Protokoll der Sitzung vom 24.02.2005

Es wird gewöhnlich argumentiert, die Islamische Föderation könne man dadurch aus der Schule heraushalten, dass es eine Art staatlichen Islamunterricht gebe. Ich empfehle ausdrücklich, im Rechtsgutachten von Professor Renck und Professor Feldmann nachzulesen, die klar nachweisen, dass sich die staatlichen Kontrollmöglichkeiten nicht unterscheiden, wenn es sich entweder um ein staatliches oder ein nichtstaatliches Fach handelt. Die Zeit verbietet es mir, mich dazu noch weiter zu äußern.

[Beifall bei der PDS, der SPD und den Grünen]

Berlin hat sich zu einer Einwanderungsstadt entwickelt und hat eine wachsende europäische Dimension. Die Berliner Schule muss ihren spezifischen Beitrag dazu leisten, dass Heranwachsende lernen, miteinander in dieser Stadt zu leben. Wir halten es für notwendig, dass alle Kinder und Jugendliche ein Grundwissen über die großen Weltreligionen erwerben, sich mit ihnen auseinandersetzen, und zwar miteinander in einem gemeinsamen Unterricht und nicht getrennt nach Religion und Weltanschauung.

[Beifall bei der PDS, der SPD und den Grünen]

Dem Islam sollte dabei angesichts eines relativ großen Anteils muslimischer Schüler mehr Gewicht als bisher zukommen. Das ist ebenso wenig allein im Rahmen von islamischen Religionsunterricht zu lösen, wie der CDUVorschlag untauglich ist, die Islamische Föderation aus der Schule heraushalten zu wollen. Ich empfehle, noch einmal Rechtsgutachten nachzulesen und auch das Bundesverwaltungsgerichtsurteil und die Pressemitteilung von gestern zu NRW nachzuschlagen. Auch wir halten ein neues oder erweitertes Fach, in dem Kinder und Jugendliche etwas über andere Lebensweisen, über Traditionen und Bräuche und natürlich über die großen Weltreligionen erfahren und erleben, für sinnvoll und notwendig. Interdisziplinärer Ansatz, Verarbeiten von in anderen Fächern erworbenem Wissen und neue Lernformen, Verschiedenheit miteinander zu erleben, Lebenssituationen miteinander zu gestalten. Ein solches Fach kann die innere Schulreform befördern und einen spezifischen Beitrag zur so genannten Wertevermittlung erbringen. Dies setzt aber voraus, dass es alle Schüler tun, gemeinsam, sich niemand abmelden oder ein anderes Fach dafür wählen kann.

Da ich noch einen Augenblick Zeit habe, erlaube ich mir, noch einmal auf die Rechtssituation zur Islamischen Föderation einzugehen.

[Dr. Lindner (FDP): Den müssen Sie nicht ausnutzen!]

Herr Lindner! Wenn ich nicht eine gute Kinderstube genossen hätte, sehr im Unterschied offenbar zu Ihnen, hätte ich jetzt einmal zurückgegeben, was Sie sich heute gegenüber dem Regierenden Bürgermeister erlaubt haben!

[Dr. Lindner (FDP): Das seid ihr nicht gewohnt von Ho- necker, so mit Regierenden umzugehen!]

Ich bin es nicht gewohnt, mit Flegeln umzugehen, das ist wohl wahr! – Zur islamischen Föderation: –

Entschuldigung, Frau Schaub! – Manche Analogien mit der DDR mögen auch in Ordnung sein. Manche sind es nicht. Wenn ich ausgemacht hätte, wer es gewesen ist, hätte es einen Ordnungsruf für den Vergleich mit Honecker für das unparlamentarische Verhalten gegeben.

[Gram (CDU): Wessen?]

Bitte fahren Sie fort, Frau Schaub.

[Beifall des Abg. Dr. Heide (CDU)]

Diese Empfehlung gebe ich aber, damit wir dieses Problem endlich vom Tisch bekommen.

[Beifall bei der PDS – Vereinzelter Beifall bei der SPD]

Danke schön, Frau Kollegin! – Für die Fraktion der FDP hat jetzt Frau Senftleben das Wort. – Bitte schön, Frau Senftleben!

Herr Präsident, vielen Dank! – Meine Herren! Meine Damen! Liebe Frau Dr. Tesch! Wenn jemand in Schulen einen Mord billigt, ist es aus meiner Sicht völlig in Ordnung, wenn wir darüber reden und die CDU einen entsprechenden Antrag einbringt. Ich fand Ihren Beitrag eben absolut daneben.

[Beifall bei der FDP und der CDU – Ritzmann (FDP): Das war unsäglich!]

Die CDU will mit diesem Antrag das Richtige: die Einführung eines ordentlichen Unterrichtsfaches Philosophie/Ethik alternativ dazu einen Unterricht, der von der jeweiligen

[Zuruf von der PDS: Die FDP: Mehr Kirchen an die Schulen! Das ich das noch erleben darf!]

Wie bitte? Reden Sie ruhig laut. Ich höre Ihnen zu.

Frau Senftleben! Sie haben das Wort und niemand anderes sonst. Lassen Sie sich durch Zwischenrufe nicht irritieren.

Irritieren lasse ich mich nicht, Herr Präsident! Ich wolle eben nur genau zuhören.

Ein Unterrichtsfach Philosophie/Ethik alternativ dazu ein Unterricht, der von der jeweiligen Religionsgemeinschaft durchgeführt wird, das soll unter staatlicher Aufsicht stattfinden. Wir begrüßen Ihren Antrag.

Schade finde ich, dass Sie sich im Detail verlieren. Ist es wirklich notwendig, die Zusammenarbeit zwischen Lebenskundlern, Kirchen und Religionsgemeinschaften in einem Gesetz zu regeln? – Ich glaube, weniger wäre hier mehr gewesen. Eines haben Sie vergessen, nämlich die Frage der Finanzierung. Wir haben eine Möglichkeit. Die FDP hat bereits einmal vorgeschlagen, das Geld vom Kul

Aber immerhin – ich lobe Sie jetzt –, die PDS bewegt sich. Sie hat offensichtlich während der drei Jahre ihrer Regierungsarbeit gemerkt, schönes Reden allein reicht nicht aus.

Die zweite Alternative besteht darin, das Ansinnen ernst zu nehmen. Wir müssen die Debatte, die CDU und FDP immer wieder anstoßen, aufgreifen und seriös über die Einführung eines Wahlpflichtfaches und dessen Ausgestaltung diskutieren. Die Mehrheit der Berliner Bevölkerung erwartet eine Lösung. Deshalb rufe ich Sie, uns alle auf, in die Debatte einzutreten.

tur- in den Bildungshaushalt umzustellen, denn dort gehört es hin.

[Brauer (PDS): Dann wird es aber nicht mehr!]

Das ist mir klar, Herr Brauer, ich kann zählen. Aber Herr Böger hat kürzlich gesagt, er käme mit dem Geld hin bei der Einführung solch eines Fachs. Irgendwann kann ich mich doch auch einmal auf den Senator berufen oder nicht?

[Zuruf von der PDS: Das machen Sie aber auch nur, wenn es Ihnen passt!]

Seit Jahren diskutieren wir über die Einführung des Werteunterrichts. Nicht nur wir diskutieren darüber, sondern die ganze Stadt und zwar sehr engagiert. Die Bürger und Bürgerinnen sind unzufrieden mit der jetzigen Lösung, die nämlich keine ist. Das haben inzwischen viele begriffen. Sie fragen sich: Wann reagiert Politik angemessen auf die Signale, die täglich ausgesandt werden?

[Beifall bei der FDP und der CDU – Dr. Lindner (FDP): Richtig!]

Täglich, und nicht erst seit 14 Tagen, das möchte ich hier ganz deutlich klarstellen.

[Zuruf der Frau Abg. Dr. Tesch (SPD)]

Seitdem ich im Abgeordnetenhaus sitze, ist unser aller Bildungssenator circa zweimal jährlich laut und vernehmlich in den Medien zu hören, dass er ein Wahlpflichtfach Religion/Ethik/Philosophie einführen möchte. Er redet, schwadroniert über die Notwendigkeit über Werte zu reden, gerade in unserer Stadt. Manchmal erhält er Schützenhilfe von den Herren Nolte und Müller. Ich frage Sie deshalb, Frau Dr. Tesch, ob die Position in der SPD so eindeutig ist. Das kann ich mir gar nicht vorstellen, wenn ich Herrn Böger, Herrn Müller oder Herrn Nolte höre.

[Zuruf der Frau Abg. Dr. Tesch (SPD)]

Bei Ihrer Rede hatte ich den Eindruck, ich sei im falschen Film.

Die Oppositionsfraktionen – FDP und CDU – haben diese Diskussion jedes Mal aufgenommen. Wir haben Initiativen ergriffen, Anträge eingebracht, Mündliche Anfragen gestellt, mussten aber leider immer wieder feststellen, dass die Worte von Herrn Böger reine Sprechblasen gewesen sind, reine Absichtserklärungen von oberster Stelle, nichts als Beruhigungspillen für das Volk. Angeblich liegt ein Gesetzentwurf fix und fertig in der Schublade des Senators. Schade nur, dass diese fest verschlossen ist. Eigentlich hatte ich geglaubt, wir seien heute einen Schritt weiter. Die Diskussion eben hat jedoch das Gegenteil gezeigt.

[Henkel (CDU): Enttäuschend!]

Zur PDS: Das ist die Fraktion, die sich immer vehement gegen jegliche Form eines verbindlichen Unterrichtsfachs ausgesprochen hat. Frau Schaub, Sie haben immer nach dem Motto gesprochen: Jeder Unterricht muss ein wertevermittelnder sein, und das reicht aus. – Das ist auch nachzulesen. Frau Dr. Hiller hat Ihnen immer

assistiert. Nun scheinen Sie in der Realität angekommen zu sein, denn wie heute in der „Berliner Zeitung“ zu lesen ist, will die PDS einen Ethikunterricht einführen, einheitlich natürlich, wie könnte es auch anders sein.

[Zuruf der Frau Abg. Schaub (PDS)]

[Henkel (CDU): Manches dauert 40 Jahre, anderes nur drei!]

Ich schließe aus den Beiträgen der letzten Tage – und ich hoffe es auch –, dass wir an einem Punkt angelangt sind, an dem wir nicht mehr über das Ob, sondern über das Wie reden. Es gibt zwei Alternativen: Wir setzen das Spiel der vergangenen Jahre fort. Jeder erklärt die Notwendigkeit eines wertevermittelnden Unterrichts, hat aber Angst vor der eigenen Courage, Angst vor den Parteifreunden, die eventuell anderer Meinung sind und Angst vor Entscheidungen.

[Ratzmann (Grüne): Und Angst vor der Kirche!]

Das bedeutete jedoch, wie blieben weiter handlungsunfähig.

Die FDP bleibt bei ihrer Position. Wir wollen keinen vereinheitlichten Ethikunterricht. Wir wollen, dass die Schülerinnen und Schüler zum Ethikunterricht eine Alternative haben, die Unterrichtung in ihrer Religion. Die Kirchen haben es richtig erkannt.

Frau Kollegin! Entschuldigen Sie! – Gestatten Sie eine Zwischenfrage des Abgeordneten Hahn? – Sie reden eigentlich schon länger als fünf Minuten, aber diese Zwischenfrage wollen wir zulassen, weil es so selten vorkommt, dass eine Zwischenfrage aus der eigenen Fraktion gestellt wird, wenn Sie sie denn zulassen.

[Heiterkeit bei der FDP und der CDU]