Protokoll der Sitzung vom 10.02.2005

[Beifall und Heiterkeit bei der PDS und der SPD]

Herr Kollege! Das Gesetz wird das Haus sicher noch öfter beschäftigen. – Wir sollten jetzt fortfahren. Der Kollege Niedergesäß hat eine Kurzintervention angemeldet. – Bitte, Sie haben das Wort!

Danke, Herr Präsident! – Herr Dr. Nelken, Sie haben gerade Ihren Beitrag zur Verwirrung der Menschen geleistet.

[Hillenberg (SPD): Hat er nicht!]

Sie haben in keiner Weise erklärt, dass wir sowohl ein gültiges Straßengesetz als auch ein gültiges Erschließungsgesetz haben.

[Beifall bei der CDU]

Nach diesen Gesetzen zahlt jeder Grundstückseigentümer anteilig seine Kosten, wenn die Straße endgültig hergestellt ist. Ist Ihnen das nicht klar? – Sie reden wirres Zeug und sämtliche Zeitungsbeiträge – auch die meines Freundes Radebold – sind so verwirrend, dass die Leute verrückt werden. Die befürchten, dass eine Lawine auf sie zukommt, die sie nicht ertragen können.

[Beifall bei der CDU]

[Zuruf des Abg. Liebich (PDS)]

Natürlich hat jeder die erstmalige Erschließung mit den entsprechenden Prozentsätzen zu bezahlen, aber auch nur dann, wenn die Straße endgültig, sozusagen schlüsselfertig hergestellt ist. Sie versuchen jetzt, mit Ihrem Straßenausbaubeitragsgesetz den Eindruck zu erwecken, das Erstere sei zu leisten. Damit veralbern Sie die Leute.

[Beifall des Abg. Czaja (CDU)]

So kommt es überall an, und so haben Sie auch gesprochen. Darum geht es hier überhaupt nicht. Sie wollen mit dem Ausbaugesetz erreichen, dass der Willkür von bestimmten Bereichen, von Stadträten, von Tiefbauamtsleitern und sonstigen Leuten, Tür und Tor geöffnet wird. So einfach ist das.

[Beifall bei der CDU – Zurufe von der PDS]

Da haben Sie vielleicht einen Haufen pflaumigen Kram in die Gesetzesvorlage hineingeschrieben, die ich noch nicht kenne.

[Zurufe von der PDS]

Aber ich kenne die alte Gesetzesvorlage. Und wir haben dieses Gesetz damals versenkt. Das stammt, wie Sie behaupten, überhaupt nicht von Senator Klemann. Dieser Schriftsatz – ich habe die alten Dinger alle in meiner Mappe – stammt von einem gewissen Herrn Nagel, der das schon in der Vorwendezeit angeschleppt hat.

[Zuruf des Abg. Hillenberg (SPD)]

Das müssen Sie wissen, wenn wir schon über die Historie reden. Als wir in diesem Parlament noch etwas zu sagen hatten

[Zurufe von der PDS]

und an der Regierung waren, haben wir dieses Gesetz versenkt, weil es zu ungeheuren Ungerechtigkeiten führt, die

wir nicht verantworten können. Das müssen Sie sich einmal merken. – Danke schön!

[Beifall bei der CDU]

Bitte schön, Herr Dr. Nelken, zur Replik!

Herr Niedergesäß! Das Problem ist, dass Sie die Verwirrung in die Stadt treiben.

[Oh! von der CDU]

Wir reden hier über das Straßenausbaubeitragsgesetz und nicht über das Erschließungsbeitragsgesetz.

[Zuruf des Abg. Niedergesäß (CDU)]

Das gibt es in Berlin seit 1995. Es hat auch merkwürdige Formen, die zur endgültigen Herstellung von Straßen führen, z. B. dazu, dass ein CDU-Baustadtrat in Reinickendorf die Schulzendorfer Straße jetzt neu bauen will und dort über Erschließungsbeiträge Gehwege und ein neues Pflaster aufbringen will. Wie er sich das denkt, ist seine Sache. Das will ich jetzt nicht kommentieren. Für den Ostberliner Bereich wissen Sie, dass mit dem Einigungsvertrag geregelt ist, dass für eine nachträgliche Erschließung in Ostberlin Beiträge nicht erhoben werden können. Wir reden also nur über den Ausbau einer Straße, über die Modernisierung, über die Verbesserung. Nur darüber reden wir, und die Verwirrung haben Sie verbreitet.

[Niedergesäß (CDU): Sie reden ja wirr!]

Ihre Qualität ist wirklich bemerkenswert. – Die Frage an der Sache ist, dass Sie die Leute verwirren und so tun, als wenn eine Kostenlawine auf sie zukommt. Wie Herr Czaja uns hier immer die Mär von den 660 % Hebesatz der Berliner Grundsteuer erzählt, das nenne ich immer die Grundsteuermär. Sicher, Herr Czaja, 660 % sind richtig. Aber was ist der Grundwert? – Sie haben kein Grundstück, aber Ihre Eltern haben ja ein Grundstück. Herr Niedergesäß hat ein Grundstück.

[Zuruf des Abg. Gram (CDU)]

Dann wird er dem Haus vielleicht sagen können, was er an Grundsteuer bezahlt. Für ein durchschnittliches OstBerliner Grundstück mit einem Einfamilienhaus fallen 400 € Grundsteuer im Jahr an.

[Zurufe von der CDU]

Da werden sich alle wundern, wie wenig das ist. Warum? – Weil der Hebesatz von 660 % auf den Einheitswert von 1935 erhoben wird. Ich will den Finanzsenator jetzt gar nicht in Verlockung bringen. Ich finde nur, das ist eine völlige Desinformation, die Sie hier betreiben.

[Beifall bei der PDS, der SPD und den Grünen]

Alles, was Sie hier sagen, um Ihre Ablehnung des Gesetzes zu begründen, dient der Verunsicherung der Leute. Sie erwecken den Eindruck, dass eine Kostenlawine auf sie zukommt. Das stimmt nicht.

[Zurufe von der CDU und der FDP]

Wir können über das Gesetz reden, wenn es vorliegt. Ich bezweifle aber, dass Sie dann zur Sachdebatte zurückfinden.

Zum Schluss noch eine persönliche Bemerkung: Herr Niedergesäß, Herr Czaja, ich weiß nicht, wer Ihnen eingeredet hat, dass Oppositionspolitik darin besteht, dass man fern jeder Sachgrundlage herumpolemisiert.

[Beifall bei der PDS und der SPD – Zurufe von der CDU]

Je weniger Ahnung man von der Sache hat, desto lauter muss man offensichtlich schreien. Damit denunzieren Sie Politik.

[Beifall bei der PDS und der SPD]

Danke schön! – Nunmehr erhält Herr von Lüdeke für die FDP-Fraktion das Wort.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Man hat hier selten so eine emotionale Diskussion gehört.

[Doering (PDS): Und jetzt kommen Sie!]

Man merkt richtig, wie der PDS dieses Thema unter die Haut geht.

[Beifall bei der FDP und der CDU – Zuruf des Abg. Doering (PDS)]

Dieses Thema geht Ihnen richtig unter die Haut, weil Sie eigentlich Klientelpolitik betreiben, aber auf der anderen Seite dazu plötzlich nicht mehr stehen können, weil Sie in der Koalition gefangen plötzlich eine andere Position vertreten müssen.

[Beifall bei der FDP und der CDU – Gram (CDU): So ein Pech aber auch! – Doering (PDS): Zur Sache!]

Ich glaube, dass Sie dieses Gesetz gar nicht auf den Weg bringen werden. Sie werden sich vorher darüber streiten, und wir werden erleben, dass Sie das in dieser Legislaturperiode nicht mehr schaffen. Ich bin ziemlich sicher.

Angefangen hat die ganze Geschichte – – Ich war leider gerade draußen, als die Diskussion auf diese Musterrechnungen kam. Erstaunlich bei diesen Musterberechnungen – die sind in der „Morgenpost“ abgedruckt worden – ist doch die Frage: Haben Sie eigentlich eine Gegendarstellung gefordert? – Nachdem sie die ganze Stadt in Rage gebracht haben, wenn der Einzelne da seine Straße wiederfindet und sieht, dass da fünfstellige Beträge auf ihn zukommen. Die alte Oma, die ihr Häuschen hat, arm in ihrem Häuschen wohnt, die liest plötzlich: Ihre Straße soll ausgebaut werden. Nach einer Musterberechnung könnten eventuell 23 000 € auf sie zukommen. – Was meinen Sie, was die macht? – Die denkt plötzlich darüber nach, wie sie ihr Haus am schnellsten verkauft, damit sie diese Sache abwenden kann. Im Übrigen haben Sie ohnehin schon alle Leute verprellt, indem Sie diese Unsicherheit im Raum haben stehen lassen. Da sagt heute jeder,