Protokoll der Sitzung vom 26.08.2004

[Beifall bei der CDU]

Dem Herrn Doktor sei die Frage gestellt, wo er das gelernt hat, vielleicht bei seinem Studium der klassischen Philologie, vielleicht in der Bundeswehr, vielleicht bei den Jusos, bei denen er Kreisvorsitzender war. Ich weiß es nicht. Irgendwo muss aber etwas mit der Sozialisation schief gegangen sein.

[Beifall bei der CDU und der FDP]

Das war keine Rede; es waren rhetorische Auswürfe. Die Fraktion der CDU hat diesen Antrag samt seiner Begründung und auch die guten Argumente dazu einstimmig beschlossen. Wir erleben nicht das Privatvergnügen eines Mitglieds des Rechtsausschusses, des Fraktionsvorsitzenden oder von mir als parlamentarischem Geschäftsführer. Die Fraktion steht vielmehr geschlossen hinter diesem Antrag. Als Sprecher im Untersuchungsausschuss Tempodrom habe ich vorhin auch einige Anträge unterzeichnet, die genau diesen Vorgang auch weiter beleuchten werden. Sie kommen nicht so einfach heraus. Die Sache ist für Sie noch nicht abgeschlossen.

[Beifall bei der CDU und der FDP]

In dieser Weise hat der Kollege Gaebler den Stil der Debatte weiter fortgesetzt. Die Missbilligung des Regierenden Bürgermeisters Klaus Wowereit hat auch er nur mit Anwürfen gegen den Redner der Grünen, den Fraktionsvorsitzenden, versucht zu kontern. Substanziell haben wir von ihm nichts gehört. Da hält er das angebliche Recht der freien Meinungsäußerung des Regierenden Bürgermeisters hoch, als wenn sich irgendein beliebiger Mensch an Speaker’s-Corner hinstellt und irgendetwas erzählt. Das ist offensichtlich gleichbedeutend mit öffentlichen Wertungen des Regierenden Bürgermeisters an dieser Stelle.

Was die Qualität angeht, hat er Recht. Aber der Regierende Bürgermeister hat eine andere Funktion. Das muss man einfach auch zur Kenntnis nehmen. Der Kollege Gaebler hat von Herrn Ratzmann gesagt, die vorgetragene Argumentation sei in höchstem Grad verlogen und am Rande des demokratischen Konsenses. So hat er sich geäußert.

[Gram (CDU): Unglaublich!]

Im Niveau, Herr Gaebler, war Ihre Rede genauso weit unten wie die des Kollegen Felgentreu. Beschäftigen Sie sich doch einmal mit den Sachen und dann auch gleich noch richtig! Dann könnten wir hier eine ordentliche Debatte führen. Dann könnte man auch Argumente gewichten und austauschen. So ist das allerdings nicht möglich.

[Beifall bei der CDU und der FDP]

Demokratische Kontrolle muss verantwortungsvoll ausgeübt werden. Dies setzt voraus, dass sich diejenigen, die politisch für die Kontrolle mit verantwortlich sind, zurückhalten, wenn öffentliche Diskussionen stattfinden, in deren Mittelpunkt auch die Staatsanwaltschaft und ihre Tätigkeit steht. Mit Kritik an bestimmten Äußerungen, die gefallen sind, kann ich sofort d’accord gehen, weil auch ich Äußerungen über die Chancen oder Hindernisse für eine Anklage – um es vorsichtig auszudrücken – mit wenig Freude und Begeisterung zur Kenntnis genommen habe.

Diese betrifft meine Genossen und Koalitionskollegen gegebenenfalls genauso wie Senatoren oder auch den rechtspolitischen Sprecher einer der in dieser Sache antragstellenden Fraktionen, der nicht an sich halten konnte, öffentlich „mit einer Anklage zu rechnen“. Ich sprach aber von öffentlicher Diskussion, in deren Mittelpunkt auch, aber nicht allein, die Staatsanwaltschaft steht. Mir gefällt nicht, dass in dieser Debatte ganz bestimmte Teile dessen, was sich in der Stadt in dem vergangenen halben Jahr ereignet hat, einfach ausgeblendet wird.

Ausgangspunkt der Debatte waren Tempodrommaßnahmen des Landes, an denen drei Berliner Landesregierungen in wechselnden politischen Konstellationen betei

3. Senatoren oder Regierende Bürgermeister/Bürgermeisterinnen – die kann es ja auch einmal geben – haben auf Äußerungen wie die hier getätigten zu verzichten. Das habe ich dem Regierenden Bürgermeister über seinen Sprecher im Übrigen auch übermittelt, und ich werde es auch den anderen sagen, auf die ich zugreifen kann.

4. Alle Beteiligten – alle, auch die hier im Saal, Herr Goetze, Herr Braun und wer sonst sich noch an dieser Debatte eifrig beteiligt hat – sollten jetzt das ihnen Mögliche tun, um den verfahrenen Stil zu korrigieren. Dazu scheint mir die Missbilligung des Regierenden Bürgermeisters als Einzelperson im Kontext das falsche Instrument.

ligt waren. Erhebliche Negativschlagzeilen haben all diese Maßnahmen hervorgerufen, als die Tempodromstiftung in Insolvenz gegangen ist. Jetzt hub es an, das gegenseitige Schuldzuweisen. Niemand wollte es gewesen sein, außer beispielsweise ein Ex-Senator, der bei aller Einsicht in der Rückschau zu seinem Tun

Was gibt es im Schwarzer-Peter-Spiel Besseres als eine Instanz, die eigene Positionen – bei oberflächlicher Betrachtung – stärkt. Wir wissen um die Probleme, komplexe Sachverhalte medial knapp und im Interesse der meisten Leser zu vermitteln. Der Objektivitätsanspruch der Staatsanwaltschaft ist genau das, was ihr in solchen Situationen zu schaffen macht. Sie eignet sich hervorragend zur Instrumentalisierung: als Autoritätsinstanz, um die eigenen Argumente zu belegen.

Herr Goetze, der im Augenblick nicht in meinem Blickfeld sitzt – vielleicht hält er sich draußen auf –, hat hier etwas angedeutet. Nämlich, dass er gern noch Lust hätte, das Spiel ein wenig weiterzuspielen und deshalb den Untersuchungsausschuss, in dem er sitzt, auch mit diesen Fragen demnächst zu befassen. In diesem Kontext – und nicht in der Retorte oder unter Laborbedingungen – entwickelte sich der Vorgang der öffentlichen Reflektion der Rolle der Anklagebehörde im Tempodromskandal.

Ich muss jetzt auch noch einmal auf meinen Kollegen Gaebler eingehen. Kollege Gaebler! Der Regierende Bürgermeister kann sich frei äußern, wo und wie er will. Er ist aber einer gewissen amtsbezogenen Selbstbeschränkung unterworfen. Wir sollten aber wenigstens auch zur Kenntnis nehmen, dass von einem Regierenden Bürgermeister nicht nur erwartet wird, dass er sich als Exekutivspitze vor seine Staatsanwaltschaft stellt, sondern dass von ihm auch erwartet wird, dass er sich an anderer Leute Seite stellt, so, wenn er zur Unterstützung von Kollegen aus dem Senatskreis Partei ergreift und sie vielleicht auch schützt, wenn er die politischen Entscheidungen, die sie getroffen haben, für politisch nachvollziehbar hält. Diese Debatte haben wir hier alle schon im Kontext der Richtlinienkompetenz geführt. Sie rufen immer, der Regierende Bürgermeister soll Ordnung schaffen und eingreifen. Jetzt wollen Sie das nicht mehr ernst nehmen! Das ist ein Spannungsfeld. Zumindest dieses Spannungsfeld sollten wir an dieser Stelle einmal zur Kenntnis nehmen.

Zur Fähigkeit einer Staatsanwaltschaft, zwischen öffentlichen Reflexionen ordentlich und gewissenhaft ihre Arbeit zu machen, habe ich bereits vorhin etwas gesagt; das kann ich mir jetzt sparen.

Zur Fähigkeit der Politik, sich zu mäßigen, fasse ich wie folgt zusammen:

1. Weil ich ein Fan demokratischer Behördenkontrolle bin, bin ich im konkreten Fall unglücklich über eine Debattendynamik, die es der dazu berufenen Senatorin schwer macht, diese Kontrolle sachgerecht auszuüben.

2. Ansätze, für diese Dynamik Einzelne verantwortlich zu machen, reißen deren Beiträge und Äußerungen aus dem realen Kontext, den ich eben vorgetragen habe.

[Dr. Lindner (FDP): Sollen wir die anderen einbeziehen? Wir können das auch ausweiten!]

Ich würde mich freuen, wenn wir zu einer Kommunikationsform zurückfänden, die die Debatte auf den politischen Kern zurückführt, den wir hier zu diskutieren haben.

[Zurufe von rechts]

Wollen Sie sich noch ein bisschen aufpumpen? Dann mache ich eine kleine Pause. Vielleicht bekomme ich das meiner Redezeit gutgeschrieben, damit ich meine letzten Sätze in Ruhe zu Ende bringen kann.

Herr Ratzmann, die politischen Argumente, über die ich in diesem Parlament gerne diskutieren würde und die nicht von diesem Vorgang staatsanwaltschaftliche Ermittlungen in der Tempodrom-Affäre zu trennen sind, sind diese Fragen: Wie gehen wir mit solchen Vorgängen wie dem IBB-Gesetz 2000 um, mit dem Nebenhaushalte konstituiert worden sind, auf die das Parlament keinen Zugriff hat? Wie gehen wir mit dem Vermögen in öffentlichen Unternehmen um? – Das ist unser Job, darüber müssen wir reden. An dieser Stelle käme ich gerne weiter. Das sind die Argumente, die ich gern in dieser Runde gehört hätte. Die Missbilligung? – vergessen Sie es!

[Beifall bei der PDS und der SPD]

Danke schön, Herr Kollege Dr. Lederer! – Bevor wir zur nächsten Wortmeldung kommen, möchte ich die Kolleginnen und Kollegen darauf aufmerksam machen, dass die antragstellende Fraktionen die namentliche Abstimmung beantragt haben. Bitte bemühen Sie sich um Ihre Abstimmungskarten.

Jetzt kommt für die Fraktion der FDP Herr Dr. Lindner. Herr Dr. Lindner hat das Wort.

Verehrte Damen! Meine Herren! Herr Kollege Lederer, Ihren Worten habe ich entnommen, dass Sie damit ein Problem haben, dass sich dieser Antrag nur gegen den Regierenden Bürgermeister richtet. Sagen

Wir sind hier doch nicht im Kindergarten. Es ist völlig unsinnig, wenn Sie sagen, Herr Gaebler, hier könne jeder seine Rechtsauffassung äußern. Natürlich kann hier jeder seine Rechtsauffassung äußern. Aber man muss die Funktion Abgeordneter und Bürger auseinander halten. Sicherlich kann der Herr Gaebler eine Rechtsauffassung haben, und die kann er im Freundeskreis oder im Kreis der Kollegen äußern. Auch der Herr Kollege Abgeordnete Wowereit kann seine Rechtsauffassung haben, auch als Jurist, die kann er in irgendeinem Kreis äußern und sagen: Das ärgert mich. – Oder: Ich als größter Jurist hier in Berlin glaube nicht, dass das tragfähig ist. – Das kann er ja machen. Aber es ist etwas völlig anderes, wenn er sich als Regierender Bürgermeister äußert. Da muss man sich nichts vormachen: Er ist doch vom RBB nicht als Bürger Wowereit eingeladen worden. Citoyen Wowereit

wird heute zum Rechtsgespräch in den RBB geladen, oder wie man sich das vorstellen darf. Der war natürlich als Regierender Bürgermeister gefragt. Da ist es ein großer Unterschied, ob der Bürger Wowereit so über den Gartenzaun seine Rechtsauffassung äußert oder ob der Regierende Bürgermeister im öffentlichen Rundfunk sich so positioniert, wie er es getan hat. Das geht nicht.

Sie einfach ein paar Namen an, wir nehmen das auf und erweitern den Antrag!

[Zurufe von der PDS]

Wenn das alles ist, womit sie Probleme haben, dann schreiben wir gerne noch Frau Schubert und andere dazu. Das ist gar keine Frage.

[Doering (PDS): Sie geben doch zu, dass Sie überhaupt nichts verstehen! Peinlich!]

Herr Gaebler, wenn gerade in Debatten mit rechtlichem Hintergrund die SPD-Fraktion ihren verkehrspolitischen Sprecher schickt, dann haben wir eine Bestätigung, dass wir eigentlich ganz richtig liegen. Dann sind sich nämlich die anderen, die sich ein bisschen in der Sache auskennen, zu schade dafür, selber hier zu sprechen, und dann wird der Ausputzer vorgeschickt.

[Dr. Steffel (CDU): Den Catcher!]

Genau! Der Catcher der SPD-Fraktion! Denn kennen Sie doch: Katsche Schwarzenbeck! – Anstatt sich mit der Sache auseinander zu setzen, fängt der dann mit haltlosen wüsten Beschimpfungen der Antragsteller an, so wie Sie es mit Herrn Ratzmann gemacht haben. Das hilft aber nicht weiter, das liegt völlig neben der Sache, Herr Gaebler.

[Doering (PDS): Und nun zur Sache!]

Bei näherem Nachdenken wissen Sie das auch.

Wir haben uns – auch ich ganz persönlich – in dem Verfahren gegen Strieder, Sarrazin und Strauch bisher äußerst zurückgehalten. Ich habe persönlich und auch keiner meiner Kollegen irgendwann, solange ein Ermittlungsverfahren anhängig war, einen Rücktritt gefordert, auch bei Herrn Strieder nicht. Wir wissen, dass diese Verfahren kompliziert sind, gerade dieser Tatbestand der Untreue nicht ganz einfach zu beurteilen ist, auch einen komplizierten historischen Hintergrund hat. Deswegen haben wir uns da äußerst zurückgehalten. Wir haben gesagt, wir lassen die Staatsanwaltschaft arbeiten, und wir als FDP haben auch Vertrauen in die Staatsanwaltschaft. Wir glauben, dass sie sich weder von der Regierung noch der Opposition noch von sonst jemandem maßgebend beeinflussen lässt, wenn man sie in Ruhe arbeiten lässt. Davon sind wir ausgegangen und haben gesagt: Rücktrittsforderungen und Ähnliches kommen erst in Betracht, wenn Anklage erhoben und vor allem zugelassen ist. Diese Zurückhaltung hätte ich mir in gleicher Weise vor allen Dingen von Mitgliedern der Exekutive gewünscht. Das ist aber nicht geschehen.

[Beifall bei der FDP – Vereinzelter Beifall bei der CDU]

Die Staatsanwaltschaft ist in zunehmender Weise und vor allem in immer dreisterer Weise kommentiert worden, und zwar, je näher es Informationen gab, dass eine Anklage bevorsteht, desto häufiger gab es diese Anwürfe und Kommentierungen zu dem, was die Staatsanwaltschaft tat.

[Heiterkeit bei der FDP und der CDU]

[Beifall bei der FDP, der CDU und den Grünen]

Das setzt unter Druck, das muss man klar sehen. Und das war auch die Absicht.

Ich verlange im Namen meiner Fraktion, dass dieses ständige öffentliche Kommentieren von Handlungen der Staatsanwaltschaft und der Gerichte sofort eingestellt wird. Das ist unstatthaft, und das hat auch nichts damit zu tun, dass sich jemand schützend vor seinen Kollegen stellen will. Es geht nicht um politische Fragen. Natürlich kann sich der Regierende Bürgermeister bei politischen Angriffen auf seine Senatoren vor sie stellen, aber doch nicht schützend vor seine Senatoren, um sie vor der bösen Staatsanwaltschaft zu bewahren. Das ist doch ganz abwegig.