne Klauseln enthalten. Es wurde gegen diese Klauseln verstoßen, und es ist gar nichts passiert. Daher ist nur das, was die Mieter in der Hand halten, sinnvoll.

[Dr. Lindner (FDP): Ihr Fraktionsvorsitzender klärt Sie dann nachher über Verträge zu Gunsten Dritter auf!]

Frau Abgeordnete! Ich bitte Sie jetzt um Ihre Schlussbemerkung!

Ich kenne diese Passage, und ich kenne vor allem nicht nur die theoretische Juristerei, sondern auch die praktischen Auswirkungen, und die habe ich lange bei der GEHAG sehen dürfen; daher weiß ich sehr wohl, worum es sich handelt.

Frau Abgeordnete! Sehen Sie auf die Zeit! Sie sind schon weit darüber hinaus.

Ich denke, zum Vertrag der GSW selbst wird Herr Eßer nachher etwas sagen. Die Probleme sind benannt worden. Wir haben noch weitere Probleme damit. Klar ist, dass Sie nicht damit rechnen können, dass wir solchen Verträgen zustimmen. Die reine Frage des Finanziellen, des Verkaufs, kann bei einem Wohnungsunternehmen nicht die entscheidende Frage sein. Das wohnungspolitische Gesamtkonzept ist Ausschlag gebend dafür, welche Möglichkeiten zukünftig mittel- und langfristig für die Mieterinnen und Mieter in dieser Stadt bestehen.

[Beifall bei den Grünen – Beifall des Abg. Wansner (CDU)]

Jetzt hat sich der Senat zu Wort gemeldet. Für die Beantwortung hat Herr Sarrazin das Wort. – Bitte sehr!

[Zurufe von der SPD und der PDS]

Ja, aber die einzige, Herr Lindner!

Bitte, Herr Lindner!

Ich habe das, da ich anwesend war, dem Abstimmungsergebnis entnommen, Herr Lindner, und ich werde mich darauf ebenso wie Sie in meiner Rede einstellen. Aber ich darf in dem Zusammenhang doch wohl auch über die GSW reden.

[Beifall bei der SPD und der PDS – Dr. Lindner (FDP): Ja, natürlich!]

Okay, danke, gut! Das habe ich jetzt auch vor, und dann werde ich auch noch einiges Weitere sagen. Ich kann mich durchaus an unerwartete Entwicklungen anpassen.

Wir haben mehr Geld als erwartet eingenommen. Natürlich, Herr Kaczmarek, gegenüber den Schulden, die wir in diesem Jahr haben, 53 Milliarden €, und denen, die wir in diesem Jahr neu machen müssen, 4,3 Milliarden €, sind diese ungeplanten Mehreinnahmen von 150 Millionen € nicht sehr viel. Ich habe übrigens nie behauptet und würde das nie behaupten wollen, dass man die Haushaltsprobleme des Landes Berlin in der Substanz über Vermögensverkäufe lösen kann. Das geht nicht, und das führt auch wieder in Ihr Thema, Herr Lindner. Wir haben bisher über Vermögensverkäufe seit Anfang der 90er Jahre 8 Milliarden € eingenommen – ein beachtlicher, ja gewaltiger Betrag. Wir haben gleichzeitig in dieser Zeit 43 Milliarden € neue Schulden gemacht. Derjenige irrt, der meint, er könne mit Verkäufen unangenehmen Entscheidungen ausweichen.

[Beifall bei der SPD und der PDS]

Sen Dr. Sarrazin

Wie ist es dazu gekommen, dass wir jetzt, nachdem die Dinge vor einiger Zeit ungünstig aussahen, dieses doch relativ gute Ergebnis hatten? – Der erste Verkauf im Jahr 2001 ist wirklich absolut gescheitert – mit nur einem Bieter, der einen negativen Kaufpreis von 1 Milliarde DM haben wollte. Es gehörte damals zu meinen ersten Aufgaben in meinem gegenwärtigen Amt, zu diesem Angebot endgültig Nein zu sagen. Weshalb war das so? – Es war nicht nur die damalige ungünstige Konjunkturlage, es war nicht nur das ungünstige Umfeld insgesamt für Berlin, es war der Höhepunkt der Bankenkrise. Es war ganz einfach so, dass wir damals das, was wir vom Bieter forderten,

mit so vielen Forderungen belastet hatten, dass dies nicht vernünftig funktionieren konnte, weil jeder Bieter davon abgeschreckt wurde. Deshalb haben wir in den vergangenen beiden Runden, von denen diese jetzt den Verkauf brachte, das, was wir vom Käufer forderten, radikal konzentriert und entschlackt. Das ist das Wichtige: Man kann und muss in solchen Sachen bestimmte Dinge einfordern, aber es muss umsetzbar sein, man muss es auch nachverfolgen können, es muss vom Investor verwaltet werden können, und es müssen wenige Sachen sein.

Hier waren es nur drei Elemente, die wir gefordert hatten, die allerdings konsequent: umfassenden Mieterschutz auf der Basis der bisherigen Besitzstände, das Quartiersmanagement und den Verkauf von Wohnungen an Mieter und Eigennutzer. Das waren unsere drei Elemente, auf die haben wir uns konzentriert, und das hat auch zum Erfolg geführt. Das ist ganz wichtig. Dabei hat es auch gar nicht geschadet, dass aus dem politischen Umfeld die eine oder andere Anforderung kam, mit der auch ich mich auseinander setzen musste, das sage ich ausdrücklich. Es muss nur eingebunden werden in einen vernünftigen Prozess. Wir sind nicht der Billigheimer, wir haben Substanz anzubieten, wenn auch teilweise unrentable Substanz, und das muss seinen angemessenen Preis finden. Insofern ist es auch für mich entlastend gewesen, immer sagen zu können, dass dies oder das bei dem und dem so nicht durchsetzbar wäre. Das gehört dazu.

Vermögen zu verkaufen, ist eine Sache, den Haushalt in Ordnung zu bringen, ist eine andere Sache, und sie wird uns noch die nächsten 10 Jahre beschäftigen.

[Dr. Lindner (FDP): Sie nicht!]

Das fällt immer wieder neu an und geht ewig weiter. Es ist schön, wenn wir hier etwas haben, aber es wirkt woanders, beim Ausgabeneinsparen, nicht entlastend.

Wir haben mit diesem Investor einen Partner gewonnen, der investiert, und zwar beachtlich investiert, nämlich in den nächsten 7 Jahren 450 Millionen € in die Hand nimmt. Da er billiger investiert als unsere landeseigenen Gesellschaften, kommt mehr dabei heraus. Siehe dort, was bei Lone Star in Hellersdorf schon geschieht. Das ist auch eine beachtliche Zusage. Wir haben einen umfassenden Mieterschutz und einen Partner, der in die soziale Entwicklung der einzelnen Quartiere ebenfalls investieren und sich dort engagieren wird. Das heißt, wir haben hier ein Paket, wie man es sich besser nicht wünschen kann und wie es bisher besser auch nicht von unseren eigenen Gesellschaften umgesetzt wurde.

Darüber hinaus bekommen wir dadurch, dass der Käufer in den nächsten 5 Jahren 4 000 Wohnungen an Mieter und Eigennutzer verkaufen will – mehr, als bisher in den letzten Jahren alle unsere Gesellschaften gemeinsam geschafft haben –, auch noch einen Beitrag zu einer breiten Eigentumsbildung in dieser Stadt. Auch das sollte in diesem Zusammenhang nicht vergessen werden. Wenn dabei jemand Geld verdient, ist das auch gut.

Etwas anderes ist auch wichtig: Dieser Investor wird in seinem Verhalten von Ihnen allen, auch von mir, genau beobachtet werden. Wenn er es in den nächsten Jahren dauerhaft gut macht, möglicherweise in einem oder dem anderen besser als die landeseigenen Gesellschaften, wird man Diskussionen über künftige wohnungspolitische Konzepte unter Umständen anders führen können, denn es gibt keine magische Zahl – Frau Oesterheld, die gibt es nirgendwo –, wo die Dinge gut sind und wo sie zu kippen drohen. Das ist alles ein bisschen komplizierter. Ich bin zuversichtlich, wenn dies gut läuft, werden wir uns noch öfter über das Thema unterhalten.

[Frau Oesterheld (Grüne): Alles verkaufen oder was?]

Der nächste Verkauf wird auch irgendwann kommen, allerdings nicht vor dem Jahr 2007, Frau Oesterheld!

Es ist aber auch wichtig, dass wir während des langwierigen Verkaufsprozesses, der sich über drei Phasen drei Jahre lang hingezogen hat, das Unternehmen weiter saniert haben. Die GSW ist in diesen drei Jahren deutlich besser geworden. Sie weiß übrigens auch besser über sich selbst Bescheid. Dreimal Datenraum bedeutet Ordnung in den Akten, bedeutet aktuelle Valutastände, bedeutet, dass man weiß, wo Grundbücher unvollständig sind und wo man unaufgeräumte Keller hat. Es ist hoch interessant, an sich möchte ich allen unseren Unternehmen, auch wenn wir sie nicht verkaufen werden, einmal einen solchen Prozess wünschen, einfach im Sinne der Ordnung in den Unternehmen.

[Beifall bei der SPD und der FDP]

Also, es war schon gut. Und auch die Geschäftsführungen haben gelernt. Einer der Investoren sagte am Ende zu mir: Ganz toll, am Ende kannten die Geschäftsführer sogar ihre Zahlen; das war richtig großartig. – Also, es hat schon etwas bewirkt. Das ist jetzt keine Ironie, das war wirklich so.

[Heiterkeit und Beifall bei der SPD und der FDP]