Protokoll der Sitzung vom 06.04.2006

Ich rufe auf als Priorität der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen

lfd. Nr. 4 c:

Antrag

20 Jahre Reaktorkatastrophe von Tschernobyl: Atomstrom abschalten – zukunftsfähige Energien fördern

Antrag der Grünen Drs 15/4948

in Verbindung mit

lfd. Nr. 34:

Beschlussempfehlung

Weg vom Öl – das Landesenergieprogramm für eine zukunftsfähige Energie- und Klimaschutzpolitik nutzen

Beschlussempfehlung StadtUm Drs 15/4925 Antrag der Grünen Drs 15/4459

und

lfd. Nr. 35:

Beschlussempfehlung

Neues Berliner Landesenergieprogramm: Klima schützen, Energieverbrauch senken, Haushalt entlasten

Beschlussempfehlung StadtUm Drs 15/4926 Antrag der SPD und der Linkspartei.PDS Drs 15/4808

Für die Beratung stehen fünf Minuten Redezeit pro Fraktion zur Verfügung. Es beginnt die Fraktion der Grünen. Das Wort hat die Frau Abgeordnete Kubala. – Bitte!

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! In drei Wochen jährt sich zum 20. Mal der Tag der Reaktorkatastrophe in Tschernobyl. Für die Bevölkerung der Ukraine jährt sich damit auch der Beginn nicht enden wollenden Leids. Viele Menschen in unserem Land haben mit ihrer Anteilnahme und ihrem persönlichen Einsatz einen Beitrag geleistet, um den Opfern der Reaktorkatastrophe zu helfen. Diese zum Teil ehrenamtlichen Projekte und Initiativen sind noch heute, 20 Jahre später, tätig und werden es aller Voraussicht nach auch noch viele Jahre bleiben müssen. Ihnen gilt unser Dank, denn sie setzen für die Bewohnerinnen und Bewohner von Tschernobyl, für die der 26. April 1986 zum Unglück ihres Lebens wurde, ein Zeichen der Hoffnung, ein Zeichen für Zukunft. Am 20. Jahrestag der Reaktorkatastrophe von Tschernobyl muss es um die Solidarität mit den Opfern gehen.

Aber es muss auch darum gehen, die richtigen Lehren aus dieser Reaktorkatastrophe zu ziehen. Wir alle haben aus dem Unglück von Tschernobyl gelernt, dass auch die friedliche Nutzung von Kernspaltung für den Menschen unbeherrschbare und tödliche Risiken birgt. Atomkraftwerke müssen deshalb so schnell wie möglich abgeschaltet werden.

[Beifall bei den Grünen – Vereinzelter Beifall bei der SPD]

Der in einem gesellschaftlichen Konsens ausgehandelte Atomausstieg wird jedoch von Seiten der Politik wieder in Frage gestellt. Die Ewiggestrigen sehen nicht, dass das Beharren auf Atomenergie auch Milliardeninvestitionen in eine zukunftsfähige und sichere Energieversorgung verhindert, in eine Energieversorgung, die auf den Einsatz erneuerbarer Energien, Energieeinsparung und Energieeffizienz setzt.

[Beifall bei den Grünen]

Wir müssen leider zur Kenntnis nehmen, dass nicht nur in der CDU, sondern auch aus den Reihen der SPD die Stimmen wieder laut werden, die nach einer Laufzeitverlängerung für die Atomkraftwerke rufen.

[Buchholz (SPD): Aber nicht in Berlin!]

Hat sich die SPD in den ersten Monaten der großen Koalition noch das grüne Energiemäntelchen umgelegt, werden jetzt wieder die Forderungen nach Atomenergie, klimaschädlicher Braunkohle und dauersubventionierter Stein

Vor diesem Hintergrund ist es ein wichtiges Signal, dass der Senat auf Initiative der Grünen keinen Atomstrom mehr beziehen will.

Frau Abgeordnete! Ihre Redezeit ist abgelaufen.

Ich komme zum Schluss. – Atomkraftwerke abzuschalten und durch eine sichere und zukunftsfähige Energiepolitik zu ersetzen sind wir den Opfern von Tschernobyl schuldig.

Frau Präsidentin! Meine Damen! Meine Herren! Verehrte Frau Kubala! Ich habe gedacht, wir hätten endlich ein Thema mit Konsens gefunden – nicht nur in Anlehnung an rot-grüne Bundesregierungszeiten, sondern auch, wenn Sie sich ansehen, was die rote Seite der aktuellen Bundesregierung durchsetzt und was die Berliner rot-rote Koalition verbindlich beschlossen hat. Jetzt muss ich allerdings fragen, für wen oder was Sie diese Rede gehalten haben, Frau Kubala.

kohle lauter. Beim Ausstieg aus der Atomkraft darf es aber kein Zurück geben.

[Beifall bei den Grünen]

Die SPD wird sich daran messen lassen müssen, wie ernst es ihr mit dem Koalitionsversprechen Atomausstieg ist. Wir werden die Berliner SPD immer wieder daran erinnern, was eine zukunftsfähige Energiepolitik ist.

[Gaebler (SPD): Da haben Sie uns gerade noch gefehlt!]

Wir werden Sie immer wieder daran erinnern – wie wir es auch in der Vergangenheit gemacht haben.

[Beifall bei den Grünen – Gaebler (SPD): Sie sind ja weg, Gott sei Dank!]

Berlin braucht endlich einen konsequenten Einstieg in die erneuerbaren Energien, eine Baupflicht für Solaranlagen und eine systematische Entwicklung und Förderung der Solarbranche.

[Zuruf des Abg. Atzler (CDU)]

Berlin braucht endlich klare Ziele und Vorgaben für eine energetische Gebäudesanierung

[Gaebler (SPD): Aber ohne Sie!]

und zuletzt: Berlin verfügt auch weiterhin über eine nicht versiegende Energiequelle, nämlich das Wissen, die Kompetenz und das Engagement zahlreicher Unternehmen, Ingenieure und Spezialisten im Energiesektor. Dieses Energiewissen – diese Botschaft geht in Richtung SPD, die deshalb zuhören sollte –, diese Energiedienstleistungen zu fördern, zu bündeln und insbesondere in osteuropäische Länder zu exportieren, ist Aufgabe des Berliner Senats.

[Beifall bei den Grünen]

Denn Länder wie zum Beispiel Litauen stehen in den nächsten Jahren vor einer großen energiepolitischen Herausforderung. Atomkraftwerke vom Tschernobyltyp, wie wir sie dort vorfinden, müssen durch neue, zukunftsfähige Energiesysteme ersetzt werden.

[Atzler (CDU): Neue Atomkraftwerke!]

Hier liegt eine Chance auch für Berlin, Energiewissen, Energiedienstleistungen zu exportieren. Dies gezielt zu fördern und voran zu bringen, ist eine Herausforderung, der sich auch der Senat stellen und damit eine Lehre aus dem Reaktorunglück in Tschernobyl ziehen sollte.

[Gaebler (SPD): Darauf wären wir niemals gekommen!]

Die Atomkraft hat am deutschlandweiten Energieverbrauch nur einen Anteil von 12,5 %, weltweit sind es nur 2,5 %. Einzelnen Neubauten in wenigen Ländern steht eine Vielzahl von altersbedingten Reaktorabschaltungen gegenüber. Stromerzeugung in Atomkraftwerken ist ein Auslaufmodell.

[Beifall bei den Grünen]

[Beifall bei den Grünen]

Danke schön, Frau Kubala! – Für die SPD-Fraktion hat das Wort Herr Abgeordneter Buchholz. – Bitte!

[Niedergesäß (CDU): Jetzt kommt der Hochwasserspezialist!]

[Beifall bei der SPD – Beifall der Abgn. Goetze (CDU) und Henkel (CDU) – Frau Ströver (Grüne): Zum Beispiel für Herrn Gabriel!]

Ich möchte gern den Damen und Herren der Grünen, die jetzt dazwischen rufen Folgendes sagen: Wir sind uns zunächst einmal einig, was die Ablehnung der Nutzung der Atomkraft angeht. Dieses Parlament muss sich in der Sache nichts vorwerfen lassen. Das Land Berlin ist nicht nur die größte Kommune Deutschlands, sondern zugleich die einzige, die bei öffentlichen Ausschreibungen für alle öffentlichen Gebäude die Nutzung von Atomstrom systematisch ausschließt.