Protokoll der Sitzung vom 16.06.2005

Genehmigung von Bratwurstbuden am Brandenburger Tor angewandt. Das genau wird der Senat dann auch gern tun, um sich zu profilieren. Der Wirtschaftssenator wird das mit seiner gerade eingerichteten zentralen Anlauf- und Koordinierungsstelle für Investoren, kurz ZAK, tun, die genau so konzipiert ist, dass zwischen Bezirken und Hauptverwaltung streitige Entscheidungen schnell und zentral im Senat entschieden werden.

Wir hatten in diesem Hause einen Antrag eingebracht, die Bezirke zunächst in ihrer Stellung zu stärken, um überhaupt kommunale Mitbestimmungsrechte in Berlin, egal ob durch BVV oder Volksabstimmung, zu verankern. Das haben Sie auch ohne große Diskussionen versenkt. Da drängt sich doch der Verdacht auf, dass Sie eigentlich etwas anderes im Schilde führen. – Die FDP ist wenigstens so ehrlich und sagt öffentlich, dass sie eigentlich eine Abschaffung der Bezirke will.

Die PDS sagt es nicht, ist aber für zentralistisches Denken traditionell bekannt. Die Grünen haben, glaube ich, bei aller Bürgerbewegtheit gar nicht gemerkt, was derzeit hier gespielt wird. Und die SPD ist trotz Murren an ihrer eigenen Basis über diesen Gesetzentwurf fest in der Disziplin. Also, tun Sie, was Sie nicht lassen können. Wir werden uns bald sicher an dieser Stelle und im Parlament wieder darüber unterhalten.

ländischen Ministerpräsidenten Peter Müller in der Festschrift für Professor Arnim zu seinem 65. Geburtstag. – Herzlichen Dank!

[Beifall bei der SPD und der PDS]

Für die CDU-Fraktion hat das Wort der Abgeordnete Wambach. – Bitte sehr!

Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Herr Professor von Arnim hat uns auch nicht nur Glück gebracht. Insofern kann man auch in anderen Bundesländern vielleicht einmal anderer Meinung sein, als wir in Berlin. – Wir drehen heute die vorerst letzte Runde in Sachen Bürgerbeteiligung und dem, was Sie aus unserer Sicht fälschlicherweise als „mehr Demokratie“ bezeichnen. Ich sage vorerst letzte Runde, weil wir uns mit Sicherheit in Zukunft erneut damit befassen werden, dann nämlich, wenn die ersten Erfahrungen aus den Bezirken und die öffentlichen Diskussionen in der gesamten Stadt stattgefunden haben. Diese Diskussionen wird es geben. Sie haben alle einschlägigen Warnungen im Vorfeld und im Laufe der Ausschussberatungen in den Wind geschlagen – ernst zu nehmende Argumente von Bezirken, Handwerkskammer, IHK und auch von uns.

[Ritzmann (FDP): Von Ihnen kamen keine ernst zu nehmenden!]

Egal, Hauptsache heute und vor der Sommerpause mit dem Kopf durch die Wand und so tun, als hätten Sie jetzt die Demokratie revolutionär gestärkt. Das Gegenteil wird aus unserer Sicht jedoch der Fall sein.

[Beifall bei der CDU]

Haben Sie denn gerade angesichts der Diskussionen in den letzten Tagen noch immer nicht gemerkt, dass hier eine politische Zangenbewegung im Gange ist, an deren Ende die Quasiabschaffung der Berliner Bezirke steht? – Während Sie den Eindruck vermitteln wollen, es gebe künftig eine direkte kommunale Mitbestimmung der Bürgerinnen und Bürger vor Ort, ist der Senat derzeit auf dem Weg, den Bezirken weitere Kompetenzen zu entziehen – ich sage nur Landesbaubehörde, finanzielle Knebelung, Gestaltungsspielraum quasi null. Schon jetzt haben die Bezirksverordnetenversammlungen im Großen und Ganzen nur Beschlüsse mit Empfehlungscharakter zu fällen. Das jeweilige Bezirksamt ist theoretisch und rechtlich nicht einmal daran gebunden. Und Sie nennen eine Volksabstimmung Bürgerentscheid, obwohl es da praktisch gar nichts zu entscheiden gibt. Das ist eigentlich Etikettenschwindel.

[Beifall bei der CDU]

[Ritzmann (FDP): Ach, das stimmt doch nicht!]

Ein Satz noch zum Wahlalter von 16 Jahren auf bezirklicher Ebene, das heute mit dieser Debatte verbunden worden ist: Das werden wir sicher in den Ausschüssen und auch hier in der nächsten Zeit noch sehr grundhaft diskutieren. Ich hoffe, dass es in dieser Frage gelingt, den Populismus ein Stück hintan zu stellen. Wir sollten da sehr sachlich herangehen.

[Beifall bei der CDU – Gelächter des Abg. Brauer (PDS)]

Es gibt sicherlich viele Argumente dafür und auch einige dagegen. Aber wir dürfen dabei in der Gesamtdiskussion nicht außer Acht lassen, dass eine Ausweitung von Wahlrechten in eine Betrachtung mit einer entsprechenden Ausweitung von Pflichten und Verantwortlichkeiten für 16-Jährige gezogen werden muss.

[Beifall bei der CDU]

Wir haben heute einen Änderungsantrag eingebracht, den wir nach den Erfahrungen der letzten Jahre, den Diskussionen in dieser Stadt und nicht zuletzt wegen der Sondersituation der SED-Nachfolgepartei in Berlin beachten sollten. Es geht darum, auch für Bürgerbegehren und Volksabstimmungen die finanzielle Transparenz und Rechenschaftspflicht herzustellen,

[Beifall bei der CDU]

um mögliche Missbräuche zu vermeiden. Es ist nicht zu viel verlangt, über Einnahmen, Ausgaben und Zuwendungen an solche Initiativen Buch zu führen und etwaige Spenden über 10 000 € beim jeweiligen BVV-Vorsteher zur Veröffentlichung anzuzeigen.

wird eine Lücke geschlossen. Ab heute – wenn wir nachher abgestimmt haben – wird es in dieser Bundesrepublik überall, in allen Bundesländern, sowohl auf Landes- als auch auf Kommunalebene direkte Demokratie geben. Berlin hat eine Entwicklung vollzogen. Wir waren lange Zeit die Letzten. Wir sind im Augenblick auch noch die Letzten, die es nicht haben. Aber wir haben eine Entwicklung genommen, um unser Defizit mit einem modernen und bürgernahen Gesetz zu beenden.

[Zurufe von der PDS]

Das müssen alle Parteien, die mit ihren Abgeordneten in BVV und Parlament Beschlüsse fassen, auch tun. Das ist am Ende für alle geboten, die ein gesetzlich verfasstes Entscheidungsrecht bekommen sollen.

Achten Sie bitte auf Ihre Redezeit!

Letzter Satz! – Ich sage das besonders an die Adresse der Grünen hier im Hause. Das ist für uns auch der Lackmustest für Ihre Glaubwürdigkeit,

[Beifall bei der CDU – Oh! von den Grünen]

wenn es um Transparenz und Unabhängigkeit geht. Auf Ihr Abstimmungsverhalten in dieser Frage bin ich heute besonders gespannt.

[Beifall bei der CDU – Zurufe von den Grünen]

Für die PDS-Fraktion hat nun der Abgeordnete Dr. Zotl das Wort. – Bitte sehr!

Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Herr Wambach! Ich habe es gestern schon im Hauptausschuss gesagt: Wir haben x-mal auf Podien zusammengesessen. Wir haben in allen möglichen Ausschüssen die Positionen vertreten. Das einzige Neue, das Sie jetzt gemacht haben, Sie haben das Ganze zu einer Verschwörungstheorie zusammengefügt. Kein einziges Argument wird dadurch richtig.

[Beifall bei der PDS – Beifall des Abg. Ritzmann (FDP)]

Alles, was Sie anführen, ist x-mal widerlegt worden. Das betrifft auch Ihren Änderungsantrag. Sie wissen genau, diese Initiativen, die die Mühe auf sich nehmen, eine direktdemokratische, eine plebiszitäre Form einzuleiten, was vor allem Arbeit und nicht Gewinn ist, sind mit Parteien, ihrem Organisationsmodell und ihrem Know-how, nicht im Ansatz zu vergleichen. Es ist auch Ihr misstrauischer Grundansatz – die sahnen irgendwo Geld ab, die vertreten irgendwelche Einzelinteressen, die sind schlecht, die stören uns, und das muss man unterbinden –, dieser Grundansatz stört uns grundsätzlich. Wenn so etwas passiert, dass beispielsweise ein Unternehmer eine Initiative sponsert, damit sie ein Bürgerbegehren macht, um ein Center auf die grüne Wiese zu setzen, dann gibt es so viele und ganz andere Möglichkeiten. Der Innensenator und alle anderen haben das auseinander genommen und Ihnen nachgewiesen, das sofort aufzuspüren und dem entgegenzuwirken. Da brauchen wir solche restriktiven Schritte, die Sie vorschlagen, nicht. Das lehnen wir ab.

[Beifall bei der PDS]

Heute ist ein guter Tag für die Berlinerinnen und Berliner. Wir werden jetzt nach intensiven Debatten den Weg für direkte Demokratie in den Bezirken freimachen. Heute – darauf hat heute Vormittag in der Pressekonferenz der

bundesweite Verein Mehr Demokratie hingewiesen, den ich herzlich begrüße und bei dem ich mich schon jetzt für seine aktive Begleitung des Prozesses herzlich bedanke –

[Beifall bei der PDS, der SPD, den Grünen und der FDP]

Das Fazit dieser Gesetze – das muss man sich auf der Zunge zergehen lassen, denn diesen Ansatz gibt es in der Gesetzgebung zur direkten Demokratie noch nicht so häufig – ist: Alle Angelegenheiten, in denen die Bezirksverordnetenversammlungen Beschlüsse fassen können – Herr Wambach! Wir haben die ausschließlichen Kompetenzen der BVV ausdrücklich erweitert, das war in einer Phase, wo Sie noch dabei waren –, sind grundsätzlich der direkten demokratischen Entscheidung durch Bürgerinnen und Bürger zugänglich, und das nicht zu den oftmals üblichen einschränkenden und erschwerenden Bedingungen, sondern zu sehr förderlichen Bedingungen – ganz moderate Beteiligungsquoren. Wer teilnimmt, soll auch entscheiden, durch Verzicht auf gesonderte Zustimmungsquoren – die einfache Mehrheit entscheidet –, durch faire und gleichberechtigte Pro-und-Kontra-Informationen, durch ein übersichtliches Verfahren, das wir mit dem Änderungsantrag, der jetzt eingereicht worden ist, noch besser präzisiert haben. Das ist ein richtiger und qualitativer Sprung in der politischen Kultur. Dass wir das nach langen Debatten gemeinsam geschafft haben, das ist für uns ein Erfolg. Im Umfeld gibt es viele erweiterte Informations- und Beteiligungsrechte für Einwohnerinnen und Einwohner, für die Bezirksverordnetenversammlung und für die einzelnen BVV-Mitglieder. Der Hauptausschuss hat gestern zudem beschlossen, dass dem Bezirk im Rahmen der Basiskorrektur die Kosten ausgeglichen werden, die ein Bürgerentscheid hervorbringt.

[Beifall bei der PDS und den Grünen]

Es ist erst einmal eine in sich geschlossenes Konzeption.

Es wurde schon darauf hingewiesen, dass heute die gleichen einreichenden Fraktionen zwei Gesetzentwürfe zur Senkung des aktiven Wahlalters zur BVV auf 16 Jahre einbringen. Wie in einigen anderen Bundesländern, so sollen in Zukunft auch in Berlin – beginnend mit den nächsten BVV-Wahlen – alle EU-Bürgerinnen und EU-Bürger ab dem 16. Lebensjahr die bezirklichen Volksvertretungen mitwählen dürfen und sich so auch an Bürgerbegehren und Bürgerentscheiden beteiligen können. Eine solche Senkung des Wahlalters ist durch viele Gründe gerechtfertigt, z. B. durch die allgemeine Reifeentwicklung. Aber auch alle Entscheidungen – auch die, die in der BVV getroffen werden – haben zunehmend

Der letzte Punkt: Auch das Wahlrecht ab 18 wird nicht an irgendwelche Pflichten gekoppelt. Das ist ein Trugschluss, den man nach den langen Diskussionen langsam auch zur Kenntnis nehmen könnte.

Langzeitwirkung. Es geht auch darum, das Interesse, die Fähigkeit und die Möglichkeit zur Entscheidung für diese jungen Leute zu erweitern. Insofern ist eine solche Neufestlegung des kommunalen Wahlalters eine spezielle Herausforderung, perspektivische Entscheidungen unter dem Aspekt der Nachhaltigkeit und unter Berücksichtigung der Generationen zu treffen.

Natürlich sind damit auch Probleme verbunden. Für meine Fraktion gilt die Auffassung: Wer wählen darf, darf auch gewählt werden. Das aktive und das passive Wahlalter zu trennen, ist aus unserer Sicht konzeptionell und strategisch, auch rechtsstrategisch, problematisch. Wir meinen aber, es ist ein erster Schritt. Der erste Schritt ist immer der schwerste und der wichtigste. Deshalb hoffe ich, dass wir nach der Sommerpause zügig zu einer Entscheidung kommen. – Herzlichen Dank!

[Beifall bei der PDS, der SPD, den Grünen und der FDP]

Danke schön! – Bevor ich der nächsten Rednerin das Wort gebe, weise ich noch einmal darauf hin: Lieber Herr Wansner, lieber Herr Czaja! Es ist wirklich ungehörig, den Rednerinnen und Rednern den Rücken zuzukehren.

[Pewestorff (PDS): Der Kollege Czaja hat keine Kinderstube!]

Ich bitte alle, darauf zu achten. Das geht jetzt schon eine Weile.

[Zuruf]

Wer? – Frau Radziwill! Das gilt natürlich auch für Frauen.

[Doering (PDS): Für Herrn Lorenz gilt das auch!]

Natürlich, Herr Lorenz jetzt schon zum zweiten Mal! Bitte achten Sie darauf. – Frau Martins, Sie haben das Wort!