[Liebich (Linkspartei.PDS): Das ist doch albern! Sie machen eine Mehrwertsteuererhöhung und reden jetzt über das Straßenausbaubeitragsgesetz!]
Das ablehnende Votum des Rats der Bürgermeister ist eindeutig und geht an Ihre Adresse. Das Gesetz will niemand.
Sie haben es in der Hand, es zu ändern, Herr Liebich! – Es ist im höchsten Maße bürgerfeindlich und soll nur dazu dienen, der katastrophalen Kassenlage abzuhelfen. Faktisch handelt es sich um eine riesige Steuererhöhung, wo ja ohnehin Steuermittel für den Bau und die Reparatur von Straßen verwendet werden.
Wir haben bereits mehrfach leidvolle Erfahrungen mit dem rot-roten Senat gemacht. Wer sich auf Sie verlässt, der ist sicher verlassen.
So fühlen sich die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer bei Samsung, Siemens, JVC und ganz aktuell beim Baumaschinenhersteller CNH in Spandau. Berlin droht der akute Verlust mehrerer Tausend Arbeitsplätze, und besonders schwer trifft es das Samsung-Werk im strukturschwachen Oberschöneweide, weil die zuständigen Senatoren und allen voran der Regierende Bürgermeister sich nicht um die betroffenen Unternehmen im Vorfeld gekümmert haben.
[Hoff (Linkspartei.PDS): Quatsch! – Brauer (Linkspartei.PDS): Was reden Sie denn! – Weitere Zurufe von der Linkspartei.PDS]
Diese Unternehmen fühlen sich von Ihnen, Herr Wolf und Herr Wowereit, in Stich gelassen, und offensichtlich haben Sie den Kampf gegen die Arbeitslosigkeit aufgegeben und orientieren sich mittlerweile an der Aussage von Finanzsenator Sarrazin, der behauptet, man müsse sich mit einer Sockelarbeitslosigkeit von 15 bis 17 % abfinden. Besonderns ärgerlich wird es dann, wenn das Kind in den Brunnen gefallen ist: Sie stellen sich als erste in die Reihe der Protestierenden. Das kommt zwar medial gut an, hilft den Betroffenen aber nur wenig. Besser wäre es, wenn der rot-rote Senat im Vorfeld seiner Verantwortung nachkäme und seine Hausaufgaben machte.
Herr Wowereit wird mittlerweile auch aus der eigenen Partei für sein mangelndes Engagement kritisiert. So wirft Herr Benneter dem Regierenden Bürgermeister vor, immer schnell mit einem Spruch dabei zu sein, und fordert Herrn Wowereit auf, sich endlich um Berlin zu kümmern.
Die CDU-Fraktion unterstützt ausdrücklich die Protestaktionen – das haben wir auch schon einige Male dokumentiert –
[Liebich (Linkspartei.PDS): Das kommt zwar in den Medien gut, Herr Dietmann, aber ob das wirklich etwas bringt? Ich darf Sie an Ihre eigene Rede erinnern!]
der Arbeiter, Angestellten und Auszubildenden der Firma Samsung. Die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer dürfen in diesen schwierigen wirtschaftlichen Zeiten nicht allein gelassen werden. Mit der Werkschließung von Samsung stehen mindestens 2 050 weitere Arbeitsplätze bei Zulieferern, die zum Teil auf dem gleichen Firmengelände ansässig sind, auf dem Spiel. Seit Wochen liegen Vorschläge der Berliner CDU auf dem Tisch, einen Jobgipfel zusammen mit Vertretern aus Politik, Wirtschaft und Gewerkschaften durchzuführen oder etwa eine Task Force für Unternehmen zu installieren, die von Schließung bedroht sein könnten. Im Übrigen ist das ein Vorschlag, der auch vom Deutschen Gewerkschaftsbund getragen wird.
Herr Wowereit! Kommen Sie endlich aus der Reserve, und legen Sie einen Plan zur Bekämpfung der Massenarbeitslosigkeit vor, wenn Sie schon den von uns vorgeschlagenen Jobgipfel ablehnen! Dass Ihr Wirtschaftssenator es nicht kann, müssen wir wohl hinnehmen. Harald Wolf verwaltet, aber er gestaltet nicht, er macht keine Wirtschaftspolitik, sondern er bleibt ein visionsloser Bürokrat mit zweifelhafter Wirtschaftskompetenz.
Bei mehr als 5,2 Millionen Arbeitslosen in Deutschland und rund 300 000 allein in Berlin muss es unsere wichtigste Aufgabe sein, an der Lösung dieses Problems zu arbeiten. Dabei müssen wir uns klar machen, welche
Maßnahmen wir auf Landesebene ergreifen können; auch Arbeitgeber und Gewerkschaften stehen dabei in der Pflicht, gemeinsam an einem Strang zu ziehen.
Kapitulation und Resignation sind die falsche Antwort. Was die Stadt jetzt braucht, sind Politiker, die endlich der Arbeitslosigkeit den Kampf ansagen. – Vielen Dank!
Danke schön! – Für die Linkspartei.PDS hat nunmehr Herr Abgeordneter Hoff das Wort. – Bitte schön, Herr Hoff!
Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Der Finanzsenator hat sich in dieser Woche als „gefühlter Bildungssenator“ bezeichnet. Mit Herrn Dietmann hatten wir gerade einen gefühlten Wirtschaftspolitiker am Redepult. So uninspiriert habe ich Sie, Herr Dietmann, selten erlebt. Dass das nicht Ihre eigene Rede gewesen ist, ist klar. Normalerweise halten Sie Reden nach dem Motto: Auf einen groben Klotz gehört ein grober Keil.
Diese Rede heute war jedoch so unglaublich langweilig und dazu auch noch mit Falschaussagen gespickt. Eine solche Rede zu halten, dazu gehört Dreistigkeit. Zu behaupten, der Wirtschaftssenator und der Regierende Bürgermeister kümmerten sich bei angedrohten Firmenschließungen nicht sofort, obwohl sie sofort Kontakt zu den Konzernführungen aufnehmen, Gespräche mit allen Beteiligten führen und in diesen Haushalt einen Betriebsrätefonds eingeführt haben, um die Möglichkeit zu eröffnen, dass die Beschäftigten selbst an Lösungen für bedrohte Unternehmen mitarbeiten können, das ist ungehörig und aus der Luft gegriffen. So etwas können Sie nur ablesen, denn ansonsten hätten Ihnen die Ohren klingen müssen, so rot waren sie ob der nicht unbedingten Wahrheit, die Sie zum Ausdruck gebracht haben.
Ich habe mich sehr darüber gefreut, dass Herr Matz hier gesprochen hat. Er hat aus meiner Sicht gezeigt, dass Sozialismus und Liberalismus zwei Seiten der gleichen Medaille sind.
Insofern bin ich immer froh, wenn ein Liberaler als Sozialdemokrat spricht und versucht, einen entsprechenden Begriff in das Plenum einzubringen. Herr Matz hat aus meiner Sicht etwas deutlich gemacht, was Herr Lindner noch lernen muss: dass man sich sein wirtschaftspolitisches Wissen nicht aus der Sendung „Sabine Christiansen“ holt, sondern versuchen muss, sich besser zu informieren. Ihr Referenzbeispiel war, dass Sie Hermann Otto Solms zum Geburtstag gratuliert haben und ansonsten ab
und zu „Christiansen“ schauen. Das reicht für eine Aktuelle Stunde im Abgeordnetenhaus nicht aus, auch wenn Sie sich eigentlich für den Bundestag berufen fühlen. Es muss ein wenig mehr kommen!
Sie sollten sich vielleicht neben Österreich als Referenzbeispiel, was Sie vielleicht gerade bei „Christiansen“ gesehen haben, damit auseinander setzen, wie Wirtschafts- und Finanzpolitik in Großbritannien sowie den Vereinigten Staaten in den 90er Jahren ausgesehen hat. Dort hat es eine deutliche Ausweitung der Staatsverschuldung sowie der Staatsquote gegeben. Dieses Geld ist investiert worden. Dadurch wurde erreicht, dass beispielsweise in Großbritannien Ende der 90er Jahre die entsprechende Verschuldungsquote unter die 3-%-Kriterien des Maastricht-Vertrages gesenkt wurde. Sie sollten sich das einfach einmal anschauen. Ihre Aussage, die Sie hier frank und frei gemacht haben, dass nur die Angebotspolitik Deutschland wirtschaftlich voranbringen würde, wird ad absurdum geführt.
Wir haben im März dieses Jahres schon einmal über einen von Ihnen beantragten Tagesordnungspunkt diskutiert. Ich habe Ihnen schon damals gesagt, dass Ihr wirtschaftspolitisches Verständnis, dass nur die Angebotspolitik hilfreich sei, dem Horizont einer zweidimensional denkenden, knieenden Ameise entsprechen würde. Das haben Sie heute auch wieder bewiesen. Höher als das geht der Horizont nicht heraus. Das ist ein Problem.
Die Reden, die sowohl Herr Matz als auch Herr Dietmann gehalten haben, haben mich an eine andere große Koalition, die, die wir seit 1990 in Berlin hatten, erinnert. Seit 1995 habe ich das auch erlebt. Es ist eine Tatsache, dass immer nur eine Partei klatscht, während die andere Partei, mit der jetzt in diesem Fall auf Bundesebene koaliert wird, mit verschränkten Armen dasitzt und hofft, dass der andere Redner bald vorbei ist. Dieser großen Koalition, der man anmerkt, dass „zusammenwächst, was zusammengehört“, wünsche ich auf Bundesebene viel Erfolg. Dieses Beispiel haben wir in Berlin über viele Jahre hinweg gesehen. Die beiden Parteien, die relativ wenig miteinander zu tun haben und glauben, dass sie nur die Vernunft zusammenzwingt, haben heute hier wieder Reden gehalten.
Sie haben gesagt, Herr Dietmann, nur die Union sei im Wahlkampf ehrlich gewesen und würde das heute noch vertreten, was sie im Wahlkampf gesagt hat. Das stimmt nicht ganz! Auch wir als Linkspartei haben im Wahlkampf eine Politik der Binnennachfrage und der Nachfrageökonomie vertreten, ganz im Unterschied zu Herrn Dr. Lindners Verständnis. Wir haben bei der Angebotsökonomie deutlich gemacht, dass wir grundsätzlich über eine notwendige Neuausrichtung der Wirtschaftspolitik diskutierten wollen und für einen wirtschaftspolitischen Kurswechsel im Sinne von gerechter Steuerpolitik mehr Investitionen und eine Stärkung der Binnennachfrage eintreten.
Da bin ich bei zwei zentralen Punkten, über die wir hier reden. Der erste Punkt ist die Mehrwertsteuer. Es ist zu Recht von Herrn Dr. Lindner die Mehrwertsteuererhöhung kritisiert worden. Es ist auch sehr tapfer von Herrn Matz deutlich gemacht worden, dass man sich als Sozialdemokrat dieser Mehrwertsteuererhöhung im Rahmen der Finanzverhandlungen auf Bundesebene gebeugt hat, obwohl man im Wahlkampf eine andere Position vertreten hat. Da war Herr Matz ziemlich ehrlich. Es wäre auch ganz nett gewesen, wenn Sie als Partner der großen Koalition vielleicht einmal ein wenig geklatscht hätten. Tapfer genug war er ja.
Wenn man sich die Mehrwertsteuer einmal ansieht, muss ich mich an Herrn Matz wenden, wieder von Sozialist zu Liberalem im Herzen, und damit zwei Liberalen, dass die Mehrwertsteuererhöhung aus Sicht der Wirtschaftspolitik nicht förderlich sein kann. Wer wird von der Mehrwertsteuererhöhung am Meisten bestraft? – Das sind die Unternehmen, die im Wettbewerb stehen. Es sind kleine und mittlere Unternehmen. Was ist die Folge davon? – Sie können nicht nur die Kosten nicht abwälzen, was zu Preiserhöhungen führt, sondern es wird auch zu einer Konzentration in Unternehmensbereichen führen, weil Unternehmen durch die Mehrwertsteuererhöhung Pleite gehen werden.
Was regen Sie sich eigentlich so auf? Ich rede gerade im Sinne von liberaler Politik. Was wollen Sie eigentlich?
Ich wende mich noch einmal an Sie! Ich verstehe gar, warum Sie sich so aufregen, wenn ich sage, dass man als Liberaler doch nicht dafür sein kann, dass es durch die Mehrwertsteuererhöhung zu einer Konzentration in Wirtschaftsbereichen kommt. Ich kann nicht verstehen, warum Sie sich so aufregen!