Protokoll der Sitzung vom 26.08.2004

[Heiterkeit und Beifall bei der SPD – Beifall des Abg. Czaja (CDU)]

Herr Liebich, wir sagen, dass es eine teilweise Verschlechterung für bisherige Bezieher von Arbeitslosenhilfe gibt, denn es ist bekannt, dass die Arbeitslosenhilfe bisher vom Verdienst abhängig war, um ein Beispiel zu nennen. Aber für die erwerbsfähigen Sozialhilfeempfänger – das verschweigen Sie, Herr Liebich, und deswegen verstehe ich nicht, warum Sie gegen alles bei Hartz IV sind –

[Doering (PDS): Gegen alles sind wir nicht!]

gibt es eine Verbesserung. Sie kommen in die Arbeitsmarktreform. Sie können integriert werden. Und sie kommen in die Verbesserung der Renten- und Kranken- und Pflegeversicherung, was bisher nicht so war.

[Zurufe von der PDS]

Wir dürfen aber auch nicht verschweigen, dass wir im Raum Berlin-Brandenburg zu wenig offene Stellen haben, so dass ich an die Arbeitgeber eindringlich appelliere: Melden Sie den Arbeitsagenturen alle freien Stellen, und geben Sie den Arbeitsuchenden eine faire Chance, sie sind nämlich auf Sie angewiesen!

[Beifall bei der SPD – Zuruf des Abg. Doering (PDS)]

Durch den Vermittlungsschlüssel 1:75 oder 1:160 werden die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Arbeitsagenturen in die Lage versetzt, eine passgenauere Vermittlung vorzunehmen, was in der Vergangenheit nicht immer der Fall war.

[Niedergesäß (CDU): Dann passt mal schön!]

[Beifall bei der SPD und der PDS]

[Zuruf von der CDU: Der arme Kerl!]

[Beifall bei der CDU, der FDP und den Grünen – Doering (PDS): Na, na!]

Ich finde es gut, Herr Liebich und Frau Knake-Werner, wenn Sie hier auf sachlich machen und sagen: Ja, man muss nicht alles gut finden, aber so und so. – Ich fordere Sie auf, Frau Knake-Werner, sagen Sie doch einmal in aller Deutlichkeit, welche Verbesserungen Hartz IV für arbeitsfähige Sozialhilfeempfänger mit sich bringt, zählen Sie den Katalog einmal auf. Warum machen Sie das nicht?

[Zurufe von der PDS]

Das ist Ihre Zuständigkeit in diesem Senat. Sie müssten ein Interesse daran haben, dass auch darüber informiert wird. Sie sprechen aber nur – so haben Sie angefangen – von der Verschlechterung der Situation für die Betroffenen. Für viele Betroffene verbessert sich die Situation. Es wäre der Vollständigkeit geschuldet, wenn Sie das wenigstens einmal sagten.

Gut, Frau Dr. Klotz, dann ergänze ich das: Die CDU hat im Vermittlungsverfahren den ursprünglichen Gesetzentwurf der Bundesregierung wieder auf den Tisch gebracht.

Das haben wir getan, nichts anderes. Und, Herr Müller, der Vorschlag, im Vermittlungsverfahren das vorhandene Vermögen bei Langzeitarbeitslosen genau in der jetzigen Form zu berücksichtigen, ist ein sozialdemokratischer Vorschlag gewesen. Die CDU hatte ein Staffelmodell. Aber ich sage ausdrücklich: Das bringt doch jetzt nichts, hinzugehen, nachdem wir das Ergebnis haben, und zu sagen, aber diese Partei hat noch da und jene Partei noch dort und das hätte man so und so... Jetzt geht es darum, die Umsetzung hinzubekommen.

Da, Frau Senatorin, habe ich eine Frage an Sie: Was unterscheidet die Arbeitsagentur in Neuruppin von den Arbeitsagenturen in Berlin? –

Die Arbeitsagentur in Neuruppin hat es für sinnvoll gehalten, der Versendung der Fragebögen einen Hinweis beizufügen, bis wann diese Fragebögen bitte wieder ausgefüllt und unterschrieben eingereicht werden sollten. Das haben die Arbeitsagenturen in Berlin nicht gemacht. Das ist nicht Ihr Problem, Frau Senatorin, das ist auch nicht Ihr Fehler, das weiß ich. Aber es ist doch ein weiteres Beispiel, dass wir sehenden Auges in eine riesige Handvoll massiver organisatorischer Probleme hineinlaufen. Man braucht schon eine große Entschlossenheit, diese Probleme nicht wahrnehmen zu wollen. Dann kann man nicht sagen, wie der Senat es tut: Ist doch nicht mein Thema, wir haben die Optionskarte gezogen: Bundesagentur, Bezirke; jetzt macht einmal alle euren Job, wir haben damit nichts mehr zu tun.

[Beifall bei der CDU, der SPD, der FDP und den Grünen – Zurufe von der PDS]

Zur konkreten Umsetzung, Frau Knake-Werner, komme ich nachher noch.

Ihr Satz zu Herrn Lindner, was die wirtschaftliche Situation in den neuen Bundesländern angeht, kann nicht unwidersprochen bleiben. Das Einzige, was noch gefehlt hat, war der Hinweis darauf, dass es vor der Einheit jede Menge wettbewerbs- und leistungsfähige Arbeitsplätze gegeben habe, die dann durch die Fehler der Einheit verschwunden seien. So leicht kann man sich aus der Verantwortung nicht herausstehlen.

[Beifall bei der CDU und der FDP]

Herr Müller, drei Dinge haben mir an Ihrer Rede gut gefallen – ich will damit anfangen –:

1. Mir hat das eindeutige Bekenntnis zum Ausbildungspakt der Wirtschaft und der öffentlichen Hand gefallen. Ich bin auch bereit, darüber hinwegzusehen, dass Sie vor wenigen Monaten noch zu den Landesverbänden der SPD gehört haben, die nicht lauthals genug die Zwangsabgabe fordern konnten. Ich freue mich über den Fortschritt, den die SPD in Berlin erreicht hat.

[Beifall bei der CDU und der FDP]

2. Ich finde es auch richtig, dass Sie in Ihrer Rede nicht versäumt haben, einige Beispiele der Information und der Sachverhaltsaufklärung zu bringen, das müssen wir alle gemeinsam tun. Nur ein Hinweis: Der Erfinder des Wortes „1-Euro-Job“ ist der Superkommunikator Clement. Das ist ein fataler Begriff, weil er die Situation falsch wiedergibt, aber auch da gibt es einen gewissen Fortschritt.

Mir hat schließlich auch gefallen, dass Sie dem Fehler, dem die SPD lange genug erlegen ist, nicht mehr erlegen sind, nämlich das Bekenntnis zu Hartz IV oder zu Hartz insgesamt mit der Ankündigung zu verbinden: Und damit halbieren wir die Zahl der Arbeitsplätze innerhalb von zwei Jahren. – Dass Sie das nicht mehr bringen, ist auch ein Fortschritt.

[Pewestorff (PDS): Das könnte Ihnen so passen! – Dr. Steffel (CDU): 2006 im Wahlkampf wieder!]

Ich finde es auch richtig, dass wir uns heute im Abgeordnetenhaus um eine gemeinsame Entschließung bemühen. Die CDU wird dem Formulierungsvorschlag zustimmen. Ich halte es für wenig sachdienlich, Frau Grosse, wenn wir jetzt anfangen, der Reihe nach aufzuzählen, was die jeweils eine oder andere Partei in dem Vermittlungsverfahren für Positionen eingenommen hat.

[Liebich (PDS): Das ist schon interessant! – Zuruf der Frau Abg. Dr. Klotz (Grüne)]

[Pewestorff (PDS): In Neuruppin gibt es mehr PDS!]

[Frau Sen Dr. Knake-Werner: Darf ich Ihre Frage beantworten?]

Das Nächste, was jetzt noch fehlt, ist die Frage: Wozu diskutieren wir hier im Parlament überhaupt mangels Zuständigkeit von Ihnen, geben wir es doch in die Bezirksverordnetenversammlungen oder in die Aufsichtsgremien der Bundesagentur, wieso hier im Parlament? – Den Gefallen tun wir Ihnen nicht. Ich finde es gut, dass wir in den Ausschüssen gesagt haben, das wird jetzt das Schwerpunktthema der nächsten Wochen und Monate werden.

Ich würde mich freuen, wenn auch die zuständigen Senatoren insgesamt an dieser Diskussion mitwirken. Herr Senator Wolf, ich freue mich über einen hoffentlich fortschreitenden Erholungsprozess. Ich habe mir nur vorgestellt, wie eigentlich der Fraktionsvorsitzende Wolf reagiert hätte, wenn es zu seinen Zeiten ein Senator der von ihm oftmals so energisch kritisierten Senatskoalition gewagt hätte, seinen Erholungsurlaub in die Parlamentszeit zu legen und nicht anwesend zu sein, wenn in den für ihn zuständigen Ausschüssen die relevanten Punkte diskutiert worden sind.

Die CDU stimmt dem Entschließungsantrag zu. Wir bieten ausdrücklich an, organisatorische Probleme, die es in Hülle und Fülle gibt, gemeinsam anzugehen. Ich habe persönlich kein Problem damit, dass die PDS entschlossen ist, sich außerhalb eines solchen Bündnisses zu stel

Das heißt, keine ABM, das ist vielleicht in Berlin anders und hier wird es längere Übergangsregelungen geben. Nun ist es so, dass die HzA-, also die Hilfe-zur-Arbeit

Maßnahmen weitergeführt werden. Aber das heißt nicht, dass sie zu einem Dauerinstrument werden. Werden sie über die Mitte des nächsten Jahres weitergeführt, werden sie unterjährig sein, also wird man auch hier keinen neuen Anspruch auf ein Arbeitslosengeld erlangen, was ich für entscheidend halte. Ich finde, dass die Regionen, in denen es dramatisch zu wenig Arbeitsplätze gibt und das auch anerkannt ist, eine Verantwortung haben, ein Korrektiv darzustellen und genau diese Arbeitsplätze im öffentlich geförderten Beschäftigungssektor einzurichten, aber nicht in der Form einer halbjährigen Beschäftigung mit einem Zuverdienst und dann zurück ins Arbeitslosengeld II. Das ist für uns ein entscheidendes Kriterium.

Genau da, Frau Klotz, würden wir Ihre Mithilfe brauchen, weil Sie vielleicht etwas näher dran sind am Bundeswirtschafts- und Arbeitsministerium oder auch an der Bundesagentur. Da wäre Ihr Hauptkampffeld, dort ein Umdenken zu erreichen, denn „fordern und fördern“ kann nicht heißen, die Bundesrepublik hat eher das Fordern und die Haushaltssanierung im Blick, und Berlin soll das Fördern organisieren. Das ist ein Sachverhalt, der schlicht nicht finanzierbar sein wird.

Wir möchten mit der Regionaldirektion gemeinsam sozialversicherungspflichtige Beschäftigungsverhältnisse, und zwar als Dauerinstrument, einrichten und nicht nur als Übergangslösung. Wir möchten auch über eine Kapitalisierung des Arbeitslosengeldes II nachdenken können, und zwar mit gemeinsamer Finanzierung, die dann aus dem Arbeitslosengeld II herausführt.

len. Ich würde mich nur freuen, wenn die SPD erkennt, dass es auch ihr nicht nützt, wenn im Senat an den entscheidenden Ressorts diejenigen Verantwortung tragen, die nicht nur in aktuellen Umfragen, sondern von ihrem Selbstverständnis her nur davon profitieren können, dass das Thema Hartz IV, dass die Verbesserung der Situation der Betroffenen nicht gelingt. Das ist nicht im Interesse der Stadt, der Betroffenen; zu so viel Konsens und Gemeinsamkeit sollten wir hier in der Lage sein. – Danke sehr!

[Beifall bei der CDU und den Grünen – Vereinzelter Beifall bei der FDP]

Für die Fraktion der PDS hat Frau Abgeordnete Freundl das Wort. – Bitte sehr!

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! „Eine Bypassoperation für einen Asthmakranken“, so bezeichnet einer der fünf Wirtschaftsweisen die Hartz-IV-Gesetze für die Betroffenen. Ihnen wird viel zugemutet, aber sie profitieren nicht davon. Er führt es auch für Ostdeutschland noch einmal genau aus. Er sagt, der Druck auf die Arbeitslosen, die Verschärfung der Zumutbarkeitsregelung und die Kürzung der Leistungen würden in Ostdeutschland nicht zu mehr Arbeitsplätzen führen: Wenn auf 32 Arbeitslose eine offene Stelle kommt, werden sie das Problem nicht lösen, selbst wenn 16 davon keine Lust haben, diese Stelle anzunehmen. – Es wirkt nicht sehr gut, kommt nicht gut an bei Leuten, die seit Jahren langzeitarbeitslos sind und sich jahrelang intensiv um einen Job bemühen, zum Teil zum Nulltarif Praktika absolvieren, wenn ihnen diese Philosophie der Hartz-Gesetze jetzt deutlich wird.

An der Politik der Bundesregierung und jetzt auch der Bundesagentur fällt zuallererst auf, dass Arbeitsgelegenheiten geschaffen werden sollen, und zwar in einem erheblichen finanziellen und quantitativen Umfang. Da sage ich: Es kann durchaus sinnvoll sein, die Leute aus dem Arbeitslosengeld II heraus in eine sinnvolle Beschäftigung zu bringen – woran wir alle arbeiten werden, dass diese Beschäftigung sinnvoll ist und dem Gemeinwesen dient und den Betroffenen etwas bringt. Die Crux ist nur, dass der Betroffene, wenn die Qualität dieser Leistung, dieser Gemeinwesenarbeit, gut ist, eine Chance haben muss, aus dem Arbeitslosengeld-II-Bezug herauszukommen. Er muss die Chance haben, aus dieser gefährlichen Stigmatisierung, der Zuschreibung der Gesellschaft „einmal langzeitarbeitslos, immer langzeitarbeitslos“ herauszukommen. Da würde ich gerne einmal sagen, wie die derzeitige Geschäftspolitik der Bundesagentur in Nürnberg ist. Da hat Frau Klotz etwas ganz anderes suggeriert. Die Nachrichten sind von Dienstag dieser Woche: