Protokoll der Sitzung vom 21.03.2002

[Zuruf des Abg. Kittelmann (CDU)]

Wir haben versprochen, um den Erhalt der kulturellen Grundsubstanz dieser Stadt zu kämpfen. Das halten wir auch ein. Allerdings bedeutet das – das hat Frau Kollegin Lange vorhin auch schon gesagt –: Weiter so wie bisher geht nicht! Wer Theater subventioniert, wer trotz leerer Kassen immer noch Millionenbeträge für die Kultur zur Verfügung stellt, hat auch die Pflicht, auf die sachgemäße Verwendung der Mittel zu achten. Für eine Spielplanpolitik am Publikum vorbei, für Missmanagement, sind nicht die Ensembles haftbar zu machen; man muss sich auch von Fehlbesetzungen in den Chefetagen trennen können. Das Problem – dies mögen bitte die Sänger der Privatisierungspartituren gründlich bedenken – besteht allerdings darin, dass eben dieses bei der von vielen favorisierten GmbHLösung in der Regel mit einem unwiderruflichen Crash des Hauses verbunden ist; wir erleben das zur Zeit. Der Steuerzahler hat aber das Recht, für sein Geld auch Qualität verlangen zu dürfen,

[Ritzmann (FDP): So ist es!]

und nicht jedes lieb gewordene Feuchtraumbiotop kann in diesen Zeiten unter Bestandsschutz gestellt werden. Das dürfte einsehbar sein. Und wenn ausgerechnet die für die katastrophale Situation dieser Stadt haftbar zu machen wären – sie sind es leider nicht –, dieses jetzt einfordern, so ist damit ein hoher Grad von Heuchelei verbunden.

[Beifall bei der PDS – Frau Ströver (Grüne): Ist das Ihre Privatmeinung?]

Mit der Perspektive der Betreibergesellschaften von Hansaund Schloßpark-Theater hat sich dieses Haus lange und gründlich auseinandergesetzt. So bedauerlich es auch ist, Herr Kollege Jungnickel: Das Projekt Hansa-Theater kann nur als gescheitert betrachtet werden. Ich habe in diesem Hause Insze

nierungen gesehen, die mir durchaus Freude bereitet haben, aber dem jüngst von Herrn Maniscalco im Kulturausschuss formulierten Anspruch eines Kieztheaters ist dieses Haus nicht gerecht geworden. Leider!

[Kittelmann (CDU): Aus Ihrer Sicht!]

Sie habe ich nie im Hansa-Theater gesehen, Herr Kittelmann, allenfalls zu vorgerückter Stunde zu den Premierenfeiern!

[Beifall bei der PDS – Vereinzelter Beifall bei der SPD]

Um das Schloßpark-Theater – diese Sicht sei mir auch gestattet – tut es mir ausgesprochen Leid. Die Subjektivität des Gutachtens ist mir persönlich ein Stück zu subjektiv.

[Zuruf des Abg. Benneter (SPD)]

Aber man muss auch sagen: Die bislang von einigen Politikern auch dieses Hauses mit Vehemenz vorgetragenen Nutzungsüberlegungen scheinen mir allesamt – Frau Ströver, das muss auch an Ihre Adresse gesagt werden – mehr von gutem Willen denn von Realitätskenntnis getragen zu sein.

[Beifall bei der PDS – Zuruf der Frau Abg. Ströver (Grüne)]

Auch die beiden heute zu beschließenden Anträge der Oppositionsfraktionen sind dies. Ich unterstelle den guten Willen, er ist auch aus Ihrem Text zu erlesen, aber sie sind sachlich nicht zustimmungsfähig. Daher wird sich meine Fraktion an die Beschlussempfehlungen des Ausschusses für Kulturelle Angelegenheiten halten.

In einem haben Sie Recht, sehr verehrte Damen und Herren von der Opposition: Mit den Beschlüssen des Senats zum Doppelhaushalt sind noch keine strukturellen Entscheidungen hinsichtlich der Perspektiven der Berliner Kulturlandschaft getroffen worden. Einerseits ist jetzt das Parlament gefragt; andererseits wäre auch nicht zu erwarten gewesen, dass Herr Senator Flierl in knapp neun Wochen das entwirft, wozu vier Kultursenatoren und eine -senatorin in insgesamt sieben Jahren nicht in der Lage waren. Dafür ist jetzt Zeit gewonnen, aber auch diese Zeit ist sehr knapp.

Wir haben allerdings skizziert, in welche Richtung solche Veränderungen gehen sollten.

1. Eine klare Aufgabendefinition, die dann mit der Übernahme von Verantwortlichkeiten und Zuständigkeiten zwischen Berlin und dem Bund einhergehen muss.

[Kittelmann (CDU): Unwahrscheinlich!]

Der Bund soll nicht Berliner Kürzungen ausgleichen, wie immer wieder behauptet wird. – Das war die Praxis von Vorgängersenaten. Da kreißte häufig der Berg und gebar eine Maus. – Wenn augenblicklich Gespräche über das künftige Engagement des Bundes hinsichtlich bestimmter Stiftungen von gesamt- und übernationaler Bedeutung geführt werden, so sollten diese nicht durch kleinliche Posemuckel-Kraftmeierei – „Aber beachtet bitte die Interessen Berlins!“ – torpediert werden. Daran ist seinerzeit die Übernahme der Philharmoniker gescheitert. Wir haben alle ein überdeutliches Interesse daran, dass die Sanierung von Museumsinsel und Staatsbibliothek rasche Fortschritte macht. Wir müssen allesamt ein überdeutliches Interesse daran haben, dass die Gedenkstättenlandschaft baulicherseits gesichert wird und inhaltlich ein international wahrnehmbareres Profil gewinnt. Zerreden wir das nicht!

2. Besondere Sensibilität – hier sollten manch Politiker und manche Politikerin sich endlich einem Schweigegelübde unterwerfen –

[Kittelmann (CDU): Sie sind ja ein Beispiel dafür!]

Sie lernen bitte erst mal zuhören! – ist hinsichtlich der Theaterlandschaft angezeigt. Ich schließe hier die Opernhäuser nachdrücklich mit ein.

3. Ein besonderer Schwerpunkt für uns ist die Förderung der Kultur für Kinder und Jugendliche. Es geht nicht nur um die Gewinnung von Zuschauernachwuchs für die so genannten

Erwachsenenbühnen. Anspruchsvolles Theater für Kinder und Jugendliche ist ein Bildungsfaktor, Bildung hier in weitestem Umfange, nämlich auch Bildung des Herzens, ein Bildungsfaktor ersten Ranges. Beim bildungspolitischen Wundenlecken in dieser Stadt nach PISA sollten wir nicht nur auf Defizite und Leistungen der Schulen schauen. An der Kultur für Kinder und Jugendliche in Berlin wurde bislang am konsequentesten „gespart“. Mehr als kurzsichtig sind die aktuellen Eingriffe in die Musikschulen und das Bibliotheksangebot für Kinder. Das wurde heute schon gesagt.

Wir wollen das Grips-Theater genauso stabilisieren wie das Carrousel. Weshalb Theater für kleine Leute nur kleines Geld kosten darf, ist mir schleierhaft. Ausgerechnet mit dem Carrousel wird seit Jahren versucht, eine große Repertoirebühne mit festem Ensemble auf das Niveau eines Kunst-Pennymarktes herunterzufahren. Es ist an der Zeit, den freien Kinder- und Jugendtheatergruppen eine stabilere Arbeitsbasis zu geben. Das gilt auch für die anderen Gruppen und Ensembles der Offszene.

[Beifall bei der PDS]

Für mich ist beispielsweise ein Zentrum für freie Kinder- und Jugendtheater am Halleschen Ufer durchaus im Rahmen des Vorstellbaren. Die jüngsten Meldungen über bevorstehende Schließungen der Schaubude sind blanker Unsinn. Dieses Kleinod bedarf der wärmsten Zuwendung, und sie wird diese seitens der Koalition auch bekommen.

Der Rahmen dieser Debatte reicht nicht, um das ganze Feld abzusprechen. Wir befinden uns erst am Beginn dieser Legislaturperiode. Die Koalition wird nicht – um auf den Ausgangspunkt zurückzukommen – die Kultur, wie in den letzten 10 Jahren geschehen, in Permanenz als Sparschwein behandeln und gleichzeitig vollmundig eine Einrichtung nach der anderen neu übernehmen. Wir haben viel gewonnen, wenn es uns gelingt, die kulturelle Grundsubstanz der Stadt zu erhalten und all den am kulturellen Prozess Beteiligten das Gefühl zu vermitteln, dass sie in dieser Stadt eine Zukunft haben.

Würden Sie zum Schluss kommen, Herr Kollege!

Es ist der letzte Satz, Herr Präsident! – Parteiengezänk, Hoch- und Off- oder gar billigste Ost-West-Debatten sind da äußerst schädlich. Alle politisch Verantwortung tragenden Kräfte in dieser Stadt sind gefragt. Wir wollen unseren Beitrag dazu leisten und laden Sie eindringlich zu einer konstruktiven Mitarbeit ein. – Vielen Dank für Ihr Gehör!

[Beifall bei der PDS und der SPD]

Schönen Dank, Herr Kollege! – Zu einer Kurzintervention hat nunmehr der Herr Kollege Jungnickel das Wort. – Bitte schön, Herr Jungnickel!

[Och! von der PDS und den Grünen – Wieland (Grüne): Auch das noch! – Weitere Zurufe von der PDS und den Grünen]

Echte Bereicherung hier!

Stöhnen Sie nur, stöhnen Sie nur, ich mache es kurz!

1. Herr Brauer, die Begründung fehlt, weshalb Sie unseren Antrag ablehnen. Herr Augstin hat Ihnen das ja deutlich erklärt.

2. „Es bleibt beim Alten“ – es taucht in Ihren Koalitionsfraktionen immer wieder die gleiche Formel auf, anscheinend haben Sie sich abgesprochen:

[Gelächter bei der PDS]

Wir wären der Meinung, es sollte immer beim Alten bleiben. Sie wissen ganz genau, dass das nicht der Fall ist.

3. Sie erwarten Konzepte von der Opposition. Herr Flierl hat das vorhin gerade gesagt. Wir haben unsere Konzepte, ich habe das ja schon gesagt: Wir wechseln den Senat, und dann bekom

men Sie von uns die wunderbaren Konzepte genannt. Aber ich will Ihnen eines sagen: Die Gleichsetzung zwischen Regierung und Opposition wird im Parlament und in den Ausschüssen nicht stattfinden. Das sage ich Ihnen gleich. Sie haben die Konzepte zu bringen, und wir werden Ihnen dazu etwas sagen.

[Klemm (PDS): Deshalb sind Sie ja auch nie gewählt worden!]

4. Kultureinrichtungen – als würde irgendwo, an irgendeiner Stelle von uns gesagt, sämtliche Kultureinrichtungen sollen erhalten bleiben. Aber diejenigen, die erhalten bleiben sollen, müssen der Sanierung zugeführt werden. Sie wissen doch, wie es hinter den Bühnen aussieht. Ich darf doch annehmen, dass Sie sich da auch sachkundig gemacht haben.

5. „Es wird nichts geschlossen“ – nein, aber es wird ausgehungert! – Jetzt bin ich fertig.

[Beifall bei der FDP]

Herr Brauer möchte vermutlich nicht entgegnen. – Muss nicht sein, Herr Brauer! – Herr Lindner, bitte, z u r G e s c h ä f t s o r d n u n g !