Protokoll der Sitzung vom 26.08.2004

[Beifall bei der PDS – Dr. Lindner (FDP): Die hatten Sie nie! – Eßer (Grüne): Ehrfurcht? – Am Ende entscheidet ein Gericht! – Weitere Zurufe]

[Hahn (FDP): War das Ihr Kommentar zum Regierenden Bürgermeister?]

[Beifall bei der SPD und der PDS – Zuruf der Frau Abg. Ströver (Grüne) – Weitere Zurufe]

Um Sie einmal auf den Boden der Tatsachen zurückzuholen, möchte ich zwei Punkte aus der Grundlage unseres Handelns, nämlich aus der Verfassung zitieren. Ich lese Artikel 5 aus dem Grundgesetz vor, den Sie offensichtlich nicht so richtig in Erinnerung haben:

[Dr. Steffel (CDU): Den kennen wir doch!]

Jeder hat das Recht, seine Meinung in Wort, Schrift und Bild frei zu äußern und zu verbreiten und sich aus allgemein zugänglichen Quellen ungehindert zu unterrichten.

Wie kommt eigentlich ein Generalstaatsanwalt dazu, eine öffentliche Äußerung eines Abgeordneten in der Art und Weise zu qualifizieren, wie er das im Rechtsausschuss mit meinen Äußerungen gemacht hat? Habe ich, weil ich diesem Haus angehöre, das Recht auf freie Meinungsäußerung verwirkt? Hat der Regierende Bürgermeister, weil er dem Senat angehört, das Recht auf freie Meinungsäußerung verwirkt?

[Dr. Steffel (CDU): Man merkt, dass Sie kein Jurist sind!]

Darf man auf Fragen, die die Presse – von Herrn Braun und anderen angeheizt – uns stellt, nicht mehr antworten? Herr Ratzmann, was ist die Logik von dem, was Sie hier vortragen und was Sie in Ihrem Antrag sagen? Ist das demokratisch?

[Zurufe]

Gaebler

Ich glaube nicht, dass die in ihren Amtszimmern sitzen und davor zittern, was irgendein Vertreter dieser Regierungskoalition irgendwo auf eine Journalistenfrage hin sagt,

Da unterschätzen Sie die Damen und Herren gewaltig. Die Arbeit der Staatsanwaltschaft ist uns wichtig. Wir haben sie als Koalition dadurch unterstützt, dass wir endlich den Nachholbedarf im IT-Bereich, bei der Raumausstattung und allem, was seit Jahren unter CDUSenatoren schleifen gelassen worden ist, was die große Koalition nicht hinbekommen hat, befriedigt haben. Wir haben erreicht, dass die Ausstattung verbessert wird und dass sie sich auf ihre Arbeit konzentrieren können, anstatt sich mit irgendwelchen Formalien herumzuärgern. Das sollen sie auch weiterhin tun. Die Staatsanwaltschaft ist keine unabhängige Behörde wie ein Gericht. Die Staatsanwaltschaft ist auch keine unpolitische Behörde. Das muss ich Ihnen nicht erzählen. Sie können vielleicht auch noch ein paar Erinnerungen aus den 80er Jahren dazu beitragen. Deshalb muss es die Staatsanwaltschaft auch aushalten, dass in der Öffentlichkeit darüber diskutiert wird, welche Gründe für bestimmte Sachen vorliegen und welche nicht, insbesondere, wenn sie selbst so offensiv an die Öffentlichkeit herantritt, wie es hier getan hat.

Ist das wirklich demokratisch? – Dann haben wir eine unterschiedliche Auffassung von Demokratie, Herr Ratzmann, und Sie sollten einmal länger darüber nachdenken, ob das so sein kann.

[Gram (CDU): Sie sollten darüber nachdenken! – Weitere Zurufe]

Ich möchte auch aus der Verfassung von Berlin zitieren – aus dem Artikel 38:

Die Abgeordneten sind Vertreter aller Berliner. Sie sind an Aufträge und Weisungen nicht gebunden und nur ihrem Gewissen verpflichtet.

Da steht nicht drin: Die Staatsanwaltschaft steht aber über den Abgeordneten. – Da steht nicht drin: Die Staatsanwaltschaft darf nicht genannt oder kritisiert werden. Sie ist sakrosankt. – Wir sind hier nämlich nicht in der katholischen Kirche, Herr Ratzmann.

[Zurufe]

Deshalb finde ich, dass Ihre Diskussion – gerade das, was Sie heute vorgelegt und gesagt haben – entweder in höchstem Grad verlogen ist oder sich hart am Rande des demokratischen Konsenses bewegt. Darüber sollten Sie einmal grundsätzlich nachdenken!

[Beifall bei der SPD – Vereinzelter Beifall bei der PDS – Heiterkeit bei den Grünen und der FDP – Unruhe]

Ich bin auch etwas überrascht – ich sage das einmal ganz offen, denn ich meine, dass man das als Nicht-Jurist vielleicht auch einmal äußern dürfen muss: Wenn ein Generalstaatsanwalt sich so äußert. Sie haben die Zitate vorhin nicht weiter vorgelesen.

[Frau Ströver (Grüne): Peinlich, peinlich!]

Herrn Wowereit wurde vorgeworfen, er hätte gesagt, dass das, was die Staatsanwaltschaft als Rechtsgrundlage hat, nicht tragfähig sei. Herr Neumann hat dann weiter gesagt: In einem anderen Land wäre damit ein Prozess zu Ende. – Was für eine Rechtsauffassung hat denn dieser Staatsanwalt?

[Dr. Steffel (CDU): Ha!]

Wenn der Regierende Bürgermeister sagt, er halte diese rechtlichen Vorhaltungen für nicht tragfähig – er ist ja auch Jurist und kann es vielleicht noch besser beurteilen als ich –,

[Zurufe von der CDU: Ha, ha!]

heißt das, dass der Generalstaatsanwalt, wenn er es aus der Zeitung oder von Info-Radio vernimmt, alles fallen lässt und sagt: „Ich kann jetzt nicht mehr weiter ermitteln.“? – Das kann doch wohl nicht wahr sein. Das kann Herr Neumann doch nicht ernsthaft so gemeint haben, und das können Sie doch nicht als Argument nehmen, hier den Regierenden Bürgermeister missbilligen zu lassen. Vielmehr müssen Sie einmal mit Herrn Neumann darüber reden, wie er sein Amt versteht.

[Zurufe von der CDU]

Ich glaube auch, dass Sie die Staatsanwälte im Land Berlin unterschätzen.

[Vereinzelter Beifall bei der SPD und der PDS]

[Dr. Steffel (CDU): Da zittern Sie!]

und dann überlegen, ob sie noch weiter arbeiten können.

[Beifall bei der SPD und der PDS]

Daraus einen Missbilligungsantrag für den Regierenden Bürgermeister und indirekt offensichtlich für die gesamte SPD abzuleiten, halte ich rechtlich für fatal, politisch für falsch, und es ist auch verlogen. Deshalb, Herr Ratzmann, werden wir Ihren Antrag ablehnen. – Vielen Dank!

[Beifall bei der SPD und der PDS]

Danke schön, Herr Kollege Gaebler! – Das Wort hat die Fraktion der CDU. Der Herr Kollege Zimmer ist gemeldet, aber Herr Goetze möchte das Wort ergreifen und hat es. – Bitte schön!

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Wir haben von den Vorrednern der SPD etwas erlebt, was schon mehrfach geschehen ist.

[Zimmermann (SPD): Wen meinen Sie denn?]

Bei gut begründeten Missbilligungs- oder Misstrauensanträgen gegen den Senat arbeiten sich diese Leute, die absolut keine Sachargumente haben, jeweils an denjenigen Rednern ab, die die Anträge gut begründen und zudem auch noch die Argumentation der schriftlichen Vorlage nachvollziehen. Das ist ein ganz mieser Stil, weil er sehr deutlich zeigt,

[Beifall bei der CDU, der FDP und den Grünen]

Was die Fähigkeiten des – früher hat man einmal gesagt – Kronjuristen Wowereit angeht, die Rechtslage richtig zu beurteilen – was uns hier eben gerade vor Augen geführt wurde –, da denke ich nur daran, dass er bei einem seiner Verfassungsbrüche die Rechtslage so daneben beurteilt hat, wie es nur geht. Darauf kann man nichts geben. Dieses Argument in Ihrer Rede vorgetragen, Herr Gaebler, war ein klassisches Eigentor. Insofern war auch der ganze Vorgang des Regierenden Bürgermeisters, sich hier zu äußern, ein Eigentor. Dieses Eigentor muss auch vom Abgeordnetenhaus gekontert werden. Deswegen werden wir diesem Antrag zustimmen.

Vielen Dank, Herr Kollege Goetze! – Das Wort erhält jetzt die Fraktion der PDS. Herr Dr. Lederer hat das Wort. – Bitte schön!

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich bin froh, dass über eine Behörde, die erhebliche Befugnisse zum Eingriff in die Rechte von Bürgern besitzt, eine Aufsicht und demokratische Kontrolle ausgeübt wird. Irgendjemand muss sie ausüben, das ist die Exekutivspitze. Das ist mit einer Reihe von praktischen Problemen verbunden, insbesondere, wenn es um Ermittlungen geht, die sich auf die politischen Mandats- oder Funktionsträger beziehen oder gar auf die Exekutivspitze selbst oder, um ein anderes Problem aus diesem Bereich zu nennen – wo es beispielsweise in anderen Bundesländern wie Brandenburg oder Bayern bessere Erfahrungen gibt –, wenn es sich um Ermittlungen dreht, die den Dunstkreis zwischen Politik und Ökonomie betreffen.

dass hinter den Argumenten der Verteidiger, insbesondere denen der SPD, keine Substanz steckt. Man kann nicht gegenargumentieren. Man schwebt argumentativ im luftleeren Raum, und man hat keine Möglichkeit, den Vorwürfen zu begegnen.

Insofern war auch die Rede von Herrn Felgentreu wirklich ganz unten angesiedelt.

[Beifall bei der CDU]