Der zweite Tabubruch in diesem Staatsvertrag ist die Möglichkeit des Adressabgleichs mit privaten Firmen. Das bedeutet im Endeffekt die Zulassung von Adresshandel. Was bedeutet dies konkret? – Erstmals kann die Gebühreneinzugszentrale GEZ nicht nur einen Abgleich mit den Daten der offiziellen Meldebehörden vornehmen, sondern auch mit kommerziellen Firmen, beispielsweise mit dem Rundfunkgerätehandel. Man tauscht Käuferadressen aus, was unseres Erachtens einen Eingriff in den Daten- und Persönlichkeitsschutz darstellt. In Abwägung der Argumente wollen wir das nicht mitmachen.
Weshalb aber wird das überhaupt gemacht? – Unter der Aufgabe des Datenschutzes sollen den Rundfunkanstalten noch ein paar Brosamen zukommen, nachdem sie die benötigten Gebühren nicht erhalten werden. Außerdem werden Arbeitslosengeld-II-Empfänger neuerdings von allen Rundfunkgebühren befreit, was gut für die einzelnen Menschen ist, für die Rundfunkanstalten aber finanziell eine enorme weitere Belastung bedeutet.
Unsere Rundfunkanstalt, der Rundfunk BerlinBrandenburg, ist in doppelter Weise betroffen. Er ist geführt, weil er weniger Gebühren erhalten wird als erwartet. Er wird die Einnahmeverluste auf Grund der Gebührenbefreiungen verkraften müssen, und diese
renbefreiungen verkraften müssen, und diese werden in Berlin doppelt so hoch sein wie die jetzigen Befreiungen nach Sozialkriterien. Er erhält außerdem künftig keinen Finanzausgleich mehr durch die reichen Rundfunkanstalten. Das ist ein ganz schlechtes Verhandlungsergebnis des Regierenden Bürgermeisters.
Er hätte dafür sorgen müssen, dass der RBB wenigstens weiterhin im Finanzausgleich zwischen reichen und ärmeren Rundfunkanstalten verbleibt.
Daraus folgt für uns: Nehmen Sie die Verhandlungen noch einmal auf. Wir haben bis zum April noch die Möglichkeit, eine Beratungsrunde durchzuführen. Es geht darum, diesen Paragraphen über den Adresshandel aus dem Staatsvertrag zu streichen, also § 8 Abs. 4, so wie es unser Datenschutzbeauftragter vehement gefordert hat. Ihre Bemühenserklärung, Herr Zimmermann, reicht aus meiner Sicht nicht, um des Problems Herr zu werden. Sie zeigt zwar, dass Ihnen die Problematik bewusst ist, beinhaltet aber in keiner Weise eine Handlungsoption, wie man diesen Adresshandel verhindert.
Am Ende dieser Debatte weise ich darauf hin, dass es leider nicht zwei unterschiedliche Nein-Stimmen gibt, weshalb wir uns mit unserer Ablehnung heute in der Gesellschaft von CDU und FDP befinden,
aber aus völlig anderen Gründen. Das ist jedoch nicht zu vermeiden. Vielleicht können wir es uns auch leisten, weil wir in der Opposition sind, aber ich finde es wichtig, dass man als Oppositionsfraktion in der Abwägung, ob man etwas mitmacht, was ein schlecht ausgehandelter Deal ist, oder ob man die grundsätzlichen Demokratiefragen an dieser Stelle ins Gedächtnis bringt, es sich leisten kann, zu sagen, dieser Achte Rundfunkänderungsstaatsvertrag ist leider alles andere als ein politisches Ruhmesblatt des Föderalismus, schon gar nicht, und er schadet dem öffentlich-rechtlichen Rundfunk und der Demokratie in diesem Land.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Wir verständigen uns heute mit unterschiedlichen Schwerpunkten bereits zum dritten Mal im Plenum zu diesem Rundfunkänderungsstaatsvertrag. Wir haben auch im Ausschuss sehr oft, mindestens drei Mal, zum Rundfunkstaatsvertrag gesprochen. Es gab also ausführliche Gelegenheit, sich zu verständigen und unterschiedliche Themen aufzugreifen. Herr Braun, ich widerspreche Ihnen da ungern. Wir haben sehr viel und an mancher Stelle auch unsere Kompetenzen überschreitende Möglichkeiten zu reden gehabt. Es ist gut, heute zu einem Punkt zu kommen, Frau Ströver. Ihre Forderungen, die
Sie zum Ende genannt haben, die Vertragsverhandlungen noch einmal aufzumachen, sind illusionär. Sie wissen, wie dieser Vertrag zustande gekommen ist. Sie kennen diese Kamingespräche, die letztlich Anlass waren, dass er zustande kam. Aber Sie wissen auch, dass daran nicht viel zu rütteln ist, es sei denn, wir wollen verhindern, dass es einen veränderten Vertrag gibt, und ich denke, das wollen Sie und das will auch meine Fraktion nicht.
Die Position meiner Fraktion ist an dieser Stelle klar. Wir werden in Berlin als Fraktion den Rundfunkänderungsstaatsvertrag mittragen, weil wir uns der Verantwortung für den öffentlich-rechtlichen Rundfunk bewusst sind. Wir wollen, dass insbesondere kleinere Rundfunkanstalten – zu denen zählt auch der RBB – eine Chance behalten, anspruchsvolles, vielseitiges und intelligentes Fernsehen zu machen. Ein Beibehalten des Status quo, wie es beim Ablehnen des Rundfunkstaatsvertrages einträte – das heißt, es würden keine zusätzlichen Mittel in die Anstalten fließen –, würde den öffentlich-rechtlichen Rundfunk schwächen. Zwar würden die größeren Anstalten damit umgehen können, aber für den RBB und auch für den Saarländischen Rundfunk und Radio Bremen usw. wäre es aus meiner Sicht eine Krisensituation, die sie möglicherweise nicht überstünden. Aus dieser Sicht nehmen wir unsere Verantwortung wahr, wohl wissend, dass Oppositionsfraktionen der PDS in anderen Landtagen es anders machen. Das scheint sich hier durch die Reihen zu ziehen. Für mich ist interessant, dass es die Grünen in Sachsen als Nicht-Regierungsfraktion auf sich nehmen, evtl. für den Vertrag zu stimmen. Aber das hat sicherlich andere Gründe.
Zweiter Schwerpunkt der PDS: Wir kritisieren das Verfahren, wie dieser Staatsvertrag zustande gekommen ist, vehement und energisch. Da kann ich mich Ihnen, Frau Ströver, sehr wohl anschließen. Auch Herr Zimmermann hat es angedeutet. Die Ministerpräsidenten der Länder haben das Verfahren, gedrängt durch Steinbrück, Stoiber und Milbradt, eine Ablehnung der KEFEmpfehlung vorzunehmen, nachhaltig beschädigt. Dies ist einer der Schwerpunkte unserer Kritik. Das Ergebnis, das herausgekommen ist, 28 Cent weniger Rundfunkgebühren, ist fast lächerlich; eine halbe Flasche Bier, die der Gebührenzahler weniger monatlich zahlt. Ich weiß, dass es in diesem Land große Bedürftigkeit gibt, aber an dieser Stelle um 28 Cent zu streiten und dabei den öffentlichrechtlichen Rundfunk in Frage zu stellen, halte ich für unangemessen und verantwortungslos.
Sie werden möglicherweise heute im Pressespiegel den Beitrag des Intendanten Plog gelesen haben: Damit werde das in Deutschland beispielhafte System beschädigt, im Rahmen der europäischen Gemeinschaft, wo neben Großbritannien Deutschland ein Beispiel ist, wo öffentlichrechtlicher Rundfunk staatsfern und parteiunabhängig organisiert und finanziert wird. Dieses sollten wir uns erhalten. Auch die Kritikpunkte, die Plog dort nennt, sollten wir ernst nehmen. Also auch aus Sicht der europäischen Vereinigung ist es fragwürdig, das Verfahren in diesem
Jahr mitzutragen. Immerhin sind bereits 10 der 25 europäischen Mitgliedsstaaten in Gesprächen, ob es rechtens sei, Gebühren in dieser Art abzuführen. Deutschland hat sich da in eine Situation gebracht, die unnötig gewesen wäre.
Drittens: Wir fordern, dass die ARD umgehend eine Reformkommission einberuft, die angesichts der Digitalisierung und Globalisierung Vorschläge für den öffentlichrechtlichen Rundfunk entwickelt. Die Sender der Zukunft haben keine Perspektive, wenn sie nicht auch digitale Plattformen anbieten können. Das, was hier durch die Freien Demokraten gefordert wird, Reduzierung auf 0,75 %, ist nicht zukunftsweisend. Ich denke, auch die öffentlich-rechtlichen Anstalten müssen eine Chance haben, sich digital zu verbreiten. Das ist angesichts der modernen Entwicklung unumgänglich.
Schade! Ich wollte noch einige Forderungen nennen, die die PDS hat. Sie finden sie zum Teil in dem Antrag, den die PDS mit der Regierungskoalition gestellt hat. Vielleicht habe ich ein andermal die Gelegenheit. Ich danke für die Aufmerksamkeit.
Vielen Dank, Frau Kollegin Dr. Hiller! – Herr Dr. Lindner hat das Wort. Die FDP schließt sich an – letzte Rednermeldung. – Bitte schön!
Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Wenn wir heute über die Rundfunkgebührenerhöhung reden, müssen wir uns als erstes das Umfeld dieser Gebührenerhöhung anschauen: wirtschaftliche Stagnation, hohe Arbeitslosigkeit, eine Rezession, alle müssen sparen; auf der anderen Seite ein überproportionaler Anstieg der Rundfunkgebühren in den letzten Jahren. Wir haben das im Einzelnen dargelegt.
Drittens ein damit einhergehendes immer stärkeres Verschieben der Gewichte vom privaten zum öffentlichen Rundfunk. Vor diesem Hintergrund müssen wir einer weiteren Gebührenerhöhung äußerst skeptisch gegenüberstehen.
Wir haben klar gemacht, dass eine Erhöhung der Rundfunkgebühren nicht a priori ausgeschlossen ist. Wir fordern aber, dass damit zum Einen einhergeht ein klares Trennen der Einnahmequellen; kein Sponsoring ab 20 Uhr, keine Schleichwerbung mehr als erste Maßnahme, mittelfristig Ausstieg des öffentlichen Rundfunks aus der Werbefinanzierung. Klare Sache, duales System: Die einen finanzieren sich über Gebühren, die anderen finanzieren sich über die Werbung. Das wird dann zu mehr Qualität statt Quote beim öffentlichen Rundfunk führen.
Zweitens – Strukturreform des öffentlichen Rundfunks. Ich greife nur mal eines heraus: Online-Aktivitäten nur programmbegleitend und nicht umfangreich. Auch hierzu haben wir ausführlich geredet und Vorschläge gemacht. Ich hatte übrigens vor zwei Tagen ein sehr interessantes Gespräch mit den höchsten Vertretern der ARD, Herrn Gruber und Herrn Reitzle,
die beide ohne Arroganz, aber umso mehr mit Kompetenz – das ist bei Ihnen genau umgekehrt, Herr Zimmermann – sich mit uns getroffen, unsere Vorschläge angehört und sehr interessiert, ruhig und besonnnen mit uns diskutiert haben. Wir haben uns vielleicht nicht in jedem Punkt geeinigt, aber es war eine sehr fruchtbare Diskussion.
Wir haben jetzt eine zusätzliche Situation bekommen, die sich anzuschauen lohnt, weil sie bisher noch nicht in dieser Weise thematisiert wurde: der Datenschutz. Wir hatten im Ausschuss eine sehr eindrucksvolle Ausführung des Berliner Datenschutzbeauftragten hierzu, der klar zu dem Ergebnis kommt, dass das, was uns hier vorgestellt wird, krass gegen die Belange des Datenschutzes verstößt. Er empfiehlt die Ablehnung dieses Vertrags, wenn man nicht begleitend zu einer wirklichen Änderung kommt. Und es ist gescheitert! Das hat Sie überhaupt nicht interessiert, sondern Sie haben sich jetzt erst, auf Grund des entstandenen öffentlichen Drucks, genötigt gefühlt, uns eine wachsweiche Formulierung vorzuschlagen. Für ein so laues Ding sollten sie sich eigentlich schämen. Wir dagegen können als Bürgerrechtspartei, als einzige deutsche Partei, die den Datenschutz ernst nimmt,
Schauen Sie, Herr Schruoffeneger, wenn Sie protestieren und buhen: Das hat doch bei Ihnen, bei der SPD und den Grünen, Tradition, die Verletzung des Datenschutzes. Das muss man doch mal klar sehen, in welcher Tradition das hier steht.
Ich nenne Ihnen Beispiele: Gesetz zur Neuregelung zur Beschränkung des Brief-, Post-, und Fernmeldegeheimnisses, G 10-Gesetz. Und hier: Die Benachteiligung Betroffener über Beschränkungsmaßnahmen nach dem G 10-Gesetz kann unterbleiben, wenn nach Ablauf von fünf Jahren nicht absehbar ist, ob eine Benachrichtigung ohne Gefährdung des Zwecks der Maßnahme möglich ist. – Krasse Verletzung des Datenschutzes! Schönen Gruß von Rot-Grün! Terrorismusbekämpfungsgesetz, Schily II: Krasse Verletzung des Datenschutzes! Finanzmarktförderungsgesetz 2002: Krasse Verletzung des Datenschutzes! Alles rot-grüne Maßnahmen: Gesundheitsmodernisierungsgesetz, Gesetz zur Förderung der Steuerehrlichkeit, das ist die Aufhebung des Bankgeheimnisses. In Europa ein einmaliger Vorgang. Schönen Gruß von Rot-Grün!
Alterseinkünftegesetz, Telekommunikationsgesetz! EUPassagierdaten: Außenminister Fischer stimmt im EUMinisterrat im Passagierdaten-Abkommen mit der USA zu, dass die Weitergabe von Fluggastdaten bei Transatlantikflügen erlaubt wird. Das europäische Parlament hat das Abkommen wegen grundsätzlicher Datenschutzbedenken abgelehnt. – So sieht es aus. Das steht in Ihrer Tradition, dieser Rundfunkänderungsstaatsvertrag. Sie verletzen Datenschutz nicht ein Mal, sondern Sie tun es kontinuierlich unter Beihilfe der Grünen, die sich zwar gelegentlich aufspielen, als seien sie eine Bürgerrechtspartei, aber im Grunde sind sie nur Steigbügelhalter. Deswegen ist es auch Heuchelei, wenn Sie heute mit diesem Antrag kommen, auch wenn dieser in der Sache unterstützenswert ist.
Das ist alles, was Sie dazu machen können. Wir lehnen solche Vorgehensweisen als Bürgerrechtspartei klar ab. – Vielen Dank!
Danke schön, Herr Dr. Lindner! – Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor, so dass wir zu den Abstimmungen kommen. Die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen hat inzwischen darum gebeten, dass ihr Antrag Drucksache 15/3570 als weitergehender Antrag betrachtet und daher zuerst abgestimmt werden sollte. – Dazu gibt es keinen Widerspruch.