Denn wie sieht die aus? – Stundenausfälle, Stichwort: Desorganisation. Der Finanzsenator hat uns mitgeteilt, die Schüler-Lehrer-Relation sei hervorragend, liege bei 14 oder 16 zu 1, im Prinzip kommen also auf eine durchschnittliche Klassengröße zwei Lehrer. Wieso fällt dann Unterricht aus? – Die Frage ist unbeantwortet geblieben.
Der neue naturwissenschaftliche Unterricht in der Grundschule ist als die große Verbesserung in der Berliner Schule angesprochen worden, wir haben uns damit auseinander gesetzt. Was haben wir gehört? – Bei der Einführung gibt es keine Fortbildung für die Lehrer, keine zusätzliche finanzielle Ausstattung für die Schulen, die können also weder Geräte noch Unterrichtsmaterialien einkaufen. Wie kann das die Verbesserung sein, die grandiose Qualitätssprünge bewirkt?
Wir haben ins Gesetz die Verantwortung der Schule für den Bildungsgang eingeführt, geben ihr aber nicht die Ressourcen. Die Schulen haben zwar die Verantwortung, sie müssen zwar bestimmte Erfolge erzielen, aber sie bekommen keine zusätzlichen Ressourcen. Ist das eine redliche Sache? – Nein, das ist eine Veräppelung der Lehrer vor Ort und der Eltern, die meinen, hier würde sich etwas verbessern. Tatsächlich gibt es aber keine Verbesserung.
Deswegen geht es darum, abweichend von einer Grundsatzdebatte, von PISA, wo in der Tat das getestet wird, wofür vor fünf oder sieben Jahren die Grundlagen gelegt wurden, sich viel stärker mit der Realität des Heute auseinander zu setzen. Wir können es doch nicht zulassen, dass wir eine ganze Schülergeneration versauen, weil wir ihnen sagen, in 15 Jahren, wenn alle durchgewachsen sind, wird es mit der Schule vorangehen, aber ihr habt leider Pech gehabt, für euch konnten wir nichts tun. – So nicht! Wir müssen die Realität im Auge behalten und das Jetzt zu regeln versuchen – weniger Experimente, mehr konkrete Handlungen!
Danke schön, Herr Kollege Goetze! – Nun kommt noch einmal die FDP, und Frau Kollegin Senftleben hat das Wort für drei Minuten. Wir sind heute streng und gerecht.
Herr Präsident! Meine Herren, meine Damen! Herr Böger! Zu dem Thema aktive Schulen: Es ist richtig, dass Sie sagen: Nun macht mal! – Auf der anderen Seite wurden Rahmenbedingungen abgefragt, z. B. wie es um die Elternbeteiligung steht. Hier besteht Frust, die Aktivitäten können nicht richtig ausgelebt werden, da Ihre Verwaltung dafür sorgt, dass eher etwas
über Rundschreiben geregelt wird – und dies fast täg lich –, als dafür, sie in die Freiheit zu entlassen.
Im „Tagesspiegel“ las man kürzlich die Überschrift: „Masse statt Klasse“. Eine harte Formulierung, mit der wir uns auseinander setzen müssen. Es ist richtig, dass wir den Anteil der Abiturienten erhöhen müssen, da wir wissen, dass der Anteil derjenigen, die es können, wesentlich größer ist als die jetzigen 30 % in Berlin. Zum anderen sind wir ein rohstoffarmes Land und müssen mehr in die Köpfe investieren. Das Ziel ist richtig, aber es darf nicht auf Kosten der Leistung passieren. Für unser Land ist zudem nicht hinnehmbar, dass die soziale Herkunft über die Bildungslaufbahn der Kinder entscheidet. Wir dürfen auch diejenigen nicht vergessen, die mit einem mittleren Schulabschluss ihre Laufbahn beenden. Deren Niveau liegt weit unter dem Durchschnitt. Über den Anteil der Schulabbrecher will ich gar nicht reden.
Wir müssen alle besser werden, wir müssen endlich wieder dem Bildungsauftrag gerecht werden, der lautet, jeden nach seinen Begabungen und Fähigkeiten zu fördern, damit er seine Zukunft in unserer demokratischen Gesellschaft meistern kann. Dazu brauchen wir ein Konzept, das von Beginn an greift, und ich will kurz das FDPKonzept benennen, das in einigem übereinstimmt mit dem, was bereits passiert, das aber in den meisten Dingen weitergeht: Wir brauchen eine verbindliche Startklasse mit Vollendung des vierten Lebensjahres. Ein kostenloses letztes Kitajahr reicht nicht. Wir sind uns einig, dass das letzte Jahr kostenlos sein muss, aber wir gehen einen Schritt weiter und fordern die Verbindlichkeit. Wir brauchen einen individualisierten Unterricht, um alle Kinder nach ihren Begabungen zu fördern und zu fordern, eine Grundschule mit verbindlichen Unterrichtszeiten, Ganztagsschulen mit einem qualitativ hochwertigen Bildungsangebot, Kooperationen mit nichtschulischen Bildungsträgern, Wirtschaftsvereinen, Hochschulen. Wir müssen die strukturellen Rahmenbedingungen der Schulen verändern, z. B. Budgetierung, Personalverwaltung, Leistungsanreize für Lehrer und Lehrerinnen endlich umsetzen. Wir brauchen mehr Transparenz und das Recht auf Unterricht.
Die jetzige Politik wird ihrem Bildungsauftrag nicht mehr gerecht, das muss sich im Hinblick auf die Zukunftsfähigkeit unseres Landes ändern.
Danke schön, Frau Kollegin Senftleben! – Nun erhält Herr Kollege Dr. Lindner Gelegenheit zu einer persönlichen Erklärung.
Der liebe Herr Senator Böger hat mich persönlich angesprochen und suggeriert, ich hätte ein Problem mit der Chancengerechtigkeit in unserem Land. Lieber Herr Böger! Für mich ist Chancengerechtigkeit ein ganz elementarer Punkt, vor allen Dingen in den Schulen. Eine Volkswirtschaft, eine Demokratie,
die ihren armen, ärmeren, aber begabten Mitmenschen, Kindern kein adäquates Bildungsangebot macht – –
Herr Kollege Dr. Lindner! Die persönliche Erklärung darf nur der Zurückweisung persönlicher Angriffe dienen, so sagt es die Geschäftsordnung.
Ich muss das ja begründen, Herr Präsident. Es ist unmöglich für mich zu akzeptieren, dass eben suggeriert wurde, ich würde dieses Problem nicht sehen. Es ist umso erstaunlicher für mich, dass gerade Ihre Partei nicht dafür sorgt, dass in Berlin gerade auch für den schlauen Jungen im Wedding,
gerade auch für das schlaue Mädchen in Friedrichshain, gerade auch für unsere schlauen Kinder in Neukölln oder anderswo beispielsweise grundständige Gymnasien angeboten werden
Herr Dr. Lindner! Wir sind uns im Präsidium einig, dass wir keine Fachdebatten bei persönlichen Erklärungen dulden dürfen. Ich bitte Sie, zum Schluss zu kommen, weil die Fachdebatte abgeschlossen ist.
Und deswegen bitte ich Sie, künftig solche Behauptungen zu unterlassen und mit uns gemeinsam dafür zu sorgen, dass alle gerechte Chancen haben, in den Schulen nach oben zu kommen. Das schulden wir unseren Kindern, und deswegen schulden Sie mir auch hier den nötigen Respekt. – Herzlichen Dank!
Zu den vier Anträgen der Grünen – Oberbegriff: Alle Begabungen fördern – Drucksachen 15/4390 bis 15/4393 und dem FDP-Antrag Drucksache 15/4402 empfiehlt der Ältestenrat die Überweisung an den Ausschuss für Jugend, Familie, Schule und Sport. – Hierzu höre ich keinen Widerspruch. Dann verfahren wir so.
Zu dem FDP-Antrag Drucksache 15/4401 wird die Überweisung an den Schulausschuss sowie an den Hauptausschuss empfohlen. Auch hierzu höre ich keinen Widerspruch.
Ich eröffne die I. Lesung. Für die Beratung steht den Fraktionen jeweils eine Redezeit von bis zu 5 Minuten zur Verfügung. Es beginnt die Fraktion der FDP. Das Wort hat Herr von Lüdeke. – Bitte schön!
und hat uns diese Vorlage über das Straßenausbaubeitragsgesetz heute geliefert. Ich hätte es nicht geahnt. Ich habe neulich noch prognostiziert, die werden es gar nicht machen. Also Hut ab, Sie haben es gemacht. Aber was fällt dabei auf? – Am selben Tag titelt der „Berliner Kurier“: „SPD stoppt Straßenbaugesetz. Bürgerproteste. Sogar Senatorin Junge-Reyer plant jetzt eine Entlastung betroffener Anlieger.“ – Das ist wirklich interessant. Kaum präsentieren Sie es, gehen Sie inhaltlich schon selbst wieder auf Distanz. Das kann lustig werden mit Ihrem Gesetz, mit dem Sie eigentlich nur die Leute abzocken wollen.
Warum gerade jetzt? Warum machen Sie das jetzt? – Weil es Ihre letzte Möglichkeit ist. Wenn Sie es noch durchkriegen wollen, können Sie es doch nur jetzt durchkriegen. 2006 ist Wahljahr, da werden Sie es nicht wagen, es durchzusetzen. So sieht das aus.
Ganz nebenbei: Wir haben recherchiert, gibt es irgendeinen in der Stadt, eine Kammer, einen Verband, gibt es eine Institution, die sagt: Diesen Gesetzentwurf finden wir gut? – Wir haben niemanden gefunden. Stellen Sie sich vor: Niemand war da, der Positives über dieses Gesetz gesagt hat. Herr Hoff wird gleich das Gegenteil behaupten und sagen, er hat einen.