Protokoll der Sitzung vom 14.04.2005

[Beifall bei der CDU]

Die Vergabe öffentlicher Aufträge gerade im Baubereich muss wieder auf der Grundlage der Verdingungsordnung für Bauleistungen erfolgen.

[Beifall bei der CDU – Wansner (CDU): Genau so ist es!]

Drittens: Es ist eine effektivere Verzahnung der Ermittlungsbehörden erforderlich. Noch immer bestehen erhebliche Informations- und Vollstreckungsdefizite der einzelnen Behörden. Diese gilt es abzubauen.

Viertens: Schwarzarbeit ist weder für den Auftraggeber noch für den Auftragnehmer ein Kavaliersdelikt. Sie sollte auch nicht als solche behandelt werden. Dort, wo sie Teil der organisierten Kriminalität ist, muss sie in den Straftatbeständen auch benannt werden und sich strafverschärfend auswirken.

[Beifall bei der CDU]

Fünftens: Bei allen Reformbemühungen am Arbeitsmarkt darf es keinen staatlich subventionierten Wettbewerb auf kleine- und mittelständische Unternehmen geben.

[Beifall bei der CDU – Vereinzelter Beifall bei der FDP]

[Beifall des Abg. Wansner (CDU)]

und habe mir die fünf Punkte mitgeschrieben, damit ich nichts vergesse. Ich werde darauf noch zurückkommen. Ansonsten ist auch dabei nicht viel Neues zu hören gewesen.

Schwarzarbeit, darauf ist bereits hingewiesen worden, ist kein Kavaliersdelikt. Es gibt aber das Problem, dass Schwarzarbeit in der Bevölkerung als gegeben hingenommen und als gesellschaftliches Phänomen akzeptiert wird. Das ist aus meiner Sicht das Gefährliche. Wir werden alle in unseren Bereichen täglich mit Schwarzarbeit konfrontiert. Nehmen wir nur einmal das Thema Frisör. Das macht doch die Friseuse lieber zu Hause. Oder was ist mit dem Renovieren von Wohnungen? – Der Nachbar, ein arbeitsloser Maler, macht das ganz schnell. Solche Dinge laufen täglich ab und werden stillschweigend geduldet. Niemand „scheißt“ jemanden dafür an.

[Zuruf des Abg. Pewestorff (PDS)]

Das ist ein harter Ausdruck, aber es trifft den Kern.

Sie haben den Ausdruck selbst zurückgenommen, dann brauche ich nicht mehr darauf hinzuweisen.

Nein, das ist in Ordnung. – Das ist ein großes Problem, das wir als Politiker nicht lösen können.

Welche Maßnahmen gegen Schwarzarbeit haben wir, und sind sie ausreichend? – Wenn ich mir das Strafregister ansehe – bis zehn Jahre Gefängnis, bis 500 000 € Geldstrafe –, dann bin ich sicher, dass das ausreichend ist. Das ist nicht das Thema. Die Anzahl der Kontrollen muss stetig erhöht werden Prävention zu leisten, dass ist das Einzige, was wir machen können.

Weshalb ist das eigentlich so? – Bei der Beantwortung dieser Frage helfen die Medien. Dort ist zu lesen, dass es Abfindungen in Millionenhöhe für irgendwelche Vorstandsmitglieder gibt. Das liest jemand, der absolut kein Geld hat, und sagt sich: Die Großen lässt man laufen, die Kleinen will man hängen. – Solange dieses Denken herrscht, werden wir das Problem im Grundsatz nicht lösen können. Leider ist das so, und man muss Schwarzarbeit fast als gegeben hinnehmen.

Die CDU beschäftigt sich intensiv mit dem Thema Bekämpfung der Schwarzarbeit. Ich habe mir einmal angesehen, was allein in dieser Legislaturperiode dazu auf der Tagesordnung gestanden hat. Im Jahr 2002 haben Sie eine Große Anfrage gestellt. Ein halbes Jahr später hat Herr Goetze die selben neun Fragen als Kleine Anfrage hinterhergeschoben. In der heutigen Sitzung habe ich gelernt, dass man mit den Zahlen vorsichtig umgehen muss. Der eine spricht von 400 Milliarden €, die dem Staat durch Schwarzarbeit verloren gehen, der andere von 330 Milliarden €. Auch für Berlin werden unterschiedliche Größenordnungen genannt. Aber die Ursachen sind damals wie heute gleich. Das Phänomen Schwarzarbeit ist leider auch nicht von der Dimension her geringer geworden. Das sehe ich anders als der Senat, denn für mich gibt es keine Zahlen, die belegen, dass sie rückläufig ist.

Was mir allerdings aufgefallen ist: Wenn es um die Summen geht, die wir durch die Fahndung – diese sind ausgeweitet worden, das ist deutlich geworden – einnehmen, dann liegen die genannten Zahlen zwischen 10 Millionen €, 20 Millionen € oder sogar 22 Millionen € im Jahr. Wenn man umrechnet, was uns eine Personalkraft kostet, nämlich 50 000 € – der Finanzsenator wird mir das bestätigen –, dann wissen wir, dass das in etwa die gleiche Summe ist, als wenn wir 400 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter im öffentlichen Dienst bezahlten. Der Effekt, der damit erzielt wird, dass wir Geld einnehmen, ist eigentlich gleich Null. Was wir allerdings erreichen – und das finde ich gut, darum darf dort nicht nachgelassen werden –, ist die Prävention, ist, dass aufmerksam gemacht wird, dass eine Kontrolle stattfindet. Wir erreichen, dass auch die Medien diese Kontrolle begleiten, so dass jeder genau weiß, dass es auch ihm an den Kragen gehen kann, denn der Senat und die Bundesregierung und die einzelnen Ämter tun etwas in diesem Bereich. Das ist meiner Auffassung nach das wichtigste Resultat dieser Geschichte.

[Vereinzelter Beifall bei der SPD]

Die CDU-Fraktion hat im Jahr 2003 einen Antrag eingebracht, auf den ich kurz eingehen möchte. Der Senat sollte eine Bundesratsinitiative starten, mit der Investitionen, die am eigenen Haus, in der eigenen Wohnung getätigt werden, steuerlich absetzbar werden sollten. – Das stimmt, Herr Wegner, nicht mit Ihrer Rede überein, wenn Sie sagen, wir müssten nach Herrn Merz das Steuerrecht vereinfachen. Danach ist allerdings gar nichts mehr absetzbar. Es gibt nur noch drei Klassen von Lohnsteuern – Ende der Fahnenstange. Alles das, was im Augenblick

steuerlich absetzbar ist, fällt dann weg. Das ist das MerzModell. In dem Fall passt das, was Sie gesagt haben, nicht richtig hinein.

Ich versuche mir vorzustellen, was das bedeuten könnte. Allerdings muss ich feststellen, dass es nichts bringt. Wie läuft denn das ab in einer eigenen Immobilie? – Man geht zum Baumarkt – die wollen wir ja auch nicht pleite gehen lassen –, kauft dort das Material, lässt es zu Hause anliefern, und dann kommt erst der Bereich der Schwarzarbeit, dass irgendwelche Handwerker, die arbeitslos sind, die Materialien verarbeiten. Was wollen Sie denn eigentlich steuerlich absetzen? – Es bleiben letztendlich nur die Materialkosten übrig.

[Zuruf des Abg. Niedergesäß (CDU)]

Das ist nun wirklich völlig verdreht: Jetzt macht derjenige Schwarzarbeit, kauft das Material offiziell im Laden und darf es dann auch noch absetzen. Deshalb habe ich mit diesem Vorschlag gewisse Probleme.

[Beifall bei der SPD – Zuruf des Abg. Niedergesäß (CDU)]

Doch, ich glaube, das stimmt, Herr Niedergesäß!

Gestatten Sie mir, einige Beispiele zu nennen, an denen deutlich wird, wie wir Abgeordnete mit dem Thema Schwarzarbeit umgehen.

Fachgemeinschaft Bau – ein Thema, das heute bereits erwähnt wurde. Alle Fraktionen werden zur Fachgemeinschaft eingeladen. Mir als jemandem, der im Baubereich zu Hause ist, ist es jedes Mal peinlicher, dort hinzugehen, weil wir den Menschen hilflos gegenüber sitzen und ihnen nicht helfen können, weil die Situation ist, wie sie ist. Wir hatten im Jahr 1995 50 000 auf dem Bau Beschäftigte, wir haben heute noch 12 000. Die Arbeitslosigkeit unter den 12 000 liegt bei 53 %. Und die Tendenz ist steigend bzw. bei den Arbeitskräften fallend.

Da kommt die Idee mit der Chipkarte zum Tragen. Da, Herr Senator Wolf, habe ich eine grundsätzlich andere Auffassung. Ich halte diese Chipkarte, die Forderung der Fachgemeinschaft Bau, für eine sinnvolle Maßnahme,

[Vereinzelter Beifall bei der CDU]

weil man auf den ersten Blick erkennt, wer wo arbeitet und ob es sich um einen legalen Arbeiter handelt. Wenn er diese Karte nicht hat, kann ich sofort nachfragen: Warum arbeitest du eigentlich hier? – Damit ist der Teil der Arbeitnehmer, den man schnell herauspicken kann, viel schneller zu identifizieren. Deshalb halte ich die Chipkarte für ein ideales Instrument.

Zweite Vorbemerkung: Schwarzarbeit wird weder hier noch anderswo als Kriminalität behandelt, sondern sie wird eben – auch hier noch – als Kavaliersdelikt behandelt. Ich behaupte, dass fast jeder und jede Abgeordnete sehr wohl Schwarzarbeitsverhältnisse kennt, sei es im Reinigungsbereich von irgendwelchen Freunden, die man hat, sei es im Gaststättenbereich, sei es vielleicht im Einzelhandelsbereich. Ich möchte behaupten, dass jeder hier solcher Schwarzarbeitsverhältnisse kennt ohne sie anzuzeigen, ohne sich Gedanken darüber zu machen. Die Spitze dieser Verlogenheit zeigte sich z. B. bei unserem ehemaligen Innensenator, jetzt Innenminister von Brandenburg, Herrn Schönbohm, dem es peinlich war, dass in seiner Nachbarschaft eine Razzia stattgefunden hat, weil alle annehmen konnten, er habe sie geholt. Wenn es also sogar dem Innenminister peinlich ist, dass man ihn eventuell für eine Razzia verantwortlich machen könnte, dann zeigt das, wie verlogen diese Debatte über Schwarzarbeit immer wieder geführt wird.

Eins nach dem anderen, Herr Lindner! Ich habe eben von etwas anderem geredet. Abgesehen davon, Herr Lindner, ich glaube, Sie sind bei der FDP die Einzigen, die eigentlich vor Begeisterung in die Luft springen müssten. Schließlich haben wir eine Deregulierung auf diesem Markt, wie Sie es sich doch nur wünschen können. Gegen Tarifsysteme haben Sie sowieso etwas. Deshalb ist doch für Sie die Welt mit Schwarzarbeit wieder in Ordnung.

[Niedergesäß (CDU): Bravo!]

Im Übrigen halte ich die Karte nicht nur für den Baubereich für angemessen. Wir hatten vor kurzem das Thema Taxigewerbe. Ein Fahrer hat einen Ausweis – eventuell blau –, den kann man sich in jedem Farbkopierer kopieren. Dann schreibe ich meinen Namen darauf und klebe ein Bild darauf, und fertig ist der Ausweis. Was hilft uns das? – Ich finde, wenn man einen legitimierten Chipausweis mit Passbild hat, den man auch sichtbar im Fenster aufhängen muss, ist das ein Vorteil. Wenn dann eine Polizeistreife oder andere prüfen, dann fragen sie sich sofort: Warum hat der denn seinen Ausweis nicht am Fenster hängen? – Die Kontrollmöglichkeiten sind so viel größer, als wenn man ihn in der Tasche hat. Die Kontrollen finden in der Regel kaum oder sehr selten statt.

[Vereinzelter Beifall bei der SPD – Beifall bei der CDU]

Weil Sie klatschen: Man kann das immer weiter ziehen. Wir wissen, dass das auch in den Gewerbebereichen bei den Dienstleistungen – Aushilfe als Verkäuferin und ähnliches – passiert. Wir wissen, dass man die Chipkarte auch in diesen Bereichen einführen könnte. Wir haben aber auch gehört. dass wir dabei einen großen Gegner haben, das ist der Datenschutz. Wir als Politiker müssten auch einmal den Mut haben, diese Maßnahme im Interesse der Gesellschaft durchzusetzen, zwar den Datenschützer zu hören, es aber trotzdem zu machen.

[Heiterkeit bei der CDU und der FDP]

Diesen Mut halte ich für zwingend erforderlich bei der Bekämpfung der Schwarzarbeit.

[Beifall bei der SPD und der CDU]

Wir haben heute mit Sicherheit nicht das letzte Mal über das Thema Schwarzarbeit gesprochen. Für den Bereich der Wirtschaft halte ich die Einführung einer Chipkarte für notwendig und wichtig. Die mich kennen, die wissen, dass ich das auch kurz und knapp formulieren kann: Nicht reden, sondern handeln! – Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit!

[Beifall bei der SPD – Heiterkeit bei der CDU und der FDP – Niedergesäß (CDU): Jetzt kriegen Sie Ärger! – Zurufe von der CDU: Sie werden jetzt ausge- schlossen! Dann können Sie bei uns anfangen!]

Vielen Dank! – Für die Fraktion der Grünen hat jetzt das Wort Frau Abgeordnete Oesterheld. – Bitte sehr!

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! – Erste Vorbemerkung: In einem einzigen Punkt muss ich Herrn Wegner Recht geben. Ich habe mich auch gefragt: Wozu die Große Anfrage, wo doch die meisten Antworten im Bericht zur Schwarzarbeit stehen? – Deshalb wirkt es ein bisschen komisch. Sie hätten andere Fragen stellen können – die werde ich nachher stellen –, die darüber hinausgehen.

[Beifall bei den Grünen – Dr. Lindner (FDP): Wer soll sich den heute noch reguläre Handwerker leisten können?]

Das Gegenteil ist allerdings der Fall. Da kommen wir auf das Einzel- und das Gesamtinteresse. Tariflöhne bedeuten nicht nur Sicherheit für Arbeitnehmer, sondern auch der Bauindustrieverband hat mittlerweile begriffen, dass Tarifsysteme auch eine Sicherheit für Arbeitgeber sind. Denn auch dieser Verband hat damals gesagt, dass er nicht mehr in der Lage sei, unter diese Lohndumping- und Schwarzarbeiterpreise zu gehen. Es ist ihm sehr wohl bewusst gewesen, dass bei diesem Angebot von Schwarzarbeit, bei diesem Angebot von Lohndumping, das es in diesem Zusammenhang gab, ein normaler Betrieb nicht mehr aufrecht erhalten werden kann. Das ist dann der Punkt, der eben bereits mit der Fachgemeinschaft Bau angesprochen wurde. Das erste Mal, ich erinnere mich an die Diskussion, redeten wir über Tariflöhne. Das zweite Mal oder sagen wir fünf Jahre später redeten wir schon über Mindestlöhne. Und irgendwann redeten wir nur noch darüber, dass auch die Unternehmen der Fachgemeinschaft Bau fast selbst keine Arbeitnehmer haben, weil sie sie in der Höhe nicht bezahlen konnten. Insofern ist es auch mir, wenn ich zur Fachgemeinschaft Bau gehe, nicht nur peinlich, weil man dagegen nichts unternehmen kann, sondern weil auch immer deutlicher wird, wie sehr der Baubereich in sich zusammengebrochen ist. Und er war einmal eine starke äule des Sozialsystems. S

Dagegen entsteht neben Schwarzarbeit auch so etwas wie Manchesterkapitalismus. 1840 war das so, dass jeder

Das heißt, es geht jetzt gar nicht mehr darum, ob Müller 1 oder Schmidt 2 dort Bauherr ist, sondern es geht um ganz andere Bauherren, die dies zugelassen haben bzw. dahinter stehen.

Die zweite Sache: Ich habe in einer Antwort auf eine Anfrage, ich glaube, von Herrn Goetze, gesehen, dass Nachunternehmerbeschäftigung meldepflichtig bei SenStadt im Land Berlin sei. Dann habe ich in der Antwort gesehen, dass es einer nicht gemeldet hat, er angemahnt wurde, dann hat er es noch einmal nicht gemeldet und ist sechs Monate nicht beauftragt worden. Da frage ich mich allerdings schon, wenn jemand eindeutig gegen solche Auflagen verstößt, ist es sehr durchgreifend, wenn man ihm sagt, du darfst es noch einmal machen, dann darfst du sechs Monate nicht für uns arbeiten? Was sind denn sechs Monate in der Bauwirtschaft? – Das ist doch lächerlich. Auch da stellt sich die Frage: Macht das Angst? Oder sagt man sich nicht eher, ich mache es, weil mir sowieso nichts passiert?

Arbeiter frei war und seine Arbeitskraft angeboten hat. Heute haben wir zwar nicht mehr diese Art von freie Arbeitern, aber wir haben die Ich-AGs, und jeder ist eine Ich-AG.