Protokoll der Sitzung vom 23.09.2004

RBm Wowereit

Die Beschlusslage gab es beim IBB-Ausschuss auch. Sie erfolgte mit Zustimmung von Herrn Wieland, Frau

Goehler und der grünen Wirtschaftssenatorin: ein Mixverfahren, Sponsoringleistungen von der IBB, Lottomittel, öffentliche Haushaltsmittel. Und dies geschah nicht, weil wir meinten, dass das ein Erfolgsprojekt sei, das uns angesichts des gemeinsam propagierten Mentalitätswechsels gut anstehe, sondern weil es eine Notwendigkeit war, die wir nach Abwägung der Vorentscheidung trafen. Diese Vorentscheidung, eine gigantische Landesbürgschaft zu geben, kam wiederum von den Senatoren Kurth und Branoner. Damit sind es die Parteien, die die Ursachen mit zu verantworten haben, die sich heute hinstellen und sagen, die zehnte Entscheidung zum Tempodrom und die kleinste Entscheidung im IBB-Ausschuss seien Untreuetatbestände. Es ist unerhört bigott, was Sie hier abliefern.

Der Hinweis auf vorangegangene vermeintliche Fehlentscheidungen und gemeinsame Verantwortung enthebt aber den Regierenden Bürgermeister nicht davon zu prüfen, ob das im politischen Sinn durchzustehen ist. Da haben Sie vollkommen Recht, Herr Ratzmann. Ich habe mir seit Beginn des Verfahrens regelmäßig die Frage gestellt, ob an den Vorwürfen juristisch oder politischmoralisch etwas dran ist. Selbst wenn es juristisch einwandfrei wäre, müsste man sich die Frage stellen, ob eine politische Verantwortung zu tragen ist. Da gibt es Unterschiede in dem Verhalten und den Erwartungen gegenüber Senatsmitgliedern. Ich habe diese Prüfung intensiv vorgenommen und komme zu dem Resultat, das ich bereits in der letzten Plenarsitzung vorgetragen habe: Nach meiner juristischen und politischen Prüfung gibt es keinen Grund für einen Rücktritt des Finanzsenators. Er wird im Amt bleiben.

[Beifall bei der SPD und der PDS]

Und dass Dinge, die alle Parteien und jeden einzelnen Abgeordneten betreffen können, heute nur des Tagesordnungspunktsieges wegen juristisch-politisch missbraucht werden, ist ein bedenklicher Vorgang für uns alle. Ich freue mich nicht darüber, wenn es mal den einen oder anderen trifft. Vielmehr sollten wir gemeinsam diskutieren, welchen Schaden die Demokratie nimmt.

Ich nenne Ihnen hierzu ein Beispiel, Herr Zimmer. Ich habe der Presse entnommen, dass eine aus Steuergeldern finanzierte Fraktionsvergnügungsreise der CDU nach Warschau folgendermaßen abgelaufen ist: Ein Drittel ist nicht mitgefahren, ein anderes Drittel war shoppen, und das restliche Drittel hat Informationsbesichtigungen gemacht. Soll ich jetzt als Steuerzahler zum Staatsanwalt gehen und wegen des Verdachts der Untreue gegen ein Drittel Ihrer Mitglieder Anzeige erstatten, weil es Steuergelder verschwendet hat? Ist das die Form der politischen Auseinandersetzung? – Herr Zimmer, ich glaube kaum, dass das das Niveau der Auseinandersetzung sein sollte.

[Beifall bei der SPD und der PDS – Dr. Steffel (CDU): Selbstgefällig!]

Herr Steffel, wir haben mitbekommen, dass Sie alles dazu beigetragen haben, dass die Reise nach Warschau ein voller Erfolg für Ihren Fraktionsvorsitzenden geworden ist. Vielen Dank!

[Beifall und Heiterkeit bei der SPD und der PDS]

Solange Sie in der CDU-Fraktion noch die Strippen ziehen, kann ich meine Arbeit leichter erledigen. Das ist wunderbar. Bleiben Sie so, wie Sie sind!

[Beifall und Heiterkeit bei der SPD und der PDS]

Schon im Vorfeld des Verfahrens, das von der CDUFraktion initiiert wurde, gab es nicht nur eine Vorverurteilung, sondern eine Verurteilung. Das ist ein unglaublicher Vorgang. Ich sage in Richtung der Fraktion der Grünen, die eigentlich dafür bekannt ist, im rechtsstattlichen Bereich Maßstäbe zu setzen: Hier sind Sie völlig außer Kontrolle geraten. Ich wundere mich, dass gerade Sie vom hohen Ross herunter argumentieren und so tun, als habe der Finanzsenator eine kriminelle Handlung begangen. Das ist ein hohes Maß an Ignoranz angesichts der eigenen Verantwortung im Rahmen des Tempodroms.

[Beifall bei der SPD und der PDS]

Es ist leicht zu vergessen, dass wir im Jahr 2001 monatelang gemeinsam im Senat darum gerungen haben, wie es politisch mit dem Tempodrom weitergeht.

[Ratzmann (Grüne): Im Senat!]

Und wie war die Beschlusslage des Senats?

[Ratzmann (Grüne): Da gab es wenigstens eine Beschlusslage!]

[Beifall bei der SPD und der PDS]

[Beifall bei der SPD und der PDS – Ratzmann (Grüne): Wie lange noch?]

Bei der Diskussion über die Gründe, die für oder gegen einen Rücktritt sprechen, müssen auch die Inhalte diskutiert werden. Gott sei Dank wurde das nicht nur von den Regierungskoalitionen betont – einmal abgesehen von Herrn Ratzmanns komischen Anwandlungen und den Hinweisen auf die Teilnahme des Finanzsenators an Sponsorenessen zu Gunsten des Bürgermeisterkandidaten der SPD. Es ist langsam lächerlich, dass ein SPDMitglied nicht bei Unterstützungsaktionen für SPDKandidaten teilnehmen kann. Und wenn Sie noch sagen: Der hat sich dadurch ein Amt erschlichen –, dann muss ich Ihnen klipp und klar sagen: Hätte ich gewusst, dass der nur 1 000 DM bezahlt hat, wo eigentlich 5 000 DM verlangt wurden, dann hätte ich ihn natürlich nie zum Finanzsenator gemacht.

[Beifall und Heiterkeit bei der SPD und der PDS]

Das ist überhaupt eine schizophrene Diskussion. Da sieht man doch, wohin wir langsam kommen. Es hat gerade ein Sponsorenessen für Herrn Schönbohm in Brandenburg stattgefunden. Das hat komischerweise keiner aufgegriffen. Es hat ein Sponsorenessen mit Frau Mathiopoulos im Garten zu ihrem Geburtstag stattgefunden, wo die Leute spenden mussten, obwohl sie damals noch mit einem CDU-Mann verheiratet war.

RBm Wowereit

Der ist nicht groß zu ermitteln, auch nicht durch ein Gericht, sondern da geht es darum: Durften Mitglieder des IBB-Ausschusses diesem weiteren Sponsoringvertrag zustimmen oder nicht, und ist damit der Tatbestand der Untreue erfüllt? – Nicht gegenüber dem Unternehmen, gegenüber der IBB und der Landesbank, denn dann hätte man gegen die anderen sechs Mitglieder des IBBAusschusses auch Anklage erheben müssen. Warum hat man denn Anklage nur gegen die drei politischen Vertreter erhoben und nicht gegen die anderen sechs? – Die hatten noch nicht einmal eine Mehrheit im IBBAusschuss.

Warum ist denn nicht gegen Herrn Strauch Anklage erhoben worden? Was ist das für eine juristische Argumentation zu sagen, er ist unbedeutend? – Das ist ein Skandal, Herr Strauch, dagegen würde ich mich verwahren zu sagen, Sie sind unbedeutend, deshalb hat man das Ding eingestellt.

[Heiterkeit bei der SPD]

Da mussten die an die FDP spenden. Selbstverständliche Praxis – das wird kritisiert, ist doch unglaublich, wohin wir so langsam gekommen sind.

[Zurufe von der CDU und der FDP]

Wir müssen aufpassen, was wir uns politisch gegenseitig antun. Es muss doch einmal Mäßigung entstehen im Interesse aller politischer Parteien in dieser Republik.

[Beifall bei der SPD und der PDS]

Beim Tempodrom – anders als bei anderen Skandalen, die es in der Stadt gegeben hat – ist mir bislang auch bei allen Arbeitsberichten aus dem Untersuchungsausschuss noch nicht einmal etwas über den Weg gelaufen, dass irgendjemand substantiell behaupten konnte, dass sich irgendjemand, den man irgendwo vermutet, Vorwürfe machen zu können, persönlich irgendwo bereichert, bis hin zu der Tatsache, dass noch nicht einmal jemand behaupten konnte, dass der Bau zu teuer gebaut worden ist. Alle sagen mir, die Baukosten sind für diesen Bau berechtigt. Er ist aber in einer Dimension, wie man sie nicht hätte bewilligen dürfen. Aber da sagt noch nicht einmal jemand: So wie er da steht, ist der Wert, der dafür bezahlt worden ist, noch nicht einmal der Wert.

[Zuruf des Abg. Dr. Lindner (FDP)]

Und was wir auch vergessen: In diesem Tempodrom finden tagtäglich hervorragende Veranstaltungen bis zum Bundesparteitag der Grünen statt, und alle freuen sich darüber, dass die Stadt so ein Veranstaltungsangebot hat.

[Zuruf des Abg. Ratzmann (Grüne)]

Herr Regierender Bürgermeister! Gestatten Sie eine Zwischenfrage des Kollegen Niedergesäß?

Nein, das ist mir zu riskant mit Niedergesäß, das wird dann immer doch zu sehr – –

[Heiterkeit bei der SPD und der PDS]

Der hat mir gerade gesagt, dass er für die SPD wirbt, wenn ich ihn beim Ausbau des Stadions für Union helfe. Das ist mir jetzt zu gefährlich mit Niedergesäß.

[Beifall bei der SPD und der PDS – Klatschen des Abg. Niedergesäß (CDU)]

Lassen wir das einmal lieber sein, wir reden jetzt über das Tempodrom und nicht über das Unionstadion. Dazu hat es auch einmal einen Untersuchungsausschuss gegeben.

Also, der Wert ist auch noch da. Ich sage an dieser Stelle noch einmal deutlich, was ich immer gesagt habe: Jedes Mal, wenn ich im Tipi neben dem Kanzleramt bin, wo ein Zelt steht, wird natürlich überhaupt die Dimension dieses angeblich privaten Umzugs von Frau Moessinger mit ihrem Tempodrom neben dem Kanzleramt hin zum Anhalter Bahnhof deutlich. Ich sage auch klipp und klar: Alle, die sich hier beteiligt haben – und das sage ich genauso für die Menschen, die heute in der Opposition sitzen –, haben nach meinem Kenntnisstand aus politischer

Sichtweise, aus politischer Diskussionslage für oder gegen das Tempodrom entschieden. Man kann unterschiedlicher Auffassung sein. Ich warne aber davor, jede einzelne Entscheidung zu kriminalisieren, weil das dazu führt, dass wir in Diskussionslagen hineinkommen, die problematisch sind. Das ist genau die juristische Komponente an dem Fall. Der Sachverhalt ist relativ einfach.

[Ratzmann (Grüne): Eben!]

[Vereinzelter Beifall bei der SPD]

[Beifall und Heiterkeit bei der SPD und der PDS – Wellmann (CDU): Vielleicht lässt sich ja noch etwas machen!]

Es bleiben von neun IBB-Ausschussmitgliedern zwei übrig, zufällig sind das die politischen Vertreterinnen und Vertreter. Das kann man so vielleicht noch hinnehmen, aber diese politische und juristische Frage ist neu in der Bundesrepublik Deutschland. Der Kollege Liebich hat darauf hingewiesen. Es hätte Konsequenzen, und zwar fatale Konsequenzen für jeden, der einem Aufsichtsrat eines von dem öffentlichen Eigentümer entsandten Gremiums angehört, nämlich der dort mit einer Mehrheit von über 50 % beteiligt ist, weil jede Entscheidung eines Aufsichtsratsmitglieds immer das Konstrukt oder die Gefahr hätte, dass es als Untreue gegenüber dem Land ausgelegt werden kann.

[Zuruf des Abg. Ratzmann (Grüne)]

Das kann ja wohl nicht wahr sein, denn jede unternehmerische Entscheidung, wenn sie riskant ist, kann das Ergebnis mindern. Ergebnis bedeutet keine Dividendenzahlung oder kein Bankbeitrag wie in dem Fall. Das kann ja wohl nicht wahr sein, oder wenn das wahr ist, dann wird es eine neue Kultur bezüglich Aufsichtsräten geben müssen.

[Ratzmann (Grüne): Das ist schon seit ewigen Zeiten so, Herr Wowereit!]