Sie bedienen sich dabei falscher Behauptungen. Es gibt kein eingeleitetes EU-Verletzungsverfahren. Herr Radebold hat es richtig gestellt. Lesen Sie es einmal nach. Das hilft manchmal.
Sie dringen heute auf eine Änderung des Schornsteinfegergesetzes. Ich muss zugeben, auch in meiner Fraktion hat das Thema Wellen geschlagen. Es bewegt uns auch. Das Gesetz wird gerade auf Bundesebene geändert. RotGrün hat den Handlungsbedarf längst erkannt. Sie kommen einfach zu spät, und Sie kommen mit den falschen Forderungen!
Es wäre völlig falsch, die unabhängigen Kontrollen von Feuerungs- und Dunstabzugsanlagen – das haben wir gerade erst beschlossen – abzuschaffen. Erst vor zwei Jahren haben wir die Kontrollpflicht der Dunstabzugsanlagen eingeführt und hier beschlossen. Das war auch dringend nötig, denn erst seit diesen Kontrollen ist sichergestellt, dass Sie kein altes Bratenfett von der Dunstab
Der Verband, den Sie dort nennen, der für Heizung, Sanitär und Klimatechnik, ist nicht begeistert, wenn er diese Kontrollen übernehmen sollte. Reden Sie einmal mit den Betroffenen, dann werden Sie das feststellen. Die Aufgabe, die Sie verlagern wollen, wollen die gar nicht. In einem haben Sie Recht: Der Reformbedarf besteht. Deswegen wird das Gesetz von der Bundesregierung gerade geändert. Es ist auch nicht hinnehmbar, dass Kehrbezirke auf Lebenszeit vergeben werden und es keine Möglichkeit gibt, die Qualität zu kontrollieren und die Bürger keine Möglichkeit haben, die Schornsteinfeger abzuwäh
len. Das ist ein Manko des bestehenden Gesetzes. Das muss geändert werden. Aber das wird auch passieren. Das wollen Sie gar nicht. Sie wollen die unabhängigen Kontrollen abschaffen. Deshalb werden wir Ihr Gesetz, so, wie es eingebracht wurde, ablehnen.
In einem haben Sie natürlich Recht, meine Damen und Herren von der FDP: Die Aufgaben der Schornsteinfeger haben sich verändert. Sie kehren heute weniger, dafür messen sie mehr. – Aber beides schützt Leben und Gesundheit. Das dürfen Sie nicht vergessen. Es dient der Bewahrung von Leben und Gesundheit. Das soll auch so bleiben. Das unterscheidet die Schornsteinfeger eben von den Bäckern.
4 000 Menschen sterben jedes Jahr in Frankreich an den Folgen der Kohlenmonoxidvergiftung durch defekte Heizungsanlagen. 4 000 Menschen, meine Damen und Herren! Vielleicht kannten Sie die Zahl nicht, als Sie diesen Antrag geschrieben haben.
Sehr schön! – Wir haben keine Kohlenmonoxidvergiftung in Folge defekter Heizungsanlagen. Das ist den Schornsteinfegern zu verdanken. Ich weiß nicht, wie viel Ihnen ein Menschenleben wert ist. 4 000 Leben sollten Ihnen ein längeres und intensiveres Nachdenken über einen solchen Antrag durchaus wert sein!
Wie unabhängig, Herr von Lüdeke, stellen Sie sich vor, kann eine Kontrolle von einer Heizungsfirma sein, die ein wirtschaftliches Interesse daran hat, Heizungen zu verkaufen? – Da wäre dann die Anlage ständig kaputt. Ihnen würde ständig empfohlen, die Anlage zu wechseln. Sie müssen auch den entstehenden bürokratischen Aufwand bedenken, wenn man die Leistungen staatlich Unabhängige erfasst, damit keine Lücken entstehen. Das kann nicht funktionieren.
Bei der Verkehrssicherheit, bei der Sicherheit ihres Fahrzeugs ist das auch so. Warum kann nicht der Automechaniker die Verkehrssicherheit des Fahrzeugs bestätigen? – Das liegt klar auf der Hand: Weil er ein wirtschaftliches Interesse hat. Deswegen haben wir den TÜV. Der TÜV ist eine beliehene Institution, die diese Leistung durchführt. Ob die Konstruktion Schornsteinfeger, TÜV oder anders heißt, ist mir am Ende egal. Entscheidend ist, dass es eine unabhängige Institution geben muss. Wir haben die Schornsteinfeger. Sie machen ihre Arbeit gut. Warum sollen sie das nicht weiter machen?
Meine Damen und Herren! Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor. Der Ältestenrat empfiehlt die Überweisung federführend an den Ausschuss für Bauen, Wohnen und Verkehr sowie mitberatend an den Ausschuss für Wirtschaft, Betriebe und Technologie. – Ich höre dazu keinen Widerspruch. Dann werden wir so verfahren.
Änderung des Gesetzes über die Wahlen zum Abgeordnetenhaus und zu den Bezirksverordnetenversammlungen (Landeswahlgesetz)
Beschlussempfehlungen Recht und Haupt Drs 15/4090 Antrag der SPD, der PDS, der Grünen und der FDP Drs 15/3707
Dann kommt immer gern das Argument: Die haben eigentlich gar kein Interesse, die sind doch nicht reif; die interessieren sich nicht für Politik. Vielleicht interessieren sich viele tatsächlich eher für irgendwelche Sendungen bei Viva oder sonstigen Musiksendern. Aber wer sagt denn, dass unsere ach so Erwachsenen, die auch nicht mehr zu 90 % oder 95 %, nicht mal zu 85 %, schon gar nicht zu 78 % zur Wahl gehen, sich wirklich alle für die Politik interessieren. Ist es nicht vielleicht so, dass Leute
sich vielleicht eher dann für Politik interessieren, wenn sie wirklich etwas mitzubestimmen haben, wenn sie auch mal gefragt werden?
Da ist, glaube ich, das Manko, dass heute Jugendliche in diesem Alter mit 16 ins Berufsleben kommen, schon mit 14 können sie übrigens den Religionsunterricht abwählen, alle sind darüber in der Diskussion, ob möglicherweise Führerscheine altersmäßig heruntergezogen werden. Man kann schon mit leichteren Fahrzeugen, Zweiradfahrzeugen entsprechend fahren. Sie verdienen eigenes Geld, sie sind von der Wirtschaft sehr umworben und geben eine ganze Menge aus, jenseits der Regelung, dass sie eigentlich erst ab 18 entsprechend handeln dürfen. Aber sie haben ja heute eine sehr weit gehende Auslegung des so genannten Taschengeldparagraphen des Bürgerlichen Gesetzbuchs, wo sie selber ihre eigenen Ausgaben tätigen können. Das dürfen sie alles, aber wenn es auf der kommunalen Ebene, wo sie besonders betroffen sind, wo sie möglicherweise, wenn sie keinen Beruf haben, bereits von Hartz IV und ähnlichen Bereichen betroffen sind – da dürfen sie nicht mitreden. Insoweit sollten wir einen Versuch machen, wie er in anderen Bundesländern erfolgreich gelaufen ist. Artikel 38 des Grundgesetzes garantiert eine allgemeine, unmittelbare, freie und gleiche und geheime Wahl. Das ist erst mal ganz allgemein. Deshalb muss man begründen, weshalb man Einschränkungen macht. Die Einschränkung sehen wir zwischen 16 und 18 nicht mehr.
Ich eröffne somit die I. Lesung hinsichtlich der Gesetzesanträge Drucksache 15/4068 und Drucksache 15/4069 und eröffne die II. Lesung hinsichtlich der Gesetzesanträge Drucksache 15/3707 und Drucksache 15/3708 und schlage vor, die Einzelberatung der jeweils zwei Artikel zu verbinden. – Ich höre hierzu keinen Widerspruch.
Ich rufe auf die Überschrift, die Einleitung sowie jeweils die Artikel I und II in den Drucksachen 15/3707 und 15/3708. Für die Beratung steht uns eine Redezeit von bis zu fünf Minuten zur Verfügung. – Es beginnt die Fraktion der SPD. Der Herr Abgeordnete Schimmler hat das Wort. – Bitte sehr!
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Das war ein langer Vorspruch. Um es noch einmal kurz zu machen: Wir besprechen heute in I. Lesung die Gesetzentwürfe, um das Mindestalter für die Wahl zu den Bezirksverordnetenversammlungen auf 16 Jahre herabzusetzen. Und wir besprechen die schon in der Aktuellen Stunde der letzten Plenarsitzung besprochenen Gesetzentwürfe für mehr Demokratie in den Bezirken, insbesondere Bürgerbegehren und Bürgerentscheide.
Lassen Sie mich, da wir das Andere schon in der letzten Sitzung besprochen haben, zunächst einmal zu der Änderung für das Wahlalter zu den Bezirksverordnetenversammlungen kommen. Hier schlagen wir Ihnen vor – alle vier Fraktionen –, das Wahlalter für die Bezirksverordnetenversammlungen auf 16 Jahre zu senken. Das ist in einigen Bundesländern der Fall. In Niedersachsen wurde das bereits 1996 eingeführt; Schleswig-Holstein, Mecklenburg-Vorpommern, Nordrhein-Westfalen und Sachsen-Anhalt sind gefolgt. Jugendforscher, wie der bedeutende Bielefelder Professor Klaus Hurrelmann, fordern sogar generell, das Wahlalter auf 16 herabzusetzen, also nicht nur für den Kommunalbereich. Was überrascht, ist: Dort, wo das möglich ist, unterscheidet sich das, was Erstwähler machen – denn es sind dann immer Erstwähler in dem Alter – kaum von dem, was die andern machen. Also, Angst muss keine Partei haben – manchmal vielleicht die FDP, weil die am Anfang kaum beachtet wurde von den Jungwählern, aber das kann sich ändern mit dem Spaßmobil. – Das war gemein, ich bitte um Entschuldigung, Herr Ritzmann! – Ansonsten wählen eigentlich die wähler genauso wie die Erwachsenen. Erst
Lassen Sie mich abschließend noch etwas nach der Debatte sagen, die wir letztes Mal zu den Anträgen zu Mehr Demokratie in den Bezirken hatten. Ich darf einige wesentliche Argumente für plebiszitäre Elemente benennen. Direktdemokratische Elemente können helfen, die Teilhabe am politischen Geschehen zu stärken, und dies insbesondere in der gegenwärtigen Diskussion über notwendige Reformen in Deutschland. Für diejenigen, die das Gefühl haben, ausgeliefert zu sein – die machen ohnehin alle, was sie wollen –, ist spätestens dann kein Raum mehr, wenn die Bevölkerung mit gefragt wird. Die politischen Kräfte, die für eine bestimmte Entscheidung werben, müssten sehr viel mehr bemüht sein, das Für und Wider der Öffentlichkeit nahe zu bringen und damit insbesondere komplexe Sachverhalte vielleicht in verständlicherer und einfacherer Form zu erläutern. Die durch ein Plebiszit gefällte politische Entscheidung wäre frei von dem Verdacht, das Ergebnis sachfremder Einflussnahme, beispielsweise von Lobbygruppen, zu sein. Und direktdemokratische Elemente würden die Verantwortung der Bürger für das Gemeinwesen stärken. Gerade in einem zusammenwachsenden Europa ist es Bürgern immer weniger klar zu machen, was in anderen Ländern abgestimmt werden kann – man sieht, was in Frankreich gerade passiert ist – und hier bei uns nicht, und schon gar nicht auf kommunaler Ebene.
Ich glaube, das waren Argumente, die für die Gesetzentwürfe sprechen, die wir für mehr Demokratie eingebracht haben. Damit die Kollegen der CDU wissen, woraus ich zitiert habe: Das ist aus einem Aufsatz des saar
Das hat Ihnen sogar der Senat per Beschluss in seiner Stellungnahme zu diesem Gesetzentwurf geschrieben, neben vielen anderen Bedenken, die Sie auch vom Tisch gewischt haben. Selbst wenn im Bezirk nach langem Hin und Her tatsächlich ein Bürgervotum respektiert würde, könnte der Senat federleicht im gesamtstädtischen Interesse die Entscheidung an sich ziehen. § 13a Aufgaben- und Zuständigkeitsgesetz, also AZG, wurde schon zur
Genehmigung von Bratwurstbuden am Brandenburger Tor angewandt. Das genau wird der Senat dann auch gern tun, um sich zu profilieren. Der Wirtschaftssenator wird das mit seiner gerade eingerichteten zentralen Anlauf- und Koordinierungsstelle für Investoren, kurz ZAK, tun, die genau so konzipiert ist, dass zwischen Bezirken und Hauptverwaltung streitige Entscheidungen schnell und zentral im Senat entschieden werden.