Beides noch! Wunderbar! Dann hätten wir in der Tat eine Konkurrenzsituation. Dann könnte Königs Wusterhausen vor unseren Stadtgrenzen sagen: „Wir verzichten ganz auf die Einkommensteuer oder nehmen nur 10 %, wenn ihr alle zu uns kommt.“ – Aber wir hätten die Infrastrukturkosten zu tragen. Das System kennen wir aus der Schweiz, aber das möchte ich in Deutschland nicht haben. Herr Lindner! Gott sei Dank, da unterscheiden wir uns voneinander.
[Beifall bei der SPD, der Linkspartei.PDS und den Grünen – Dr. Lindner (FDP): Das haben Sie bei der Gewerbesteuer auch schon!]
Bei der Gewerbesteuer haben wir den Gewerbesteuerhebesatz, und den wollen Sie ja abschaffen. Sie wollen ganz auf die Gewerbesteuer verzichten. Das ist aus Ihrer liberalpolitischen Sicht vielleicht in Ordnung. Aus unserer Sicht ist die Gewerbesteuer das Kernelement der Finanzierung der Kommunen. Wenn man es abschaffen will – darüber könnte man theoretisch reden –, dann muss man einen adäquaten Ersatz dafür schaffen, damit die Kommunen nicht Pleite gehen.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Wir haben heute als Priorität das Thema „Sonderprogramm Straßensanierung“ auf die Tagesordnung setzen lassen. Das ist eines der unbewältigten
Schlüsselthemen, die uns immer wieder begegnen. Sie kommen alle Jahre wieder – fast automatisch: ob Hundekot, worüber wir gestern gesprochen haben, oder Straßenzustand! Diese Themen sind nicht bewältigt, und das zeigt sich besonders nach einem harten Winter wie dem, den wir jetzt gerade hatten. Wenn der vorbei ist, werden die Schlaglöcher sichtbar.
Eins kann man jetzt schon sagen: Berlins Straßen sind so marode wie nie zuvor. Der Senat hat auch in Bezug auf den Straßenzustand völlig versagt und weiß – auch der Finanzsenator weiß es genau –, dass hierbei ein Bugwelle von Investitionen vorneweggeschoben wird. Das ist eine von den vielen Bugwellen, die Sie nicht bewältigt haben und die Sie gerade noch über den nächsten Wahltermin wegschieben wollen. Der Landesrechnungshof hat festgestellt, dass der Unterhaltungsrückstau für die Berliner Straßen zurzeit bei ca. 450 Millionen € liegt. Das ist eine dramatische Zahl. Die Antwort des Senats auf diesen Vorwurf des Landesrechnungshofes ist eher eine Art Notpflaster. Sie nennen das „Sonderprogramm mit zweckgebundenen Sonderzuweisungen für die Bezirke zum Straßenunterhalt“. Das Volumen dieses Sonderprogramms für die Jahre 2005 und 2006 beträgt insgesamt jeweils 5 Millionen €. Ich hebe das noch einmal hervor: 450 Millionen € Unterhaltungsrückstau und jährlich 5 Millionen € als Sonderprogramm!
Ich komme zur Gesamtbewertung: Die Gesamtbewertung führt bei mir zu dem Schluss, dass nicht alle Wünsche erfüllt werden konnten. Das Thema „Neuordnung der Länder“ ist von vornherein ganz ausgeklammert worden. Herr Lindner! Das kann man bedauern, aber man muss auch zur Kenntnis nehmen, dass es zurzeit keine Mehrheit gefunden hätte – weder im Bundesrat noch im Bundestag. Die Finanzfragen – das haben wir vorhin geklärt – werden in der Kommission noch einmal besprochen. Auch das kann man bedauern. Aber mir ist lieber, dass wir nicht alles überfrachten und zu Einzelergebnissen kommen, als dass wir das Ganze scheitern lassen.
Wir werden einen Zuwachs an Kompetenzen bekommen. Ich glaube auch nicht, dass kleine Länder Angst haben müssen, dass sie nicht in der Lage sind, Gesetzestexte allein zu machen oder eine überzeugende Politik für ihre Bürgerinnen und Bürger zu betreiben. Jedenfalls sind wir hier im Land Berlin dazu in der Lage. Deshalb kann man ruhigen Gewissens dieser nennenswerten Reform, die das erste große Reformprojekt der neuen Koalition im Deutschen Bundestag ist, zustimmen. Damit erhalten wir einen Zuwachs an verbesserten Entscheidungsmöglichkeiten für die Bürgerinnen und Bürger des Landes Berlin. – Ich bedanke mich für Ihre Aufmerksamkeit.
Ich frage die Fraktionen, denen noch Redezeit verblieben ist, ob sie diese in Anspruch nehmen. – Das ist nicht der Fall. Es liegen keine weiteren Wortmeldungen vor. Die Aktuelle Stunde hat damit ihre Erledigung gefunden.
Strukturentscheidungen zur Haushaltssanierung (12) – ein ‚Sonderprogramm Straßensanierung’ für Berlin
Für die Beratung steht den Fraktionen jeweils eine Redezeit von bis zu fünf Minuten zur Verfügung. Es beginnt die antragstellende Fraktion. Herr von Lüdeke hat Wort. – Bitte schön!
Trotz ständig schlechter werdender Straßen sinken die Unterhaltsaufwendungen kontinuierlich. Vor einiger Zeit hat Frau Matuschek, die Kollegin von der Linkspartei, eine Kleine Anfrage gestellt, und in der Antwort wurden auch entsprechende Zahlen genannt: 2001 lagen Sie noch bei einem Volumen von 26,7 Millionen €, 2004 liegen Sie nur noch bei 23,4 Millionen €. – Wenn Sie eine solche gleichbleibende Entwicklung in den nächsten Jahren fortschreiben, werden Sie in wenigen Jahren – das sagen Ihnen die Fachleute bereits voraus – einen exponentiellen Anstieg der Unterhaltsrückstände zu bewältigen haben. Das Ausmaß können Sie sich noch gar nicht vorstellen. Aber der eine oder andere merkt schon, dass bei bestimmten Straßen letztlich die Straße bestimmt, in welche Richtung er fährt. Entsprechende Klagen darüber gibt es inzwischen zuhauf. Die Schlagzeile einer Berliner Zeitung lautet neulich zutreffend: „Der Asphalt bröckelt wie Parmesankäse!“ – So sieht das aus. Ihre gesamte Politik in Sachen Straßenunterhalt ist der reinste Käse.
Der Senat fährt seit Jahren bei der Straßeninfrastruktur einen rücksichtslosen Verschleißkurs, der mittlerweile auffällig an die Substanz geht. Ihre Vorstellung, das zukünftigen Generationen zu übertragen, wird sicherlich zu keinem guten Ende führen. Die Autofahrer können ein Lied davon singen. Sie werden mit Reparaturkosten belastet, die Folge Ihres Straßenzustands sind: Verbogene Achsen, verbogene Spurstangen! Jeder, der Auto fährt, hat diese Erfahrung inzwischen gemacht.
Herr Lindner, wenn Sie der Meinung sind, dass die Themen, die heute hier besprochen werden, zu spät dran
kommen, dann unterstütze ich Sie. Aber warum haben Sie Ihre Priorität nicht geändert? Wir hätten an dieser Stelle über die Änderung des Erschließungsrechts und das Straßenausbaubeitragsgesetz reden können. Das wäre sicher der bessere Zeitpunkt gewesen. Da gebe ich Ihnen Recht. Sie hatten es in der Hand.
Ich habe mich auch immer gewundert, warum von der CDU keinerlei Vorschläge kamen. Sie lehnen das nur kategorisch ab. Wenn wir das Erschließungsrecht ändern wollen, werfen Sie uns vor, wir würden Geld aus dem Fenster schmeißen. Was denn nun? Kostet uns das Geld, oder nehmen wir irgendwo Geld ein?
Zur FDP – als Vertreter von Bendzko und Klingbeil – braucht man nicht viel sagen. Sie wollen die Leistungen der BVG beschneiden. Das kostet uns jährlich 400 Millionen €. Sie wollen die Leistungen privatisieren. Das ist Ihr Anliegen. Sie wollen dieses Geld nehmen, um die Straßen grundlegend zu sanieren.
Und die Grünen sagen: Wir brauchen keine Bundesautobahn. – Da war ich erst einmal geschockt und dachte: Nanu! Bundesautobahnen bezahlt doch eigentlich der Bund. Da musste man erst in der Begründung lesen, um festzustellen, Frau Hämmerling, dass Sie die Zufahrten meinen, die Berlin teilweise finanzieren muss. Dieses Geld könne man dafür nehmen. – Liebe Frau Hämmerling, Sie kommen aus dem gleichen Bezirk wie ich, nämlich aus Buch. Sie wissen, welche verkehrstechnischen Probleme wir dort haben. Wir haben dort den HeliosNeubau, ein 1 000-Betten-Krankenhaus. Wir haben das MDC, einen tollen Wissenschaftsstandort. Wie sollen die Krankenfahrzeuge zum Helios-Krankenhaus kommen, wenn es dort keine direkte Anbindung zur Autobahn gibt? Ich wäre glücklich, wenn wir dort in der Nähe eine Zufahrt hätten.
Ich fahre ganz normal Auto. Sie fahren vielleicht nicht. Ich merke zumindest jedes Mal, wenn ich vor dem TÜV stehe – alle zwei Jahre –, dass diese wesentlichen Teile, mit denen man früher ohne weiteres zehn Jahre ohne Beanstandung gefahren ist – Achsen, Spurstangen etc. –, nun regelmäßig alle zwei Jahre hinüber sind. Das liegt nun einmal nicht an meiner Fahrweise, sondern am Zustand der Berliner Straßen.
[Beifall bei der FDP – Ratzmann (Grüne): Kaufen Sie sich mal ein neues Auto! – Weitere Zurufe von der Linkspartei.PDS und den Grünen]
Berlin braucht einen Straßenzustandsbericht, und in den nächsten Jahren muss systematisch ein Straßensanierungsprogramm aufgelegt werden. Den Straßenzustandsbericht hat die FDP-Fraktion übrigens bereits vor einiger Zeit schon einmal beantragt. Die schwierige Haushaltslage Berlins stellt selbstverständlich die Finanzierung eines derartigen Programms vor erhebliche Probleme.
In diesem Zusammenhang mal so ganz nebenbei: Es ist Ihnen gerade neulich wieder die Zweckentfremdung der eigentlich investiv zu verwendenden Solidarpakt-IIMittel bescheinigt worden. Berlin steht an der Spitze der „Zweckentfremder“ dieser Mittel. Diese Mittel verwenden Sie nicht investiv, sondern konsumtiv, und das ist unser Problem.
Woher können nun diese Mittel kommen? – Wir haben es in der letzten Plenarsitzung schon einmal angedeutet: Diese Mittel können selbstverständlich aus einer dringend erforderlichen Reform des Berliner ÖPNV kommen. Nach zuverlässigen Schätzungen ergäbe sich ein jährliches Einsparvolumen in Höhe von ca. 70 Millionen €. Für dieses Geld könnten die Berliner Straßen innerhalb der nächsten zehn Jahre ohne Schwierigkeiten saniert werden.
Eins steht fest: Berlin kann nicht warten. Das Programm zur Straßensanierung muss unverzüglich vorbereitet werden. – Ich danke für Ihre Aufmerksamkeit!
Vielen Dank, Herr Kollege von Lüdeke! – Für die SPD hat jetzt der Kollege Hillenberg das Wort. – Bitte schön!
Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Wir hätten zu der Priorität der FDP auch den gleichlautenden Antrag der Grünen dazunehmen können. Jetzt endlich ist der Gegenentwurf zu unserem Straßenausbaubeitragsgesetz auf dem Tisch. Ich habe mich in den Diskussionen immer gefragt, wann die Vorschläge kommen, die Ihre Vorstellungen zur grundlegenden Sanierung der Berliner Straßen enthalten. Die Möglichkeit haben Sie nicht genutzt. Vollkommen klar!
Die Grünen haben wenigstens einen Vorschlag gemacht, das so genannte Vetorecht. Aber das kommt nicht zum Zug, weil es juristisch nicht durchsetzbar ist.
Die Probleme zur Finanzierung der Straßen liegen ganz woanders. Das sprach Herr von Lüdeke an. Wir geben nämlich den Bezirken Gelder für den Erhalt der Straßen. Diese Gelder werden teilweise zweckentfremdet. Hintergrund ist, dass sich Bauarbeiter und Autofahrer nicht so leicht zu Wort melden können wie soziale Projekte.