Wir haben vorgeschlagen, Kleidungsstücke und Symbole gleich zu behandeln und an das eindeutige Kriterium der Sichtbarkeit zu knüpfen. Dem ist die Koalition leider nicht gefolgt. Sie räumte ein, dass es dort eigentlich noch Nachbesserungen geben müsste. Sie will die Frage lieber den Gerichten überlassen. Wir wollen das nicht. Wir wollen schon im Vorfeld ein Gesetz so präzise wie möglich ausarbeiten. Wenn es um einen verfassungsrechtlich so sensiblen Bereich geht, sollten wir als Parlament und als Gesetzgeber die Aufgabe nicht den Gerichten überlassen.
Wir haben Probleme mit zwei weiteren Punkten, zu denen wir ebenfalls Änderungsanträge gestellt haben. Uns leuchtet nicht ein, warum auch öffentlich Bedienstete, die die Bürgerinnen und Bürger gar nicht zu Gesicht bekommen, von der Regelung erfasst werden sollen. Hier haben wir eine Beschränkung auf die genauen Berufsgruppen vorgeschlagen, die den Bürgerinnen und Bürgern mit hoheitlichen Befugnissen gegenüberstehen.
Für den Bereich der Justiz ist die Koalition unserem Ansatz gefolgt. Warum aber nicht auch für den Bereich der Polizei oder dem Strafvollzug? – Das haben wir nicht ver
standen. Eine Schreibkraft in der Polizeiverwaltung ist eben nicht mit einer Lehrerin vergleichbar, die auf Grund der negativen Religionsfreiheit der Schülerinnen und Schüler eine Einschränkung ihrer Religionsfreiheit hinnehmen muss.
Ich frage: Was ist das für ein Kompromiss? – Die PDS war doch gegen ein generelles Verbot. Erklären Sie uns doch einmal, weshalb eine Schreibkraft oder eine Sachbearbeiterin bei der Polizei oder beim Strafvollzug ohne unmittelbaren Publikumskontakt kein Kopftuch oder keine anderen sichtbaren religiösen Kleidungsstücke tragen darf.
Unerklärlich und nicht vermittelbar ist für uns auch, dass für Erzieherinnen und Erzieher in öffentlichen Kitas eine andere Reglung gelten soll als in der Schule. Warum sollen Kitakinder schwächer von eventueller Indoktrination oder Missionierung geschützt werden als Grundschulkinder – Kinder, die auch unserem Schutz unterliegen.
Die Begründung der Koalition, dass die Kita freiwillig ist, ist ganz und gar nicht überzeugend. Es sollte sich auch bei Ihnen herumgesprochen haben, dass immer mehr Eltern auf die Kita angewiesen sind, damit sie sich ihren Lebensunterhalt verdienen können. Auch bildungs- und integrationspolitisch geht das Argument in die falsche Richtung.
Wir wollen doch alle gerade, dass möglichst viele Kinder eine Kita besuchen, um zum Beispiel, Herr Böger, vor der Schule mit Sprachkenntnissen ausgestattet zu werden.
Ich komme zum Schluss. – Der rotrote Kompromiss gefährdet das Anliegen, die Neutralität des Staates zu gewährleisten. Guter Wille allein reicht nicht aus. Die ganze Sache wird sinnlos, wenn sie nicht glasklar vermittelbar ist und ungewiss lässt, ob sie in Karlsruhe oder an anderen Gerichten bestehen kann. Wir sind der Meinung, faule Kompromisse müssen nicht sein. Faule Kompromisse des Gesetzgebers haben selten Erfolg vor Gericht. Das sollte Ihnen bekannt sein, und aus dem Grund werden wir das Gesetz nicht akzeptieren und ihm nicht zustimmen.
Danke schön! – Für die FDP-Fraktion hat jetzt die Abgeordnete Frau Senftleben das Wort. – Bitte sehr!
Frau Präsidentin! Meine Herren! Meine Damen! Im September 2003 hat das Bundesverfassungsgericht entschieden, die jeweiligen Bundes
Bereits im Dezember, einige Monate später nur, hat die FDP-Fraktion im Rahmen der Schulgesetzgebung einen Gesetzesantrag eingebracht, der zum Ziel hatte, diesbezüglich klare Regelungen zu schaffen. Damals wurde das abgelehnt, und leider hat die Regierungskoalition erst wesentlich später erkannt, dass hier Handlungsbedarf besteht. Nach langem Hin und Her wurden dann auch – das sage ich ausdrücklich – die richtigen Schlussfolgerungen gezogen. Bei der Umsetzung allerdings hapert es nun aber doch gewaltig.
Inhaltlich kann unsere Fraktion – ich betone es noch einmal – diesem Gesetz in weiten Teilen folgen. Unsere Zustimmung erhalten Sie heute trotzdem nicht. Herr Felgentreu, deshalb liegt auch ein Entschließungsantrag vor. Ich habe den Eindruck, Sie ärgern sich ein wenig darüber, denn es geht nicht nur um den Beitrag, den ich heute liefere, sondern wir wollen unsere Haltung auch mit diesem Antrag unterstreichen.
Ich will Ihnen auch sagen, warum wir diesem Gesetz nicht zustimmen. Dem vorliegenden Gesetz fehlt es nämlich an der notwendigen Klarheit. Ziel ist es doch, männlichen und weiblichen Beamten und Angestellten im Gerichtswesen, der Rechtspflege, im Justizvollzug und bei der Polizei das Tragen sichtbarer religiöser Symbole und Kleidungsstücke zu verbieten. Herr Henkel, ich glaube, dabei geht es nicht um den Davidstern, den Halbmond oder das Kreuz, das jemand an einem Kettchen trägt.
Trotzdem frage ich Sie, meinen Damen und Herren der Koalition: Wen genau erfassen sie damit? Sind nicht nach Ihrem Gesetz auch Bedienstete ohne direkten Bürgerkontakt, ohne Publikumsverkehr davon betroffen, zum Beispiel die Köchin oder die Sekretärin?
Wollen Sie ernsthaft diesen Menschen die bisherige Tätigkeit, so wie sie sie ausgeübt haben, verwehren? – Wenn Sie das nicht so wollen, Frau Seelig, dann müssen Sie es deutlicher hervorheben.
Nein! Das steht so nicht drinnen. Es kommt eben in diesem Gesetz nicht klar heraus. Sie wissen genauso gut wie ich – als Juristin wahrscheinlich sogar besser –: Ohne klare gesetzliche Regelung wird es Klagen geben, und das zu Recht.
Die FDP-Fraktion tritt dafür ein, dass das Verbot zum einen für Lehrerinnen gelten soll, zum anderen jedoch nur für diejenigen, die im ureigensten Sinne hoheitlich tätig sind, also für diejenigen Männer und Frauen, die bei der Polizei tätig sind, für Richterinnen und Richter, Staatsanwälte Rechtsreferendare.
Meine Damen und Herren von der PDS! Sie haben im Rechtsausschuss durchaus die rechtlichen Fallgruben erkannt und sie auch eingeräumt. Allerdings blieb Ihre Einsicht ohne Folgen, denn die Nachbesserungen blieben aus. Sie haben auch im Ausschuss die Auffassung vertreten, dass zunächst erst einmal der Behördenleiter entscheiden soll, wer religiöse Bekleidungsstücke tragen darf und wer nicht. Auf diese Weise schieben wir das Ganze allerdings auf die Gerichte, die dann letztlich die Entscheidung zu fällen haben. Das kann nicht sein, denn hier hat der Parlamentarier seine Aufgabe, in der Funktion des Gesetzgebers. Dieser Aufgabe ist er nicht ausreichend nachgekommen.
Das Bundesverfassungsgericht hat den Ländern keine genauen Vorgaben erteilt – aus gutem Grund. Es handelt sich nämlich vorwiegend um eine politische Entscheidung. Politische Entscheidungen haben aber die Landesgesetzgeber vorzunehmen, also wir und nicht die Gerichte.
Es gab auch Änderungsanträge während der Debatte. Gerade diese wollten die offenen Rechtsfragen, die eben angeklungen sind, hinreichend klären. Diese wurden generell und in toto abgelehnt, und zwar mit dem lapidaren Hinweis, es handele sich bereits um einen zäh errungenen Koalitionskompromiss. Dies ist einfach zu dünn!
Ein ganzes Jahr haben Sie zur Vorlage dieses Gesetzes gebraucht. Eigentlich hätten Sie genügend Zeit gehabt, etwas Ordentliches vorzulegen. Allerdings, wenn ich mir das Gesetz betrachte, hätten Sie die Zeit besser nutzen sollen. Das vorliegende Gesetz wirft mehr Fragen auf, als es beantwortet. Sie werden damit scheitern, denn Sie haben es nicht geschafft, ein Gesetz mit ausreichend klaren Bestimmungen zu definieren, stattdessen werden wir zukünftig Gerichte beschäftigen.
Sie sind mit dem Auftrag des Bundesverfassungsgerichts fahrlässig und unverantwortlich umgegangen. Anstatt die Regelungslücke zu füllen, haben Sie neue Fallstricke ausgelegt. Die Absicht war vernünftig, die Handarbeit schlampig. Wir müssen Ihr Gesetz deshalb leider ablehnen. – Vielen Dank!
Entschuldigung! – Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Ich will Ihnen aus der Präambel zitieren, weil Sie immer wieder das Beispiel der Köchin nennen, die jetzt kein Kopftuch mehr tragen dürfe. Hier steht ausdrücklich:
Deshalb müssen sich Beschäftigte des Landes Berlin in den Bereichen, in denen die Bürgerin oder der Bürger im besonderer Weise dem staatlichen Einfluss unterworfen ist, in ihrem religiösen oder weltanschaulichen Bekenntnis zurückhalten.
Vielen Dank, Frau Präsidentin! – Frau Seelig! So weit ich dies sehe, ist eine Präambel eine Präambel und ein Gesetz ein Gesetz, und genau in diesem Gesetz ist es so nicht definiert.
Danke schön! – Wir kommen jetzt zur Abstimmung und zunächst zum Antrag der Fraktion der CDU Drucksache 15/2509 – Stichwort: Gesetz zur Änderung des Schulgesetzes. – Hier empfiehlt der Ausschuss mehrheitlich, und zwar gegen die CDU, die Ablehnung. Wer dennoch dem Antrag seine Zustimmung geben möchte, den bitte ich um das Handzeichen. – Danke schön! Das ist die Fraktion der CDU. Die Gegenprobe! – Stimmenthaltungen? – Der fraktionslose Abgeordnete Jungnickel hat sich enthalten. Alle anderen waren dagegen. Damit ist dieser Antrag abgelehnt.
Zum weiteren Antrag der CDU Drucksache 15/2122 – Stichwort: Berlin sagt Nein zum Kopftuch – empfiehlt der Ausschuss ebenfalls mehrheitlich gegen die CDU die Ablehnung. Wer auch hier dem Antrag zustimmen möchte, den bitte ich um das Handzeichen. – Die Gegenprobe! – Stimmenthaltungen? – Damit ist dies bei Enthaltung von Herrn Jungnickel und allen anderen Gegenstimmen abgelehnt.
Wir kommen zur Vorlage – zur Beschlussfassung – Drucksache 15/3249 – Stichwort: Gesetz zu Artikel 29 VvB –. Hier empfiehlt der Ausschuss mehrheitlich gegen CDU und Grüne bei Enthaltung der FDP die Annahme mit Änderungen. Wer so unter Berücksichtigung der Drucksache 15/3566 beschließen möchte, den bitte ich um das Handzeichen. – Das sind die Regierungsfraktionen. Die Gegenprobe! – Das ist die Opposition. Stimmenthaltung? – Ohne Stimmenthaltung. Damit ist die Vorlage angenommen.
Jetzt kommen wir zum Antrag der Koalitionsfraktionen Drucksache 15/3254 – Stichwort: Antidiskriminierungsmaßnahmen –. Hier empfiehlt der Ausschuss einstimmig bei Enthaltung von CDU, Grünen und FDP die Annahme mit neuem Berichtsdatum „30. Juni 2005“. Wer so beschließen möchte, den bitte ich um das Handzeichen. – Die Gegenprobe! – Stimmenthaltungen? – Damit ist