Protokoll der Sitzung vom 25.11.2004

[Beifall bei der SPD und der PDS]

Der nächste Punkt – zur Schulautonomie. Das finde ich wirklich verrückt. Meine geschätzte Kollegin Senftleben fordert mich auf, mehr Autonomie bei vernünftigen Rahmenbedingungen zu geben. – Stimmt’s?

[Frau Senftleben (FDP): Ja, stimmt!]

Sehen Sie! – Sie sagen, Frau Schultze-Berndt, ich gäbe zu viel Autonomie und zöge mich zurück aus der Verantwortung. – Man kann mir in meinem politischen Leben, in welcher Funktion auch immer, viele Fehler vorwerfen; ich bin wohl der Einzige, der immer Fehler macht.

[Vereinzelter Beifall bei der CDU]

Danke, Herr Kollege Wansner, Sie sind wohl immer fehlerfrei, deswegen sitzen Sie auch so schön da hinten. –

[Heiterkeit und Beifall bei der SPD, der PDS und den Grünen]

Aber den Schuh ziehe ich mir nicht an, verehrte Frau Kollegin, dass ich mich vor Verantwortung wegducke. Ich übernehme sogar für Schritte Verantwortung, für die ich gar nichts kann. Ich bin nach der Verfassung von Berlin nicht verantwortlich und zuständig dafür, wie Horte an die Schulen gelegt werden. Das ist Sache der Schulträger, der Bezirke. Ich frage ständig, warum sie das nicht ändern. Selbst darum kümmere ich mich gern. Aber ich bitte, das dann mit Fairness zu behandeln. Ich bin niemand, der etwas wegdrückt.

Zur Selbstständigkeit von Schulen will ich mit aller Überzeugung etwas sagen: In diesem Land wird in der Bildungspolitik nichts besser werden, wenn wir nicht den Schulen mehr materielle, personelle und inhaltliche Eigenverantwortung geben.

[Beifall bei der SPD, der PDS und der FDP]

Danke schön, Herr Senator Böger!

Jetzt kommt die Mündliche Anfrage des Abgeordneten Braun von der Fraktion der CDU über

Klaus Wowereit und die Würde des Amtes?

Bitte schön, Herr Kollege Braun!

1. Hält es der Senat von Berlin mit der Würde des Regierenden Bürgermeisters für vereinbar, wenn der Regierende Bürgermeister in aller Öffentlichkeit

[Och! von der SPD]

und unter starker Beachtung der Medien die „Dschungelkönigin D. N.“ küsst?

[Zurufe von der PDS: Neidisch?]

Nur ganz kurz zu Ihnen, Herr Pewestorff: Wir haben offensichtlich einen unterschiedlichen Geschmack.

[Beifall bei der CDU]

[Brauer (PDS): War eine tolle Frage, Herr Braun, sehr niveauvoll!]

Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Herr Abgeordneter! Ich hätte zumindest erwartet, dass Sie zu dieser Fragestellung eine Krawatte angelegt hätten.

[Beifall bei der SPD und der PDS]

Aber da kann man unterschiedlicher Auffassung sein. Das ist immer ein Problem, über Geschmacksfragen zu diskutieren.

Ich könnte es mir leicht machen, Ihre Fragen zu beantworten: Zu 1: ja, und zu 2: keine. – Aber der Fraktionsvorsitzende der PDS hat mich vorher schon ermahnt, ich soll heute lieb zu den Abgeordneten sein.

[Heiterkeit bei der SPD und der PDS – Brauer (PDS): Schenken Sie ihm eine Krawatte!]

Ich versuche es dann auch. – Zur Krawatte kommen wir noch. Das hebe ich mir für die nächste Anfrage auf.

[Zuruf von der CDU]

Eine schöne Krawatte habe ich, nicht? Soll pink sein, habe ich gehört; aber Farbschwächen von Journalisten will ich nicht beurteilen.

Jetzt kommen wir zu Ihrer Frage. Die hat einen ernsten Hintergrund. Es gab am Kleinen Theater am Südwestkorso einmal ein erfolgreiches Stück, das hieß „Das Küssen macht so gut wie kein Geräusch“. Dieser Kuss hat in der Tat Geräusch gemacht. Nun gab es schon mal eine

RBm Wowereit

Schlagzeile: „Der regierende Bussibär“. Ich kann Ihnen dazu sagen: Küssen gehört auch zum Regierenden Bürgermeister, und er wird sich das Küssen nicht verbieten lassen – erstens.

[Beifall bei der SPD und der PDS]

Zweitens: Es gibt natürlich solche und solche Küsse, und einige Menschen küsst man lieber als andere. Bei manchen wird man gezwungen, bei anderen macht man es freiwillig.

[Heiterkeit]

Brüderküsse kennt man aus anderen Gelegenheiten. In einigen Regionen gibt es drei Küsse zur Begrüßung, in anderen zwei, in Deutschland gibt es gar keinen, in Polen gibt es noch den Handkuss. Insofern gibt es verschiedene Formen des Küssens. Wie hieß sie bei Ihnen? – D. N. Das ist Desirée Nick. Das ist eine gute Freundin von mir, und ich erlaube mir, gute Freundinnen zu küssen.

[Zuruf von der CDU: Dschungelcamp!]

Ob sie aus dem Dschungelcamp oder aus Charlottenburg kommt, ist relativ egal. Das ändert an der Person von Desirée Nick überhaupt nichts.

[Heiterkeit und Beifall bei der SPD und der PDS]

Herzlichen Glückwunsch, dass sie gewonnen hat. Ohne Desirée wäre die Dschungelshow stinklangweilig gewesen. Die Kunstform von Desirée lieben viele, und viele mögen sie nicht. Ich kann verstehen, dass sich an einer Person wie Desirée Nick auch wiederum die Geschmäcker scheiden. Das kann ich alles nachvollziehen. Ich habe aber die private Person Desirée Nick geküsst und dies auch privat getan. Darauf lege ich Wert. Wir haben weder ein Posing vor der versammelten Journalistenschar gemacht noch sind wir auf die Bühne gegangen, sondern wir meinten – das war höchstwahrscheinlich der Fehler, das räume ich auch ein –, auch bei einer solchen Veranstaltung in irgendeinem Moment eine Privatsphäre zu haben. Das war ein Fehler.

[Och! von der CDU]

Ich sage es doch deutlich! Ich habe schon eine Antenne. Ich rieche Fotografen normalerweise meilenweit,

[Vereinzelter Beifall bei der SPD]

bis in die letzten Minuten von öffentlichen Veranstaltungen. Das passt schön in die Diskussion hinein, die mit dem so genannten Caroline-Urteil zusammenhängt: Gibt es überhaupt irgendeinen Bereich, wo eine Person des öffentlichen Lebens eine Form des privaten Schutzes hat? – Das ist eine harte Diskussion. Wenn man zu einer solchen Veranstaltung geht, zeigt allerdings auch die Erfahrung, dass nicht der Fraktionsvorsitzende der CDU den ganzen Abend verfolgt wird, sondern eher der Regierende Bürgermeister von Berlin.

[Zuruf von der PDS]

Das glaube ich auch, dass Frau Nick ihn nicht küsst, das soll sie auch gar nicht. Die kennen sich höchstwahrscheinlich gar nicht.

[Heiterkeit bei der SPD und der PDS]

Und ich kann auch verstehen, dass er Gott sei Dank nicht im Mittelpunkt des Interesses gestanden hat, obwohl vorher angekündigt gewesen ist, dass er in neuer Begleitung kommt und alle ganz wild darauf gewesen sind. – Ich finde es richtig, dass Sie in Frieden gelassen worden sind, Herr Zimmer. Darüber freut man sich, und das wünsche auch ich mir für solche Veranstaltungen.

Die Wirklichkeit ist allerdings eine ganz andere. Einem Profi, einem Medienprofi wie mir hätte bewusst sein müssen, dass irgendwo jemand lauert. Es hat dann in der Tat jemand gelauert. Er hat einen Sprint über 50 Meter hingelegt, der wäre beim Marathon der Abgeordneten aller Ehren wert gewesen, und hat uns fotografiert. Dieses Foto bekomme ich nicht mehr aus der Welt und werde es von meiner geliebten Opposition bis an das Ende meiner Regentschaft um die Ohren geschlagen bekommen.

[Frau Schultze-Berndt (CDU): Regentschaft! – Frau Dr. Klotz (Grüne): Regentschaft? – Jetzt reicht es aber! – Weitere Zurufe von der CDU, den Grünen und der FDP]

Das kann man bedauern. Ich bedauere den Kuss nicht, ich bedauere aber dieses Foto.