Protokoll der Sitzung vom 09.03.2006

Frau Präsidentin! Frau Fugmann-Heesing! Sie haben natürlich Recht. Es gibt viele mittelfristige Absicherungen. Hier haben wir eine Absicherung, die in der Summe für die Jahre 2005 bis 2009 beschrieben ist. Was es aber nicht gibt, ist eine Formulierung, die im Protokoll steht – das Protokoll ist Teil des Vertrages –:

Sollte es zu keiner Einigung der Vertragsparteien über den Gesamtzuschuss kommen, gilt der Betrag des vorangegangenen Zeitraums fort.

Ich sage noch einen zweiten Satz, weil Sie die elf Professuren angesprochen haben. Ich hatte es auf meiner Liste, aber die Zeit war leider vorbei. Das ist auch eine Regelung, die man vielleicht nach fünf oder sechs Jahren überprüfen muss. Das sieht dieser Vertrag aber nicht vor. Es ist das gleiche Problem, das wir in den letzten zehn Jahren mit dem gemeinsamen Protokoll immer hatten. Das ist die Frage der Kündbarkeit und Neuverhandlungsmöglichkeit. Wir haben hier wieder die Regelung, bei der auch die Senatsverwaltung sagt, dass es nicht neu verhandelbar und kündbar ist, wenn die andere Seite nicht will.

[Gaebler (SPD): Es gibt aber keine Dynamisierung!]

[Gaebler (SPD): Aber nicht ab 2010!]

Die Fußnote heißt:

Gemäß Schlussprotokoll zu Artikel 4 letzter Satz unterliegt dieser Beitrag den Besoldungsanpassungen.

Was ist das anderes als eine Dynamisierung? So etwas hat niemand anderes. Er unterliegt dauerhaft.

Ich möchte noch einen letzten Satz anfügen, weil wir noch eine andere Debatte in der Stadt im Moment hatten.

[Gaebler (SPD): Sie wollen den Staatsvertrag ablehnen. Sie können nur zustimmen oder ihn ablehnen. Sagen Sie, was Sie wollen!]

Was regen Sie sich eigentlich so auf, Herr Kollege? Das werden wir nach den Ausschussberatungen sehen, was wir damit machen. Vielleicht sind wir auch noch in der Lage, einige datenschutzrechtliche Dinge im Zusammenarbeit mit dem Datenschutzbeauftragten zu klären.

Ich komme zu einem letzten Punkt. Gemeinsam mit den Kirchen muss noch das unsägliche Problem der Kirchensteuerpflicht für diejenigen, die vor zehn oder fünfzehn Jahren irgendwo im Bundesgebiet ausgetreten sind, geregelt werden, wenn wir das alles tun und auch die Kirchensteuerstellen über die Finanzverwaltung mitregeln. Diese Debatte hatte in den letzten Wochen sehr viel Presseöffentlichkeit. Was dort gegenüber den Bürgern geschieht, nutzt auch der Kirche nichts. Das ist ein Stück

Einige von uns waren in der letzten Woche bei der Unterzeichnung dieses Vertrages in der Nikolaikirche. Das war eine sehr würdige Veranstaltung. Allerdings hätte der Rahmen noch deutlich würdiger sein können, wenn der Kirchenstaatsvertrag nicht einige erhebliche Makel aufgezeigt hätte. Das kam auch in den Reden, insbesondere in der des Bischofs, zum Ausdruck. Wichtige Themen wurden behandelt, von Erwachsenenbildung über Denk

malpflege und Feiertagsschutz bis zu diakonischen Einrichtungen. Dagegen haben wir gar nichts einzuwenden. Das ganze Papier ist aber ein Kompromiss zwischen dem Senat und der Kirche, ein Kompromiss, der auch von der Evangelischen Kirche getragen wird. Er ist deshalb nur ein Kompromiss, weil wichtige Fragestellungen ausgekoppelt werden.

Da ist zum einen die Stellung der Theologischen Fakultät und der dort tätigen Professoren. Ich bin sehr froh, dass es gelungen ist, die Evangelisch-Theologische Fakultät zu erhalten. Nach einigen Vorstellungen von Seiten des Senats wäre offensichtlich auch diese Fakultät in Frage gestellt gewesen und vielleicht sogar abgewickelt worden oder woanders aufgegangen. Das ist glücklicherweise nicht geschehen. Ich hoffe nach den neuen Konstellationen an der Humboldt-Universität und der Aufwertung durch den neuen Präsidenten, dass diese Fakultät auch entsprechend arbeiten kann und mit den jetzt zur Verfügung stehenden elf Professoren das leistet, was wir von ihr erwarten.

Anders als Frau Fugmann-Heesing sehe ich diese elf Professoren allerdings nur als die Untergrenze dessen, was eine theologische Fakultät noch arbeitsfähig halten kann. Sie wissen, wir haben auch im Ausschuss darüber gestritten. Wir haben immer 15 Professoren gefordert. Der Senat hat dann irgendwann zehn gesagt. Dann hat man sich auf elf geeinigt.

weit bürokratischer Blödsinn und Schikane der Leute. Das muss endlich ein Ende haben. Das sollten wir in dem Zusammenhang auch mit der Kirche regeln.

[Beifall bei den Grünen – Vereinzelter Beifall bei der PDS]

Danke schön! – Frau Fugmann-Heesing, möchten Sie erwidern? – Gut, dann haben Sie jetzt die Möglichkeit dazu.

Ich mache es ganz kurz. Ich möchte nur einen Hinweis geben, Herr Schruoffeneger, um Ihre datenschutzrechtlichen Bedenken auszuräumen. Ich habe mir sagen lassen, dass genau diese Regelung wortwörtlich aus dem Meldegesetz übernommen worden ist. Dann sollten Sie das Meldegesetz in Frage stellen.

Meine Frage an Sie ist – nachdem Sie jetzt hier wieder vorgetragen haben –, ob Sie dem Vertrag zustimmen oder ihn ablehnen wollen. Änderungen des Vertrages sind nicht möglich. Vor dem Hintergrund müssten Sie sich schon klar positionieren und den Menschen in der Stadt keinen Sand in die Augen streuen. Sagen Sie klar, was Sie wollen! Dann können wir politisch damit umgehen.

[Beifall bei der SPD und der FDP]

Danke schön! – Für die CDU-Fraktion hat jetzt Herr Apelt das Wort. – Bitte sehr!

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Ich bin ein wenig erschrocken – –

Darf ich darauf hinweisen, dass Herr Apelt das Wort hat, auch wenn es hochinteressante interfraktionelle Diskussionsrunden geben mag.

Danke schön! – Ich bin ein wenig erschrocken über die ersten Wortmeldungen und habe mich gerade auch bei der Wortmeldung von Herrn Schruoffeneger gefragt, ob Sie sich jetzt an die Spitze der Bewegung setzen, wenn es um den Kirchenkampf geht. Ich weiß nicht, was Sie „geritten“ hat, die Lanze gegen die Kirche in einem Maße zu zücken, die nach meinem Dafürhalten überhaupt nicht angemessen ist. Man kann vielleicht Details des Vertrages kritisieren, aber was Sie gegen die Kirche vortragen, fand ich nicht angemessen, auch nicht angesichts der Bedeutung eines solchen Vertrages.

[Beifall bei der CDU und der FDP – Vereinzelter Beifall bei der SPD – Zurufe von den Grünen]

[Sen Dr. Flierl: Hochschulsachen!]

Viel schlimmer und für uns unbefriedigender ist für uns die Situation um den Religionsunterricht, der wegen der unveränderlichen Position von Senat und Kirche wohlweislich aus dem Vertragstext ausgegliedert wurde. Es kann keine Frage sein, dass die CDU-Fraktion hier klar auf der Seite der Kirchen steht, die ein ordentliches Unterrichtsfach Religion wünschen, von uns aus auch als Alternative zum Ethikunterricht.

[Beifall bei der CDU – Vereinzelter Beifall bei der FDP]

Wir werden auch an der Seite der Kirchen stehen, wenn es darum geht, gegen ein Schulgesetz Front zu machen, das diesen von so vielen Menschen gewünschten Religionsunterricht ignorieren will. Wir treten nicht aus Selbstzweck für diesen Unterricht ein. Es leben schließlich – auch Herr Schruoffeneger muss das zur Kenntnis nehmen – über eine Million Menschen in dieser Stadt, die sich zu einer der großen Kirchen und zum christlichen Glauben bekennen. Die Zahl der Teilnehmer am Religionsunterricht ist steigend, selbst in den vermeintlichen atheistischen Hochburgen im Ostteil der Stadt. Seit Jahren führen wir die Diskussion, seit Jahren kämpfen wir – manchmal mit, manchmal ohne Herrn Böger, manchmal mit, manchmal ohne Herrn Müller von der SPD-Fraktion – für eine Regelung, die den Religionsunterricht ermöglicht. Die Auffassung geht offensichtlich quer durch alle Parteien, und ich bin sicher, dass wir alle, egal, welcher Partei wir angehören, diesen Unterricht immer auch als Teil unseres christlich-abendländischen Selbstverständ

nisses begriffen haben. Das mag für mich als bekennender Christ leichter zu sagen sein. Aber haben nicht alle Menschen eine Sehnsucht nach Werten in einer immer komplizierter werdenden Welt, in einer Welt der individuellen Isolierung, der Orientierungslosigkeit und fehlenden Identitäten? Hier genau wollen wir gern ansetzen, fern von jeder Ideologie, die an dieser Stelle wenig nützt.

Der Kirchenstaatsvertrag ist ein Kompromiss. Wir werden ihm trotz großer Bedenken zustimmen und hoffen, dass damit ein Anfang verbunden ist, sich auch in dem noch strittigen Punkt Religionsunterricht aufeinander zu zu bewegen. – Ich danke Ihnen!

[Beifall bei der CDU – Vereinzelter Beifall bei der FDP]

Danke schön! – Für die Linkspartei.PDS hat das Wort der Abgeordnete Brauer.

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Bei Johannes 2,14 findet sich die wunderbare Geschichte von der Reinigung des Tempels durch Christus.

[Hoffmann (CDU): Ausgerechnet Herr Brauer!]

Ich zitiere:

Und er fand im Tempel sitzen, die da Ochsen, Schafe und Tauben feil hatten, und die Wechsler. Und er machte eine Geißel aus Stricken und trieb sie alle zum Tempel hinaus (...) und sprach zu denen, die die Tauben feil hatten: Traget das von dannen und macht nicht meines Vaters Haus zum Kaufhause!

Damit sind wir bei den Kernpunkten des heute zu diskutierenden Vertrages.

Ich rede nicht davon, dass die Beziehungen zwischen Staat und Glaubensgemeinschaften auf eine sachliche und kooperative Basis zu stellen sind. Das stellt niemand von uns in Frage. Ich rede nicht davon, dass gläubige Menschen von staatlicher Seite nicht nur Toleranz, sondern auch den uneingeschränkten Schutz ihrer Glaubensausübung zu beanspruchen haben. Auch das stellt niemand von uns in Frage, angesichts der Erfahrungen in der DDR schon gar nicht. Ich rede über das Kaufhaus. Ich rede davon, dass sich die übergroße Mehrheit der Vertragsparagraphen explizit auf finanzielle Forderungen und Privilegien bezieht. Dafür allerdings gibt es transparente und dem Haushaltsgesetzgeber zustehende Instrumentarien, der sich alle anderen Zuwendungs- und Zuschussempfänger unterwerfen müssen. Das hat auch Sinn. Für mich stellt sich die Frage, weshalb diese Privilegierung zwingend staatsvertraglich geregelt werden muss – ich sage, für mich stellt sich diese Frage.

Kollege Schruoffeneger hat bereits eine Antwort rekapituliert – die Sache mit der Säkularisation des Jahres 1803. Gemeint ist der Reichsdeputationshauptschluss vom 25. März 1803. Dieser regelt aber keine Entschädigungen an die Kirchen, er regelt hauptsächlich individuell

zugeschnittene Abfindungen an einzelne Kirchenfürsten, an Personen, nicht an Institute. Das macht einen erheblichen Unterschied. Das für kirchliche Aufgaben vorgesehene Vermögen tastet der Hauptschluss übrigens nicht an. Nur scheint kaum jemand dieses Dokument gelesen zu haben. Zitiert werden meist kirchenhistorische Handbücher, aber diese haben in dieser Frage allenfalls den Wert von Gefälligkeitsgutachten. Man sollte etwas genauer lesen. Die für karitative, bildungspolitische und seelsorgerische Zwecke genutzten Besitzungen der Kirchen wurden seinerzeit ausdrücklich ausgenommen. Ich zitiere § 63 des Hauptschlusses – hören Sie bitte genau zu:

Die bisherige Religionsausübung eines jeden Landes soll gegen Aufhebung und Kränkung aller Art geschützt seyn; insbesondere jeder Religion der Besitz und ungestörte Genuß ihres eigenthümlichen Kirchengutes, auch Schulfonds nach der Vorschrift des Westphälischen Friedens ungestört verbleiben.

So die damaligen Festlegungen. Übrigens waren die Kanzlisten des Immerwährenden Reichstages vorsichtig. § 76 des Reichsdeputationshauptschlusses enthält hinsichtlich der Zahlungsverpflichtungen der Landesherren den Einschub: „soweit diese Einkünfte reichen“. Das nennt man heute Haushaltsvorbehalt. Ich weiß nicht, warum wir der Weisheit der damaligen Reichsbeamten nicht Folge leisten sollten.

Es stellt sich allerdings die Frage, weshalb die Entscheidungen des Heiligen Römischen Reiches Deutscher Nation verfassungsrechtlich bindend für die Bundesrepublik sein sollten. Mit genau demselben Recht könnte sich Frau Senatorin Schubert auf die Peinliche Halsgerichtsordnung Kaiser Karls V. berufen. Aber ich weiß, sie wird es nicht tun. – Ich warte jetzt nur noch darauf, dass der Vatikan, wenn man diesem Rechtsverständnis folgt, per Konkordat vom Lande Berlin die Wiedergutmachung der zur Reformationszeit erlittenen Schäden einfordert.

Aber lassen wir die Historie. Zu einigen scheinbar kleinen Detailfragen. Erstens: Artikel 5 des Kirchenstaatsvertrages – Religionsunterricht –, vor allem die Festlegungen des Schlussprotokolls, tangieren das neue, bewusst bekenntnisneutral angelegte Ethikfach deutlich. Ich stelle daher – auch angesichts der kommenden Vereinbarungen mit anderen – die Frage, ob sich dieser Ansatz noch durchhalten lässt.

Zweite Frage: Ich möchte gern wissen, inwiefern die Artikel 17 und 18 – Kirchensteuerrecht und Kirchensteuerverwaltung – sowie Artikel 25 – Meldewesen – mit der Datenschutzgesetzgebung des Landes Berlin kollidieren. Die Kirche erhält Zugriffsrecht auf Daten von Nichtkirchenmitgliedern!

Drittens – auch das eine spannende Frage –: Inwieweit wird beabsichtigt, mit anderen Zuschuss- und Zuwendungsempfängern Vertragsabschlüsse mit erheblichen finanziellen Langzeitwirkungen und immerwährendem Charakter abzuschließen? Die Beantwortung dieser Fra

Ich habe ihn nicht verstanden, obwohl ich ihm zugehört habe, aber er wird uns ja sicherlich im Ausschuss die Gelegenheit geben, ihn nachvollziehen zu können. – Entweder wollen wir einen Staatsvertrag, wie ihn fast alle anderen Bundesländer auch haben, um Normalität eintreten zu lassen, oder wir wollen keinen Staatsvertrag und bleiben bei den Provisorien, die wir haben: abschließende Protokolle, die im schlimmsten Fall – wie wir es im vorletzten Jahr erlebt haben – gerichtlich geregelt werden mussten, weil die Evangelische Kirche sagte: Hier gibt es Ausle

gungen, denen wir uns nicht anschließen können. – Wenn wir dieses Provisorium beenden wollen, dann ist der Staatsvertrag in der Form – auch geschichtlich gesehen – die adäquate Form. Das können Sie dort auch wunderbar nachlesen. In der Kurzfassung steht es drin.