Wir suchen für die konkrete Ausgestaltung des Unterrichts den Dialog mit den Kirchen und Religionsgemeinschaften, auch wenn das im Moment etwas schwierig ist. Ich bin dafür, dass deren authentische Vertreter die Gelegenheit erhalten sollen, zu allen Schülerinnen und Schülern zu sprechen. Unsere Hand bleibt dafür ausgestreckt.
Ich werbe dafür, dass auch die christlichen Kirchen die Chancen anerkennen, die dieses Modell bietet. Die übergroße Mehrzahl der Ostdeutschen hat in der Vergangenheit nichts über Religion im Unterricht erfahren. Ich persönlich empfinde dies als ein Defizit. Mit dem Wahlpflichtmodell, wie es Kirchen, CDU und FDP bevorzugen, würde das genauso bleiben.
Die SPD hingegen steht spätestens seit dem letzten Samstag für eine Einheitsschule und für Zentralismus. Gegen freie Schulen machen Sie schon seit Beginn der Legisla
turperiode Kampagne. Sie kürzen ihnen die Mittel. Sie sind gegen die Wahlfreiheit. Sie stehen bildungspolitisch, ich kann es nicht anders sagen, für eine DDR light.
Das hat nicht nur Herr Thierse völlig zu Recht in Erinnerung gerufen, sondern es sind noch andere prominente Sozialdemokraten, sie ihnen erklären, wie isoliert sie sind. Es ist der Sprecher der Bundesregierung, Bela Anda, der hier seine Kinder in der Schule hat, es ist ihr eigener Bundesvorsitzender Müntefering, es ist – wir hatten ein sehr beeindruckendes Gespräch mit ihm – Herr Richard Schröder und es ist seit gestern Abend auch noch der Bundeskanzler. Sie sind innerhalb Ihrer eigenen Partei nur noch eine bildungspolitische Sekte, meine Damen und Herren von der SPD.
Sie sind ein kleiner Club von Häretikern geworden und sonst gar nichts mehr. Da nützt es auch nichts, von anderen Erfahrungen zu sprechen. Die Erfahrungen in Berlin sind ja gerade so schlecht, dass es Zeit geworden ist, sich mit anderen Möglichkeiten zu beschäftigen, Werte zu vermitteln. Eigentlich kann es mir egal sein, ob Sie innerhalb der SPD isoliert sind. Ist es mir auch.
Bundeskanzler Gerhard Schröder hat gestern gesagt, er sei dafür, dass Kinder und Jugendliche entweder ihre eigene Religion bekenntnisgestützt kennen lernen oder sich neutral über Werte und Religion informieren können. Ich frage Sie, weshalb eigentlich dieses Entweder-Oder, wenn man beides haben kann. Unser Vorschlag ermöglicht genau das.
Noch einige wenige Worte zum anderen Thema, das auf dem SPD-Landesparteitag eine Rolle gespielt hat. Man kann den Eindruck gewinnen, dass gleich die nächste Schulreform droht. Es wird von der Zwangseinheitsschule gesprochen. Die Wirtschaftsverbände, CDU und FDP schlagen Alarm. Nun ist es kein Geheimnis, dass die PDS eine Freundin des längeren gemeinsamen Lernens ist. Wir finden zwar, Herr Böger, dass wir mit dem Schulgesetz eine Menge geschafft haben, aber in dieser Frage nicht mutig genug gewesen sind. Aber Entwarnung: Solch eine tiefgreifende Veränderung wie die Überwindung des gegliederten Schulsystems werden wir von der PDS nicht über das Knie brechen. Wir wollen nicht die Fehler der Wiedervereinigung wiederholen, als ein Schulsystem komplett abgeschafft und quasi von einem Tag auf den anderen durch ein neues ersetzt worden ist. Wir finden den Weg zu einem längeren gemeinsamen Lernen wichtig, aber dafür müssen wir die Berlinerinnen und Berliner gewinnen. Das kann man nicht von oben aufstülpen. Wir von der PDS werden dazu in den nächsten Wochen mit den Schülerinnen und Schülern, mit den Lehrerinnen und Lehrern und mit den Eltern reden. Wir werden ein Konzept vorschlagen und zu den nächsten Abgeordnetenhauswahlen 2006 zur Wahl stellen. Inhalt unseres Konzeptes wird sein, dass wir keine Einheitsschule wollen, sondern eine Schule, in der jeder Einzelne zählt. Dass das längere gemeinsame Lernen, am besten bis zur 10. Klasse, ein gutes Ziel ist, dabei bleiben wir. Dafür wollen wir die Berlinerinnen und Berliner gewinnen. – Ich danke Ihnen!
Danke schön, Herr Kollege Liebich! – Es folgt die Fraktion der FDP. Das Wort hat der Kollege Dr. Lindner. – Bitte schön!
Herr Präsident! Verehrte Damen! Meine Herren! Die FDP steht auch in Bildungsfragen für Freiheit, Pluralität, Eigenverantwortung, für die Freiheit der Eltern, mit ihren Kindern auszusuchen, welchen Schultyp sie besuchen wollen, ob Gymnasium oder Gesamtschule – die wollen wir nicht abschaffen –, ob die Kinder in eine staatliche Schule geschickt werden sollen oder in eine Schule in freier Trägerschaft und dann schließlich auch, ob ein wertevermittelndes Fach gewählt wird, das vom Staat angeboten wird, oder Religionsunterricht. Freiheit und Eigenverantwortung!
Was mir aber nicht egal ist und was uns nicht egal ist, ist der Umstand, dass Sie damit gleichzeitig diese Stadt isolieren. Es ist nicht nur für die Berlinerinnen und Berliner dramatisch, was Sie beschlossen haben, sondern es ist vor allem für das nötige Anwerben von Menschen aus anderen Städten, anderen Regionen, sowie für das Werben um Ansiedlung von Unternehmen eine Katastrophe. Es ist wieder ein Berliner Sonderweg, es wird wieder dabei schaden, Menschen in die Stadt zu bringen.
Es gibt niemand Ernstzunehmenden außer Ihrem kleinen Klüngel, der das befürwortet, was Sie beschlossen haben.
Mich wundert das schon ein wenig, dass uns heute Herr Böger als Bildungssenator präsentiert wird. Es wäre ehrlich gewesen, Herr Kollege Müller, wenn Sie uns heute Frau Buttgereit zur Vereidigung mitgebracht hätten, dann hätte wenigstens die Verpackung zum Inhalt gepasst, der Schlauch zum Wein – zum Essig, besser ge- sagt –,
als uns hier noch immer jemanden zu präsentieren wie den Herrn Böger, der schon seit geraumer Zeit eine Durchsetzungskraft in Ihrer Partei hat,
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Nach Reden des Abgeordneten Lindner fällt es immer schwer, zur Sache selbst zurückzukehren.
Bleiben Sie doch ruhig! Ich rede doch von Sachverhalten. Wenn Sie zu solchen Worten wie Pinscher oder ähnlichen Ausdrücken greifen – das ist nicht mein Sprachgebrauch! – Ich sage Ihnen noch einmal: Wenn die Legislaturperiode noch länger dauert, sind Sie allein da. Da sind Sie in der FDP allein.
Kollege Böger hat ja gesagt, das sei noch nicht so gravierend, dass er deshalb zurücktreten müsse. Das sei eine eher untergeordnete Frage. In Kernfragen würde er sich durchsetzen. Kollege Böger! Das ist dann ja recht spannend, wenn vielleicht auf dem nächsten bildungspolitischen Parteitag der SPD die Einheitsschule bis zur 13. Klasse
und das Kürzen der Mittel für die Schulen in freier Trägerschaft auf 0,5 % beschlossen wird und als einziger wertebildender Unterricht dann morgens die Internationale gesungen wird.
Dann stellen Sie sich wahrscheinlich immer noch hin und sagen, dass das Randprobleme sind, und denken im Stillen an Ihre Freikarten für die WM und an Ihre Senatorenpension. Das ist das Einzige, was Sie noch in dem Amt hält, sonst gar nichts.
Das einzig – und das muss man ganz klar sehen – Vorteilhafte an dieser Debatte ist, dass sie in der Tat Klarheit geschaffen hat. Sie legt den Frontverlauf dar,
Auf der einen Seite haben wir Parteien, die für diese Einheitsschulen und diesen Einheitsbrei stehen, und auf der anderen Seite haben wir Parteien, die bei allen Unterschiedlichkeiten beispielsweise in der Gesamtschulfrage für Freiheit und Individualität stehen.
Sie haben den Kulturkampf, den wir jetzt in dieser Stadt haben, selbst herbeigeführt. Ich kann Ihnen sagen, wir werden diesen Kulturkampf führen, und Sie werden am Ende die Verlierer dieses Kulturkampfes sein. Die Vernunft wird siegen. – Herzlichen Dank!
Danke schön, Herr Kollege Dr. Lindner! – Für den Senat erhält das Wort der Herr Senator Böger. – Bitte schön!
[Pewestorff (PDS): Wie wichtig Werteunterricht ist, sieht man an Herr Lindner! – Czaja (CDU): Sportsenator kann er bleiben!]