und wurde erst Jahre später von Senator Strieder dankenswerterweise wieder aufgehoben. Heute sucht die ganze Welt nach authentischen Spuren.
Darf ich Sie daran erinnern, dass es ein CDU-Senator war, der die öffentliche Förderung für das Haus am Checkpoint Charlie beendet hat? Darf ich Sie daran erinnern, dass nicht dieser Senat und nicht ich es war, der die Grundstücke am Checkpoint Charlie an einen Investor
verkauft hat, der erst ein American-Business-Center versprach, dann Pleite ging und nun statt Welthandel Trödel mit Politkitsch und schauspielerischen Mummenschanz an den Ort zog? Darf ich Sie daran erinnern, dass Sie es zu verantworten haben, dass damit dem Areal des Checkpoint Charlie die Möglichkeit einer späteren öffentlichen Gedenkstättennutzung entzogen wurde?
Herr Lehmann-Brauns! Ihre vollständige Ahnungslosigkeit in Zuständigkeiten offenbart sich in dem Vorwurf, ich hätte als Baustadtrat in Mitte veranlasst, dass Reste der Mauer abgerissen wurden,
obwohl das Grundstück vorher privat verkauft worden war und es also von Privaten beantragt wurde, wobei Sie nicht die denkmalrechtlichen und stadtplanerischen Grundlagen geschaffen haben, einen solchen Antrag auf Bezirksebene versagen zu können.
Als Baustadtrat kann ich keine Genehmigung versagen, wenn es keine denkmalrechtlichen und stadtplanerischen Voraussetzungen gibt, die nur auf Senatsebene zu schaffen wären.
Darf ich Sie, meine Damen und Herren von der CDUFraktion, daran erinnern, dass Sie für die Pleite dieser Stadt die Hauptverantwortung tragen
und jetzt von uns verlangen, die unter Ihrer Verantwortung verschleuderten Grundstücke mit Verlust zurückzukaufen, um eine Kalamität zu beenden, die Sie mit verschuldet haben?
Bei allem Streit, der richtig, wichtig und gewollt ist, gibt es unübersehbar einen Konsens: Mit dem von mir initiierten Arbeitsprozess und den von mir vorgestellten Resultaten liegt zum ersten Mal ein Papier mit einer konkreten Bestandsaufnahme und einer zielführenden Perspektive auf dem Tisch, das von allen relevanten Beteiligten als eine gute Grundlage bezeichnet wurde, zu gemeinsamen Verabredungen zu kommen. Die bisherigen Runden –mal von den Ausfällen von Herrn Lehmann-Brauns abgesehen – haben diesen Eindruck bestätigt.
Angesichts der früheren ideologischen Feindschaft in dieser Stadt, der Tabuisierung und Instrumentalisierung vieler Themen und der Zerstrittenheit vieler Akteure müssen wir doch feststellen, dass das ein großer Fortschritt für Berlin ist. Meine Verwaltung und ich haben in den letzten Monaten sehr viel zugehört, Fragen gestellt, diskutiert und mit allen zuständigen Stellen vom Bezirk bis zum Bund, den Opferverbänden, Gedenkstätten und Wissenschaftlern beraten. Wir haben dabei ein Verfahren entwickelt, das Ihre Behauptung, wir würden Opferverbände, das Parlament und die Öffentlichkeit außen vor lassen, Lügen straft. Ich habe ein Konzept vorgestellt, das von der Fachwelt in seinen Grundzügen begrüßt wird, und ich stelle mich den kritischen Fragen der Zeitzeugen und Opferverbände – das übrigens nicht erst seit heute, sondern von Anfang an.
Ich weiß, dass sich die Opferverbände schwer damit tun, und dieser Zurückhaltung begegne ich mit Respekt. Ich danke dem Regierenden Bürgermeister, dass er mir bei dieser Aufgabe den Rücken stärkt.
Der Versuch der CDU, eigene Versäumnisse – ich will vom Mauergrundstücksgesetz und den Entschädigungsregelungen auf Bundesebene gar nicht sprechen – durch Instrumentalisierung der Opferperspektive zu kompensieren, muss ins Leere laufen.
Unsere Aufgabe ist sehr viel komplexer, als ausschließlich der Perspektive der Opfer in einer interessierten und politisch instrumentalisierten Weise Rechnung zu tragen. Heute müssen wir sehr verschiedene Perspektiven und Interessen aufeinander beziehen und zu einem Ausgleich führen. Die Sicht der Denkmalpfleger, die Sicht der Angehörigen der Opfer, das weltweite Allgemeininteresse an Public-History und das Fachinteresse von Historikern an der Vielschichtigkeit der Ereignisse decken sich nicht von vornherein und nicht in jedem Punkt.
Da ich davon ausgehe, dass die Grundzüge des Gedenkkonzepts bekannt sind, möchte ich an dieser Stelle nur einige Anmerkungen zur Diskussion machen: Lassen Sie mich zunächst darüber informieren, welche erste Maßnahmen nach der Vorstellung der Konzeption am 18. April ergriffen wurden! – In der Tat – das wurde hier von Rednern angesprochen – drohte der Verkauf eines Grundstücks zur Errichtung eines Supermarktes an der Bernauer Straße. Ich habe nach dem 18. April diesen Verkaufsvorgang von der Tagesordnung des Steuerungsausschusses des Liegenschaftsfonds nehmen lassen. Gleichzeitig habe ich den Bezirksbürgermeister von Mitte gebeten, eine städtebauliche Veränderungssperre für den Bereich des Mauerstreifens westlich der Gedenkstätte an der Bernauer Straße zu verhängen. Herr Zeller hat mir zugesagt, dies im Bezirksamt beschließen zu lassen. Schließlich werde ich alle mit den Grundstücksfragen befassten Partner einladen, und zu den verschiedenen Standorten und Themen
bereichen der Ihnen vorliegenden Konzeption sollen Projektgruppen gebildet werden. Schließlich kennen Sie die Tatsache, dass ich für die Haushaltsanmeldung des Doppelhaushaltes die Gedenkstätten Bernauer Straße, Marienfelde und Schöneweide hinsichtlich des Berliner Anteils an der Finanzierung mit angemeldet habe.
Lassen Sie mich noch einige Punkte ansprechen, die bisher im Rahmen der Diskussion aufgeworfen wurden! Dabei möchte ich versuchen, einiges zu präzisieren. Ich werde ohnehin mit der Arbeitsgruppe die Diskussion auswerten und selbstverständlich die Konzeption überarbeiten.
Zum Thema der Rekonstruktion des Mauerstreifens an der Bernauer Straße lassen Sie mich so viel sagen: Fundamentalistische Positionen helfen hier nicht weiter. Zunächst muss definiert werden, was im Bereich zwischen Gedenkstätte und Nordbahnhof dargestellt werden soll. Dann sollte man über die geeignete Form der Gestaltung diskutieren. In der Tat war die Mauer so seriell, dass sie ohne Probleme rekonstruiert werden könnte. Es gibt aber auch den Wunsch, an verschiedene Etappen des Ausbaus zu erinnern. Wenn wir uns einig sind, dass es keine Filmkulisse werden darf, in der vielleicht auch noch Schauspieler agieren, sondern dass verschiedene Medien kombiniert werden sollten, um genau jenes zu vermitteln, von dem auch Frau Kollegin Lange immer spricht, dann hätten wir jene Offenheit, die Experten brauchen, um uns Vorschläge zu unterbreiten. Schließlich dürfen wir auch nicht die Bedürfnisse und die Interessen der Kirchengemeinde als Grundstückseigentümer vergessen.
Ein anderes Thema ist der Umgang mit der so ungeliebten Gedenkstätte in der Bernauer Straße. Hier sollten wir sehr sensibel und unter Wahrung der Urheberrechtsansprüche den Dialog suchen. Ich hatte vorgeschlagen, die Gedenkstätte – auch ihrer wissenschaftlichen Fundierung wegen, Frau Meister, sollte das genauer untersucht werden – stärker mit den konkreten Biografien der Opfer in Beziehung zu setzen.
Schließlich nehme ich auch gern den Gedanken auf, dass ein auf die Überwindung der Teilung gerichtetes, freudiges Gedenken am Reichstag nicht gleichzeitig dem Gedenken der Opfer dienen sollte. Davon hatte Frau Ströver mehrfach gesprochen. Damit stellt sich die Frage nach dem Umgang mit den doppelten Mauerkreuzen – übrigens auch ein Symbol offenkundigen Versagens vorangegangener Gedenkpolitik. Das ist auch der Grund für meine Unterstützung des CDU-Antrags im Bundestag, das Gedenken an die Mauertoten mit dem Mauermahnmal in der Bibliothek des Deutschen Bundestages zu verbinden – es für die Öffentlichkeit zu öffnen. Ich verweise schließlich auf meinen Vorschlag für eine künstlerische Gestaltung für das bereits für verschiedene Orte vorgesehene Freiheits- und Einheitsdenkmal nun am Deutschen Bundestag.
Überzeugend finde ich auch die Forderung, dass es einen touristisch zentralen Informations- und Verteilpunkt
für das dezentrale Mauergedenken am Brandenburger Tor geben soll. Wenn die Fußgängerunterführungen die historische Vielschichtigkeit des Brandenburger Tores als nationales Symbol thematisieren, dann könnten die Torhäuser – eines oder beide – möglicherweise diese Funktion übernehmen.
Schließlich noch ein Wort zum Checkpoint Charlie: In meinem Konzept ist das Museum „Haus am Checkpoint Charlie“ integraler Bestandteil des Gedenkkonzeptes. Konrad Jarausch akzentuierte diese Sicht im Ausschuss für Kulturelle Angelegenheiten, als er das Museum als ein authentisches Produkt des Kalten Krieges selbst charakterisierte – gewissermaßen als Musealisierung seiner selbst. Mit Interesse sehe ich, dass Bundestagsabgeordnete – nun auch die CDU-Fraktion – ein europäisches Museum des Kalten Krieges und seiner Überwindung am Checkpoint Charlie fordern. Das wäre die große Lösung, denn es setzte den öffentlichen Rückerwerb der Grundstücke und eine nationale oder sogar europäische Kraftanstrengung voraus. Unser Gedenkkonzept sollte diese Perspektive eröffnen oder zumindest offen halten. Ich wäre bereit, diesen Impuls aufzunehmen. Die Ausdehnung einer privat betriebenen Gedenkindustrie am Checkpoint Charlie lehne ich aber ab.
Deshalb plädiere ich für eine Übereinkunft mit den privaten Grundstückseigentümern zur Integration eines öffentlich getragenen Ortes der Dokumentation auf der östlichen, unbebauten Fläche des früheren Grenzübergangs und für eine Verabredung und Aushandlung einer Option für die bereits umrissene spätere, größere Lösung.
Unter diesem Gesichtspunkt stellt sich der Umgang mit den Mauerkreuzen am Checkpoint Charlie, den die CDU regelmäßig zur Kernfrage des Mauergedenkens in Berlin machen will, anders dar. Es ist nicht der erste Gegenstand öffentlichen Handels, sondern eine private Initiative auf privaten Flächen. Dazu haben wir unsere Meinung geäußert. Dazu gibt es juristische Auseinandersetzungen. Ich rate auf allen Seiten hier zu Gelassenheit.
Wir haben gute Chancen für ein konsensfähiges, umsetzungsfähiges Konzept für das Mauergedenken in Berlin. Dazu ist vor allen Dingen auch die Qualität unserer Berliner Diskussion wichtig. Wir wollen uns schließlich mit dem Bund einigen. Es kommt also darauf an, dass alle, insbesondere die die Bundesregierung tragenden Kräfte, dazu beitragen, dass wir mit dem Bund überein kommen, zu einer Übereinkunft finden und dieses nicht am PDS-Kultursenator festmachen, was zwar wohlfeil, aber nicht besonders hilfreich ist.
Ich plädiere dafür, dass wir unseren Diskussionsprozess weiter führen– es gibt ja den im Ausschuss für Kulturelle Angelegenheiten zugesagten Termin einer Vorlage an das Parlament bis 31. Oktober dieses Jahres –, dass wir gemeinsam die Ziele bestimmen, die Kräfte bündeln, die Ressourcen mobilisieren. Ich bedanke mich für die Diskussion, auch für die Ermutigung zu größerem Mut. Ich
plädiere auch dafür, keine kleinmütigen Lösungen in Aussicht zu nehmen und bin außerordentlich an der weiteren Debatte interessiert. Wir sind in der Gedenkkultur auch mit dieser durchaus notwendigen kontroversen Debatte einen großen Schritt vorangekommen. Es wäre für Berlin und für die Bedeutung der Hauptstadt wichtig, dass wir diese sachlich geführte Debatte erfolgreich und resultatorientiert zu Ende führen. – Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.
Danke schön, Herr Senator! – Wir treten jetzt in die zweite Rederunde ein. Dazu steht allen Fraktionen entsprechend der im Ältestenrat getroffenen Regelung die Restredezeit zu. Eine Fraktion hat ihre Redezeit bereits erschöpft. – Jetzt hat zunächst für die CDU-Fraktion der Abgeordnete Dr. Stölzl das Wort. – Bitte sehr!
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Man liest das Papier von Herrn Senator Flierl mit gemischten Gefühlen, wenn man selbst dort als handelnde Person historisch verarbeitet ist. Ich habe mich besonders in die Präambel vertieft. Man kann das so ausdrücken, dass die Berliner Mauer die „weltweite Blockkonfrontation“ symbolisiert und „strukturelle Schwächen“ zeigte. Man könnte es aber auch heftiger sagen: dass sie eine perverse Todeszone war, dass sie 28 Jahre die Privilegien der Diktatur der SED auf Kosten dessen gerettet hat, was seit den Morgenrötentagen der Freiheit eben „Life, Liberty and the pursuit of Happiness“ heißt.
Das sind aber Geschmackssachen. Ich sage das ganz bewusst. Auch das Papier von Herrn Flierl benennt die Dinge beim Namen.
Was mich aber doch verwundert, ist die Methode der Erarbeitung. Es sind hier vorrangig die Mitarbeiter der Senatsverwaltung und so weiter genannt. Das kann man so machen. Es ist aber eigentlich „State of the Art“ seit 20 oder 30 Jahren, dass man es anders macht. Die CDUFraktion hat am 20. November 2004 gefordert: Das Abgeordnetenhaus von Berlin setzt eine Kommission aus Historikern und Vertretern von Opferverbänden und Museumskostoden ein. Mit einem Wort: Die Wissenschaft soll beginnen. So hat es klugerweise die Bundesregierung bei allen großen Gedenkstätten und Geschichtsprojekten gehalten, beim Deutschen Historischen Museum, beim Alliiertenmuseum, bei der Neugestaltung von Sachsenhausen und von Buchenwald. Es war ein ungeschriebenes, aber selbstverständliches Gesetz der Regierung Kohl, dass dies überparteilich geschah. Bei unserer Gründung [des DHM!] 1987 hat die Festrede eben nicht ein CDUFunktionär, sondern das SPD-Urgestein Richard Löwenthal gehalten. Das finde ich gut. So muss es sein.
Ich stimme vollkommen zu, dass die Bernauer Straße als ein legendärer Ort erhalten werden muss. Ich bin absolut der Meinung, dass hier viel zu wenig geschehen ist. Man liest die Vorgeschichte des Versagens der großen Koalition. Das sage ich ganz offen, mit traurigen Gefühlen. Es fehlt darin aber der Aufschrei der PDS. Sie hat auch nicht protestiert gegen all dieses Wegdenken des Mauergedenkens. Dass damals – ich sage es, weil ich selbst dabei war – die Bundesregierung nur mit einer Art Machtwort, oder einem Verzweiflungsakt, den Kunstwettbewerb, nämlich überhaupt das Mauergedenken provisorisch gerettet hat, das sollten wir einmal anerkennen und dafür dankbar sein.