Protokoll der Sitzung vom 10.02.2005

[Doering (PDS): Fürs Protokoll: und zwar die ganze Zeit!]

Der Wirtschaftssenator ist entschuldigt. – Jetzt hat Frau Freundl für die PDS-Fraktion das Wort. – Bitte schön!

Herr Kurth! Mit Ihnen will ich beginnen: Es trägt nicht zur Professionalisierung der Debatte bei, wenn Sie eine Antragsdebatte, die wir gestern geführt haben und die auch Ihren Änderungsantrag – oder Zusatzantrag, wie Sie es nennen – betrifft, einseitig wieder eröffnen und so spezifisch führen, dass ihr niemand im Haus folgen kann.

Sie haben zumindest den richtigen Zeitpunkt verpasst, denn Sie sagten, Sie möchten bestimmte Elemente aus Hartz IV jetzt über das Arbeitsmarktpolitische Rahmenprogramm zur Bundesgesetzgebung machen. Und das, nachdem die Möglichkeiten bundesgesetzlicher Regelungen über den Bundesrat von Ihnen nicht genutzt wurden, sondern ein Existenzsicherungsgrundlagengesetz von Hessen durchgesetzt werden sollte. Haben Sie bitte den Mut, Ihre Anträge zur richtigen Zeit zu stellen, dann diskutieren wir sie auch.

Aufgabenverteilung, Zuständigkeit, Finanzierung, Mitbestimmung, Arbeitsorganisation, komplette bundesgesetzliche Neuregelung, neue Förderinstrumente, ein neuer Betroffenenkreis – all das ist neu und anders. Deshalb ist es auch verständlich, dass wir uns in den letzten Monaten auf diese Punkte konzentriert haben, nämlich auf die Herausforderung, die richtigen Immobilien zu finden, die Software gangbar zu machen und die extreme Belastungssituation für die Beschäftigten und die Betroffenen darzustellen. Durch das Neue ist viel Arbeit liegen geblieben. Gestern war zu vernehmen, dass die Regionaldirektion denkt, dass die letzten Probleme bis zum April 2005 gelöst werden. Das hoffen wir auch. Jetzt ist es nämlich an der Zeit, sich den Inhalten zuzuwenden, denn all das ist nur die Hülle für etwas, durch das in Berlin ein Mehr an Beschäftigung und Zukunftschancen geschaffen werden soll. Das haben alle Fraktionen – bis auf die PDS – im Bundestag immer bekräftigt.

Berlin muss in diesem Zusammenhang seinen Verantwortung übernehmen und fragen, welche Möglichkeiten bestehen. Es muss verdeutlicht werden, dass es nicht darum gehen kann zu kompensieren. Die Zusage, jedem Jugendlichen ein Angebot zu machen, kann nicht bedeuten, dass alle zwei bis vier Jahre eine halbjährige Arbeitsgelegenheit mit Mehraufwandsentschädigung angeboten wird, um die Betroffenen dann ohne Zuverdienst wieder zurück in den Bezug von Arbeitslosengeld II zu schicken. Das kann nicht die Umsetzung eines gepriesenen Bundesgesetzes sein.

Deshalb haben wir uns an dieser Stelle eingeschaltet und gesagt: Weil wir nicht wissen, wie die Arbeitsmarktpolitik in den einzelnen Bezirken und Arbeitsagenturen aussehen wird, welche Instrumente und Förderfallzahlen es geben wird und welche Auswirkungen das auf die unter 25-Jährigen und diejenigen die älter als 25 Jahre sind haben wird, ist das Arbeitsmarktpolitische Rahmenprogramm zu überarbeiten. Es muss sich an die Veränderungen, die jetzt stattfinden und die regional unterschiedlich sein können, anpassen. Deshalb ist es auch so offen formuliert.

Es liegt auch in der Verantwortung des Landes, eine Debatte darüber zu führen – die wir mit den Ein-EuroJobs erstaunlicherweise bekommen haben –, wie viel Arbeit es gibt, für die es keine formale Hülle gibt, wie viel sinnvolle Arbeit vorhanden ist, die im Interesse der Stadt für die Betroffenen und den Landeshaushalt nutzbar gemacht werden kann. Dafür ist es sehr wichtig, hier im Haus möglichst einen Konsens herzustellen, wie Berlin mit den zusätzlichen 50 Millionen € an Landes- und EUMitteln im Sinne einer öffentlich geförderten Beschäftigung umgeht, nachdem die Hauptverantwortung für die Arbeitsmarktpolitik an den Bund gegangen ist. Ich rufe Sie dazu auf, die Debatte über Tische, Stühle und Steck

Dass wir in Berlin ein Qualifizierungsproblem haben, darüber sind wir uns alle einig. Mehr Qualifizierung als Zielsetzung Ihrer Arbeitsmarktpolitik reicht aber nicht aus. Welche Zielgruppe meint man überhaupt? Welche Zielgruppe soll dabei im Mittelpunkt stehen? – Wir schlagen eine klare Priorität für zwei Gruppen vor. Erstens müssen wir uns auf Jugendliche konzentrieren. Bei 40 000 jugendlichen Arbeitslosen in der Stadt ist das sicherlich eine große Aufgabe, wenn man bedenkt, dass der Großteil von ihnen weder eine abgeschlossene Ausbildung noch einen Schulabschluss hat. Die zweite große Gruppe, die von Arbeitslosigkeit besonders betroffen ist, sind die Migrantinnen und Migranten. Für diese beiden Gruppen müssen wir Qualifizierung in Form von Nachholen von Schulabschlüssen, von Sprachkursen und berufliche Qualifikation anbieten. Das ist eine Idee. Es wäre schön, wenn man mit Ihnen darüber reden könnte, statt sich hier mit Prüfaufträgen aufzuhalten.

Nicht zuletzt reden wir nicht nur über das Arbeitsmarktpolitische Rahmenprogramm. Das scheinen Sie vergessen zu haben. Wir reden auch über das Berufsbildungspolitische Rahmenprogramm. Dazu ist Ihnen offensichtlich gar nichts eingefallen, obwohl dieses Jahr die umfassendste Reform des Berufsbildungsgesetzes seit Jahrzehnten kommt und damit mehr Experimentierspielraum eröffnet wird. Diese Möglichkeiten könnten wir in Berlin nutzen. Die Ausbildung soll auf eine breitere Basis gestellt und modularisiert werden – alles uralte Forderungen. Damit wird sowohl die schulische Ausbildung ermöglicht wie auch die weniger theoretische Stufenausbildung für Jugendliche. Die Zusammenarbeit von Schule und Betrieb soll verbessert werden. – Sie kennen das alles; Sie nicken, Frau Grosse! – Trotzdem finde ich in Ihrem Antrag dazu überhaupt keine Aussage. Das alles muss sich doch irgendwie in einer strategischen Neuausrichtung befinden. Da reicht es nicht aus, den Senat über Prüfungsaufträge zu irgendwie gearteten Berichten zu drängen. Sie müssen hierzu selbst eine politische Zielrichtung formulieren. Darum haben Sie sich gedrückt. Aber der Antrag ist, wie Herr Kurth eben sagte, ziemlich unschädlich. Er tut nicht weh. Er bewirkt auch relativ wenig, fürchte ich. Deshalb werden Sie dazu noch mit einem Antrag von uns rechnen müssen.

dosenanzahl in Arbeitszimmern von Beschäftigten nicht immer weiter zu führen.

[Beifall bei der PDS und der SPD]

Vielen Dank, Frau Kollegin Freundl! – Für die Grünen hat nun Frau Pop das Wort.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Wir reden über das Arbeitsmarktpolitische Rahmenprogramm des Landes Berlin. Das ist das programmatische Dokument, in dem die Strategie der Berliner Arbeitsmarktpolitik formuliert wird. Wir müssen uns aber fragen – und Hartz fiel schon ein paar Mal als Stichwort – , welche Rolle die Berliner Arbeitsmarktpolitik nach der Zusammenlegung von Sozialhilfe und Arbeitslosenhilfe überhaupt noch spielen soll. Der Bund ist nun für die Auszahlung zuständig, die Jobcenter in den Bezirken für die Arbeitsmarktpolitik. Die Jobcenter werden eigene arbeitsmarktpolitische Programme und Strategien entwickeln. Da stellt sich die Frage, welche Rolle wir noch spielen, außer der Rolle des Moderators, die keinen so richtig glücklich macht. Zu diesen grundsätzlichen Überlegungen finde ich keine einzige Aussage in Ihrem Antrag, meine Damen und Herren von der rot-roten Koalition. Sie schreiben zwar pflichtschuldig auf, dass sich im Zusammenhang mit Hartz irgendetwas verändern wird. Doch nichts Genaueres weiß man bei Ihnen. Es gibt aber doch massive Veränderungen:

Durch die Zusammenlegung von Arbeitslosen- und Sozialhilfe ist die Zielgruppe größer und heterogener geworden. Auf wen konzentriert man sich mit seiner Arbeitsmarktpolitik? – Fehlanzeige, in Ihrem Antrag sagen Sie dazu nichts. Die Instrumente der Arbeitsmarktpolitik haben sich verändert. Das hat jeder mitbekommen, denn alles liegt inzwischen bei den MAEs. Dazu muss man sich doch irgendwie verhalten. Dazu sagen Sie auch wenig. Die Finanzierung der Arbeitsmarktpolitik – nicht ganz unwichtig – ist zum größten Teil Bundessache geworden. In Berlin werden die Landesmittel laut rot-roter Finanzplanung bis 2007 auf ein Viertel – im Vergleich zu 2003 – zusammengestrichen. ESF-Mittel wird es in Zukunft kaum noch geben. Darüber muss man sich doch irgendwie Gedanken machen, wie man damit umgeht,

[Beifall des Abg. Ratzmann (Grüne)]

und zwar darüber, welche Angebote wir mit sinkenden Landesmitteln, veränderten Instrumenten der Arbeitsmarktpolitik und nicht zuletzt eingeklemmt zwischen Bundeszuständigkeit und Jobcentern einer großen und heterogenen Gruppe von Arbeitslosen in den Bezirken noch machen können und welche Strukturen wir dafür in Berlin brauchen, denn zu Recht fragen Sie in Ihrem Antrag nach der Rolle der Servicegesellschaften in der Zukunft. Die Frage ist auch, welche Strukturen wir uns mit dem wenigen Geld, das Sie dafür ausgeben wollen, noch leisten können. Vor diesem Hintergrund muss man eine Neuausrichtung der Berliner Arbeitsmarktpolitik vornehmen. Da reicht eine Prüfung nicht aus.

[Beifall bei den Grünen]

[Beifall bei den Grünen]

Danke schön, Frau Kollegin Pop! – Das Wort für die FDP hat nun Herr Kollege Lehmann.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Sehr verehrte Frau Grosse! Wer einen Blick auf das Inhaltsverzeichnis des Arbeitsmarktpolitischen Rahmenprogramms wirft, der wird feststellen, dass es sich um eine Zusammenfassung der Berliner Arbeitsmarktpolitik handelt. Doch vielleicht mit wenigen Ausnahmen im Kapitel 6 sind dort nur Allgemeinplätze aufgezählt. Neben statistischen Informationen werden vor allem Bundesprogramme dargestellt, die in Berlin greifen sollen. Das Arbeitsmarktpolitische Rahmenprogramm ist ein Resümee

Dieser Antrag zeigt: Es besteht eine politische Kluft zwischen Senat einerseits und den Koalitionsfraktionen andererseits. Die Koalitionsfraktionen wollen mehr staatliche Beschäftigungsprogramme. Der Senat verweist darauf, dass ihm durch das SGB II die Hände gebunden sind. Natürlich können Sie Ihre Forderungen in das ARP integrieren, aber es wird keinen praktischen Nutzen aufzeigen. Schaffen Sie das Verwaltungsbeschäftigungsprogramm mit dem Namen ARP ab und fordern Sie den Senat durch Anträge auf, Lösungen anzubieten, wie man das Arbeitsrecht entbürokratisieren und deregulieren kann, wie man die Lohnnebenkosten oder generell Steuern und Abgaben senken kann.

Mit anderen Worten: Schreiben Sie endlich Anträge, wie man mehr Arbeitsplätze auf dem ersten Arbeitsmarkt schafft. – Vielen Dank!

deutscher Arbeitsmarktinstrumente. Es beantwortet die Frage nicht, wie Arbeitsplätze auf dem ersten Arbeitsmarkt entstehen sollen.

[Frau Grosse (SPD): Kann es ja auch nicht!]

Ein weiteres Manko dieses Programms ist, dass es sich de facto um einen Fünfjahresplan handelt. Es ist veraltet. Selbst wenn es ergänzt wird, ist es in ein paar Monaten wieder veraltet. Durch den rasanten Wandel in der Arbeitsmarktpolitik ist das Arbeitsmarktpolitische Rahmenprogramm in erster Linie eine Beschäftigungsmaßnahme für die gut bestückte Senatsverwaltung. Aus der Geschichte wissen wir, dass Fünfjahrespläne zum Scheitern verurteilt sind. Die Ideologen des Staatszentralismus und dirigismus haben anscheinend nichts dazugelernt. Hat das ARP dazu geführt, dass die Arbeitslosigkeit in Berlin entscheidend abgebaut wurde? – Mitnichten!

[Zuruf der Frau Abg. Grosse (SPD)]

Hat es dazu geführt, dass Menschen in Qualifizierungsmaßnahmen einen Job auf dem ersten Arbeitsmarkt gefunden haben? – Nein! Können wir dadurch Erfolge bei den gering qualifizierten Arbeitslosen bzw. Langzeitarbeitslosen beobachten? – Ebenfalls negativ! Die hohe Zahl der Arbeitslosen von über 400 000 in Berlin lässt keinen Zweifel darüber aufkommen, dass das ARP keine Wirkung zeigte. Es muss daher abgeschafft werden.

[Beifall bei der FDP – Dr. Lindner (FDP): Bravo!]

Dieses Programm spiegelt das Versagen des rot-roten Senats wider. Es ist ein weiterer Baustein einer missratenen Wirtschafts- und Arbeitsmarktpolitik.

In einem Land, in dem der Staat mit weit über 50 % am Volkseinkommen beteiligt ist, werden Sie mit keiner Arbeitsmarktpolitik der Welt die Arbeitslosigkeit beseitigen. Sie müssen zunächst dieses Übel beseitigen. Dann bringen vielleicht auch arbeitsmarktpolitische Programme etwas. Ich habe die Hoffnung nicht aufgegeben, dass Sie das irgendwann auch noch kapieren werden. Alle Punkte, die SPD und PDS in diesem Antrag benennen, gehören nicht in das Arbeitsmarktpolitische Rahmenprogramm. Sie gehören entweder in die vom Senat und der Regionaldirektion Berlin-Brandenburg vereinbarte Rahmenvereinbarung, oder die Bundesagentur müsste diesbezüglich neue Richtlinien bzw. Verordnungen herausgeben.

[Dr. Lindner (FDP): Richtig!]

Sie können beispielsweise nicht die Qualifizierungsanteile bei den landesseitig kofinanzierten Arbeitsgelegenheiten mit Mehraufwandsentschädigungen festlegen. Da das ARP alle fünf bis sieben Jahre verändert wird, müssten Sie entweder das ARP alle drei Monate ändern, oder der Senat stellt jetzt schon fest, dass die Finanzierung für die nächsten fünf Jahre gesichert ist.

Ein weiterer Punkt, der mit Ihrem Antrag nicht zusammenpasst, steht in der Begründung. Zu Recht erzählen uns die Sozialsenatorin und der Arbeitssenator, dass die Arge selbständig ist. Der Senat darf sich in die Belange

der Jobcenter nicht einmischen. Sie wollen im Gegenzug allerdings die Moderation und Koordinierung dem Senat überlassen. Ich frage Sie: Ist dieses Begehren ein versteckter Wink an den Senat, noch mehr Beschäftigungsprogramme aufzulegen? – Wenn Sie Ihren eigenen Senatoren zugehört hätten, wäre der letzte Absatz erst gar nicht niedergeschrieben worden.

[Dr. Lindner (FDP): Super!]

[Beifall bei der FDP – Dr. Lindner (FDP): Jawohl!]

Danke schön! – Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor. Wir können zur Abstimmung kommen. Der Ausschuss empfiehlt, und zwar mehrheitlich, gegen die Stimmen von FDP, bei Enthaltung von CDU und Grünen, die Annahme des Antrags. Wer so beschließen möchte, den bitte ich um das Handzeichen. – Danke schön! Das ist die Regierungskoalition. Wer ist dagegen? – Das ist die Fraktion der FDP. Wer enthält sich? – CDU und Grüne. Damit ist der Antrag angenommen.

Wir kommen nun zur

lfd. Nr. 5:

II. Lesung

Gesetz zur Änderung des Haushaltsentlastungsgesetzes 2002 (HentG 2002) – keine Zweckentfremdung der Bankenvorsorge

Beschlussempfehlung Haupt Drs 15/3575 Antrag der Grünen Drs 15/3344

in Verbindung mit

Dringlicher Antrag

Keine Zahlung an die LBB ohne das Parlament – sofort Nachtragshaushaltsplan vorlegen

Antrag der CDU, der Grünen und der FDP Drs 15/3538

Vizepräsidentin Michels

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Meine Damen und Herren von der CDU und der FDP! Diese Angelegenheit ist deshalb nicht dringlich, weil sie bereits abschließend vom Berliner Abgeordne

tenhaus behandelt worden ist, und zwar am 19. Februar 2003 im Unterausschuss Vermögen.

Das Abgeordnetenhaus stimmt dem Abschluss der Vereinbarung über die Behandlung eventueller Rückzahlungsansprüche des Landes Berlin