Außerdem klagt Berlin wegen seiner Haushaltsnotlage gegenwärtig vor dem Bundesverfassungsgericht. Das
macht die Sache nicht einfacher. Ich will nicht hoffen, dass es sich bei dem vorliegenden Antrag nur um Wahlkampf auf Kosten der Kinder handelt.
Wir sehen hier einen dringenden Handlungsbedarf, doch es fehlten uns bisher die politischen Mehrheiten. Wenn sie jetzt gegeben sind, ist das ja hervorragend.
Und wir haben heute aus der Presse erfahren, dass diese Mehrheiten auch da sind, auch wenn Herr Müller uns noch nicht gesagt hat – Herr Nolte hat es angedeutet –, wie er dieses entgeltfreie Kitajahr finanzieren wird. Schade, unser Finanzsenator, ist nicht da! Ich wollte ihm die Frage stellen. Er hat bestimmt schon eine Idee dafür.
Werte Kollegin Barth! Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Da Sie die Zwischenfrage nicht mehr zulassen wollten, nur zwei Sätze: Ich finde es erfreulich, dass Sie sagen, Sie sind dafür, nur fehlten Ihnen dafür bisher die politischen Mehrheiten. Ich erinnere mich an die erste Kommentierung unseres Vorschlags oder des Vorschlags Ihres Koalitionspartners SPD – den gab es auch vor ein paar Wochen –, da war es Ihr haushaltspolitischer Sprecher Wechselberg, der von einem besonderen Beispiel des Populismus sprach, den man sich in diesen Zeiten nicht leisten könne. Insofern fehlten Ihnen wohl eher die Mehrheiten in Ihrer Fraktion als die politischen Mehrheiten hier im Hause.
Frau Dr. Barth, möchten Sie erwidern? – Das ist nicht der Fall. Dann fahren wir fort. Nun hat Frau Senftleben für die Fraktion der FDP das Wort. – Bitte schön!
Vielen Dank, Herr Präsident! – Es ist schon komisch, wenn man bei diesem Thema den Verstand einschaltet. Herr Zimmermann hat eben die „taz“ gelesen. Die „taz“ ist in der Tat keine liberale Hauspostille, aber heute war in der „taz“ – entgegen allen anderen Jubelnachrichten – unter der Überschrift „Das große Versprechen“ zu lesen, dass die Berliner Linke nun die alte Forderung nach einem kostenlosen Kitajahr „ausgerechnet drei Tage vor der Wahl neu auflegt“.
Und klar: Der Eindruck entsteht auch bei mir – ich gestehe es –, dass hier kurz vor der Wahl noch einmal die Trommel geschlagen wird. Offensichtlich, Frau Dr. Barth, sehen Sie das nicht ganz anders. Jetzt frage ich die Grünen und die Kollegen von SPD und Linken: Geht es um das Wohl der Eltern, der Kitas, der Kinder? Oder wollen Sie vielleicht in dieser heißen Phase des Wahlkampfs ein wenig populistischen Staub aufwirbeln?
Vergessen wir doch nicht, wie die rot-rote Kitapolitik in den letzten Jahren ausgesehen hat, teilweise unterstützt von Bündnis 90/Die Grünen. Wer war es denn, der die Kitakostenbeiträge drastisch erhöht hat? – Die PDS mit den Linken!
SPD, sage ich doch! – Aber, liebe Frau Dr. Klotz, die Abschaffung der Vorklassen – – Die SPD mit den Linken! Die heißen jetzt Linke.PDS.
Okay, vergessen wir es! – Bei der Abschaffung der Vorklassen, verehrte Frau Dr. Klotz, waren Sie dabei. Das war die SPD mit den Linken. Jetzt haben wir es richtig gemacht. Vielen Dank, dass Sie so nett waren! –
Und es waren eben auch die Grünen, die jetzt die Kostenfreiheit fordern, die sich dafür eingesetzt haben, dass diese kostenfreien Vorklassen abgewickelt wurden. So muss man es ganz klar sagen. Gerade diese Vorklassen waren für viele Kinder wichtig – das wissen wir alle –, insbesondere für jene aus sozial schwächeren Elternhäusern.
Wir, die FDP, wollte die Beibehaltung der Vorklassen. Wir wollten die Weiterentwicklung der Vorklassen hin zu einer verbindlichen Startklasse, und das schon damals. Ich freue mich sehr, Herr Nolte, dass Sie das Wort Verbindlichkeit in den Mund genommen haben. Ich empfehle Ihnen, dass Sie jetzt nicht einen Schritt vor und zwei zurück gehen, sondern dass wir versuchen, ein gemeinsames Konzept auf den Tisch zu legen. Denn es geht um die Qualität in der vorschulischen Bildung. Da sind wir uns hier alle einig.
Es gehen derzeit 92 % der Kinder im Jahr vor der Einschulung in die Kitas. Das passiert trotz nicht unerheblicher Gebührenerhöhungen – das wissen wir auch: Eltern müssen immer tiefer ins Portemonnaie greifen. Die entscheidende Frage muss uns aber umtreiben, wie es uns gelingen kann, Bildungs- und Betreuungsleistungen zu optimieren. Es war doch gerade die PISA-Studie, die uns
hinter die Ohren geschrieben hat, dass wir im vorschulischen Bereich mehr tun müssen, damit die Kinder aus sozial schwächeren Verhältnissen bessere Startchancen haben. Das heißt neben der Quantität muss endlich die Qualität in den Vordergrund gestellt werden.
Bereits jetzt zeichnet sich ab, dass die Berliner Kitas unterfinanziert sind. Das Bezirksamt Lichtenberg weist dementsprechend im Schreiben vom 8. September – es ist noch nicht lange her – darauf hin, dass die „Finanzierung nicht auskömmlich ist“, Bezirksstadtrat Räßler und die PDS-Fraktion fordern daher einen höheren Zuschuss. Schade, dass Herr Sarrazin nicht hier ist, ich kann nur sagen: Dann man los!
Das Ziel der FDP-Fraktion sind bessere Startchancen für unsere Kinder durch mehr Qualität in der vorschulischen Bildung. Das heißt pädagogische Verbesserung statt Verwahrung. Wir haben ein Modell der vorschulischen Bildung vorgestellt, das einen pädagogischen Mehrwert besitzt: die Startklasse. In Zusammenarbeit von Schulen und Kitas werden fünfjährige Kinder altersgerecht auf die Schule vorbereitet. Eine gezielte individuelle Förderung wird Begabungen erkennen. Eine gezielte individuelle Förderung wird Defizite im Sprach-, Entwicklungs- und Kenntnisstand abbauen und den Start in die Schule erleichtern. Die Integration der Kinder ausländischer Mitbürger wird dadurch unterstützt. Lehrer, Eltern und Erzieher arbeiten Hand in Hand, um den Kindern den erfolgreichen Start zu ermöglichen, und so gelingt dann auch die flexible Schulanfangsphase.
Dieses Modell setzt eine Verbindlichkeit voraus. Für alle, die es nicht wissen: Verbindlichkeit heißt entgeltfrei für mindestens 5 Stunden. Alles andere gehört im Augenblick in das Land Utopia, es sei denn, man will die Standards herabsenken, und genau das will ich nicht.
Fazit: Ein kostenfreies Vorschuljahr einzuführen, ist erstrebenswert und auch ein Anliegen der FDP. Die Qualität darf dabei allerdings nicht auf der Strecke bleiben.
Zudem haben wir Zweifel, ob die große Koalition aus Rot-Links und Grün dies alles ernst meint. Wenn ja, unterstützen wir sie. Die letzten Jahre haben leider gezeigt, wofür dieser Senat steht: Gebührenerhöhungen bei Elternbeiträgen, Standardabsenkungen, Abschaffung von Vorklassen. Streuen Sie den Berlinerinnen und Berlinern keinen Sand in die Augen! Bleiben Sie alle auf dem Teppich, trotz Wahlkampf! – Danke!
Danke schön, Frau Kollegin Senftleben! – Das Wort zu einer Kurzintervention hat Frau Jantzen von der Fraktion der Grünen. – Bitte schön, Frau Jantzen!
Herr Präsident! Es ist mir wichtig, ein paar Dinge richtig zu stellen, damit es nicht nachher im Protokoll so steht und nach außen so ankommt.
Die Fraktion der Grünen hat die Verschlechterungen, zu denen es in den letzten Jahren unter Rot-Rot gekommen ist, wie die Reduzierung der Freistellung für die Leitungsaufgaben, die Verschlechterung des Hortschlüssels und die Kitakostenerhöhung, nicht mitgemacht.
Ich nehme Bezug auf die Vorrednerin. Frau Senftleben hat das alles in einen Topf geworfen. – Wir haben mitgemacht – das stelle ich klar, und dazu stehe ich auch –, dass die Vorklassen in den Schulen abgeschafft wurden, weil wir eine klare Trennung zwischen der vorschulischen Bildung bzw. aus unserer Sicht frühen Elementarbildung und der Schule haben wollten, eine klare Verantwortlichkeit, wer für was zuständig ist.
Wir haben in den vergangenen Jahren auch mehrere Anträge gestellt, bei denen es um Qualitätsentwicklungen in den Kindertagesstätten gegangen ist. Dies soll hier noch einmal deutlich gesagt werden. Wir halten nichts davon, Kinder immer früher auf die Schule zu trimmen. Kindertagesstätten haben einen eigenständigen Bildungsauftrag, und den nimmt eine Mehrheit der Tagesstätten in Berlin auch wahr. Das ist wichtig. Wir wollen nicht noch ein weiteres Vorziehen der Schule.
Ich darf mich eigentlich nur auf Frau Senftleben beziehen, aber, Herr Nolte, von dem Pflichtjahr halte ich persönlich nichts. Da gibt es bei uns unterschiedliche Meinungen, und zu den Finanzen hat Herr Schruoffeneger bereits etwas gesagt.