Protokoll der Sitzung vom 24.02.2005

Leider hat sich der Berliner Senat allzu sehr auf die Zusicherungen des Landes Brandenburg verlassen, dass die rechtlichen Voraussetzungen ohne größere Schwierigkeiten geschaffen werden können. Offensichtlich hat niemand aus dem Senat der gemeinsamen Landesplanungsabteilung ernsthaft auf die Finger geguckt. Wie sich jetzt herausgestellt hat, sind offenbar gravierende handwerkliche Fehler gemacht worden, die im schlimmsten Fall ein Scheitern des Gesamtvorhabens BBI bedeuten könnten. Damit wären katastrophale Folgen für die wirtschaftliche Entwicklung einer ganzen Region verbunden. Nun heißt die Strategie: Haltet den Dieb! Die Beamten in der Behörde sollen als Bauernopfer dienen, um zu verschleiern, dass der Senat und die Landesregierung tief und fest geschlafen haben. Plötzlich erkennt man, dass der Leiter der gemeinsamen Landesplanungsabteilung – übrigens ein ehemaliger Kollege von Herrn Platzeck aus der Bezirkshygieneinspektion des Bezirks Potsdam – überfordert sei, das zentrale Infrastrukturprojekt zu betreiben. Die Wahrheit ist, dass der Berliner Senat es bisher bei Lippenbekenntnissen hat bewenden lassen und sich leider nicht auf den neuen Flughafen, sondern ganz auf die ideologisch begründete Schließung von Tempelhof konzentriert hat.

Dass Herr Wowereit den Flughafen zur Chefsache erklärt hat, hat uns gefreut. Endlich, so dachten wir, hat er Interesse an einem ernsthaften Thema gefunden und wird es kraft seines Amtes vorantreiben. Leider falsch gedacht. Die vermeintliche Chefzuständigkeit hat an dem schleppenden und chaotischen Verlauf des Projekts nichts geändert; offensichtlich sollte nur der Imagewechsel des Herrn Wowereit vom Partylöwen zum ernsthaften Politiker dokumentiert werden – leider ohne jeden inhaltlichen Hintergrund.

Das Ansehen Berlins ist durch die schier endlose Reihe von Pleiten, Pech und Pannen im Zusammenhang mit der Flughafenplanung schwer angeschlagen.

[Beifall bei der CDU und der FDP]

[Dr. Lindner (FDP): Ich gebe Ihnen gleich die Antwort!]

Das einzige, was hier aus dem märkischen Boden wächst, ist die Anzahl der verlorenen Prozesse. Die weit verbreitete Meinung in der ganzen Republik ist: Die können es einfach nicht.

[Dr. Lindner (FDP): So ist es!]

Der Senat ist gefordert, möglichst schnell festzustellen, wie die schier unglaublichen handwerklichen Fehler korrigiert werden können. Noch ist das Projekt zu retten. Die Devise „Augen zu und durch“ kann nur zu einer Katastrophe bei der Entscheidung vor dem Bundesverwaltungsgericht in Leipzig führen. Es muss insbesondere geklärt werden, ob eine erneute Aufstellung eines Landesentwicklungsplans erforderlich sein wird, oder ob lediglich Nachbesserungen in der Standortabwägung ausreichen, um den Planfeststellungsbeschluss für BBI nicht zu gefährden bzw. um ihn zu retten. Der Senat muss endlich handeln und seine eigene Verantwortung für das Gelingen dieses Flughafens wahrnehmen. Er muss die Planungen stärker als bisher kontrollieren. Dabei muss gelten: Sorgfalt geht vor Schnelligkeit. Wenn erforderlich – und ich glaube, es ist dringend erforderlich –, sollten zur Unterstützung der Brandenburger Behörden zusätzliche qualifizierte Fachkräfte und materielle Unterstützung angeboten werden. Eins ist klar: Der neue Flughafen ist kein Brandenburger Projekt, sondern die gemeinsame Aufgabe beider Länder.

Auch in der langen Zwischenzeit bis zur Inbetriebnahme von BBI muss Flugverkehr erfolgreich gestaltet werden. Flugverkehr bedeutet Verbindung für die Stadt, Arbeitsplätze für Berlinerinnen und Berliner und Standortvorteile für die Region. Die bestehenden Flughäfen sollen die Startrampe für den neuen Flughafen bilden. Ein Drehkreuz kann man nicht verordnen, sondern es muss sich entwickeln. Deshalb muss das Ziel der Berliner Flugverkehrspolitik sein, so viel Flugverkehr wie möglich nach Berlin zu holen. Dafür müssen die vorhandenen Kapazitäten vernünftig ausgelastet werden.

Herr Regierender Bürgermeister! Mittlerweile liegen nicht weniger als drei Angebote von namhaften Fluggesellschaften vor, die den Flughafen auf eigene Rechnung betreiben wollen. Die Betroffenen erhalten von Ihnen weder eine Antwort geschweige denn einen Termin, stattdessen schwadronieren Sie in der Öffentlichkeit rufschädigend über die angebliche Unseriosität dieser Angebote.

Eine Schließung des Flughafens Tempelhof würde im Übrigen das Credo von der Jobmaschine Flughafen ad absurdum führen. Auf einen Schlag würden mindestens 315 Arbeitsplätze vernichtet. Deshalb soll der Flughafen Tempelhof eine klare zeitliche Zukunftsperspektive bis zur Inbetriebnahme von BBI erhalten, damit Planungssicherheit für Investoren entsteht.

[Beifall bei der CDU und der FDP]

Die heutige Situation in Tegel ist für Fluggesellschaften wie Fluggäste gleichermaßen unerträglich, während Tempelhof und Schönefeld erhebliche Kapazitäten frei haben. Diese Situation wird sich durch das Wachstum des Flugverkehrs in der Übergangszeit noch verschärfen. Schon 2008 oder 2009 werden wir an der Grenze der Leistungsfähigkeit Tegels und Schönefelds ankommen, und das ist auch erfreulich. Deshalb fordert die CDU-Fraktion: Alle heute vorhandenen Flughafenkapazitäten müssen bis zur Inbetriebnahme von BBI in Betrieb bleiben, um genug Wachstumsreserve zu haben.

[Beifall bei der CDU und der FDP]

Des Weiteren muss mit den Airlines ein langfristiger Vertrag über die Entwicklung der Gebühren auf den Berliner Flughäfen geschlossen werden. Damit gibt es Planungssicherheit für beide Seiten, und die Gebührenstaffel sollte einen Abschlag bei günstiger Fluggastentwicklung beinhalten.

Der Flughafen Tegel stößt schon heute an die Grenzen seiner Leistungsfähigkeit von 40 Slots pro Stunde. Ein weiteres Wachstum zu den von den Airlines gewünschten Zeiten ist nicht mehr möglich. Tegel ist voll. Die Verhältnisse dort sind für Fluggesellschaften und Fluggäste unerfreulich.

Schönefeld ist der Airport der Billigflieger und hat sich erfreulich entwickelt. Er ist aber in seinem heutigen Zustand keine Alternative für den Geschäftsreiseverkehr. Berlin kann deshalb auf die Kapazität des Flughafens Tempelhof nicht verzichten.

[Beifall bei der CDU und der FDP]

Zugleich ist die konkurrenzlos günstige Lage des CityAirports ein wichtiger Standortfaktor für unsere Stadt.

[Dr. Lindner (FDP): Sieht sogar Renzo Schlauch so!]

Das ständige Gerede über immer neue Stilllegungstermine – von politischer Seite, aber auch seitens der BerlinBrandenburgischen Flughafengesellschaft – hat zu großer Verunsicherung der Fluggesellschaften, potentieller Kunden und Investoren in Tempelhof geführt und damit den Zustand der Unwirtschaftlichkeit erst herbeigeführt, der jetzt lautstark beklagt wird.

Die 13 Millionen € Defizit, die der Flughafen produziert, sind das Ergebnis der so entstandenen Planungsunsicherheit. Dabei ist zu bedenken, dass rund 80 % des Defizits durch das riesige Gebäude entstehen. Diese Kosten bleiben auch nach einer Schließung erhalten. Bisher ist es so, dass dieses Defizit durch die BFG und damit durch die Gewinne in Tegel abgedeckt wird. Der Steuerzahler wird nicht belastet. Das würde sich allerdings bei einer Schließung dramatisch ändern.

[Dr. Lindner (FDP): Richtig!]

Dann wären Bund und Land für die Unterhaltung von Gelände und Gebäude verantwortlich, und das zu einer Zeit, in der die Bezirke darüber nachdenken, bestehende Grünanlagen aus Kostengründen zu sperren. Wer soll dann des verflossenen Senators Strieder Wiesen bezahlen?

Für kleinere Maschinen und den Geschäftsflugverkehr stellt Tempelhof eine wichtige Alternative dar. Wir sollten den Luftverkehrsstandort Berlin im Interesse der Arbeitsplätze in unserer Stadt stärken und nicht schwächen und deshalb Tempelhof eine faire Chance geben.

[Dr. Lindner (FDP): So ist es!]

Ist das allen Ernstes Ihr Umgang mit Unternehmen und Arbeitgebern in dieser Stadt?

[Beifall bei der CDU und der FDP – Dr. Lindner (FDP): Klar, das kennen Sie doch!]

Die deutsche Hauptstadt braucht internationale Flugverbindungen und einen leistungsfähigen Flughafen nach modernsten Standards. Jetzt ist es fünf Minuten vor Zwölf: Schluss mit dem Behördenschlendrian! Schluss mit den ideologischen Kurzschlussaktionen des Senats! Schluss auch mit Schönreden und Vertuschen! Jetzt geht Sorgfalt vor Schnelligkeit. Wir wollen diesen neuen Flughafen – für die Region, für die wirtschaftliche Entwicklung, für die verkehrliche Entwicklung von Berlin und Brandenburg.

Wir sind der Auffassung: Berlin kann es sich nicht leisten, sich den neuen Flughafen nicht zu leisten. Deswegen müssen wir alle Kräfte in diesem Hause, in der Politik in beiden Ländern zusammenführen, um dieses Vorhaben jetzt zu einem guten Ende zu bringen und nicht zum Gespött der gesamten Republik zu werden, mit einem weiteren Großvorhaben, das gegen die Wand gefahren wird. Deshalb lassen Sie uns heute den richtigen gemeinsamen Weg finden. – Danke schön!

[Beifall bei der CDU und der FDP]

Vielen Dank, Herr Kollege Kaczmarek! – Für die SPD-Fraktion erhält das Wort der Kollege Gaebler. – Bitte schön!

Auch nach dem Urteil des Oberverwaltungsgerichts in Frankfurt/Oder hat das alles Bestand. Die Planfeststellung ist nicht hinfällig – das Gericht hat übrigens ausdrücklich festgestellt, dass es nicht über den Standort Schönefeld entschieden hat –, und das Finanzierungskonzept steht.

Hektische Aktivitäten oder vorschnelle Schlussfolgerungen sind deshalb nicht angebracht. Allerdings ist eine gründliche Analyse notwendig, und mögliche Auswirkungen auf die Verhandlungen vor dem Bundesverwaltungsgericht in Leipzig müssen jetzt genau geprüft werden und in die Prozessstrategie einfließen. Auch weitere Maßnahmen im Bereich der Raumordnung und der Landesplanung sind nicht ausgeschlossen. Eine abschließende Aussage dazu ist heute noch nicht möglich.

Wir begrüßen es aber außerordentlich, dass die Länder Berlin und Brandenburg jetzt gemeinsam eine Art Task Force gebildet haben, die genau diese Analyse und die weiteren Schlussfolgerungen auf den Weg bringen will. Das ist der richtige Weg, damit umzugehen, weniger das öffentliche Lamentieren, das wir an einigen Stellen zur Kenntnis nehmen müssen.

Die Gründe für die Flughafenplanung dürfen nicht in Vergessenheit geraten, denn wir haben gute Gründe, diese Planung weiter voranzutreiben. Ich nenne Ihnen drei davon: Das jetzige Flughafensystem ist unwirtschaftlich. Es erklärt sich nur aus der speziellen historischen Entwicklung der deutschen Teilung und des Mauerbaus. Die Mauer ist seit 16 Jahren gefallen, aber einige Unverbesserliche wie die Tempelhof-Interessengemeinschaft IKAT und FDP halten trotzdem unbeirrt daran fest, dieses System aufrecht zu erhalten. Das ist nicht nachvollziehbar.

[Dr. Lindner (FDP): Der entschuldigt sich jetzt erst einmal!]

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Wir sprechen heute wieder einmal über die Flughafenplanung für die Region. Die letzte Aktuelle Stunde zu diesem Thema befasste sich am 22. Mai 2003 mit der Zukunft des Flughafenprojektes Berlin-Brandenburg International in Schönefeld nach dem Abschluss des Privatisierungsverfahrens.

Insofern ist es durchaus an der Zeit, mal wieder Bilanz zu ziehen, auch über das, was wir gemeinsam wollen – wie dies Kollege Kaczmarek soeben gesagt hat. Allerdings habe ich bei ihm viel über Tempelhof und wenig über das gemeinsame Projekt gehört.

[Niedergesäß (CDU): Da hast du nicht richtig zugehört!]

Ich weiß nicht, ob uns das an dieser Stelle weiterhilft.

Lassen Sie uns Revue passieren, was seit 2003 geschehen ist: In Zusammenarbeit mit dem Land Brandenburg wurde die Planfeststellung abgeschlossen, einschließlich der umfangreichen Anhörungen und Abwägungen.

[Niedergesäß (CDU): „Umfangreich“ ist richtig – nach fünf Jahren!]

Im Bereich des Lärmschutzes wurden dabei erhebliche Ergänzungen eingearbeitet, die auch den Kriterien des geplanten neuen Fluglärmgesetzes genügen werden.

Die Berliner Hausaufgaben wurden unter Führung des Regierenden Bürgermeisters auch gemacht. – Herr Kaczmarek, Sie fragten, was er eigentlich tut. – Hier ist Einiges vorzuzeigen: Die Flughafengesellschaft wurde umstrukturiert. Das haben wir hier auch gemeinsam gefordert. Aus einer unüberschaubaren Holding mit einer Vielzahl von Geschäftsführern und unklaren Zuständigkeiten wurde ein handlungsfähiges, leistungsstarkes Unternehmen mit klaren Zuständigkeiten und klarem Auftrag.

Das Finanzierungskonzept für den Bau des Flughafens liegt in seinen Eckpunkten vor. Alle drei Gesellschafter haben sich zu ihrer Verantwortung bekannt, und wir werden in den Haushaltsberatungen in diesem Jahr die ersten Beträge in den Haushalt einstellen. Die Flughafengesellschaft hat mit ihrer Werbung für Schönefeld eine erhebliche Steigerung der Fluggastzahlen erreicht und damit an dieser Stelle sowohl wirtschaftlich als auch perspektivisch Großes geleistet. Auch das sollten wir anerkennen – insgesamt eine erfolgreiche Bilanz.

[Beifall bei der SPD]

[Beifall bei der SPD]

[Heiterkeit bei der FDP]