Ihre Alternative zu konkreten Maßnahmen ist das Formulieren von abstrakten Zielen. Das ist die VGG-Novelle, und damit können wir wenig anfangen.
Bestandsaufnahme: Massive Kritik vom Rechnungshof zum Beispiel an den Steuerungsdiensten. Neun von zwölf dieser bezirklichen Steuerungsdienste machen alles andere als zu steuern. Sie übernehmen die Aufgaben anderer Organisationseinheiten. Die Leistungs- und Verantwortungszentren sind losgelöst von den Steuerungsdiensten. Erfahrungsaustausch innerhalb der Steuerungsdienste, also über die Bezirksgrenzen hinweg, findet auch nicht statt, und die Steuerungsdienste werden mit Aufgaben anderer LuVs überlastet. Dadurch können sich die LuVLeiter ein schönes Leben machen. Hier gibt es keine Gegensteuerung.
Zielvereinbarungen: Herzlichen Willkommen! Diese Forderung ist jetzt auch im öffentlichen Dienst angekommen, allerdings fehlt die Präzisierung. Wie soll denn diese Zielvereinbarung konkret aussehen? Was passiert, wenn sie nicht eingehalten wird? Wie soll sie kontrolliert werden? – Ich sage: Das Formulieren von schönen Zielen, über die wir uns alle einigen können, erspart uns nicht die seriöse Unterfütterung. Deswegen halten wir weniger vom weiteren Aufbau einer Parallelbürokratie mit dem Übertitel „Verwaltungsreform“, sondern müssen konkreter werden.
Das ist die Bitte an die anderen Fraktionen: Konkrete Vorschläge zu entwickeln, sich bei einzelnen Maßnahmen nicht dauern zu sperren und zu überlegen, ob nicht konkrete Ausführungsvorschriften gemeinsam entwickelt werden könnten, flachere Hierarchien als Lösungsansatz zu diskutieren – keine große Koalition der Bürokraten, sondern Aufgabenkritik, Staatsaufgabenkritik. Wir müssen erst auf dieser Seite entlasten. Wir müssen die bestehenden Verfahren beschleunigen. Dann haben wir am Ende eine bessere Verwaltung, eine günstigere Verwaltung. Das ist das Ziel der FDP.
Danke schön! – Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor. Zum Vier-FraktionenAntrag wird die Überweisung federführend an den Ausschuss für Verwaltungsreform und mitberatend an den Innenausschuss sowie den Schulausschuss empfohlen. Zu den Änderungsanträgen der Grünen und der CDU ist die Überweisung ebenfalls federführend an den Verwaltungsreformausschuss und mitberatend diesmal nur an den Innenausschuss empfohlen. – Ich höre hierzu keinen Widerspruch. Dann verfahren wir so.
Berliner Schulgesetz: mehr Bildungsqualität, weniger ideologische Experimente (9) – Schulpflicht durchsetzen und das Recht auf Bildung sichern
Für die Beratung steht den Fraktionen jeweils eine Redezeit von bis zu fünf Minuten zur Verfügung. Es beginnt die antragstellende Fraktion. Das ist die CDU. – Bitte sehr, Frau Abgeordnete Schultze-Berndt!
Danke schön, Frau Präsidentin! – Meine Damen und Herren! Regelmäßig beklagen wir – über alle Fraktionen hinweg –, wenn es zu Unterrichtsausfällen in den Schulen kommt. Diese haben mehrere bedauerliche Gründe. Zum einen ist immer wieder festzustellen, dass wir Lehrermangel haben, dass auf Grund der Überalterung des Kollegiums die Lehrer schneller krank werden oder Krankheiten länger andauern. Das zweite Problem ist, dass geschwänzt wird. Eine große Zahl von Schülern bleibt dem Unterricht einfach fern, und es ist immer noch nicht ausreichend gelungen, diese wieder in die Schulen zurückzuholen. Ein dritter Grund ist, dass Eltern die Schulversäumnisse ihrer Kinder dulden oder gar erzwingen. Dieses Themas nimmt sich unser Antrag „Schulpflicht durchsetzen und das Recht auf Bildung sichern“ an.
Sie alle kennen die Klagen: Es ist festzustellen, dass in den Schulen, besonders in sozialen Brennpunktgebieten, Mädchen muslimischen Glaubens im Sexualkundeunterricht fehlen und nicht am Schwimmunterricht oder Sportunterricht teilnehmen. Teilweise scheitern Klassenfahrten, weil zu viele Mädchen nicht mitfahren dürfen, wollen oder können und deshalb die Klassenstärke nicht gegeben ist, so dass auf die Fahrt gänzlich verzichtet wird. Dies ist bedauerlich für die Klassengemeinschaft, weil Klassenfahrten eine wichtige soziale Erfahrung für die Kinder sind.
Bekannt darüber hinaus ist die Realität in Neukölln und in Kreuzberg. Wir haben dort eine Massierung von Moscheen. Dort gab es den inzwischen ausgewiesenen Hassprediger. Bürgermeister Buschkowsky hat festge
stellt: Multikulti ist gescheitert. Das Nebeneinander funktioniert nicht. Bei der Integration ist mehr nötig, als nur jeden nach seiner Fasson selig werden zu lassen. Man muss sich auch miteinander beschäftigen, um Parallelgesellschaften zu verhindern, wie sie jetzt zu beklagen sind.
Was ist die Wahrnehmung der Senatsbildungsverwaltung bei diesem Thema? – Sie hat kurzfristig erhoben, wie viele Kinder am Schulunterricht nicht teilnehmen, speziell aus gesundheitlichen und religiösen Gründen. In Neukölln sind es vier Kinder laut Aussage der Bildungsverwaltung. In Kreuzberg – Sie alle kennen Kreuzberg in seiner Struktur – fehlt kein einziges Kind aus religiösen Gründen im Schwimmunterricht, so sagt es die Bildungsverwaltung. Ist das Problem also schon beseitigt, bevor wir es beraten konnten? – Bildungsstadtrat Schimmang aus Neukölln sagte dazu vorgestern in der BVV, was die Bezirke in dieser Umfrage gemeldet hätten, stimme nicht. Stellt sich also die Frage: Ist die Senatsbildungsverwaltung so weit weg von der Basis, dass sie unkritisch Zahlen übernimmt? Hat sie keinen Kontakt mehr zu den Schulen, um dort zu hören, was vor Ort passiert? Oder hat sie bei ihrer Erhebung die Frage bewusst oder unbewusst so falsch gestellt, dass es zu so erstaunlichen Zahlen kommen konnte? Gibt es bei Ihnen keine Plausibilitätsprüfung, wenn Sie eine solche Umfrage durchführen?
Bei Ihnen war das Erschrecken groß, nachdem Sie feststellen mussten, dass es immerhin 68 Befreiungen vom Schwimmunterricht gab, davon 61 aus gesundheitlichen Gründen. Wenn man weiß, dass Schwimmen eine der gesündesten Sportarten ist, so muss man doch staunen. Staunen muss man auch, wenn man den Sportunterricht beobachtet, wo viele Kinder häufig am Rand sitzen oder helfen, weil sie ihr Turnzeug vergessen haben, weil sie Migräne haben oder aus anderen Gründen nicht teilnehmen können oder wollen.
Wir wollen, dass die Wahrnehmung geschärft wird und wir nicht weiter eine Senatsverwaltung haben, die im Wolkenkuckucksheim sitzt. Unser Antrag hat das Ziel, für alle Schüler Unterricht sicherzustellen. Dabei wollen wir die Kinder, die keine Lust haben, die schwänzen, wieder erreichen. Diese sollen in die Schule kommen. Es gibt dazu hervorragende Projekte beispielsweise der Bürgerstiftung. Aber wir wollen auch prüfen, ob es religiöse Vorbehalte sind, die dazu führen, dass Eltern ihre Kinder vom Unterricht fernhalten, und wollen dann erreichen, dass diese am Unterricht teilnehmen können. Nur ein gesundheitlicher Grund, der vom Amtsarzt nachgewiesen werden kann, kann Grund sein, den Unterricht zu versäumen.
Die CDU will die Schulpflicht durchsetzen. Wir wollen damit den Schülern, die dem Unterricht fernbleiben, zeigen, auch wenn es oft die schwierigen Schüler sind und mancher Lehrer vielleicht nicht so traurig ist, dass ein Schüler nicht da ist, aber wir wollen zeigen: Uns interessiert, wo ihr bleibt. Kommt in die Schule!
Wir wollen, dass sie alles Wissen bekommen können, das in der kurzen Schulzeit zu vermitteln möglich ist. – Wir wollen das Recht auf Bildung umsetzen, d. h. kein Unterrichtsausfall. Wir wollen eine entsprechende Ausstattung der Schulen mit ausreichend vielen Lehrern. Wir wollen junge und qualifizierte Lehrer, keine Ein-Euro-Jobber und nicht nur die älteren Lehrer, die auf Grund ihrer Arbeitszeit einfach nicht mehr so viel Energie mitbringen, wie es junge können. Wir wollen Unterricht für alle und Fehlen nur dann, wenn gesundheitlich ein Attest vorgelegt werden kann.
Wir wollen eine Werteorientierung, die fundiert und auf gleicher Augenhöhe echtes Verständnis und Toleranz ermöglicht, auch im Rollenverhältnis zwischen Mann und Frau.
Wir wollen und werden nicht akzeptieren, wenn Kinder aus anderen als gesundheitlichen Gründen vom Unterricht ferngehalten werden.
Mein letzter Satz: Wir wollen das Recht aller Kinder auf umfassende Bildung umsetzen. – Vielen Dank!
Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Es ist schon ziemlich mutig, Frau Schultze-Berndt, diesen Antrag, der aus guten Gründen im Ausschuss von keiner anderen Fraktion unterstützt wurde, hier noch einmal zu debattieren.
Wir bestreiten doch alle nicht, dass es Schülerinnen und Schüler gibt – es geht vor allem um die Schülerinnen, wie Sie dargelegt haben –, die gezielt an Unterrichtseinheiten nicht teilnehmen: Sport, Schwimmen, Sexualkunde.
Ich will mich auf das beschränken und nicht den Rundumschlag mitmachen, den Sie vollführt haben. Das ist ein Problem, und das sehen wir auch.
Es gibt keine Grundlage für die Befreiung von der Schulpflicht, weder aus – wie Sie es formulieren – individuellen Interessen und Wünschen noch aus religiösen Gründen. Es gibt deswegen bei dieser Statistik, die Sie angeführt haben, auch keine nennenswerten Zahlen. Herr Schimmang aus Neukölln sucht die vier Schüler, die aus religiösen Gründen angeblich vom Unterricht befreit sind. Er konnte sie bisher nicht finden, weil es gesetzlich gar nicht möglich ist.
Die Teilnahme am Sport- und Schwimmunterricht ist genau wie die Teilnahme an Deutsch und Mathematik durch die allgemeine Schulpflicht geregelt, anders übrigens bei Klassenfahrten. Das wissen Sie auch. Klassenfahrten sind freiwillig und können nicht verpflichtend abgehalten werden.
Jetzt frage ich Sie, was dieser Antrag überhaupt soll. Sie fordern den Senator auf, für die Einhaltung der Schulpflicht zu sorgen, und tun so, als gebe es dafür keine rechtliche Grundlage.
Das Schulgesetz regelt in den Paragraphen 41 und 126, dass es die Aufgabe des Schulträgers ist, für die Einhaltung der Schulpflicht zu sorgen. Das ist fast immer der jeweilige Bezirk. Auch das Instrumentarium, um gegen Verletzungen der Schulpflicht vorzugehen, gibt das Schulgesetz klar vor: zunächst pädagogische Maßnahmen – wir reden mit den Leuten; wir versuchen, sie zu überzeugen –, aber dann kann auch ein Bußgeld verhängt werden. Als letztes Mittel kann auch die Zuführung durch unmittelbaren Zwang, wie es so schön heißt, angewandt werden.