Als staatlich verantwortetes Fach bietet sich die Möglichkeit zu einer kritischen Auseinandersetzung mit dem Islam, z. B. mit den Themen Toleranz und der Stellung der Frau in unserer Gesellschaft. Das sind doch die Bereiche, die die Grünen stets als wichtige Werte vor sich hertragen. Warum bieten wir dann hier nicht die Möglichkeit, sich zu positionieren?
Danke schön, Frau Kollegin Schultze-Berndt! – Für die Fraktion der SPD hat nunmehr die Abgeordnete Frau Dr. Tesch das Wort. – Bitte schön!
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Es ist schon spannend: Erst kann die CDU sich stundenlang nicht entscheiden, ob sie den sinnvollen Einsatz der Vorklassenleiterinnen in der Grundschule oder die flexiblen Kinderbetreuungszeiten zur Priorität erheben will, und nun bringt sie nicht einmal 24 Stunden vor der Sitzung diesen Antrag als Dringlichkeit ein – den Werteunterricht, über den wir jahrelang, jahrzehntelang in dieser Stadt diskutieren.
Herr Goetze beklagt, dass das Berliner Naturschutzgesetz zur Dringlichkeit eingebracht wurde. Das ist grotesk.
Ich beklage – Frau Schultze-Berndt, Sie haben es noch einmal in Ihrer Rede verdeutlicht –, dass Sie diesen schrecklichen Mord nur als Anlass benutzt haben, um über dieses wichtige, allumfassende Thema Werteunterricht zu diskutieren.
Bliebe es dabei, so hätten wir – wie das laizistische Frankreich – überhaupt kein Problem, keine Debatte um den Religionsunterricht an deutschen Schulen.
Der Religionsunterricht ist in den öffentlichen Schulen mit Ausnahme der bekenntnisfreien Schulen ordentliches Lehrfach.
Nach den übereinstimmenden Aussagen der Gutachter Schlink und Feldmann unter Anderem auf der Diskussionsveranstaltung der SPD-Fraktion am Montagabend ist in Berlin deshalb alles möglich.
(D Erstens: die Einführung eines ordentlichen Lehrfaches, wie es die CDU vorschlägt. Zweitens: die Einführung eines Wertefaches ohne Abwahlmöglichkeit. Drittens: ein Wahlpflichtbereich – so genanntes Begegnungsmodell.
Dieser Stil passt im Übrigen zu der unsäglichen Presseerklärung, die Herr Zimmer am 17. Februar losgetreten hat – ich bedauere, dass er zurzeit nicht im Raum ist. Darin macht er Schulsenator Böger indirekt für den Mord an der jungen Türkin verantwortlich. Das ist degoutant und unverschämt.
Das rückt Sie auf eine Stufe mit Herrn Stoiber, der behauptet, alle jungen Arbeitslosen wählten die NPD. Das haben wir ja letzten Sonntag in Schleswig-Holstein gesehen!
Die „taz“ bezeichnet übrigens diese Äußerung – ich zitiere, weil es sonst nicht zu meinem Sprachschatz gehört – als „Meinungsfurz des CDU-Fraktionsvorsitzenden“.
Bei solchen sensiblen Themen sollten alle Demokraten an einem Strang ziehen, anstatt unzulässige Schuldzuweisungen auszusprechen.
[Unruhe bei der CDU – Beifall bei der SPD – Henkel (CDU): Wollen Sie nun Werteunterricht oder nicht?]
Beruhigen Sie sich doch mal, meine Herren und wenigen Damen! Glauben Sie denn allen Ernstes, dass Werteunterricht alle diese Probleme der Stadt löst?
Frau Schultze-Berndt sagt, es hätte ein unterschiedliches Presseecho gegeben. Das wurde von Ihrem Fraktionsvorsitzenden hervorgerufen! Natürlich kann die Schule diesen gesellschaftlichen Konsens leisten, aber eben auch durch einen verpflichtenden Werteunterricht.
Die Kinder müssen miteinander reden, miteinander in einen Dialog kommen, gemeinsam Werte entwickeln.
Der Vorwurf, dass Atheistinnen und Atheisten oder bekennende Humanisten keine Werte hätten oder alle Menschen umbrächten, ist nachgerade unverschämt, Frau Schultze-Berndt.
Zurück um Antrag: Ich will versuchen, die hoch emotionale Debatte auf ihre rechtlichen Grundlagen zurückzuführen. In Artikel 7 Absatz 1 des Grundgesetzes steht geschrieben:
Die Erziehungsberechtigten haben das Recht, über die Teilnahme des Kindes am Religionsunterricht zu bestimmen.
Wie wir alle wissen, gilt in Berlin aber die so genannte Bremer Klausel, die sich im Grundgesetz in Artikel 141 wiederfindet:
Artikel 7 Absatz 3 Satz 1 findet keine Anwendung in einem Lande, in dem am 1. Januar 1949 eine andere landesrechtliche Regelung bestand.
Das werden wir tun, Frau Schultze-Berndt. Sie werden das merken, aber wir lassen uns nicht von Ihnen drängen. Wir lassen uns von Ihnen keine Zeitvorgaben machen.
Wir haben am 9. April einen Landesparteitag zum Thema Bildung. Da werden wir auch diese Frage entscheiden. Da können Sie sicher sein. Viertens können wir auch den Status quo beibehalten, oder wir können vollständig die Religionsgemeinschaften und andere bekenntnisorientierende Gruppierungen aus dem Unterricht drängen.