Protokoll der Sitzung vom 09.03.2006

Ich habe auch kein Interesse daran, auf Bundesmittel zu verzichten. Vielleicht muss der Bund aber genauso seine Finanzen in Ordnung bringen wie das Land Berlin.

Frau Kollegin! Gestatten Sie eine Zwischenfrage des Kollegen Niedergesäß?

Nein! Von Herrn Niedergesäß bitte nicht! Das hilft in der Sache nicht weiter.

[Heiterkeit bei der CDU]

Dann fahren Sie bitte fort.

Der Bund muss genauso seine Finanzpolitik, was den Straßenneubau betrifft, in Ordnung bringen. 15 % der Bundesautobahnbrücken und Bundesbrücken sind kaputt. Der Bund hat kein Geld für die Erneuerung. Wir haben in Brandenburg eine Infrastruktur bis in das letzte Kaff hinein. Dort fährt gar keiner.

[Niedergesäß (CDU): Was heißt denn hier Kaff? Es ist unerhört, was Sie da sagen!]

Auch Brandenburg wird diese Straßen nicht sanieren können. Umsteuern auf Landes- und Bundesebene tut not, Herr Niedergesäß.

Eines ist klar: Wenn Sanierungsmittel zur Verfügung stehen, gehören sie nicht in irgendein Senatsprogramm, schon gar nicht sporadisch. Sie gehören mittels eines entsprechenden Vergabeschlüssels in die Bezirke. Es ist doch völlig aberwitzig, wenn man den Bezirken die Mittel so

Darüber hinaus enthält er Ziele, Prüfaufträge, Maßnahmen und Vorschläge, wie man den ÖPNV noch attraktiver gestalten kann. Er untersetzt damit den Stadtentwicklungsplan Verkehr und soll natürlich auch dessen Hauptziel dienen, eine nachhaltige Verkehrspolitik und Mobilität zu organisieren. Insofern ist es gut, dass der Senat hier den Nahverkehrsplan vorgelegt hat und die Eckpunkte dem Parlament vorlegt.

Das ist ein Novum. Bisher ist der Nahverkehrsplan dem Parlament nur zur Kenntnis gegeben worden. Das ist insofern ein Problem, als darin natürlich umfangreiche Festlegungen vorgenommen werden müssen, beispielsweise welche Finanzmittel in welchen Bereichen zur Verfügung stehen oder welche Standards gesetzt werden, um im ÖPNV zu investieren, den Betrieb dort zu organisieren. Das hat natürlich finanzielle Auswirkungen. Deshalb ist es gut, dass das Parlament dieses diskutiert und sich zu den Eckpunkten des Nahverkehrsplans bekennt.

Wir haben in Berlin ein gutes Verkehrssystem. Das wird international gelobt. Hier in Berlin besteht manchmal die Neigung, zu sagen, es sei alles sehr schön, könne aber noch viel besser sein. – Das ist richtig. Wir werden allerdings auch immer wieder vor die Frage gestellt, wie wir mit den knappen Haushaltsmitteln des Landes das jetzt gute Verkehrsangebot halten können. Unser Ziel ist es, das Angebot nicht nur zu halten, sondern das Ganze auch noch auszubauen.

knapp zuweist, dass sie gar nicht genug Geld für den baulichen Unterhalt der Straßen und zu wenig Geld für die Pflichtaufgaben haben. Ihnen vorzuwerfen, sie riefen es nicht ab, ist nicht nachvollziehbar. Sie müssten gegen Gesetze verstoßen, Herr Hillenberg. Wir erwarten, dass die Bezirke anständig ausgestattet werden. Dann werden sie auch die Straßen sanieren können.

[Gaebler (SPD): Natürlich!]

Ich will zum Abschluss, Herr Präsident, zum FDPAntrag zurückkommen. Dieser passt klar in die Serie: Problem erkannt, aber keine geeignete Lösung gefunden. Deshalb werden wir ihn auch ablehnen.

[Beifall bei der Linkspartei.PDS und der SPD]

Danke schön, Frau Kollegin Hämmerling! – Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor. Der Ältestenrat empfiehlt die Überweisung an den Ausschuss für Bauen, Wohnen und Verkehr sowie an den Hauptausschuss, wozu ich keinen Widerspruch höre.

Ich rufe auf die lfd. Nr. 65, die Priorität der Fraktion der SPD, als

lfd. Nr. 4 b:

Vorlage – zur Beschlussfassung –

Organisation des ÖPNV in Berlin und Eckpunkte für den Nahverkehrsplan 2006-2009

Vorlage – zur Beschlussfassung – Drs 15/4719

Für die Beratung steht den Fraktionen jeweils eine Redezeit von bis zu fünf Minuten zur Verfügung. Es beginnt die Fraktion der SPD. Das Wort hat der Kollege Gaebler. – Bitte schön!

[Eßer (Grüne): Jetzt kommt der Betriebsrat!]

Vielen Dank, Herr Präsident! – Meine Damen und Herren! Herr Kollege Eßer! Dass Sie ein gestörtes Verhältnis zu Gewerkschaften haben, weiß ich, obwohl der Verdi-Vorsitzende Ihrer Partei angehört. Sie müssen es aber nicht bei jeder Plenarsitzung wieder betonen. Das wissen inzwischen alle in Berlin. Deshalb werden wir auch einmal sehen, wie weit Sie mit der Regierungsbeteiligung in Berlin kommen. So wird das jedenfalls nichts.

[Beifall bei der SPD]

Jetzt komme ich zum eigentlichen Thema, dem Nahverkehrsplan. Man muss vielleicht einmal zwei Sätze dazu sagen, was der Nahverkehrsplan ist. Dahinter steckt mehr, als viele hinter dem einfachen Namen vermuten. Der Nahverkehrsplan ist das gesetzlich vorgesehene Instrument, mit dem der Aufgabenträger, hier: das Land Berlin, definiert, welches Niveau ein Verkehrsangebot für die Stadt und die Verbindungen in die Region haben soll. Der Nahverkehrsplan setzt für ganz Berlin Standards und Vorgaben, in dem Umfang und Qualität der Leistungen bei S-Bahn, U-Bahn, Tram, Bus, Fähre und für den Regionalverkehr definiert werden.

[Niedergesäß (CDU): Die U 5 durchbauen!]

Dazu muss man wissen, welches Verkehrsangebot gewünscht wird. Was wollen wir hier haben? Deshalb müssen wir Qualitätsstandards festsetzen. Das betrifft zum einen die Frage der Erschließung. Wie lange und wie weit ist der Weg zum nächsten Haltepunkt der S-Bahn, der U-Bahn, des Busses und der Tram, den ich jemandem zumuten kann? – Dafür gibt es unterschiedliche Einzugsbereiche. Es ist klar, dass das Busnetz einen dichteren Haltestellenabstand haben kann und muss als der schnelle Regionalverkehr oder der S- und U-Bahnverkehr. Dafür werden in diesem Nahverkehrsplan Standards genannt. Diese werden wir in der Ausschussberatung kritisch überprüfen. Ich glaube, dass man mit den hier gesetzten Standards hinter das zurückfällt, was jetzt stellenweise schon vorhanden ist. Da wir nichts abbauen, sondern halten und aufbauen wollen – wie ich schon sagte –, werden wir uns das noch einmal kritisch ansehen.

Das Gleiche betrifft die Frage, in welchen Takten die Haltestellen bedient werden. Es ist zwar schön, wenn man eine Haltestelle in der Nähe hat. Wenn dort aber nur einmal am Tag ein Verkehrsmittel auftaucht, ist es zu wenig. Deswegen sind in dem Nahverkehrsplan nach den verschiedenen Tageszeiten und Wochentagen festgesetzte Bedienungsstandards festgelegt. Es ist wichtig, dass wir uns darüber unterhalten. Jedem muss klar sein, dass es mehr kostet, wenn ich den ganzen Tag lang einen 10Minuten-Takt haben will, als wenn es einen 20-MinutenTakt beim Bus gibt. Bei der U-Bahn gilt dies analog für einen engeren Takt.

Was wir darin allerdings nicht finden, sind neue Maßnahmen, die diese Stadt dringend brauchte, wie die S 21, die S-Bahn nach Falkensee, für die mittlerweile eine Wirtschaftlichkeitsuntersuchung – und zwar eine sehr positive – vorliegt, die Stammbahn oder andere Verbindungen. Das ist wahrscheinlich das Beste, was der Senat machen kann: Man plant nicht in die Zukunft, sondern man macht nachgehende Planung. Das, was schon erledigt sein sollte, schreibt man in den neuen Plan hinein. Dann kann man vielleicht einigermaßen sicher sei, dass es verwirklicht wird. Nur: Das ist weder innovativ, noch lohnt es sich, lange darüber zu reden. Das ist nur Augenwischerei. So muss man leider einen Großteil dieser Vorlage beschreiben.

Qualifizierung des betrieblichen Personals, damit dieses die Bedürfnisse mobilitätseingeschränkter Fahrgäste kennt und umzusetzen weiß.

Das reicht aber nicht aus. Es reicht nicht, dass nur der Verkehr betrachtet wird, es aber niemanden interessiert, was sich dort abspielt. Auch die so genannten weichen Faktoren wie Sicherheit, Sauberkeit und Anschlusssicherung in den Verkehrsmitteln sind entscheidende Punkte, die einen attraktiven Nahverkehr ausmachen. Insofern müssen auch diese elementarer Bestandteil des Nahverkehrsplans sein und sind es auch.

Nicht zuletzt geht es um die Barrierefreiheit. Es ist nicht nur eine Frage für Menschen mit Behinderungen, sondern auch selbstverständlich auch für Ältere, für Leute mit Kinderwagen, für Menschen mit Gepäckstücken und Fahrrädern, wenn man bike and ride vorantreiben will. Es bedeutet die Sicherstellung einer entsprechenden Zugänglichkeit gerade in den Schnellbahnhöfen. Wir haben in Berlin schon ein hohes Niveau. Der Nahverkehrsplan sieht in seinen Eckpunkten vor, den Anteil der S-Bahnhöfe mit Aufzügen oder Rampen bis Ende 2009 deutlich auf 80 % zu erhöhen. Hier werden wir auch prüfen müssen, ob man das noch beschleunigen kann. Dies ist jedoch mit erheblichen Investitionsmitteln verbunden. Auch der Anteil von barrierefreien Straßenbahnen muss aus unserer Sicht deutlich erhöht werden.

Der einzige Punkt, den ich hier nicht mehr ansprechen kann, den wir aber oft genug besprochen haben, ist die Beauftragung von Verkehrsleistungen. Hier sind wir der Meinung, dass die BVG ein gutes Verkehrsangebot unterbreitet und dies auch weiter tun soll. Das heißt nicht, dass sie dabei nicht kostenbewusst vorgehen soll. Alles Weitere werden wir dann im Ausschuss beraten. Ich hoffe, dass wir zügig zu Eckpunkten kommen, die weiterhin ein gutes Verkehrsangebot in Berlin sichern. – Vielen Dank!

[Beifall bei der SPD und der Linkspartei.PDS]

Danke schön, Herr Kollege Gaebler! – Für die Union hat das Wort der Herr Kollege Kaczmarek. – Bitte schön!

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Das Brecht-Zitat passt für fast alle Pläne, die der Senat macht: „Ja, mach nur einen Plan, sei nur ein großes Licht! Und mach dann noch ’nen zweiten Plan, geh’n tun sie beide nicht!“ Wenn wir uns ansehen, was uns jetzt als – euphemistisch beschrieben – Eckpunkte eines Nahverkehrsplan vorliegt, entdecken wir zu unserer großen Überraschung allerlei alte Bekannte wieder. Zum Beispiel finden wir unter der infrastrukturellen Rahmenbedingung für den neuen Nahverkehrsplan immerhin die Inbetriebnahme der U 55 – Sie erinnern sich: jener segensreichen „Ping-Pong-U-Bahn“ im Regierungsviertel, die Unmengen von Bundestagsabgeordneten vom Hauptbahnhof zum Reichstag katapultieren wird –, die Straßenbahn in der Bernauer Straße, die Straßenbahn am Alexanderplatz – zweite Verbindung – und die Straßenbahn in der Invalidenstraße – alles gute alte Bekannte, die eigentlich schon längst verwirklicht sein sollten und die mit dem neuen Nahverkehrsplan eigentlich gar nichts mehr zu tun haben.

Welche Rahmenbedingungen sind tatsächlich wichtig für den öffentlichen Nahverkehr? – Lieber Herr Gaebler! Wenn Sie zum Beispiel über Barrierefreiheit reden, habe ich ein schönes Zitat, nur um die Qualität des Papiers zu verdeutlichen. Da steht:

Das finde ich sehr löblich, das ist ganz prima. Nur leider, Herr Gaebler, leider, Frau Matuschek, leider, liebe Kolleginnen und Kollegen von der Koalition, gibt es gar kein Betriebspersonal mehr. Wen wollen Sie denn qualifizieren? Es steht keiner mehr auf den Bahnhöfen. Das haben Sie sanktioniert, das haben Sie mit Ihren finanziellen Grundentscheidungen wissentlich herbeigeführt. Also brauche ich auch niemanden zu qualifizieren.

[Zuruf des Abg. Gaebler (SPD)]

Ein ganz genialer Plan! Er wird in jedem Fall erfüllt. Es ist niemand mehr da, also brauche ich ihn auch nicht zu qualifizieren. Der Entwurf betrügt an dieser Stelle den Leser. Es wird etwas vorgegaukelt, was letztendlich gar nicht möglich ist. Leider!

[Beifall bei der CDU]

Herr Kollege Kaczmarek! Gestatten Sie eine Zwischenfrage von Herrn Gaebler?

Selbstverständlich, aber nur, wenn es wirklich eine Frage ist.

Lieber Herr Kollege Kaczmarek! Würden Sie mir zustimmen, dass es in den Bussen und Straßenbahnen noch Betriebspersonal gibt, das man hinsichtlich mobilitätsbehinderter Menschen schulen kann? Dieses ist bisher nicht abgezogen. Wenn Sie andere Erkenntnisse haben, wäre ich Ihnen für Hinweise dankbar.

Sehr geehrter Herr Gaebler! Wenn Sie könnten, würden Sie auch noch die Busfahrer abziehen, aber das ist technisch noch nicht möglich. Aber Sie stimmen mir doch wahrscheinlich auch zu, wenn ich sage, dass eine Barriere in einem U-Bahnhof, in dem ich Treppen überwinden muss und von der Bahnsteigkante in

Was hier auch überhaupt nicht berücksichtigt ist, was einem als Fahrgast in den öffentlichen Verkehrsmitteln zunehmend auffällt und was auch die Verantwortlichen dort sagen: Unser größtes Problem ist die Zerstörung, ist der Vandalismus, sind die Graffiti, ist das Scratching in den Fahrzeugen. Wie wollen wir dem entgegenwirken, dass Fahrgäste sich nicht mehr wohlfühlen können, weil sie in einer Atmosphäre der Verwahrlosung und einer Atmosphäre von zerstörten und verkommenen Fahrzeugen mit den öffentlichen Verkehrsmitteln unterwegs sein müssen? – Dazu müssen wir Lösungen finden, dazu muss der Senat Vorschläge machen. Da hilft keine Vogel-Strauß-Politik, da muss man die Probleme beim Namen nennen und dann auch anpacken. – Vielen Dank!

einen Zug einsteigen muss, etwas ganz anderes ist als in einem Bus, den ich ebenerdig besteigen kann.

[Zuruf des Abg. Gaebler (SPD)]

Das ist Augenwischerei. Sie wissen ganz genau, worüber wir reden müssen, nämlich darüber – und das müsste in einem Nahverkehrsplan stehen –, dass selbstverständlich Personal auf die Schnellbahnhöfe gehört. Das ist übrigens Beschlusslage dieses Hauses, auch wenn Sie es vergessen haben. Sie haben mitgestimmt. Es wäre nett, wenn Sie Ihre eigenen Beschlüsse ernst nähmen.