Protokoll der Sitzung vom 09.09.2004

Der Bund unterstützt das Land Berlin bei den ihm vom Bund zur Wahrnehmung der gesamtstaatlichen Repräsentation übertragenen Aufgaben.

Im Übrigen gilt der Grundsatz, dass der größte Teil der Arbeitsplätze der Ministerien in Bonn zu verbleiben hat. Das war es dann im Wesentlichen zu Berlin.

Mit der Sinnfrage der Bundesstadt Bonn vermochten die Schöpfer dieses Gesetzes dagegen viel mehr anzufangen. Sie als Standort von Wissenschaft und Kultur und in ihrer Entwicklung als Region mit einer zukunftsorientierten Wirtschaftsstruktur ebenso zu fördern wie als Standort für internationale und supranationale Einrichtungen, das ist eine Antwort auf die Sinnfrage, mit der man sehr gut leben kann.

Warum erfolgte diese unterschiedliche Behandlung von Bonn und Berlin? – Hier ist an die Erwartungen und Prognosen, die von einem metropolitanen Boom in Berlin und in der gesamten Hauptstadtregion ausgingen, zu erinnern. Die Fiktion, dass Berlin auf Grund seiner Hauptstadtrolle einen gewaltigen Aufschwung und einen formidablen Zuwachs von bis zu 1,5 Millionen Einwohnern und 400 000 Arbeitsplätzen zu gewärtigen habe und für seine neue Funktion gewissermaßen nur einer Anschubfinanzierung bedürfe, lag den zwischen Kohl und Diepgen ausgehandelten Hauptstadtplanungen zu Grunde. Diese Fiktion ist vom Leben überholt worden, und es ist an der Zeit, daraus auch im Hinblick auf den rechtlichen Status von Berlin Konsequenzen zu ziehen.

[Beifall bei der PDS]

Im Hinblick auf die finanziellen Konsequenzen des Berlin-Bonn-Gesetzes zeichnet sich ab, dass die Bundesstadt Bonn mehr als doppelt so viel Förderung bekommt wie die Bundeshauptstadt. Wir sollten der Versuchung widerstehen, diesen Umstand zu skandalisieren oder zu beklagen. Bonn erhält diese Mittel nach Recht und Gesetz, und wir führen hier eine Hauptstadtdebatte und keine Neiddebatte.

Warum wir es für interessant halten, ausführlicher über das Berlin-Bonn-Gesetz zu sprechen, ist der Fakt, dass darin grundsätzlich ermöglicht wird, dass der Bund umfangreiche standortpolitische Verpflichtungen für eine Stadt übernimmt. Das ist eine Lösung aus einem Guss, und es ist nur recht und billig, nach zehn Jahren hierbei eine rechtliche Gleichstellung zwischen Berlin und Bonn einzufordern.

[Beifall bei der PDS]

Mit einer solchen Statusverbesserung Berlins wäre der Stadt nachhaltiger geholfen als mit einer kurzatmigen finanziellen Nachschlagsdebatte.

[Beifall bei der PDS und der SPD]

Ohne eine nüchterne Bilanz der Hauptstadtfunktion kann jedoch keine sachgerechte Debatte über die gesamtnationale Verantwortung für Berlin geführt werden, zumal in den anderen Bundesländern völlig zu Recht die Frage besteht, ob eine Stadt, die Jahr für Jahr Milliarden € erhält, überhaupt noch weitere Forderungen stellen kann. Unsere Forderungen sind gut begründet – nicht nur, weil wir in Berlin bei 670 Millionen € Hauptstadt-Ausgaben nur ca. die Hälfte vom Bund ersetzt bekommen, sondern weil das ganze System der Hauptstadtförderung auf einigen veritablen Irrtümern der 90er Jahre beruht. Sie gemeinsam zu überwinden ist politische Aufgabe und der Auftrag, vor dem wir und diese Regierung stehen. – Herzlichen Dank!

[Beifall bei der PDS und der SPD]

Danke schön, Herr Kollege! – Nun hat für die Beantwortung Herr Senator Wolf das Wort – bitte schön!

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Der Umzug der Regierung von Bonn nach Berlin ist sicher ein ganz wichtiger Entwicklungsimpuls für die

Bm Wolf

Sie fragen in Ihrer Großen Anfrage, welche Auswirkungen die Hauptstadtfunktion und der Regierungsumzug auf Ansiedlungen gehabt hat. Es ist natürlich sehr schwierig, im Einzelnen nachzuvollziehen, inwieweit Ansiedlungsentscheidungen von Unternehmen von der Hauptstadtfunktion Berlins beeinflusst oder gar ausschlaggebend gewesen sind. Meine Erfahrung ist allerdings, dass für die Ansiedlung von Unternehmen in Berlin andere Kriterien die entscheidende und ausschlaggebende Rolle gespielt haben. Die Ansiedlungserfolge, die wir im Bereich der Musikwirtschaft gehabt haben, liegen sicherlich nicht daran, dass in Berlin die politische Musik spielt, sondern dass es hier auch jenseits der Politik eine kreative und lebendige Szene gibt, die entsprechende Standortpo

tentiale für diese Musikindustrie und für die Musikwirtschaft geboten hat. Dass wir Ansiedlungserfolge im Bereich der Informations- und Kommunikationstechnologien gehabt haben – wie z. B. die Ansiedlung von Motorola oder Carmeq – hat damit zu tun, dass qualifizierte Arbeitskräfte für diese Branchen vorgefunden wurden und die entsprechenden wissenschaftlichen Umfelder vorhanden sind. Das hat weniger mit der Regierungsfunktion Berlins zu tun gehabt.

Es gibt aber sicherlich auch Unternehmen, für die die Nähe von politischen Entscheidungszentren eine Relevanz und Bedeutung hat. Hier nenne ich die Investitionsentscheidung der großen, international aktiven Wirtschaftsprüfungsgesellschaft KPMG, die am Klingelhöfer Dreieck ihre Zentrale baut – das hat sicherlich auch etwas mit der Hauptstadtfunktion zu tun.

wirtschaftliche, soziale und kulturelle Entwicklung Berlins gewesen. Berlin 1990, das bedeutet eine wiedervereinigte Metropole mit einem erheblichen Funktionsverlust, wenn man die Stadt in ihrer Funktion und Situation vor dem zweiten Weltkrieg vergleicht. Berlin hatte 1990 den Verlust der Hauptstadtfunktion in Ost und West, der Funktion als politisches Entscheidungszentrum zu beklagen und den fast vollständigen Verlust von wirtschaftlichen Entscheidungszentren. Durch die Entscheidung des Bundestages zur Verlagerung des Regierungssitzes ist zumindest der Verlust der Funktion als politisches Entscheidungszentrum wieder rückgängig gemacht worden. Damit verbunden sind eine ganze Reihe von Impulsen – angefangen bei dem Zuzug von Verbänden, Organisationen und Lobbyisten im Gefolge der Regierung, dem Zustrom neuer Menschen, neuer Milieus, damit verbunden auch neuer Erfahrungen mit einem neuen Blick auf die Berliner Realität. Es gibt sogar die Hoffnung, dass diese – von einigen auch Hugenotten genannten – sogar dazu beitragen können, eine Berliner Partei zu modernisieren oder zu der Innovation zu veranlassen, die sie dringend notwendig hätte.

Wir haben gleichzeitig mit dem Regierungsumzug große Investitionen und Veränderungen im städtebaulichen Bild der Stadt erlebt. Das hat Arbeitsplätze geschaffen, und zugleich ist das auch ein Anziehungspol im Rahmen der touristischen Attraktivität der Stadt Berlin. Die Hauptstadtfunktion ist ein wichtiger Faktor bei der positiven Entwicklung, die wir im Berlintourismus zu verzeichnen haben. Das alles sind unbestreitbar positive Effekte. Das kann aber nicht darüber hinwegtäuschen, dass der Umzug von Regierung von Bonn und Berlin es natürlich nicht leisten konnte, die Probleme des wirtschaftlichen Strukturwandels, wie er sich in Berlin nach 1990 dargestellt hat, zu kompensieren. Die Bilanz zeigt, dass all diejenigen, die im Zusammenhang mit der Umzugsentscheidung geglaubt haben, das sei der entscheidende Entwicklungsimpuls Berlins, der Berlin zur blühenden Metropole macht, einem großen Irrtum unterlegen sind. Diejenigen haben Recht gehabt, die die realistische Erwartung gehabt haben: Der Umzug wird Entwicklungsimpulse für Berlin bringen, er wird aber nicht in der Lage sein, die Strukturprobleme der Stadt wirklich zu überwinden oder einschneidend zu verändern.

Unabhängig davon, inwieweit man das im Einzelnen der Hauptstadtfunktion zuordnen kann, glaube ich, dass wir eine positive Entwicklung bei den Ansiedlungen seit 1990 gehabt haben und einen positiven Trend verzeichnen können. Angefangen bei den Entscheidungen von Debis und Sony Anfang der 90er Jahre über die wichtige Entscheidung der Deutschen Bahn AG, die ja auch eine gewisse Politiknähe aufweist, ihren Hauptsitz in Berlin und Frankfurt zu haben, und die in zunehmendem Maße ihre Aktivitäten in Berlin aufbaut. Wir haben zugleich in diesem Jahr die Entscheidung von Connex, des Konkurrenten der Deutschen Bahn AG, ihren Firmensitz nach Berlin zu verlegen. Wir haben die Ansiedlung der Deutschlandzentrale von Bombardier, von Coca Cola, von SanofySynthelabo, wir haben die Entscheidung von Springer, seine Konzernfunktion in Berlin anzusiedeln und hier auszubauen, und wir haben – wie kürzlich bekannt geworden ist – die sehr erfreuliche Entscheidung, dass Berlin für ein Unternehmen, das eigentlich seinen ursprünglichen Sitz in Berlin gehabt hat – Siemens – eine zentrale Funktion durch die hiesige Ansiedlung der Vertriebszentrale für Deutschland erhält. Das sind positive Entwicklungen, die aber eben nicht einfach der Hauptstadtfunktion zugeschrieben werden können, sondern auch sehr viel mit der Standortqualität Berlins zu tun haben.

[Beifall bei der PDS und der SPD]

Was unmittelbar der Hauptstadtentscheidung und Hauptstadtfunktion zugeschrieben werden kann, ist die Ansiedlung von rund 400 bei der Bundesregierung akkreditierten Verbänden sowie Medienvertretungen. Einer Untersuchung von Prognos im Auftrag des Bundesfinanzministeriums aus dem Jahre 2003 zufolge generieren diese Verbände gemeinsam mit den Ländervertretungen, den Botschaften, den Parteien und Stiftungen laufende Ausgaben für ihren Geschäftsbetrieb in Höhe von 220 Millionen €, die zum großen Teil in Berlin nachfragewirksam werden.

Was man auch nicht vergessen darf ist die mittlerweile ausgesprochen große Zahl von Unternehmensrepräsentanzen in der Stadt, die im unmittelbaren Zusammenhang mit der Hauptstadtfunktion stehen. Diese sind zwar nicht

Bm Wolf

Zur Frage zentraler Investitionsvorhaben, die mit dem Regierungsumzug zusammengehangen haben, lässt sich für die privaten Investitionen schwer sagen, welche

hauptstadtinduziert sind. Da gilt die Einschränkung, die ich vorhin über die eingeschränkte Bedeutung für die Ansiedlung von Wirtschaftsunternehmen gemacht habe. Wir haben allerdings die großen öffentlichen Investitionen, einmal die Investition im Rahmen der Entwicklungsmaßnahme Regierungsviertel und die Verkehrsinvestitionen wie die Schließung des S-Bahn-Rings, die Straßentunnel der B 96, bekannter unter dem Namen Tiergartentunnel, und die Entwicklungsmaßnahme Hauptstadt Berlin. Das ist insgesamt ein Investitionsvolumen von über 1 Milliarde DM, bei der sich allerdings das Land Berlin mit einem Ihnen bekannten Eigenanteil hat beteiligen dürfen und müssen.

Zur Förderung von Bonn und Berlin sieht es so aus, dass laut Hauptstadtfinanzierungsvertrag, der auf dem Berlin-Bonn-Gesetz fußt, Berlin 1,3 Milliarden € erhält und Bonn 2,8 Milliarden €. Berlin sollte an dieser Stelle nicht nachkarten, weil das Bonn-Berlin-Gesetz und die Realisierung des Umzugsbeschlusses – wie alle wissen, die sich an die Auseinandersetzung damals erinnern – ein schweres Ringen und ein schwieriger Kompromiss war, der sich auch in diesen Regelungen auswirkt. Dieser Kompromiss hatte nicht nur auf der politischen Ebene, sondern auch auf der finanziellen Konsequenzen.

Die Präambel zum Berlin-Bonn-Gesetz besagt unter anderem, dass Bonn in Wahrnehmung der Aufgaben als provisorische Bundeshauptstadt Wesentliches zum Aufbau und zur Identifikation des demokratischen, an bundesstaatlichen Prinzipien orientierten Deutschlands geleistet hat. Diese Motive und die Festlegung, welche Bundesministerien ihren ersten Dienstsitz in Bonn behalten sollen, haben dann auch zur Festlegung des § 6 im BerlinBonn-Gesetz geführt, wonach der Standort Bonn insbesondere in den Bereichen Wissenschaft und Kultur sowie Entwicklungspolitik gefördert werden soll. Zu den Fragen nach den Grundlagen der Hauptstadtfinanzierung – Sie haben es auch in Ihrer Einleitung schon angesprochen, Herr Krüger – teile ich die Auffassung, dass die Haushaltsprobleme Berlins nicht durch Hauptstadtfinanzierung zu lösen sind. Darauf hat auch der Regierende Bürgermeister im Zusammenhang mit seinem Vorschlag zur Einführung einer Hauptstadtklausel hingewiesen, gerade auch vor dem Hintergrund, dass Berlin immer unter dem Verdacht steht, die Hauptstadtfunktion vor allem als Vehikel der Finanzierung zu nutzen. Das wird uns nicht daran hindern, bei dem, was hauptstadtbedingte Aufgaben und hauptstadtbedingte Finanzierungslasten sind, zu versuchen, zu einer entsprechenden, angemessenen Finanzierung zu kommen.

unmittelbar mit Entscheiderfunktionen verbunden – das heißt, das sind keine Konzernzentralen –, ich halte es allerdings für wichtig und bedeutsam, dass die Managementebenen deutscher und international agierender Unternehmen in zunehmendem Maße in Berlin, in der Hauptstadt präsent sind, weil das auch ihre Wahrnehmung und ihren Blick auf diese Stadt verändert. Insofern wird das möglicherweise für künftige Standortentscheidungen auch ein durchaus bedeutsamer Faktor sein.

Sie fragen auch nach der Auswirkung des Regierungsumzugs auf die Arbeitsmarktlage. Die Situation in Berlin macht deutlich, dass angesichts unserer Erwerbslosenquote von fast 18 % positive Auswirkungen der Hauptstadtfunktion auf den Arbeitsmarkt nur begrenzt zu erkennen sind. Wir haben die Situation, dass die Folgen des strukturellen Wandels und der strukturellen Schwäche der Berliner Wirtschaft mögliche positive Effekte bei weitem überlagern.

Das macht noch einmal deutlich, dass man die Bedeutung der Hauptstadtfunktion Berlins für die Wirtschaft nicht überschätzen darf. Es besteht allerdings auch kein Anlass, diese Wirkung klein zu reden oder zu vernachlässigen. Ich zitiere noch einmal die Prognos-Untersuchung, die zu dem Ergebnis gekommen ist, dass direkt und indirekt rund 52 000 Arbeitsplätze durch die Hauptstadtfunktion entstanden sind. Das sind Arbeitsplätze, die bei Bundeseinrichtungen, Regierung und Parlament, bei ausländischen Vertretungen, bei Verbänden und Hauptstadtrepräsentanzen von Unternehmen sowie bei politiknahen Dienstleistungsunternehmen entstanden sind.

Auch was die Bevölkerungsentwicklung angeht, gab es eine weitere Frage, die Sie gestellt haben. Die spürbare Auswirkung der Hauptstadtentscheidung ist kaum erkennbar. Die natürliche Entwicklung und die Zuwanderung aus dem Ausland sind bestimmende Faktoren in der demographischen Entwicklung. Allerdings können wir beim Wanderungssaldo mit Nordrhein-Westfalen ab 1994 einen Zuwachs erkennen, der sicherlich hauptstadtbedingt ist. Die großen Faktoren, die die demographische Entwicklung in Berlin bestimmen, hängen nicht unmittelbar mit dem Hauptstadtumzug, sondern mit anderen Fragen zusammen.

Zu den Fragen nach der Absicht, weitere Dienststellen der Bundesregierung oder des Bundes in Berlin anzusiedeln, verweise ich auf die bekannten Entscheidungen, die Absicht, den Bundesnachrichtendienst in Berlin mit den entsprechenden Effekten anzusiedeln. Zur Ansiedlung von Teilen des Bundeskriminalamtes gab es eine lange Diskussion. Weitere Pläne zur Ansiedlung von Dienststellen des Bundes gibt es nach Auskunft der Bundesregierung gegenüber dem Haushaltsausschuss des Bundestages von Anfang dieses Jahres nicht.

Was die Frage der Hauptstadtklausel angeht, ist der Stand der, dass in der entsprechenden Projektgruppe der Föderalismuskommission am 7. September eine Befassung mit dem Thema erfolgt ist. Dort wurde ein Kompromissvorschlag des Vorsitzenden Bernd Neumann aus Bremen erörtert, der wesentliche Grundgedanken der Berliner Vorschläge aufgreift. Es ist allerdings noch nicht zu einer Entscheidung gekommen. Deshalb müssen wir

Bm Wolf

Das kann auch nicht durch die Debatte, die jetzt in der Föderalismuskommission geführt wird, vollständig geleistet werden. Ich glaube, das ist ein wichtiger und positiver Anfang. Ich glaube aber, dass dies vor allem eine Debatte ist, die in der Gesellschaft, in den einzelnen Institutionen, in den gesellschaftlichen Organisationen und in den Parlamenten geführt werden muss. Hier müssen die Fragen beantwortet werden, die Johannes Rau in seiner Rede anlässlich der Verleihung der Ehrenbürgerwürde Berlins im März gestellt hat:

Wie können die Potentiale Berlins für unser Land am besten genutzt werden? Wie will dieses Gemeinwesen selber in Berlin, aber auch nach außen mit Berlin auftreten? Welchen nationalen und internationalen Nutzen kann die Bundeshauptstadt für Deutschland bringen, auch auf Grund ihrer Lage zu den mitteleuropäischen Nachbarn?

Ich glaube, das ist genau die Diskussion, die wir in der Bundesrepublik brauchen und die jetzt in der Föderalismuskommission begonnen wurde, aber – wie bereits gesagt – weit darüber hinausgehen muss.

auch erst einmal weiterhin von den gegebenen Rechtsgrundlagen ausgehen, auf denen auch die bisherigen Verträge mit dem Bund beruhen.

Das sind insbesondere die Folgevereinbarungen zur Abgeltung haupstadtbedingter Sicherheitsmaßnahmen vom 29. März 2001, wonach Berlin zur pauschalen Abgeltung hauptstadtbedingter Sicherheitsmaßnahmen einen Betrag von jährlich 38,3 Millionen € erhält. Über diesen Vertrag sowie über die Finanzierung sonstiger hauptstadtbedingter Maßnahmen werden ab 2005 neue Verhandlungen aufgenommen werden. Weiter ist die Hauptstadtkulturfinanzierungsvereinbarung vom 9. Dezember 2003 zu nennen, in der der Bund zugesagt hat, über die in den vergangenen Jahren bereits von Berlin übernommenen Institutionen hinaus in einem Umfang von etwa 22 Millionen € zusätzlich die Betriebskosten des Hamburger Bahnhofs, die Finanzierung der Akademie der Künste sowie der Stiftung Deutsche Kinemathek zu übernehmen. Auch der Hauptstadtkulturfonds soll weiter gefördert werden. Hierfür sind jährlich in der Finanzplanung des Bundes etwa 10,2 Millionen € vorgesehen.

Sie fragen auch nach der Entwicklung Bonns. Diese Entwicklung ist durchweg positiv. Die Bonner Oberbürgermeisterin Bärbel Diekmann hat im Frühjahr dieses Jahres aus Anlass der auslaufenden Ausgleichszahlungen für Bonn eine positive Bilanz der Entwicklung der letzten 10 Jahre gezogen. Bonn, so Bärbel Diekmann, habe den Strukturwandel gut gemeistert und werde sein Profil weiter stärken. Diese positive Entwicklung beruht unter anderem darauf, dass sich die Stadt zur einzigen UN-Stadt in Deutschland mit inzwischen 600 Mitarbeitern in 12 Einrichtungen der Vereinten Nationen entwickelt hat. Dazu kommen verschiedene Bundesbehörden auch aus Berlin, die im Rahmen des Umzugs als Gegenleistung mit etwa 7 000 Mitarbeitern nach Bonn gezogen sind.

Mit den Ausgleichsgeldern des Bundes sind nach Angaben der Oberbürgermeisterin rund 27 000 Arbeitsplätze in der Region geschaffen oder gesichert worden. Zu den wichtigsten Institutionen, die sich in den letzten Jahren in Bonn niedergelassen haben, zählen beispielsweise die Telekom, die Post und die Deutsche Welle. Die positive Bilanz für die Region Bonn wird durch eine vergleichsweise niedrige Arbeitslosenquote von etwa 8 % im vergangenen Jahr bestätigt. Bonn verzeichnet einen Bevölkerungszuwachs. Die Kaufkraft pro Kopf liegt um 18 % über Bundesdurchschnitt. Insofern glaube ich, dass – auch wenn man sich an die Aufgeregtheiten im Zusammenhang mit dem Umzug erinnert – es für Bonn durchaus eine gute Lösung im Rahmen des Berlin-Bonn-Gesetzes gegeben hat und dies auch mit dazu beigetragen hat, dass sich das Verhältnis zwischen Berlin und Bonn entspannt und entkrampft hat.

Diese Entspannung des Verhältnisses zu Berlin bezieht sich nicht nur auf Bonn. Berlin hat eine größere Akzeptanz in der Bundesrepublik als deutsche Hauptstadt gefunden, als es Anfang der 90er Jahre noch der Fall

gewesen ist. Was Berlin als Hauptstadt für eine Funktion in diesem föderalen Staat hat, was Berlin für eine Bedeutung nicht nur für die Berliner, sondern für alle Bürger der Bundesrepublik hat und haben kann, ist der Beginn einer Debatte und ist bei weitem noch nicht ausreichend diskutiert worden.

Wird diese Debatte in der Gesellschaft, in der Bundesrepublik für die Bedeutung Berlins als Hauptstadt und ihre Erwartung an Berlin als Hauptstadt geführt, dann steigen auch die Anforderungen an Berlin, und zwar in einem positiven Sinne. Ich glaube, wir müssen uns alle anstrengen, um diesen Anforderungen gerecht zu werden.

Die Hauptstadtfunktion und die Hauptstadtrolle Berlins sind zentral für das Selbstverständnis der Stadt und tragen dazu bei, Berlin einen Platz unter den europäischen Metropolen zu sichern. Dieses enthebt Berlin nicht der Aufgabe, seine eigene wirtschaftliche Zukunft unabhängig zu gestalten. Die Hauptstadtrolle mag an der einen oder anderen Stelle Rückenwind geben, sie kann aber nicht unsere Eigenanstrengungen ersetzen. Dieser Aufgabe hat sich der Senat mit Entschlossenheit gestellt, und ich glaube, wir haben dafür auch Anerkennung innerhalb der Stadt gefunden. Wir werden diesen Weg weitergehen, damit Arbeitsplätze entstehen, damit Einkommen aus eigener Kraft generiert werden und damit die Bundesrepublik eine Hauptstadt hat, die aus eigener Kraft in der Lage ist, selbstständig zu wirtschaften.

Für die hauptstadtbedingten Ausgaben werden wir auch die Unterstützung des Bundes brauchen, aber wir müssen unseren Beitrag dazu leisten, Berlin wirtschaftlich selbstständig und lebensfähig zu machen. – Ich danke für Ihre Aufmerksamkeit!

[Beifall bei der PDS und der SPD]

Berlin steht zum Glück bei jungen Menschen hoch im Kurs und lockt mit großer Kreativität in den Bereichen Medien, Musik, Design und auch im Tourismus. Das heißt – da sind wir uns alle einig –, wir müssen Berlins Potentiale nutzen. Wir können stolz darauf sein. Wir haben gleichzeitig neue Institutionen geschaffen, um den wirtschaftlichen Fortgang und die wirtschaftliche Entwicklung voranzubringen. Das sind die guten Nachrichten über unsere Stärken. Wir sollten stolz darauf sein und sie nicht kaputt reden, sondern weiter fördern.

Aber trotz dieser positiven Entwicklung haben wir einen Strukturwandel ohnegleichen zu bewältigen gehabt. Der Rückgang des verarbeitenden Gewerbes in Berlin und ein Wegbrechen von Hunderttausenden Arbeitsplätzen in den ehemaligen Treuhandbetrieben und Verwaltungen im Ostteil der Stadt sowie die beispielslose Rückführung der Bundeshilfe für Berlin haben diesen Aderlass bei uns maßgeblich verstärkt. Dass ein solcher Funktionswandel einer Metropole aus zwei unterschiedlichen Systemen nicht genügend abgefedert wurde, ist bis heute nicht verständlich.