Protokoll der Sitzung vom 07.03.2002

Wir können die Wahl des Stiftungsrates heute nicht seriös durchführen. Ich hoffe, es gibt einen Grundkonsens zur Seriosität im Umgang mit Gesetzesanträgen. Wir bitten um die Vertagung der Diskussion, weil es einer inhaltlichen Diskussion bedarf. Ich habe von der Regierungsfraktion zur Linken gehört, dass man an einer inhaltlichen Diskussion unserer Konzeption interessiert ist. Nur dann ergibt unser Gesetzentwurf einen Sinn, wenn heute nicht gewählt wird.

Auch wenn alle Fraktionen mit einem Grundmandat im Stiftungsrat vertreten sind, ändert sich an den Mehrheitsverhältnissen nichts. Es geht aber darum, einen Schritt zu vollziehen, dass wirklich im Konsens Entscheidungen getroffen und diese auch nach außen transparent gemacht werden. Bei den Prozentzahlen der Einstellung der Mittel in den Haushalt geht es eben nicht um eine Pauschaleinstellung in den Haushalt, sondern um eine Zweckbindung an die Ressorts, wie sie bisher schon erfolgt ist. Die 75 Prozent sind gebundene Mittel durch das Gebaren des Stiftungsrats aus der Vergangenheit.

Wir wollten eine Haushaltsklarheit und -wahrheit herbeiführen und dieses der parlamentarischen Kontrolle unterziehen. Deswegen bitte ich Sie, mit der Wahl der Vertreter zu warten, bis wir – es kann im Haupt- sowie im Rechtsausschuss schnell gehen – dieses Gesetz beraten haben. Dann könne wir in der nächsten Sitzung die Mitglieder des Stiftungsrates aus der Mitte des Parlaments wählen!

[Beifall bei den Grünen]

Danke schön! – Für eine Gegenrede hat das Wort Herr Gaebler!

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Liebe Kollegin Ströver! Sie haben die Geschäftsordnungsdebatte wieder für einen inhaltlichen Beitrag genutzt. Das sollten Sie in der Ausschussberatung fortführen. Wenn das Gesetz in den Ausschussberatungen geändert wird und hier eine Mehrheit findet, wird es auch eine Neuwahl geben, für gegebenenfalls 10, 8, 14 Mitglieder, je nachdem, welche Anzahl in dem Gesetz festgelegt ist – das ist klar! Aber dass Sie jetzt hier sagen, das neue Parlament soll nicht auch den Lotto-Beirat in der jetzt geltenden Fassung neu zusammensetzen, und dass Sie wollen, dass Herr Lehmann-Brauns diesem Gremium weiter angehört, obwohl er nicht mehr Mitglied des Abgeordnetenhauses ist, kann ich nicht verstehen. Deshalb sind wir gegen eine Vertagung. Das hat nichts damit zu tun, dass bei einer Gesetzesänderung natürlich eine Neuwahl entsprechend einer gegebenenfalls geänderten Zusammensetzung stattfinden würde. – Danke schön!

Danke schön! Wir haben die Gegenrede gehört. Somit lasse ich über den Vertagungsantrag abstimmen. Wer der Vertagung dieser Wahl zustimmen möchte, den bitte ich um das Handzeichen! – Danke schön! – Gegenprobe! – Stimmenthaltungen? – Bei Ablehnung der Fraktionen der FDP und der Grünen ist eindeutig die Vertagung abgelehnt worden.

Wir kommen somit zur Wahl von drei Personen zum Stiftungsrat der Klassenlotterie. Es werden von der SPD Herr Abgeordneter Michael Müller, von der CDU Herr Abgeordneter Dr. Frank Steffel und von der PDS Frau Abgeordnete Carola Freundl vorgeschlagen. Weitere Vorschläge liegen mir nicht vor. Wer die drei von mir Genannten zu wählen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen! – Danke schön! Gegenprobe! – Stimmenthaltungen? – Damit ist dies bei Gegenstimmen der Fraktionen der Grünen und der FDP so angenommen. Die drei von uns Gewählten sind damit beauftragt, ihre Arbeit im Lottorat aufzunehmen.

Wir kommen nun zur

lfd. Nr. 5, Drucksache 15/187:

Wahl von einer Person zum stellvertretenden Mitglied für die 5. Legislaturperiode des Kongresses der Gemeinden und Regionen im Europarat (KGRE)

Wir kommen zur einfachen Wahl durch Handaufheben. Zur Wahl schlägt die Fraktion der SPD den Abgeordneten Günther Krug vor. Weitere Vorschläge liegen mir nicht vor. – Wer Herrn Krug zu wählen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen! – Danke schön! Gegenprobe! – Stimmenthaltungen? – Damit ist Herr

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Vizepräsidentin Michels

Krug bei einigen Stimmenthaltungen der Fraktion der CDU und der Fraktion der Grünen gewählt. Wir wünschen ihm eine erfolgreiche Tätigkeit in diesem Gremium.

Die lfd. Nr. 6, die Wahl von drei Personen zu Mitgliedern des Stiftungsrats der Stiftung Deutsche Klassenlotterie Berlin, hatten wir bereits mit der dringlichen I. Lesung der Änderung des Klassenlotteriegesetzes nach dem Tagesordnungspunkt 4 A aufgerufen und ist bereits erledigt.

Die lfd. Nr. 7 steht bereits als vertagt auf der Konsensliste.

Wir kommen zur

lfd. Nr. 8, Drucksache 15/221:

Große Anfrage der Fraktion der FDP über Politikkarussel im Spreepark Plänterwald?

Diese Große Anfrage soll nach Übereinstimmung im Ältestenrat nicht im Plenum behandelt werden. Die antragstellende Fraktion der FDP schlägt die Behandlung im Ausschuss für Stadtentwicklung und Umweltschutz vor. Die CDU-Fraktion bittet zusätzlich um die Überweisung an den Hauptausschuss. Es bietet sich hier der Effektivität halber eine gemeinsame Behandlung an. – Hierzu höre ich keinen Widerspruch.

Ich habe noch einen Hinweis und eine Bitte an den Senat: Die antragstellende Fraktion der FDP bittet zur Behandlung im Ausschuss vorab um eine schriftliche Beantwortung. Dazu wurde bereits Einverständnis zugesagt. Vielen Dank!

Wir kommen zur

lfd. Nr. 9:

a) Drucksache 15/222:

Große Anfrage der Fraktion der Grünen über Bildung hat Priorität! Wahlversprechen einhalten – Bildung und Erziehung in Kitas und Schulen verbessern!

b) Drucksache 15/232:

Antrag der Fraktion der Grünen über Bildung hat Priorität – Kindertagesstätten zu elementaren Bildungs- und Erziehungseinrichtungen weiterentwickeln!

c) Drucksache 15/233:

Antrag der Fraktion der Grünen über Bildung hat Priorität! – Reform der Erzieher/innenausbildung

d) Drucksache 15/234:

Antrag der Fraktion der Grünen über Bildung hat Priorität! – Perspektive Ganztag für alle Grundschulkinder!

e) Drucksache 15/235:

Antrag der Fraktion der Grünen über Bildung hat Priorität – Sprachförderung von Kindern aus Migrantenfamilien

f) Drucksache 15/236:

Antrag der Fraktion der Grünen über Bildung hat Priorität – der Ausbildungsmisere für Jugendliche ausländischer Herkunft im öffentlichen Dienst entgegentreten!

g) Drucksache 15/237:

Antrag der Fraktion der Grünen über Bildung hat Priorität – Sicherung der „Mütterkurse“ jetzt!

h) Drucksache 15/238:

Antrag der Fraktion der Grünen über Bildung hat Priorität – Aktionsprogramm gegen Lehrermangel!

i) Drucksache 15/239:

Antrag der Fraktion der Grünen über Bildung hat Priorität – Neuregelung der Arbeitszeit für Lehrerinnen und Lehrer!

Sie hören, es ist eine ganze Serie zur gleichen Problematik mit verschiedenen spezifischen Punkte. Für die Behandlung der Großen Anfrage in Verbindung mit diesen Anträgen steht uns nach unserer Geschäftsordnung die Redezeit für Große Anfragen zur Verfügung. Entsprechend haben wir uns auch im Ältestenrat verständigt. – Zur Begründung von bis zu 10 Minuten rufe ich zunächst ein Mitglied der Fraktion der Grünen, Herrn Mutlu, auf. – Bitte schön, Herr Mutlu!

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Wer heute das Wort PISA hört, denkt nicht in erster Linie an die italienische Stadt mit ihrem berühmten Bauwerk, sondern an die internationale Studie, die die deutsche Bildungsmisere endgültig und in aller Deutlichkeit offengelegt hat. Der schiefe Turm zu Pisa neigte sich mit den Jahren bedrohlich, konnte jedoch mit großem Mitteleinsatz vor dem Einsturz bewahrt werden. Ob die Schieflage unseres Schulsystems die hiesige Politik zu einem entsprechenden Kraftakt motiviert, muss sich jedoch erst noch zeigen.

Zunächst einmal widerspricht PISA mit aller Deutlichkeit grundlegenden pädagogischen Prämissen unseres Schulsystems. Kinder und Jugendliche sind keineswegs einfach begabt oder eben nicht. Eine Pädagogik, die in erster Linie darauf abzielt, die Lernschwächeren von den Leistungsstärkeren möglichst frühzeitig zu separieren in der Annahme, dass homogene Lerngruppen in getrennten Schultypen die besseren Ergebnisse erzielen, ist einfach falsch!

[Beifall bei den Grünen – Vereinzelter Beifall bei der PDS]

Die Lernschwächeren werden in unserem Schulsystem nicht ausreichend gefördert. Gleiches gilt für unsere Gymnasiasten. Sie erreichen im internationalen Vergleich bestenfalls durchschnittliche Leistungen. Bildungssysteme, in denen schwächere Schülerinnen und Schüler nicht einfach anderswohin abgeschoben werden, sondern gezielt gefördert und mit allen anderen Schülerinnen und Schülern gemeinsam unterrichtet werden, erzielen insgesamt die besten Ergebnisse. So ist es zum Beispiel in Finnland.

Abgesehen von den insgesamt unterdurchschnittlichen Leistungen gleichen unsere Schulen die unterschiedlichen Einkommens- und Bildungshintergründe der Elternhäuser nicht aus, sondern schreiben sie bei den Kindern und Jugendlichen fort. Das heißt, wer aus einer sozial benachteiligten Familie kommt, bleibt in der Regel auch sozial benachteiligt. Wer in einem Elternhaus nie gelernt hat, Bildung zu schätzen und Neugier zu entwickeln, der bekommt auch in der Schule keine Chance dazu. Wer in einer Migrantenfamilie ohne die deutsche Sprache aufgewachsen ist, kann sie sich meist auch in der Schule nur ungenügend aneignen. Unsere Schulen bewirken genau das Gegenteil von dem, was sie eigentlich erreichen sollten. Sie bieten keine Chancengleichheit, sondern fördern Ungleichheit und zementieren die Benachteiligung von Generation zu Generation. Das kann und darf so nicht weitergehen.

[Beifall bei den Grünen – Beifall der Frau Abg. Dr. Hiller (PDS)]

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