Protokoll der Sitzung vom 23.03.2006

Beschlussempfehlung Haupt Drs 15/4845 Antrag der Grünen Drs 15/4713

Inzwischen wird, wie mir signalisiert wurde, eine Beratung gewünscht. Die FDP beginnt. Damit hat der Abgeordnete Meyer das Wort. – Bitte schön!

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Eigentlich müssten wir auf Herrn Sarrazin warten, immerhin ist es sein Thema.

[Brauer (Linkspartei.PDS): Er weiß doch, was Sie sagen, Herr Kollege!]

Er kommt auch schon. Der Senat ist beweglich, sehr schön! Genau, Herr Sarrazin weiß, was wir sagen. Wir haben ihm schon häufiger etwas zur mittelfristigen Finanzplanung und zum Haushaltsrecht gesagt. Er hat immer nicht darauf gehört und wurde vom Verfassungsgerichtshof gemaßregelt. Das möchten wir möglichst umgehen, deswegen gibt es die Anträge von uns und von den Grünen.

Der Senat, wir, das Land Berlin haben eine Chance, nämlich bis zur mündlichen Verhandlung in Karlsruhe, was die Sonderbedarfsergänzungszuweisung auf Grund einer extremen Haushaltsnotlage betrifft, hier noch einmal aus unserer Sicht klarzustellen, dass das Land wirklich alles getan hat. In Karlsruhe wird es vor allem darum gehen, welche Risiken und welche Entwicklungsperspektiven das Land Berlin in den nächsten Jahren haben wird. Hier ist das Instrument der mittelfristigen Finanzplanung das adäquate Mittel, die Entwicklungsperspektiven, die Chancen und Risiken im Haushalt darzustellen. Wir haben Sie im letzten Jahr zusammen mit den Grünen und mit der CDU dazu gezwungen, künftig jährlich mittelfristige Finanzplanungen vorzulegen, nun geht es nur noch darum, wann Sie sie vorlegen müssen. Hier werden wir sicherlich, da ich davon ausgehe, dass Sie hier nicht wie in den Ausschüssen unsere Anträge ablehnen, noch vor der Sommerpause eine weitere Debatte darüber haben, ob Sie vor dem Wahltermin die mittelfristige Finanzplanung 2006 bis 2010 vorlegen müssen oder nicht. Ich bin auf Ihre Position gespannt.

Es geht konkret darum, dass wir Milliardenrisiken haben, die ab dem Jahr 2009/2010 auf das Land zukommen.

Der Abbau des Solidarpakts ist nur das herausragendste Beispiel. Sie müssen in Karlsruhe Antworten geben, wie Sie gedenken, in den nächsten Jahren mit diesen Risiken umzugehen. Das haben Sie bisher nicht getan. Die letzte mittelfristige Finanzplanung, die als verbindliches Sanierungskonzept in Karlsruhe eingereicht wurde, stammt aus dem Jahr 2003 bis 2007. Seitdem sind drei Jahre vergangen. Man kann sich mit Recht fragen, ob das Gericht nicht fordert, dass ein aktuelleres Zahlenmaterial vorgelegt wird. Deswegen haben wir unsere Anträge gestellt.

Sie haben hier noch einmal die Chance, in sich zu gehen. Gerade Sie, Herr Sarrazin, haben in der Vergangenheit immer wieder betont, dass Sie einen ganzen Haufen von mittelfristigen Finanzplanungen in Ihren Schränken versteckt haben, dass Sie nur eine herausziehen müssten. Tun Sie das! Sie haben noch vier Wochen Zeit. Das müsste Ihnen ausreichen, um zumindest Grundlagen darzustellen. Wenn Sie es nicht tun, riskieren Sie die Erfolgsaussichten in Karlsruhe. Sie können dann immerhin nicht sagen, dass wir Sie nicht darauf hingewiesen haben.

[Beifall bei der FDP – Vereinzelter Beifall bei den Grünen]

Danke schön! – Für die SPD-Fraktion hat Frau Abgeordnete Spranger das Wort. – Bitte schön!

Verehrte Frau Präsidentin! Meine Damen! Meine Herren! Unsere Meinung ist hinlänglich bekannt. Wir haben mehrmals über das Thema gesprochen. Selbstverständlich werden wir die Finanzplanung fortführen. Daran gibt es überhaupt keinen Zweifel. Ihre beiden Anträge beschäftigen sich damit – das haben Sie, Herr Meyer, eben noch einmal bestätigt –, dass innerhalb eines Zeitraums von vier Wochen eine Finanzplanung vorzulegen ist. Das ist Ihre Meinung, nicht aber unsere. Wir sagen, dass bereits im Jahr 2003 eine Finanzplanung eingereicht worden ist, die ganz klar sagt, welche Konsolidierungsmaßnahmen wir ergreifen. Wir haben eine weitere Finanzplanung mit dem aktuellen Haushalt vorgelegt. Wir werden die Finanzplanung selbstverständlich fortschreiben, so wie das Gericht es gefordert hat. In vier Wochen jedoch eine seriöse, auf genauen Zahlen basierende Finanzplanung vorzulegen – das wissen Sie –, ist unseriös. Das wollen Sie aber vermutlich genau riskieren. Wir aber nicht. Alles andere ist bereits gesagt worden. Deshalb gebe ich den Rest meiner Rede zu Protokoll. – Herzlic

Wir beraten heute zwei Anträge der FDP und der Grü

nen, in denen der Senat aufgefordert wird, eine Finanzplanung für die Jahre 2006 bis 2010 vorzulegen. Der Senat hat bereits wiederholt dargelegt, dass er selbstverständlich seine Finanzplanung für die Jahre 2006 bis 2010 fortschreiben und sie dem Abgeordnetenhaus vorlegen wird. Dazu ist er verpflichtet. Es gibt auch keinen Zweifel

daran, dass er das tun wird. Die Anträge sind im Kern somit also vollkommen überflüssig, meine Damen und Herren von der Opposition.

Die FDP will dem Senat darüber hinaus nun aber vor

schreiben, wann er die Finanzplanung vorzulegen hat. Dies habe nach Ansicht der FDP unbedingt vor der Verhandlung der Klage vor dem Bundesverfassungsgericht in Karlsruhe zu geschehen.

Die Grünen schließen sich dieser Forderung an. An

sonsten bezieht sich der Grüne-Antrag aber gar nicht auf die Vorlage einer Finanzplanung, sondern er enthält ein paar konkrete vermeintliche Konsolidierungsvorschläge, die wir schon zur Genüge kennen. Diese Vorschläge haben wir aber entweder an anderer Stelle bereits dezidiert verworfen, oder sie waren von der Koalition längst umgesetzt.

Anders als die Grünen stehen wir auf dem Standpunkt,

dass das Land Berlin in Abwägung aller denkbaren Maßnahmen bereits alles tut, was zur Konsolidierung des Haushalts getan werden kann. Das bedeutet natürlich nicht, dass wir der Auffassung sind, dass die Zeit im Jahr 2003 stehen geblieben ist, als der Senat die Klage in Karlsruhe eingereicht hat.

Natürlich wird auch in Zukunft über Konsolidie

rungsmaßnahmen zu entscheiden sein. Natürlich hat es im Detail Veränderungen gegeben, da sich die Realität selten der Planung anpassen lässt. Es kann auch gar keinen Zweifel daran geben, dass die Konsolidierung über den Planungshorizont der aktuellen Finanzplanung für die Jahre bis 2009 fortgesetzt werden muss. Aber Fakt ist doch: Der Senat hat mit der Klage vor dem Verfassungsgericht sein Eigenanstrengungsprogramm bereits vorgelegt, und zwar als Teil der Finanzplanung 2003 bis 2007. Sämtliche darin enthaltene Konsolidierungsmaßnahmen sind mit konkreten Beschlüssen unterlegt. Dieses Programm ist aktuell in kontinuierlicher Umsetzung. Das geschieht weitgehend gegen den Widerstand der Opposition und nicht etwa mit ihrer Unterstützung.

Völlig unabhängig davon ist die Frage der jährlichen

Vorlage einer Finanzplanung zu sehen. In dieser Frage sind wir mit der Opposition ja gar nicht auseinander. Das Parlament hat das Recht auf Vorlage einer jährlichen Finanzplanung. Wir sind jedoch der Ansicht, dass die Finanzplanung auf Grundlage einer seriösen Planung erstellt werden soll. Nur dann nutzt sie dem Parlament etwas.

Die aktuelle Finanzplanung 2005 bis 2009 kann als

Aktualisierung der letzten Finanzplanung in Karlsruhe sicherlich auch noch einmal zur Unterstützung unserer Argumente dienen. Nicht weniger, aber auch nicht mehr.

Aber, meine Damen und Herren von der Opposition:

Lassen Sie die Kirche im Dorf! Die mündlichen Verhandlungen vor dem Bundesverfassungsgericht in Karlsruhe finden am 26. April statt. Eine Finanzplanung wird wohl

kaum bis dahin vorzulegen sind. Das wäre auch vollkommen unsinnig. Die letzte Finanzplanung ist gerade einmal ein halbes Jahr alt.

Wie bereits gesagt: Wir sind der Ansicht, dass uns ei

ne fundierte, kontinuierliche Planung insgesamt weiter hilft, als blind einem sachfremden Zeitdruck zu folgen.

Danke schön! – Für die Fraktion der Grünen hat der Abgeordnete Eßer das Wort – bitte!

[Dr. Lindner (FDP): Jetzt eine richtige Rede!]

Wir sind schon ein komisches Parlament, um 19.30 Uhr Feierabend machen zu wollen.

[Beifall der Frau Abg. Dr. Hiller (Linkspartei.PDS) – Zuruf des Abg. Gaebler (SPD)]

Dafür bekommen Sie Ihr Gehalt nicht!

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Herr Gaebler! Ihr Interesse an einem frühen Feierabend in allen Ehren,

[Gaebler (SPD): Ich habe ein Interesse an guten Reden!]

aber vor uns liegt ein wichtiger Termin – Herr Meyer hat darauf hingewiesen. An diesem Termin, dem 26. April 2006, hängt zu einem erheblichen Teil das Schicksal dieser Stadt. An diesem Tag wird das Bundesverfassungsgericht mündlich über den Antrag Berlins auf Entschuldungshilfe verhandeln. Nach dieser mündlichen Verhandlung werden Sie nichts mehr bewegen, dann werden Sie nur noch auf das Urteil warten können. Ich sage Ihnen eines, Herr Gaebler: Ich möchte nicht dastehen als derjenige, der nicht alles versucht hat – wirklich alles, auch in diesem Augenblick –, um Ihnen noch einmal in das Gewissen zu reden, diesbezüglich die Hausaufgaben zu machen und sich wirklich optimal auf diesen Prozess vorzubereiten. Ich glaube nämlich, dass das nicht der Fall ist.

[Beifall bei den Grünen]

Wenn ich mir den Ablauf der mündlichen Verhandlung ansehe, dann beschäftigt mich in der Tagsordnung des Gerichts vor allem Buchstabe C, der besagt, dass die Berliner Haushaltslage nach bisheriger Rechtsprechung gewürdigt werden soll. So weit, so gut. Sofern es nach bisheriger Rechtsprechung geht, haben wir – wie ich es sehe – erstens einen Anspruch auf Entschuldungshilfe und zweitens auch auf diese Höchstsumme, die durch die Gegend geistert, von 35 Milliarden € Entschuldung oder etwas über 1 Milliarde € Zinshilfe. Das Gericht sagt allerdings auch, dass es sich über alternative Indikatoren zur Berliner Haushaltslage unterhalten will – das könnte darauf hinauslaufen, dass man sich mit anderen Indikatoren beschäftigt als damals in den Urteilen zur Entschuldungshilfe der Länder Bremen und Saarland – und dass die Berliner Haushaltslage im Licht der Eigenanstrengung und der noch vorhandenen Konsolidierungsspielräume gewür

digt werden soll. Das ist eine Diskussion auf die ich gespannt bin.

Und genau deshalb, lieber Herr Gaebler, kann man keine Politik betreiben, die besagt: Für uns ist es parteipolitisch und wahltaktisch am besten, mit der Frage folgendermaßen umzugehen: Wir machen gar nichts mehr außer dem, was wir bis zum Jahr 2007 aufgeschrieben haben und warten ab, welche Entschuldungshilfe das Gericht – selbst wenn es sie dann mindert, weil wir noch einiges selbst machen können – und welche Auflagen das Gericht uns gibt. Bei den unpopulären Maßnahmen können wir dann auf das Gericht zeigen und darauf verweisen, dass dies uns noch etwas abverlangt hat. – Nach diesem Motto haben Sie gewissermaßen bauernschlau parteipolitisch das Beste gemacht. Aber es liegt nicht im Interesse des Landes, so vorzugehen. Im Interesse des Landes liegt es vielmehr, zunächst alle erforderlichen Maßnahmen zu treffen, alle denkbaren Einwände auszuräumen und dafür in der Tat die erreichbare Höchstsumme an Entschuldungssumme zu bekommen, denn damit hat man später den geringsten Zinsdienst zu liefern. Aus parteipolitischem Kalkül jedoch genau die umgekehrte Taktik zu fahren und damit zu riskieren, weniger Entschuldungshilfe zu erhalten und sich bei der anschließend schwierigeren Haushaltssituation mit dem Gericht herauszureden, das ist in der Tat fatal. Genau das machen Sie aber. Heute ist praktisch die letzte Gelegenheit – Herr Meyer hat darauf hingewiesen –, an Sie den Appell zu richten, von dieser Taktik zu lassen.

[Beifall bei den Grünen – Beifall des Abg. Meyer (FDP)]

Wir haben es uns auch nicht so einfach gemacht wie die FDP-Fraktion und gefordert, Sie sollen eine mittelfristige Finanzplanung vorlegen, sondern wir haben Ihnen vorgeschlagen, auf die Forderungen der anderen Bundesländer, der Prozessgegner, zu reagieren, die auf dem Tisch liegen, sofern sie konkret und praktisch geworden sind. Ich zitiere Ihnen aus den Schreiben der anderen Bundesländer – und auf diesen Punkt beziehen sich alle in ihren Schreiben. Dort heißt es:

Ein kritischer Blick hat auch der Gewerbesteuerpolitik Berlins zu gelten. Bemerkenswert ist, dass im Jahr 2004 der Hebesatz der Gewerbesteuer in Berlin mit 410 vom Hundert unter dem wichtiger ostdeutscher Städte bleibt: Potsdam, Dresden, Chemnitz und Magdeburg 450 vom Hundert, Leipzig 460 vom Hundert.

Weiter wird auf München, Frankfurt und Hamburg verwiesen. Sie haben doch gar kein Argument dagegen! Hier geht es, anders als bei dem Straßenausbaubeitragsgesetz, nicht nur um Symbole, sondern um Geld. Diese 100 Millionen € Mehreinnahmen, die man haben könnte, nicht zu vereinnahmen, und das im Gegensatz zu anderen ostdeutschen Städten, deren wirtschaftliche Lage bestimmt nicht schlechter ist, geht nicht. – Ich verweise noch kurz auf einen zweiten Punkt, weil sich meine Redezeit dem Ende nähert, den Personalhaushalt.

Für die Verhandlungen in Karlsruhe – darüber haben wir bereits häufiger debattiert und wir werden auch heute nicht zu einer übereinstimmenden Meinung gelangen – wird die aktuelle mittelfristige Finanzplanung keine Relevanz entfalten. Aber selbstverständlich sind Punkte, die die Grünen und auch die FDP an verschiedener Stelle schon finanzpolitisch aufgeführt haben, durchaus Gegenstand der parlamentarischen Beratungen und Handlungsweisen. Insofern kann der Vorwurf der Untätigkeit, der an der Stelle gern immer erhoben wird, aus meiner Sicht nicht gehalten werden.

Ich will ein Beispiel nennen und will Ihnen aber auch sagen, warum es sinnvoll ist, dass die mittelfristige Finanzplanung erst im Spätsommer vorgelegt wird. – Zum ersten Punkt, die Debatte, die wir haben: Personal und Neueinstellungskorridor. Hier hat Kollege Eßer eben schon wieder die Zahl der 100 000 Vollzeitäquivalente im Landesdienst ins Gespräch gebracht. Die Debatte im Unterausschuss Stellenwirtschaft – ich bin da selbst nicht drin, sondern gebe sie so wieder, wie sie mir mitgeteilt wurde von den Kolleginnen und Kollegen, die dort sitzen – ist, dass die Rahmenbedingungen – das ist im Hauptausschuss schon häufiger angesprochen worden – in gewisser Hinsicht auf die 100 000 hinauslaufen werden. Wir haben zurzeit rund 114 000 Vollzeitstellen. Nach alters- und gesundheitsbedingtem Ausscheiden, jährlich rund 4 500 bis 5 000, laufen wir also zwangsläufig zum Jahr 2010 auf diese 100 000 hin. Nun ist aber noch politisch die Frage zu stellen, ob damit das, was wir als öffentliche Aufgaben verstehen, adäquat umzusetzen ist. Aber – das ist das, was die Kollegen Eßer und Schruoffeneger gerne machen – zu sagen, hier würde bewusst ein aufgeblähter öffentlicher Dienst in Berlin aufrechterhalten, das ist aus meiner Sicht nicht der Sachstand, über den wir reden.