Natürlich wurde auch der Anlass der heutigen Aktuellen Stunde, die Internationale Tourismusbörse, gewürdigt, die als eine der drei Berliner internationalen Leitmessen für den Messestandort Berlin von tatsächlich überragender Bedeutung ist. Und das Thema Ladenöffnungszeiten wurde auch schon angetippt. Alles in allem viel Einigkeit, ein paar ritualisierte Konflikte – wie ich finde, die Demonstration von politischem Stillstand. Man könnte auch sagen: Gut, dass wir darüber geredet haben, außerdem mussten wir so nicht über andere und unangenehmere Dinge reden, wie zum Beispiel über den Flughafen und über Privatschulen.
Ich finde, das ist viel zu wenig, und ich möchte Sie darauf hinweisen, dass die einzige parlamentarische Initiative in Sachen Tourismus in der letzten Legislaturperiode von den Grünen gekommen ist. Es ist nämlich meinem Fraktionskollegen Cramer zu verdanken, dass nach mehr als 11 Jahren nach dem Fall der Mauer endlich der Verlauf der Mauer durch einen beschilderten Radwanderweg erfahrbar gemacht wird – es ist zumindest inzwischen beschlossen.
Und dass etwas, was so auf der Hand liegt und mit wenig Aufwand umzusetzen ist, von der Stadt über Jahre nicht aufgegriffen wird, ist wohl tatsächlich typisch Berlin. Ich sage Ihnen: Zu den Radtouren, die wir im letzten Jahr zum Abradeln der Mauer ver
anstaltet haben, hat es echte Völkerwanderungen in Berlin gegeben, so begeistert waren die Leute. Und es war wirklich wenig Aufwand und viel Effekt.
Vielleicht kann man ja sagen: Tourismus ist keine Parlamentsaufgabe, denn – es wurde schon darauf hingewiesen –: Es gibt die Berlin Tourismus Marketing GmbH, und es gibt „Partner für Berlin“. Aber zumindest bei „Partner für Berlin“ – da habe ich heute auch noch kein Wort dazu gehört – ist ja vielleicht nicht unbedingt ganz hundertprozentig sicher, dass es zukünftig in der Form weiter bestehen wird. Dazu hätte ich gern einmal eine Aussage von unserem Wirtschaftssenator, wenn er gleich noch spricht. Und bei der Berlin Tourismus Marketing habe ich zumindest der Zeitung entnommen, dass es insgesamt in dem Bereich auch Kürzungen geben wird. Ich kann mich auch erinnern, dass in den Koalitionsvereinbarungen festgeschrieben ist, dass über eine stärkere private Beteiligung geredet werden soll. Mein Kenntnisstand ist der, dass das momentan jedenfalls nicht der Fall ist, sondern dass es eher darum geht, mal wieder eine verdeckte Verschiebung zu machen, nämlich dass quasi private Beteiligungen dadurch zu Stande kommen, dass die Investitionsbank Berlin sich stärker beteiligt und das Land Berlin seinen Anteil zurückfährt. Das ist keine echte größere private Beteiligung, sondern es ist der übliche Verschiebebahnhof. Also hier hätte ich auch gern einmal eine ehrliche Antwort, was denn da jetzt verhandelt worden ist und was das Ergebnis der Verhandlungen ist.
Es gibt eine ganze Reihe kleinerer Dinge, die ärgerlich sind – Herr von Lüdeke hatte ja auch seine Spezialthemen. Ich habe da auch einiges: Die Touristen, die nach Berlin kommen, benutzen – auch wenn sie mit dem Auto anreisen – zu um die 80 % den öffentlichen Nahverkehr, wenn sie in Berlin sind. Auf die Sprachschwierigkeiten hat Herr von Lüdeke schon hingewiesen. Aber es gibt noch weitere Schwierigkeiten. Kaum jemand, der in diese Stadt kommt und sie nicht kennt, wird nachts mit einem Nachtbus in dieser Stadt umherirren wollen. Deshalb brauchen wir auch – auch aus tourismuspolitischen Gründen – endlich den durchgehenden Verkehr von U- und S-Bahnen und gleiche Busrouten Tag und Nacht.
Und es gibt auch andere ärgerliche Punkte: Wenn ich zum Beispiel höre, dass Herr Böger zwar einen zusätzlichen Berufsschultag eingeführt hat, die Lehrer dafür aber nicht sicherstellen kann und an aktuelle Entwicklungen angepasste Lehrpläne auch nicht existieren – – Ein Beispiel: Da müssen die Auszubildenden anscheinend immer noch das aufwendige Verfahren der Zubereitung einer Schildkrötensuppe erlernen, obwohl Sie alle wissen, dass Schildkrötensuppen seit Jahren von den Speisekarten gestrichen sind, andererseits können sie aber mangels Computerausstattung nichts in Sachen Online-Booking und ähnlichen Dingen lernen. Ich denke, hier gibt es dringend politischen Handlungsbedarf. Dies richte ich noch einmal an Herrn Böger. Vielleicht kann es ihm mitgeteilt werden, wenn er irgendwann wieder auftaucht.
Dem kommt noch höhere Bedeutung zu, wenn man sich einmal vergegenwärtigt, dass die Tourismusbranche nicht nur eine Wachstumsbranche ist, sondern auch eine Branche, in der man etwas ohne Abitur werden kann. Es gibt ja nicht viele Segmente, das ist tatsächlich ein Segment, wo man gute Aufstiegschancen hat und nicht die Uni oder sonst was besucht haben muss. Und derzeit ist es tatsächlich so, dass 500 bis 1 000 Stellen offen sind. Das Thema „Schwarzarbeit“ wird heute noch in einer Großen Anfrage behandelt werden. Ich will hier niemanden per se beschuldigen, aber wichtig ist, dass im Tourismusbereich – der ja international ist und wo es viele international Beschäftigte gibt – nicht sein kann, dass es in der Presse zu Aussagen kommt, es wäre im Tourismusbereich in Berlin fast so schlimm wie im Baubereich, wenn nicht genauso schlimm. Hierzu wäre auch ein ehrliches Wort angebracht.
Nach typisch Berlin riecht es wieder, wenn man sich mit dem Zentralen Omnibusbahnhof für Fernreisen beschäftigt. Seit Jahren wird über seine Verlegung nachgedacht – passiert ist
nichts. Seit Jahren gibt es den Vorwurf, dass die einzige vom Land erlaubte Busticket-Verkaufsstelle am Zentralen Omnibusbahnhof eine Reiseunternehmensgruppe deutlich bevorzugt. Inzwischen gibt es auch einen Beleg, dass es erhebliche Unterschiede im Verkauf zwischen dieser einen Verkaufsstelle und sämtlichen anderen Verkaufsstellen in Berlin gibt. Dennoch ist es so, dass zumindest die Senatsverwaltung für Stadtentwicklung nicht finden kann, dass die eine Busticket-Verkaufsstelle ihre Monopolstellung direkt am Zentralomnibusbahnhof am Messegelände vertragswidrig ausnutzt. Ich verstehe das nicht. Ich hätte das gerne von Herrn Strieder erklärt.
Berlin ist eine Kulturmetropole. Das DIW hat es uns noch einmal veranschaulicht. Wir können stolz darauf sein, dass die Berliner insgesamt doppelt so kulturinteressiert sind wie die restlichen Bundesbürger, dass wir aktiv unser Kulturangebot nutzen. Ich finde es allerdings durchaus erstrebenswert, dass auch die Gäste, die nach Berlin kommen, die Besucherinnen und Besucher, die Touristen es noch einfacher haben, tatsächlich von den Berliner Kulturangeboten profitieren. Deswegen ist es auch ein Ärgernis, dass es immer noch kein zentrales Ticketingsystem in dieser Stadt gibt.
Selbst wenn es einmal geklappt hat, Ereignisse gemeinsam zu vermarkten, wie beispielsweise die Verdi-Wochen, ist man mitnichten in der Lage, Eintrittskarten gebündelt zu kaufen oder für einen längeren Zeitraum im Voraus. Das gehört dringend abgestellt. Da könnte sich der Senat durchaus profilieren.
Ins Groteske rutscht es – und da ist Berlin ausnahmsweise nicht selber schuld –, wenn bekannt wird, dass beim Lehrter Bahnhof, dem künftigen zentralen Ziel- und Umsteigebahnhof, vergessen wurde, Flächen für Busse und Taxis einzuplanen. Da werden sich sicher alle Touristen sehr freuen, wenn sie vor dem Bahnhof stehen und nicht wissen, wie sie weiterkommen sollen. Ich hoffe, das Ganze kann noch zufrieden stellend gelöst werden. [Wieland (Grüne): Ein Abenteuerurlaub!]
Ich finde es außerdem schade, dass es wieder einmal mir als Grüner obliegt, darauf hinzuweisen, dass wir uns in diesem Jahr im internationalen Jahr des Ökotourismus befinden. Brandenburg ist uns da deutlich voraus. Jetzt mögen Sie einwenden, dass Brandenburg wegen seiner Naturparks eine größere Rolle und ein größeres Interesse für den Ökotourismus hat. Ich sage, nicht nur der Erfolg der Rikschas in Berlin, auch der Zuspruch von Fahrradverleihstellen, von Naturstrommotorrollern oder der Stadtspaziergänge in Berlin zeigen, dass die Touristen Angebote des sanften Tourismus gerne annehmen. Auch in diesem Bereich kann noch viel getan werden, gerade im internationalen Jahr des Ökotourismus. [Beifall bei den Grünen]
Seine Anziehungskraft zieht Berlin aus verschiedenen Quellen, aber zentral ist sicher der Ruf Berlins als weltoffene und tolerante Stadt. Die Besucher Berlins tragen selbst dazu bei. Sie sind ein wichtiger, auch kultureller Impuls für diese Stadt. Übrigens – über 30 % der Berliner Touristen übernachten privat, bei Freunden oder bezahlt. Auch das macht Berlin zu einer internationalen Stadt. Allerdings ist dieser Ruf – wie immer – gefährdet. Auf den Fall der Koreanerin hat Herr von Lüdeke schon hingewiesen. Umso wichtiger ist es, dass nicht nur die Loveparade, sondern auch die Parade am Christopher-Street-Day und der Karneval der Kulturen, inzwischen eine echte Pfingstinstitution, langfristig in Berlin gesichert werden.
Zum Karneval der Kulturen hätte ich gerne ein Wort des Senats, inwieweit sichergestellt ist, dass diese Institution Berlin erhalten bleibt. Der Christopher-Street-Day zieht in dieser Stadt jedes
Jahr 500 000 Menschen auf die Straße. Davon sind 170 000 Gäste von außerhalb, allein 91 000 Menschen kommen nur wegen des Christopher-Street-Day nach Berlin, sind also ein echtes Plus für diese Stadt. Deswegen muss der ChristopherStreet-Day für diese Stadt erhalten bleiben, natürlich auch aus politischen Gründen. Das ist ein zentraler Tag für die schwul-lesbische Bewegung. Aber er hat auch eine enorme tourismuspolitische Bedeutung – Nettozufluss für die Stadt: 58,8 Millionen §.
Nur noch ein kurzer Punkt: Es ist auch deswegen ein kulturelles Ereignis für die ganze Stadt, weil 38 % der Besucher des Christopher-Street-Day hetero sind.
Ich hoffe, dass diese Aktuelle Stunde in diesem Parlament Anlass sein kann, sich mit Tourismusfragen ernsthafter zu befassen. In diesem Sinne möchte ich von hier wieder zurückgehen und hoffe, dass der Appell bei Ihnen allen angekommen ist. – Vielen Dank!
Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Zunächst einmal steht fest, dass sich die Tourismusbranche in den letzten Jahren sehr erfolgreich entwickelt hat. Da das so ist, kann das hier kein Senator für sich in Anspruch nehmen. Daran haben sehr viele mitgewirkt, auch meine Vorgängerin, auch mein Vorgänger, Herr Branoner, d. h. auch die große Koalition. Es ist überhaupt nicht zu leugnen.
Die Entwicklung hatte einen sehr positiven Höhepunkt im Jahr 2000. Im Jahr 2000 hatten wir immerhin über 5 Millionen Gäste in der Stadt und 11,4 Millionen Übernachtungen. Und das sind nur die offiziellen in Hotels. Es kommen die Tagesreisen dazu. Es kommen die vielen, etwa 28 Millionen Besucherinnen und Besucher dazu, die bei Freundinnen und Freunden, Verwandten, Bekannten usw. übernachtet haben. Das heißt, Berlin ist attraktiv für Reisende aus der ganzen Welt geworden.
Allerdings hat man sich in der Vergangenheit zu wenig mit der Frage beschäftigt, welche Veränderungen in der Stadt stattfinden, die auch Auswirkungen auf den Tourismus haben werden. Solange die Mauer in dieser Stadt stand, hatten wir überwiegend das, was man einen Polittourismus nennt, d. h. es war für für viele politisch wichtig, einmal in den Ost- oder den Westteil zu reisen. Natürlich kamen die Kulturstätten hinzu, die ein Interesse auslösten. Wir haben uns zu wenig Gedanken darüber gemacht, was das bedeutet, wenn wir diese Art negativen politischen Stellenwert verlieren und deshalb aus anderen Gründen für Touristinnen und Touristen aus der ganzen Welt interessant werden müssen. Es gibt immer noch viele, die nach Berlin kommen, weil sie die Veränderungen sehen wollen, weil sie sehen wollen, was aus einer Stadt wird, die sie einmal gespalten erlebt haben, wie sie sich jetzt architektonisch, vom Leben her verändert, wenn sie sich vereint. Dieses spezifische Interesse wird auf Dauer nicht halten, sondern wir müssen dafür sorgen, dass der Touristenstrom aus anderen Gründen nicht abbricht, sondern im Gegenteil zunimmt, aus wirtschaftlichen, aber auch aus vielen anderen Gründen.
Deshalb ist es auch hochinteressant, in einem negativen Sinne zu verfolgen, wie schnell durch ein einzelnes Ereignis ein ganzer Bereich enorm getroffen werden kann. Sie kennen alle die Fakten des schrecklichen Ereignisses vom 11. September des vergangenen Jahres. Damit war verbunden, dass z. B. die Zahl
ausländischer Reisender nach Berlin sofort um 10 % gesunken ist, was einen erheblichen Anteil ausmacht, weil die Bereitschaft zu fliegen sehr viel geringer wurde, gerade aus den USA, aber auch aus vielen anderen Ländern. Der Umsatz bei der Lufthansa ging um 30 % zurück, was übrigens dazu führte, dass sie gleich ihre Beteiligung an der Tourismusmesse in Berlin abgesagt hat. Wie sich herausstellte, war das ein großer Fehler, denn der internationale Besuch war groß, und die Lufthansa hätte dort interessante Geschäfte machen können.
Ich sage das nur deshalb, weil man die Anfälligkeit dieses Bereichs sehen muss. Ein struktureller Mangel des Tourismus wurde plötzlich für Berlin zu einem Vorteil, denn der Großteil des Tourismus nach Berlin ist ein innerdeutscher Tourismus. Der nahm trotz der Ereignisse vom September 2001 nicht ab. Wir wären bei einem größeren Anteil des ausländischen Tourismus viel stärker davon betroffen gewesen. Dennoch muss unser Ziel bleiben, den Tourismus aus anderen Ländern nach Berlin deutlich zu erhöhen.
Lassen Sie mich etwas zu einigen Punkten sagen, ohne die Zahlen zu wiederholen. Ich habe davon gesprochen, ohne diese Art Polittourismus, was sollen dann die Motive sein, nach Berlin zu reisen? – Sehenswürdigkeiten wurden genannt. Dazu gehört aber auch das Leben in der Stadt. Dazu gehören unsere Kulturund Kunstangebote. Natürlich ist es wahr, dass viele Einrichtungen gerade im Sommer zu sind, wenn besonders viele Touristinnen und Touristen kommen. Das ist ein Problem. Andererseits haben die natürlich auch ihren Anspruch auf Ferien. Wir müssen noch einmal darüber nachdenken, wie man hier vielleicht eine günstigere Struktur hinbekommen kann.
Aber unterschätzen Sie auch den Ökologietourismus für Berlin nicht, dass Wasserstraßen, dass Radwege gerade für junge Touristinnen und Touristen eine zunehmende Bedeutung haben werden. Wenn darüber in den letzten Jahren immer etwas abfällig geredet wurde, sage ich Ihnen die Zahl. Die Bedürfnisse gerade der jüngeren Generation sprechen eine andere Sprache. Wir dürfen das nicht vernachlässigen.
Die Großereignisse in Berlin sind schon genannt worden – Loveparade, Christopher-Street-Day, Karneval der Kulturen. All das spielt eine große Rolle, weil es Bilder in die Welt schickt, weil damit auch Bilder von der Stadt vorhanden sind, weil es neugierig macht nicht nur diejenigen, die gerade an diesem Ereignis teilnehmen, sondern auch andere. Ich möchte nicht wissen, wie viele Menschen nach Südamerika gereist sind in ihrem Leben, nur weil sie Karnevalbilder gesehen haben und sie das so neugierig gemacht hat, dass sie gesagt haben: Irgendwann muss ich da auch mal hin und mir das anschauen. Das alles sollte man nicht unterschätzen. Wir brauchen Bilder in der Welt.
Die Kongresse nehmen zu, die Messe nimmt zu. Die Tourismusmesse war ein Erfolg, ich muss darauf nicht weiter eingehen. Ich möchte hier ausdrücklich allen Beteiligten, den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern der Messe Berlin GmbH, für ihr diesbezügliches Engagement ebenso herzlich danken wie den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern der Tourismusmarketing GmbH, auch der Partner für Berlin GmbH – alles Einrichtungen, die sich darum sorgen, dass Berlin von großem Interesse für Besucherinnen und Besucher bleibt.
Bevor ich noch zu ein paar Punkten komme, die ich kritisch sehe, will ich aber auch sagen, auch in Anbetracht der Diskussionen zum Zuwanderungsgesetz und in Anbetracht der Diskussionen, wie sich Ausländerinnen und Ausländer, generell Nichtdeutsche in diesem Land fühlen können. Das Schädlichste – das ist nicht mein Hauptmotiv, mir geht es in erster Linie um das Humanistische dabei – für Tourismus ist jede Form von Rassismus und Fremdenfeindlichkeit. Darüber sollte man sich im Klaren sein.