Ich eröffne die 73. Sitzung des Abgeordnetenhauses von Berlin und begrüße Sie, unsere Gäste und Zuhörer ganz herzlich.
Bevor wir in die Tagesordnung eintreten, freue ich mich, dass wir Frau Barbara Oesterheld von der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen zum Geburtstag gratulieren und alles Gute wünschen können, vor allen Dingen gute Gesundheit, das ist am wichtigsten!
Sodann habe ich die nicht so häufige Freude, unserem Direktor Herrn Hartmann von der Aue zum dreißigjährigen Dienstjubiläum am heutigen Tage im Abgeordnetenhaus gratulieren zu dürfen. – Herzlichen Glückwunsch!
Dann kommen wir zum Geschäftlichen. Am Montag sind vier Anträge auf Durchführung einer Aktuellen Stunde eingegangen:
1. Antrag der Fraktion der Linkspartei.PDS und der SPD zum Thema: „Kein Kahlschlag bei der Hauptstadtkultur – CDU-Pläne stoppen“,
2. Antrag der Fraktion der CDU zum Thema: „Null Toleranz für kriminelle Gewalttäter – Opferschutz vor Täterschutz!“,
3. Antrag der Fraktion der Grünen zum Thema: „Kirchhof-Steuer würde den Landeshaushalt enorm belasten – ungerechte Steuerpolitik von CDU und FDP muss verhindert werden!“,
4. Antrag der Fraktion der FDP zum Thema: „Rot-rote Bankrotteure in Berlin dürfen nicht Verantwortung für Deutschland übernehmen!“.
Im Ältestenrat konnte wir uns nicht auf ein gemeinsames Thema verständigen. Zur Begründung der Aktualität rufe ich daher für die Fraktion der SPD Frau FugmannHeesing auf. – Bitte schön, Frau Fugmann-Heesing, Sie haben das Wort!
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Wenn man die Anträge zur Durchführung einer Aktuellen Stunde sieht, wird ganz klar, dass diese Aktuelle Stunde unter dem Thema Wahlkampf steht. Nur der CDU ist nicht so richtig etwas eingefallen, und das ist sicherlich auch Spiegelbild der Orientierungslosigkeit, die die CDU uns gerade vorführt. Die muss sich erst einmal selbst sortieren.
Es ist doch nicht verwunderlich: Am Sonntag ist Wahl, und an diesem Wahltag geht es um vieles, um vieles für die Menschen in Deutschland und für die Menschen in Berlin. Es werden Fragen entschieden, die ganz wesentlichen Einfluss auf ihr Leben haben.
Ich verhehle nicht, dass sich die Regierungsparteien auch hätten vorstellen können, über das Thema zu diskutieren, das Bündnis 90/Die Grünen angemeldet haben.
Natürlich ist es ein hoch aktuelles Thema, und natürlich ist es diskussionswürdig. Das, was Herr Kirchhof vorgeschlagen hat, macht den Menschen in unserem Land Angst.
Sie befürchten, dass mit einem 25-prozentigen Einheitsniedrigsteuersatz eine Umverteilung von unten nach oben in Gang gesetzt wird, der von den Krankenschwestern, Polizisten und Feuerwehrleuten zu bezahlen ist.
[Beifall bei der SPD und der Linkspartei.PDS – Henkel (CDU): Sie machen mit Ihrem Verhetzungswahlkampf Angst!]
Es geht in diesem Wahlkampf um das Thema soziale Gerechtigkeit, und es geht um die Frage, wie wir Rahmenbedingungen für mehr wirtschaftliche Dynamik schaffen und ausbauen. Die Fragen, die in diesem Zusammenhang zu stellen sind, sind aktuelle Fragen. Die Politik der rot-grünen Bundesregierung hat gerade viel Lob erfahren – ich darf nur an die Presseberichterstattung der letzten Tage erinnern. Die OECD hat festgestellt, dass wir große Fortschritte in der Bildungspolitik gemacht haben, aber immer noch weiter aufholen müssen. Dennoch ist bereits viel geschehen.
Die Weltbank hat Deutschland in ihrem jüngsten Bericht in die Hitliste der attraktivsten Wirtschaftsstandorte aufgenommen. Das ist einer Politik geschuldet, die darauf setzt, bessere Rahmenbedingungen für wirtschaftliche Entwicklungen zu schaffen, und die hierbei erhebliche Dynamik entwickelt hat.
Nein! Ich gehe davon aus, dass Herr Dr. Lindner gleich den Antrag der FDP begründen wird. Dann kann er seine Anmerkungen machen.
Zu dieser erfolgreichen Politik der Bundesregierung gibt es kein zukunftsgerichtetes Gegenkonzept der Opposition. Dies wird auch in der Kulturpolitik deutlich. Immerhin hat Herr Lammert, der im so genannten Kompetenzteam für Kultur zuständig ist, anerkannt, dass es eine zukunftsweisende Entscheidung des Bundeskanzlers war, das Amt einer Kulturstaatsministerin, eines Kulturstaatsministers zu schaffen. Aber was kommt dann?
Der Bund hat mit dem Etat der Kulturstaatsministerin in den vergangenen Jahren außerordentliches für Berlin geleistet. Über 400 Millionen € fließen jährlich aus dem Etat der Kulturstaatsministerin nach Berlin, und die Erfolge, die damit erzielt werden, sind beeindruckend.
Ich nenne nur zwei Stichpunkte: die Museumslandschaft, ihre Sanierung und ihr Ausbau sowie die Projekte des Hauptstadtkulturfonds.
Es ist nicht nur in der Berliner Kulturszene, sondern weit über Berlin hinaus anerkannt, dass dieses flexible Förderinstrument dazu geführt hat, dass neben der aus dem Landeshaushalt finanzierten Hochkultur eine lebendige, junge Kulturszene entstanden ist, die weit über die Stadt hinausstrahlt und eine wesentliche Ergänzung zur Hochkultur der Institutionen ist.
Es ist ja nicht neu, dass die CDU-geführten Bundesländer immer wieder versuchen, das finanzielle Engagement des Bundes in und für Berlin zu beschneiden. Zuletzt ist das in der Ablehnung der Übernahme der Akademie der Künste im Bundesrat deutlich geworden sowie in den Äußerungen baden-württembergischer Spitzenpolitiker – damals noch durch Herrn Teufel als Ministerpräsident, der das Kulturengagement des Bundes auf die auswärtige Kulturpolitik beschränken wollte. Frau Grütters, die ja vermutlich für die CDU in den Bundestag einziehen wird, hat damals, als es um die Finanzierung der Akademie der Künste ging, diese Finanzierung begrüßt. Als ihre CDU-Kollegen aus Baden-Württemberg im Bundesrat dagegen vorgegangen sind, hat sie sich mit keinem Wort dazu gemeldet. Ich frage mich, wo ihre Stimme gewesen ist und wo die Stimme der CDU heute ist, wenn alle Alarmglocken läuten müssen, weil Norbert Lammert in öffentlichen Äußerungen die Kulturförderung des Bundes in ihrer jetzigen Form in Frage gestellt hat. Wer im Zusammenhang mit der Kulturförderung des Bundes in Berlin von Unwuchten und Schieflagen zu Lasten der anderen fünfzehn Bundesländer spricht, der macht klar, dass er nicht nur den Hauptstadtkulturfonds schleifen, sondern die Kulturförderung für Berlin insgesamt abbauen will. Dagegen muss dieses Parlament, dagegen muss die gesamte Kulturszene in dieser Stadt protestieren und entschieden Stellung beziehen. Das werden wir in dieser Aktuellen Stunde tun.
Danke schön, Frau Kollegin. – Das Wort für die CDU-Fraktion hat der Kollege Wellmann. – Bitte schön, Herr Wellmann!
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Für diese Aktuelle Stunde gibt es leider einen traurigen Anlass. Der Grund für unseren Antrag ist das außerordentlich hilf- und orientierungslose Verhalten der Justizsenatorin.
Da hat ein jugendlicher Intensivtäter in Zehlendorf ein Kind totgeschlagen, ein Täter, der vorher in zwei unterschiedlichen Verbrechen Menschen krankenhausreif geschlagen hatte. Frau Senatorin der Justiz, die Menschen im Kiez und in Berlin sind fassungslos, dass solch ein jugendlicher Krimineller von der Justiz ohne wesentliche Konsequenzen wieder auf die Öffentlichkeit losgelassen wurde.
Wir müssen es ansprechen: Die Justiz hat hier in objektiv ganz schlimmer Weise versagt. Wir stehen vor der schwer erträglichen Erkenntnis – und das muss ich den Menschen draußen im Wahlkreis erklären –, dass dieser Mord an dem Kind hätte verhindert werden können, jedenfalls dann, wenn der Herr Bereitschaftsrichter die Akte, um die es geht, gelesen und festgestellt hätte, dass Wiederholungsgefahr besteht und ohne Weiteres ein Haftgrund vorgelegen hätte.
Frau Senatorin, Sie haben sich in peinlichster Weise vor der Berliner „Abendschau“ hilflos gezeigt. Ihr Auftritt in der „Abendschau“ war ein Desaster angesichts dieses Versagens der Justiz.
Es gibt in Berlin bekanntermaßen Problemkieze, bei uns in Steglitz-Zehlendorf auch zwei. Nun will ich Ihnen sagen, was uns die Sozialarbeiter und Polizeibeamten vor Ort sagen. Davon scheinen Sie keine Ahnung zu haben, deshalb empfehle ich, dass Sie sich einmal mit den Leuten unterhalten. Sie sagen, ein solcher jugendlicher Straftäter müsse 20 bis 30 erhebliche Straftaten begangen haben, bevor die Justiz endlich durchgreife.