Ihr Gesetz untersagt das Führen aller religiösen und politisch-religiösen Symbole für nur einige Beschäftigtengruppen im öffentlichen Dienst, darunter Beamte und
Angestellte im Bereich der Rechtspflege, des Justizvollzugs, der Polizei und bei Lehrern an den Schulen. Aber schon für den Bereich der Kindertagesstätten wird Ihr Gesetz schwammig und kurios zugleich. Hier soll nach Ihren Vorstellungen eine so genannte Widerspruchslösung für Klarheit sorgen. Sie konnten sich zu dieser Klarheit offensichtlich nicht durchringen. Wenn Sie aber schon im Zuge Ihrer Regelung mit einer religiös-politischen Beeinflussung argumentieren, dann muss das doch zuerst für die Kleinsten unter uns gelten.
Neben unserer Kritik an der Gleichstellung von Kreuz und Kopftuch kritisieren wir auch weitere Unklarheiten: So fehlt z. B. nach wie vor eine Regelung für Schöffen, weite Teile des öffentlichen Dienstes sind erst gar nicht erfasst, und im Übrigen ist es fragwürdig, ob die von Ihnen gewählte Form eines Ausführungsgesetzes zu Art. 29 der Verfassung von Berlin der richtige Weg ist, da zu vorbehaltlosen Grundrechten eigentlich keine Ausführungsgesetze vorgesehen sind.
Vollkommen unklar ist Ihre getroffene Regelung für das Tragen von Schmuck. Nach Inkrafttreten Ihres Gesetzes, Herr Körting, wird niemand mehr wissen, ob er ein Halskettchen mit einem religiösen Symbol, ein Kreuz, einen Davidstern, einen Halbmond, was auch immer tragen kann oder nicht. Ihre Definition des Begriffs der so genannten sichtbaren Definition wirft mehr Fragen auf als sie Antworten gibt.
Zum Antrag der Koalitionsfraktionen fehlt mir im Einzelnen die Zeit, die Argumente sind zudem im Innenausschuss ausgetauscht worden. Zu den Punkten a) bis d) gibt es im Grunde keine Einwände. Natürlich stellt sich die Frage der Finanzierung, aber bei der richtigen Prioritätensetzung wird das schon klappen. Vielleicht verzichten Sie einfach auf den Bau des fünften RosaLuxemburg-Denkmals.
Die Einrichtung einer gesonderten Stelle für Antidiskriminierung beim Integrationsbeauftragten lehnen wir ab. Wir sind der Auffassung, dass dies in das Aufgabenportfolio gehört. Die Einstellung mehrsprachiger Bürger unterstützen wir. Sie sollten die Formulierung „mit Migrationshintergrund“ streichen, denn es ist noch nicht negativ, deutscher Abstammung zu sein, ebenso wie es keine extra Qualifikation ist, über einen Migrationshintergrund zu verfügen.
Es ist aber eine Qualifikation, über Sprachkenntnisse zu verfügen, die aktuell in der Berliner Verwaltung nicht beherrscht werden.
Kurzum: Wir werden dem Koalitionsantrag nicht zustimmen, dem so genannten Neutralitätsgesetz auch nicht. Das, was der rot-rote Senat als politische Lösung anpreist, ist nichts anderes als eine Vermengung von religiösen mit politisch-religiösen Symbolen. Aus unserer Sicht ist dies unzulässig und wird dazu missbraucht, einen ideologischen Atheismus durch die Hintertür staatlich zu verankern. Wir lehnen beide Gesetze entschieden ab. – Herzlichen Dank!
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Sehr geehrter Herr Henkel! Auch Sie müssten wissen, wenn es so zutreffend ist, dass man sich nach den Gegebenheiten des jeweiligen Landes in der Bundesrepublik Deutschland zu richten hat, dass wir in Berlin 68 % atheistische Bürgerinnen und Bürger haben.
Außerdem hat selbst der Verfassungsschutz Ihre Grundwahrheit, die Sie immer wieder unerschütterlich von sich geben, dass es nur eine Bedeutung des Kopftuchs gebe, negiert, indem er nämlich festgestellt hat, dass es mindestens acht verschiedene Motive gibt, dieses Kopftuch zu tragen.
In der Regel haben Gesetze Überschriften, unter denen sich kein Mensch etwas vorstellen kann, so auch bei diesem „Gesetz zur Schaffung eines Gesetzes zu Artikel 29 Verfassung von Berlin und zur Änderung des Kindertagesbetreuungsgesetzes“, über das wir heute nach einer langen und intensiven Diskussion zu befinden haben. Deshalb nennen wir es auch Neutralitätsgesetz. Und: Es ist eben kein Kopftuchgesetz, das soll damit noch einmal ausdrücklich betont werden.
Gleichzeitig stimmen wir auch über einen Antrag ab, der Antidiskriminierungs- und Integrationsmaßnahmen bündelt, die für uns von großer Bedeutung sind und das Gesetz nicht nur flankieren, sondern gewissermaßen seine Voraussetzung darstellen. Denn der Ausgangspunkt war und ist das so genannte Kopftuchurteil des Bundesverfassungsgerichts vom 24. September 2003. Es war auch die Kopftuchdebatte, die danach geführt wurde, nicht etwa die Debatte, wie viel Neutralität muss der Staat seinen Bürgerinnen und Bürgern gegenüber hinsichtlich religiöser Kleidung und Symbole demonstrieren. Es war also auch immer eine Angstdebatte und eine Debatte über den politischen Islamismus, der in einen Stück Stoff ausgemacht wurde.
Bei diesen hochemotional geführten Diskussionen gingen beide Koalitionspartner SPD und PDS von gegensätzlichen Ausgangspositionen in die Verhandlungen. Ich finde, das Ergebnis kann sich sehen lassen:
Berlin ist damit das einzige Bundesland, das ein Gesetz hat oder haben wird, das nun alle Religionen gleich behandelt. So hat es das Bundesverfassungsgericht verlangt, so ist es auch deshalb richtig, weil wir in einer Stadt, in der Tausende Muslime leben, damit auch sagen wollen: Ihr könnt und müsst euch wie alle anderen einbringen, wir diskriminieren niemanden wegen seiner Weltanschauung oder seiner Religion.
Mit dem Antrag und seinen Antidiskriminierungs- und Integrationsmaßnahmen sagen wir weiter: Wir wollen Probleme lösen, die es natürlich im kulturellen und religiösen Miteinander und leider auch Nebeneinander gibt. Selbstverständlich sollen muslimische Schülerinnen an Schwimmen und Sexualkundeunterricht und an Klassenfahrten teilnehmen. Um das zu erreichen, nützt uns das Gesetz, ehrlich gesagt, gar nichts, sondern wir brauchen einen Arbeitskreis Islam und Schule, der diese Themen behandelt und praktikable Lösungen entwickelt.
Nun kann man sich wie die Grünen hinstellen und sagen, den hätten wir schön längst einrichten können,
als dürften Regierungsfraktionen keine parlamentarische Arbeit mehr machen und keine Anträge mehr einbringen.
Selbstverständlich sind Vorbereitungen getroffen worden, so dass beispielsweise im Hause Piening mit der Umsetzung bestimmter Teile dieses Antrags begonnen werden kann. Es wird auch einen Aktionsplan Freiräume und Integrationschancen für zugewanderte Frauen und Mädchen geben, der Qualifizierungs- und Fortbildungsangebote für Familien- und Erziehungsberatungsstellen für den Umgang mit eben jenen Alltagskonflikten vorsieht und auch Jugendämter qualifiziert und sensibilisiert für so schwierige Themen wie z. B. ganz aktuell das Thema Zwangsverheiratung.
Wichtig ist auch, dass Berlin im Vorgriff auf bundesgesetzliche Regelungen zur Umsetzung von EURichtlinien zur Bekämpfung von Diskriminierung wegen Rasse, Herkunft, Religion, Weltanschauung bereits jetzt eine Stelle zur Förderung der Gleichbehandlung beim Beauftragten des Senats für Migration und Integration einrichtet, weil das auch ein deutliches Signal ist, wie ernst wir die Aufgabe der Integration nehmen und die Rechte von Minderheiten stärken.
Leider hat auch bei diesem Thema die Opposition eine wenig konstruktive Rolle gespielt. Dabei wollte ich ausdrücklich die FDP in Person von Herrn Ritzmann ausnehmen, aber mit dem heute vorgelegten Antrag muss ich auch der FDP sagen, dass die Präambel eindeutig klärt,
Was die Grünen zwar in der Bundesregierung täglich praktizieren, können sie hier nicht ertragen. Natürlich bedeutet ein Kompromiss auch, dass zu einem Zeitpunkt X keine weitere Änderungen mehr möglich sind. Das sieht man auch vielen Bundesgesetzen an. In der Frage Kita haben Sie einfach nicht verstanden, dass es nicht nur um irgendeine juristische Stringenz geht, sondern dass insbesondere der PDS so viel Freiräume wie möglich wichtig waren, jungen Frauen auch im öffentlichen Dienst und möglicherweise mit Kopftuch die Möglichkeit zu geben, einen Beruf zu ergreifen. – Was Sie gegen den Antidiskriminierungs- und Integrationsantrag haben, außer dass er nicht von Ihnen ist, verstehe wer will.
Bei der CDU verschlägt es einem die Sprache, dass Sie ohne das Verfassungsgerichtsurteil und das Verwaltungsgerichtsurteil zum Baden-Württemberger Gesetz auch nur zur Kenntnis zu nehmen, mit Ihrem von BadenWürttemberg abgeschriebenen Antrag weiterhin hausieren gehen und immer noch meinen, in den gegenwärtigen Diskussionen sei es hilfreich, den Islam zu stigmatisieren. Berlin wird ein vernünftiges Gesetz und hilfreiche Integrationsansätze haben, so etwas braucht diese Stadt. – Danke schön!
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Das Bundesverfassungsgericht hat in seinem Kopftuchurteil deutlich gemacht, dass eine Reglementierung des äußeren Erscheinungsbilds von Lehrerinnen und Lehrern nur dann möglich ist, Herr Henkel, wenn dabei die Angehörigen unterschiedlicher Religionsgemeinschaften gleich behandelt werden. Das ist kein Hirngespinst der Grünen oder der PDS, sondern das ist die Meinung der hohen Richter in Karlsruhe. Ich denke, das Grundgesetz und die Meinung der Richter dort gilt auch für Sie.
Es ist also verfassungsrechtlich geboten, jede Diskriminierung zu vermeiden. Wenn die CDU nun in der Begründung ihres Antrags einer Privilegierung des Christentums das Wort redet, verkennt oder bestreitet sie, was unmissverständlich in Artikel 3 Absatz 3 Grundgesetz steht:
Niemand darf wegen seines Geschlechts, seiner Abstammung, seiner Rasse, seiner Sprache, seiner Heimat und Herkunft, seines Glaubens, seiner religiösen oder politischen Anschauungen benachteiligt oder bevorzugt werden.
Dass wir es mit dem Diskriminierungsverbot sehr genau nehmen, ist gerade im multireligiösen Berlin auch ein Gebot politischer Vernunft. Die religiöse Neutralität des Staates ist gerade in unserer Stadt mit über 100 unterschiedlichen Glaubensgemeinschaften eine Voraussetzung für ein freies, gerechtes und friedliches Zusammenleben. Vor diesem Hintergrund haben wir es uns nicht einfach gemacht und haben uns die Vorlage des Senats sehr genau angesehen und in den Ausschüssen mit Änderungsanträgen begleitet.
Leider wollten die Kollegen von der SDP und der PDS die Chance zur Nachbesserung nicht nutzen. Die Koalition sagt, sie wolle – im Unterschied zur CDU – eine Regelung, die nicht nur das Kopftuch verbietet. Das wollen wir auch. Wir haben aber Zweifel, dass die Formulierung der Senatsvorlage diesem Ziel in der Praxis gerecht wird. Sie räumen selbst ein, haben das auch in den Ausschüssen getan, dass Ihr Gesetz nicht so präzise ist. Ich frage an dieser Stelle: Warum unterscheiden Sie in Ihrem Antrag zwischen „auffälligen Kleidungsstücken“ auf der einen Seite und „demonstrativen Symbolen“ auf der anderen Seite? – Dass das Kopftuch auffällig ist, scheint klar. Was aber heißt „demonstrativ“? Wer unterscheidet, was demonstrativ oder nicht demonstrativ ist? – Der Eindruck, dass z. B. das Kruzifixkettchen als nicht demonstrativ eingestuft und von der Regelung ausgenommen bleibt, bestätigt sich bei einem Blick auf die Begründung. Dort heißt es:
Wir sind dagegen der Auffassung, dass die unpräzisen Formulierungen zu große Interpretationsspielräume lassen und damit im Ergebnis zu einer Lex Kopftuch ausarten können. Das wollen wir jedenfalls nicht.
Wir haben vorgeschlagen, Kleidungsstücke und Symbole gleich zu behandeln und an das eindeutige Kriterium der Sichtbarkeit zu knüpfen. Dem ist die Koalition leider nicht gefolgt. Sie räumte ein, dass es dort eigentlich noch Nachbesserungen geben müsste. Sie will die Frage lieber den Gerichten überlassen. Wir wollen das nicht. Wir wollen schon im Vorfeld ein Gesetz so präzise wie möglich ausarbeiten. Wenn es um einen verfassungsrechtlich so sensiblen Bereich geht, sollten wir als Parlament und als Gesetzgeber die Aufgabe nicht den Gerichten überlassen.