Protokoll der Sitzung vom 25.11.2004

Vorlage – zur Beschlussfassung – Drs 15/3369

b) Entschließungsantrag

Forderung nach einem echten dualen Rundfunksystem in Deutschland

Antrag der FDP Drs 15/3400

in Verbindung mit

Entschließungsantrag

Zukunft des öffentlich-rechtlichen Rundfunks

Antrag der SPD und der PDS Drs 15/3421

Wird der Dringlichkeit widersprochen? – Das ist nicht der Fall.

Ich eröffne die I. Lesung. Für die Beratung steht den Fraktionen jeweils eine Redezeit von bis zu 5 Minuten zur Verfügung. Es beginnt die Fraktion der FDP. Der Herr Kollege Dr. Lindner hat das Wort. – Bitte schön!

Herr Präsident! Verehrten Damen! Meine Herren! Es gibt ja verschiedene Arten, sich dem Thema Rundfunkgebühren zu nähern.

[Frau Ströver (Grüne): Das ist wahr!]

Eine der Arten ist das, was der Jubelantrag der Jubelgenossen als Weg weist. Es ist eine sehr interessante Sache, Herr Zimmermann: Als erstes begrüßen Sie die Maßnahmen zur strukturellen Fortentwicklung der Sender. Hochinteressant! Da ist der KEF-Vorsitzende deutlich weiter. Er hat am 8. Mai 2004 die Sparmaßnahmen von ARD und ZDF als ziemlich fleischlos betrachtet. Aber Sie sind eben Jubelgenossen, da gibt es einen Jubelantrag.

Zweitens stellen Sie fest, dass die Gebührenerhöhung richtig und sinnvoll ist. Eigentlich würden Sie ja lieber hineinschreiben, dass Ihnen das noch zu wenig war, wie Sie – und auch die Grünen – dies im Ausschuss klar zu erkennen gegeben haben. Rot-Rot-Grün ist das noch zu wenig. Sie wollen dem Bürger noch mehr in die Tasche greifen.

Drittens – ein Satz, den man sich auf der Zunge zergehen lassen sollte: Sie sagen, das Abgeordnetenhaus fordert von den öffentlichen Rundfunkanstalten, den Prozess der Strukturreform mit dem Ziel voranzutreiben, das öf

fentlich-rechtliche Profil zu stärken. – Das werden Sie mir irgendwann erläutern können, was ein öffentlichrechtliches Profil ist.

[Frau Dr. Hiller (PDS): Müssen Sie mal nachlesen! Die Möglichkeit gibt es!]

[Frau Michels (PDS): Das sagt doch niemand!]

Das gibt es sicher auf beiden Seiten.

[Beifall bei der FDP – Pewestorff (PDS): Keine Gewalt!]

Was Sie unter fünftens machen, ist der typische Strukturkonservativismus, der von Ihnen nicht anders zu erwarten ist: bekannt, bewährt, man soll nicht über den Tellerrand schauen, bloß sich nicht die volkswirtschaftlichen Rahmenbedingungen anschauen und vor allem keine eigenen konstruktiven Vorschläge für eine Reform des öffentlichen Rundfunks machen. – Die volkswirtschaftlichen Rahmenbedingungen – leider reicht die Zeit nicht, um das vertieft zu analysieren – haben sich dramatisch anders entwickelt beim Normalbürger und dem, was der öffentlich-rechtliche Rundfunk genießt. Zwischen 1996 und 2002 haben wir einen Realanstieg der Verbraucherpreise von 9 %, und die Rundfunkgebühren sind im gleichen Zeitraum um 31 % gestiegen; durchschnittliche Steigerung 2 % bei den Löhnen und Gehältern und bei Ausgaben für Rundfunkgebühren 6,1 %.

[Frau Ströver (Grüne): Das stimmt doch gar nicht!]

Für eine Partei, die nicht nur, Frau Ströver, von öffentlich Bediensteten gewählt wird, sondern auch von Leuten, die ein Einkommen aus Arbeit in der Privatwirtschaft erzielen, spielt das eine gewisse Rolle. Das müssen Sie zur Kenntnis nehmen.

[Beifall bei der FDP]

Wir haben eine Reihe von Vorschlägen gemacht, die das berücksichtigen. Einerseits ein klares Bekenntnis zum dualen System, aber andererseits auch die klare Forderung, dass sich dort etwas ändern muss. Erstens: klare

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Herr Lindner! Ich freue mich, dass Sie sich so intensiv mit unserem Antrag auseinander setzen. Leider haben Sie ihn an den entscheidenden Punkten nicht verstanden, denn es geht eben nicht darum, etwas abzu

segnen, sondern eine Entwicklungschance für die Zukunft vorzuzeichnen, Forderungen zu erheben und eben nicht das abzusegnen, was Status quo ist. Aber vielleicht sehen Sie es sich noch einmal genauer an.

Auf einen Ihrer Punkte muss ich aber doch näher eingehen, nämlich die Kritik, die Sie am Handeln des Senats oder der Koalition in der bundesweiten Debatte äußern. Über das, was Sie an Strukturreformen im Rundfunkbereich einfordern, reden wir nicht nur, sondern das haben wir am Beginn dieser Wahlperiode bereits gemacht. Wir haben die Fusion ORB-SFB zum RBB eingeleitet. Sie wird umgesetzt. Das ist eine der größten Strukturreformen bei uns in der Medienpolitik. Der Vorwurf, den Sie erheben, geht völlig ins Leere.

Wir haben heute in I. Lesung den Rundfunkstaatsvertrag, und es geht – da haben Sie Recht – in erster Linie um die Gebühren. Alle wissen, dass wir uns einen anderen Gebührenvorschlag gewünscht hätten, der auch dem Funktionsauftrag der Öffentlich-Rechtlichen gerecht geworden wäre. Nun müssen wir uns mit einem Minus zufrieden geben. 88 Cents, in Wahrheit sind es 81 Cents, weil man die zeitliche Verzögerung einrechnen muss, und das bedeutet leider, dass wir hier einem Kompromiss zustimmen müssen, den wir gern anders gesehen hätten. Trotzdem tragen wir diesen Kompromiss mit, weil wir ihn mittragen müssen. Es hat keinen Sinn, hier zu versuchen, das im Einstimmigkeitsprinzip zustande gekommene Ergebnis in Frage zu stellen.

Abstandsnahme von Werbeeinnahmen, langfristig, zumindest ab 2009. Damit verbunden ist die Beendigung der rechtswidrigen Schleichwerbung.

[Frau Dr. Hiller (PDS): Was meinen Sie denn konkret mit „Schleichwerbung“?]

Auch ganz klar: eine Verringerung der Hörfunkprogramme – ich kann in der Kürze der Zeit nur das Eine noch herausgreifen – und der Online-Aktivitäten. Hier hatten wir eine sehr spannende Debatte, mein Kollege Gerhardt aus dem Bundestag und weitere, zusammen mit dem ZDFIntendanten Schächter. Der ist übrigens weiter als Sie. Die erkennen sehr wohl, dass es da ein Problem gibt, dass man hier nicht in einem Bereich, wo es keine Nachfrage nach einem zusätzlichen Online-Angebot der öffentlichen Rundfunkanstalten, sondern einen breiten Markt und breiten Wettbewerb gibt, auch noch groß zuschlagen kann und das Ganze mit einer gewaltigen Gebührenerhöhung finanzieren soll. Ich habe leider nicht die Zeit, das weiter zu vertiefen.

Einige letzte Sätze zu dem, was für eine Rolle das Land Berlin spielt. Die Debatten finden ohne Berlin statt. Der Regierende Bürgermeister versagt hier wie in vielen anderen Bereichen. Keine eigenen Vorschläge zur Strukturreform! Während sich Steinbrück, Stoiber, Milbradt Ende 2003 auf eine Sparliste geeinigt haben, ist kein Klaus Wowereit dabei. Als sich sechs Ministerpräsidenten am 20. September getroffen haben – Steinbrück, Stoiber, Milbradt, Ringstorff, Müller, Beck –, kein Klaus Wowereit dabei.

Herr Kollege! Bedenken Sie die Beendigung Ihrer Rede!

Ich komme zum Schluss. – Er nimmt an diesen Debatten nicht teil. Deswegen muss er sich auch nicht wundern, wenn Herr Kofler von „Premiere“ dann mitteilt, er gehe lieber dorthin, wo man spürt, dass ein Engagement auch für den privaten Rundfunk stattfindet. Hier ist er in einer Stadt – das muss man leider feststellen –, in der ausschließlich öffentlicher Rundfunk eine Rolle spielt und in der die Jubelgenossen einen Jubelantrag zur Gebührenerhöhung gegen die eigene Bevölkerung stellen. – Herzlichen Dank!

[Beifall bei der FDP]

Danke schön, Herr Kollege Dr. Lindner. – Es folgt die SPD. Das Wort hat Herr Kollege Zimmermann. – Bitte schön!

[Frau Ströver (Grüne): Ich glaube, Sie haben noch nie diesen Rundfunkstaatsvertrag gelesen, Herr Lindner!]

[Beifall bei der SPD und der PDS]

Aber mit diesem Staatsvertrag ist die Debatte über die Zukunft des öffentlich-rechtlichen Rundfunks nicht zu Ende, sondern sie beginnt erst, und zwar auf allen Ebenen, auf Landesebene, auf Bundesebene und auf EUEbene. Wir im Abgeordnetenhaus sollten uns auf allen drei Ebenen einmischen. Auf Landesebene ist klar, dass der RBB zusätzlich zu den Einsparungen, die durch die Fusion ohnehin geleistet werden müssen, jetzt on top noch einmal ca. 35 Millionen € weniger gegenüber dem Vorschlag der KEF zur Verfügung hat. Das bedeutet leider wohl auch Einschnitte im Programm. Wir wollen es nicht; wir hoffen und appellieren an den RBB, dies so wenig wie möglich auf das Programm durchschlagen zu lassen. Aber vermutlich wird es nicht anders gehen, als dort Einbußen hinzunehmen, eine Folge der Politik anderer, die interessengeleitet, aus Länderinteressen das KEFVerfahren torpediert haben. Es gilt der Satz – da will ich Frau Intendantin Reim zitieren –: Bei einer solchen Lösung bekommt der WDR einen Husten, aber der RBB leider eine schwere Grippe. – Deswegen müssen wir alles tun, um dem RBB die Entwicklungschancen zu garantieren. Es hilft dann nichts, wenn Sie den RBB und die Intendantin für Dinge verantwortlich machen, die sie nicht zu vertreten haben.

[Dr. Lindner (FDP): An welcher Stelle habe ich das denn gemacht? Verwechseln Sie mal nicht die Fraktionen!]

Zimmermann

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Herr Lindner! Ich glaube, Sie haben in Ihrem Beitrag Rot-Rot und Rot-Grün viel zu ernst genommen. Im Kern geht es diesen drei Fraktionen nicht um eine Stärkung des dualen Systems, sondern sie meinen, sie hätten eine Schutzwächterfunktion für den öffentlichrechtlichen Rundfunk.

Sie sehen das losgelöst von der gesamtwirtschaftlichen Situation und von der Situation in dieser Stadt.

Im Kern geht es um eine Gebührenerhöhung. Es ist nicht das erste Mal, dass wir hier im Parlament über Gebührenerhöhungen sprechen. Wir leben in dieser Stadt, auch das wird sich schon bei Rot-Rot herumgesprochen haben, in einer wirtschaftlich ausgesprochen schwierigen Situation. Wie immer bei Gebührenerhöhungen überlegen Sie, wie man den Verbraucher weiter belasten kann, anstatt zu fragen, wie man möglicherweise in der jeweiligen Einrichtung zu Einsparungen kommen kann, um so dem Verbraucher, den Bürgern in Berlin, diese Gebührenerhöhung zu ersparen.

(D Meiner Ansicht nach ist hier der öffentlich-rechtliche Rundfunk sogar in einer ganz guten Situation. Anders als alle anderen Einrichtungen – beispielsweise die Kitas –, hat der öffentlich-rechtliche Rundfunk eine Bestandsgarantie. Ich kenne viele Einrichtungen in der Stadt, die sich über eine vergleichbare Garantie freuen würden. Der öffentlich-rechtliche Rundfunk hat sie und muss mit dieser Bestandsschutzgarantie besonders sorgfältig umgehen. Wir haben nicht den Eindruck, dass er das tut.

Deswegen bitte ich und möchte auch dazu auffordern, dass wir zu einer konstruktiven Debatte über den RBB kommen. Im Medienausschuss gestern war das etwas sehr peinlich. Wenn Sie den Aufruf ernst nehmen, können wir zu einer konstruktiven Debatte kommen. Wir müssen aber auf Bundesebene darauf Einfluss nehmen, dass wir dieses doch arg beschädigte Verfahren zukunftsfest machen und auch künftig die verfassungsrechtlichen Vorgaben für die Gebührenfindung einhalten.

[Beifall der Frau Abg. Michels (PDS)]

Die sind nämlich nicht ohne weiteres garantiert. Andere Länder haben leider den Sündenfall begangen, mit dem wir uns jetzt auseinander setzen müssen.

Noch viel wichtiger ist die EU-Ebene. Leider kann man das in der Kürze der Zeit nicht auseinander setzen. Die EU-Ebene hat zur Zeit einige Verfahren zu bearbeiten, Auskunftsersuchen, die genau darum gehen, Herr Lindner, wie weit der öffentlich-rechtliche Funktionsauftrag geht. Das, was jetzt mit dem Gebührenfindungsverfahren passiert ist, ist Wasser auf die Mühlen all derer, die versuchen, auf europäischer Bühne die Aktivitäten der Öffentlich-Rechtlichen einzuschränken. Es geht um die Online-Angebote. Ganz im Gegensatz zu Ihnen, Herr Lindner, und vermutlich auch zur CDU, sind wir sehr dafür, dass die Entwicklungsgarantie des öffentlichrechtlichen Rundfunks auch für die neuen Medien, auch online gesichert bleibt. Das ist die entscheidende Frage: Wollen Sie die Entwicklungschancen bei den neuen Medien abschneiden? – Sie sagen, Werbung und Online-Angebote dürfen die öffentlich-rechtlichen Anstalten nicht machen. – Wenn Sie ihnen die Entwicklungschancen gerade bei den neuen Medien abschneiden, die vor allem von jüngeren Menschen genutzt werden, dann machen Sie die Entwicklungsgarantie des öffentlich-rechtlichen Rundfunks kaputt.