Lassen Sie mich noch etwas sagen: Das ist allerdings eine Forderung, die nicht nur an die Politik geht, sondern auch an die jeweilige Branche. Ich nenne einmal ein positives Beispiel: Die Gebäudereinigerinnung hat geahnt, dass dieses Problem auch für sie gewaltig wird. Daraufhin haben die Unternehmen selbst finanziert – ohne Staat –
eine eigene Regulierungsbehörde geschaffen und kontrollieren, ob in den Unternehmen der Gebäudereinigung Tariflöhne bezahlt, ordentlich Steuern bezahlt werden etc.
Dann stellen sie ein kleines Zertifikat aus. Und jetzt müssen wir als öffentliche Hand diese von der Innung selbst geschaffene Regulierungsbehörde anrufen, bevor wir einen Auftrag vergeben, damit klar ist, es handelt sich um ein Unternehmen, in dem Tariflöhne bezahlt werden etc.
Jetzt kommen die ersten Gebäudereiniger und sagen, sie wollen diese Überbürokratie loswerden. Im Kern wollen sie die Kontrolle loswerden, um Schwarzarbeit zu ermöglichen. Da kann ich nur der Gebäudereinigerinnung raten, bei ihrer Struktur zu bleiben. Und ich erwarte auch von der Bauwirtschaft, dass sie selber einmal Initiativen unternimmt, nicht nur die Politik, die auch, aber dass wir gemeinsam Initiativen unternehmen, um Schwarzarbeit in der Bauwirtschaft wenigstens schrittweise zurückzudrängen. – So und jetzt Ihre Frage.
Herr Senator! Ich war ja schon für die politische Einigung in der Europäischen Union, als Sie noch gar nicht dafür eintreten konnten oder es nicht wollten.
Ich habe die Europäischen Union als politische Einigung, auch als wirtschaftliches Zusammenrücken verstanden. Verstehe ich Sie richtig, dass Sie in der Europäischen Union gleiche Steuern, Abgaben, Löhne unionsweit durchsetzen wollen? – Dann sind Sie, nach meiner Auffassung, in Marktwirtschaft und Wettbewerb noch lange nicht angekommen.
Abgesehen davon, dass Sie immer erst die Bewertung vornehmen sollen, nachdem Sie meine Antwort gehört haben – –
Nein, das verstehe ich nicht darunter, deshalb habe ich von Harmonisierung gesprochen. Harmonisierung ist etwas völlig anderes. Harmonisierung setzt voraus, dass sich die Unterschiede in einem Maß bewegen, wie es sich für eine einheitliche Union als verträglich darstellt. Diese Unterschiede sind inzwischen zu groß geworden in Europa. Das ist unser Problem. Sie haben z. B., wenn ich ein ganz anderes Beispiel nennen kann, das ist keine Union, in den Vereinigten Staaten von Amerika in verschiedenen Bundesstaaten unterschiedliche Steuern, unterschiedliche Abgaben. Das geht selbst in einem Staat. Aber sie müssen bestimmte Grenzen wahren. Wenn die Unterschiede zu groß werden, dann ist das nicht mehr regulierbar, weil man das mit anderen Vorteilen in einer Region nicht mehr ausgleichen kann. Das ist heute ein Problem der Europäischen Union. Wir sollten uns da bemühen.
Übrigens Bundesfinanzminister Waigel, der Ihnen vielleicht etwas näher steht als mir, hat kurz vor seinem Ausscheiden aus seinem Amt gesagt: Wir brauchen jetzt eine Steuerharmonisierung, nicht Angleichung, aber Harmonisierung in Europa, weil die Unterschiede zu groß sind und das letztlich dazu führt, dass alle Staaten in Europa, ihre Länder und Kommunen verarmen. Insofern wird das ein Thema sein, das uns noch beschäftigt. Ich spreche nicht von Gleichstellung, das ist völlig falsch, aber eine Harmonisierung in gewisser Hinsicht, dass das eine mit dem anderen in der Europäischen Union etwas zu tun hat, brauchen wir schon. – Und die Aufgabe werden wir auch bekommen, wenn Osteuropa Mitglied der Europäischen Union wird, mit Residenzmöglichkeiten und was alles damit verbunden ist, das wissen Sie, dass das Herausforderungen sind.
Da hat auch schon der vorherige Senat eine Menge getan. Das wissen Sie, es gibt ein Berliner Konzept, das nicht nur auf Repression setzt, sondern auch auf Prävention, auch auf Öffentlichkeitsarbeit. Das Herzstück des Berliner Verfolgungskonzepts bildet die 1998 schon gegründete Gemeinsame Ermittlungsgruppe Schwarzarbeit, die die Ermittlungskompetenzen des Landeskriminalamts Berlin, des Landesarbeitsamts Berlin-Brandenburg, des Hauptzollamts für Prüfungen in Berlin und einzelfallbezogen auch der Steuerfahndungsstelle beim Berliner Finanzamt zu einem einheitlichen Verfolgungsinstrument zusammenfasst. Diese GES ist auch durchaus erfolgreich. Es gibt auch noch andere Bereiche, die diesbezüglich aktiv werden.
104 000 Ermittlungsverfahren hat es bereits gegeben, davon rund 68 000 Straf- und 36 000 Ordnungswidrigkeitsverfahren. Es gab auch zunehmend Bußgelder, es gab auch Geldstrafen, es gab auch Freiheitsstrafen in diesem Bereich. Das heißt, auch die Justiz nimmt diesen Bereich immer ernster. Nur ändert es nichts an der Größe der Dunkelziffer.
Das Problem besteht einfach darin, das haben Sie ja richtig beschrieben, wenn eine bestimmte Kriminalität einen bestimmten Quantitätssprung macht, ist sie von der Gesellschaft nicht mehr beherrschbar. Wenn es in einer Spanne von 3, 4, 5, 6 Prozent der Fälle stattfindet, dann ist es verfolgbar und beherrschbar. Wenn es etwa die 20-Prozentgrenze erreicht, dann läuft es aus allen Ufern, dann ist es auch mit staatlichen Behörden, da können sie das Personal noch so aufstocken, letztlich nicht mehr regulierbar. Wir sind inzwischen in der Lage, in jeder Stunde einen Betrieb, eine Baustelle, auch am Wochenende in Berlin zu kontrollieren. Das geschieht auch. Und wir wollen auch die Instrumente diesbezüglich noch verbessern.
Ja, sofort, Herr Präsident! – Letztlich waren wir auch in der Lage, deutlich mehr Steuern und Sozialversicherungsbeiträge rückwirkend einzufordern. Das sind inzwischen riesige Beträge. Ich sage einmal, was die 163 Verfahren im Jahr 2001 gebracht haben: 5,2 Millionen § an Sozialversicherungsbeiträgen wurden nachgefordert, dazu kamen noch 1,5 Millionen § Säumniszuschläge. Es gibt auch Fälle von Unternehmen auf der Schwarzen Liste, die öffentliche Aufträge nicht mehr bekommen, weil sie Schwarzarbeit organisiert hatten etc.
Natürlich fällt bei den Kontrollen auch auf, dass darunter gelegentlich Personen sind, jetzt nehme ich einmal nicht die Unternehmen, die sie beschäftigen, was schon ein schwerer Vorwurf ist, sondern dass wir auch Menschen antreffen, die so arbeiten und die zugleich noch Arbeitslosengeld bekommen oder eben Sozialhilfe begehren und auch kassieren. Das ist nicht in Ordnung. Das ist unsauber, und deshalb stelle ich mich ganz und gar dagegen und sage: Von Parteispende bis zur Schwarzarbeit – wir müssen endlich wieder lernen, Gesetze ernst zu nehmen, sie nicht mir irgendwelchen Umständen, auch nicht mit der Höhe von Steuern und Abgaben zu rechtfertigen und damit zu bagatellisieren, sonst werden wir der ganzen Sache nicht Herr. – Und jetzt bitte die nächste Frage!
Ich glaube, dass wir diese Instrumente ausbauen müssen. Ich füge hinzu, ich kann Ihnen auch noch die Zahl der Strafanzeigen nennen, es waren immerhin über 4 000 im letzten Jahr, das ist schon eine ganze Menge. Das ändert, wie gesagt, alles an der Dunkelziffer nichts.
Sie haben ein Spezialproblem angesprochen, das sind die ungesetzlich in Berlin lebenden Nichtdeutschen. Bei ihnen ist ja noch eine kleine Entschuldigung zu finden, weil sie nämlich gar nicht arbeiten dürfen, bleibt ihnen nur der Weg, entweder machen sie es illegal oder gar nicht, im Unterschied zu anderen, die immer noch die Wahl haben. Nur die Unternehmen, die sie beschäftigen, beschäftigen sie oft unter katastrophalen Bedingungen, beuten sie schamlos aus. Menschenverachtend ist das, was dort teilweise geschieht. Deshalb müssen wir auch dieses genauso energisch bekämpfen. Wer die Notlage eines Menschen ausnutzt, um ihn mit einem Hungerlohn abzuspeisen, muss unser erklärter Gegner sein, und zwar der Gegner des gesamten Parlaments.
Ich habe schon darauf hingewiesen, dass wir mit der Tariftreueerklärung einen Weg gegangen sind, um auch in der Baubranche mehr Ordnung zu schaffen, denn natürlich ist die Baubranche auch auf öffentliche Aufträge angewiesen. Nun wissen
Sie alle, wie das läuft. Ich schildere Ihnen einmal ein Gespräch. Neulich war ein nicht ganz unvermögender Mensch bei mir, der ein Bauvorhaben in Berlin vorhat, ein Bauvorhaben, das auf unterschiedliche Begeisterung stößt, insbesondere bei Leuten, die architektonisch interessiert sind. Er bat mich um Unterstützung. Das ist ja auch ganz egal, für irgendeinen Außenbezirk, es ist nicht wichtig, worum es in der Sache ging. Wichtig ist etwas anderes. Ich habe dann zu ihm gesagt, ich bin ja bereit, Sie ganz und gar zu unterstützen, auch wenn ich weiß, dass ich mich dann mit vielen Leuten anlegen muss, aber ich habe nur eine Frage: Können Sie mir garantieren, dass Sie überwiegend Bauarbeiterinnen und Bauarbeiter aus der Region, und zwar zu Tariflöhnen beschäftigen werden? – Da sagte er: Wissen Sie, ich vergebe einen Auftrag an ein Unternehmen, und das ist dann für den Rest zuständig. – Darauf antwortete ich: Das kenne ich, die Tour mit den Subunternehmen kenne ich, und dann weiß ich auch, wie viel Schwarzarbeiter dabei sind. Ich frage Sie noch einmal: Sind Sie bereit, mir das zu garantieren? – Zunächst wollte er nicht, erst nach langem Zögern gab er nach, wandte aber ein, dass dann der Bau viel teurer würde. Darauf erwiderte ich, dass das sein könne, er aber nicht im Ernst eine Unterstützung von mir erwarten könne, wenn ich diese Garantie nicht erhielte. – So erwarte ich, dass wir an die Dinge herangehen. Es gibt nämlich auch Leute, die etwas von uns wollen. In diesen Fällen muss man deutlich werden und sagen: Ja, zu gesetzlichen und tariflichen Dingen geht das alles in Ordnung, da darf man dann auch nicht selbstgeschmäcklerisch sein. Denn wir haben ein Riesenproblem in der Baubranche. Öffentliche Investitionen gehen zurück, private Investitionen nehmen auch nicht zu. Das ist in ganz Deutschland so. Wir haben viele arbeitslose Bauarbeiterinnen und Bauarbeiter. Das, was es noch an Arbeitsplätzen gibt, wird dann oft durch Schwarzarbeit kaputt gemacht. Das ist nicht hinnehmbar, dagegen müssen wir wirksam vorgehen – und zwar vorbildlich zunächst als öffentliche Hand.
Das gilt sowohl für die Bundesebene als auch für die Landesebene und für alle Kommunen in ganz Deutschland.
Ich habe nicht alles geschafft, was ich Ihnen sagen wollte, aber auf Grund der Zwischenfragen konnte ich mich dann zu anderen Dingen äußern.
Wir werden der Bekämpfung von Schwarzarbeit große Aufmerksamkeit widmen. Wir lernen hier auch ein bisschen von Dänemark. Dort gibt es in der Baubranche selbst Regularien, wie auch durch die Bauunternehmen selbst wirksam Schwarzarbeit bekämpft wird. Ich lade die Baubranche ein, wenn wir Zeit haben, gemeinsam nach Dänemark zu fahren, um diese Erfahrungen zu studieren und so viel es geht davon auch in Berlin umzusetzen. An uns wird es nicht scheitern. Wir werden keinen Regulierungsstaat aufmachen, kein Überwachungsstaat werden, aber wir werden die notwendigen gesetzlichen Schritte gehen und auch die vorhandenen Instrumentarien nutzen, um Schwarzarbeit noch wirksamer zu bekämpfen, unabhängig davon, wen sie betreffen, denn es ist zweifellos ein Übel unserer Gesellschaft. Unabhängig davon werden wir über Reformen in der Abgabenund in der Steuerpolitik diskutieren müssen, ich habe Ihnen dazu Beispiele genannt. Aber ich wiederhole es noch einmal: So lange unsere Steuergesetze gelten und so lange unsere Abgabengesetze gelten, hat niemand in dieser Gesellschaft das Recht, für sich in Anspruch zu nehmen, mit welcher Begründung auch immer, sie zu umgehen. Das kommt nicht in Frage, das werden wir nicht dulden. Das werden wir auch nicht als Rechtfertigung akzeptieren, und deshalb hoffe ich, dass wir gemeinsam gegen Schwarzarbeit kämpfen und Sie aufhören, sie zu bagatellisieren.
Nein. – Dann haben wir auch eine Chance, denn Schwarzarbeit im Baugewerbe, im Gaststättenwesen ist es noch komplizierter, bekämpfen wir nur wirksam mit der Bauwirtschaft
zusammen. Sie muss ihren Teil der Aufgabe leisten, wir werden unseren Teil der Aufgabe leisten. Dann können wir schrittweise diesem Übel begegnen. Dass es dringend erforderlich ist, darin sind wir uns einig.
Vielen Dank Herr Dr. Gysi! – Wir haben so viele Zwischenfragen gehabt, dass wir sie nicht abarbeiten konnten.
Bevor wir in die Besprechung eintreten, hat Herr Dr. Frank Steffel das Wort zu einer Kurzintervention erbeten und erhält es. – Bitte schön!
Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Herr Dr. Gysi! Bei allem Verständnis für lustige, eloquente Vorträge, der inhaltliche Teil Ihrer Antwort war außerordentlich dürftig. Selbst die eloquenteste Vortragsform konnte die konzeptionellen Defizite und Unterschiede nur ungenügend verdecken. Lassen Sie mich zwei Anmerkungen machen, weil Sie bewusst die Rede des Kollegen Rzepka falsch dargestellt haben.