Protokoll der Sitzung vom 06.04.2006

[Klemm (Linkspartei.PDS): Einer muss ja mal die Wahrheit sagen!]

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Meine Kollegin Oesterheld sagt immer, sie nimmt Frau Kolat ganz doll übel, dass sie sie immer wieder in die Arme von Herrn Braun und ins Bündnis mit Herrn Braun getrieben hat. Das sagt einiges über die gruppendynamischen Prozesse in diesem Ausschuss.

[Zurufe von der SPD – Dietmann (CDU): Da wollen wir jetzt Näheres wissen!]

Nein, es ist schon, Frau Kolat, Herr Wechselberg, eigenwillig – sagen wir es einmal vorsichtig –, dass sich dieser Ausschuss am Anfang tagelang mit den Interna der Stiftung Neues Tempodrom befasst hat und Sie uns dann in

Er bezog sich nicht auf die politischen Entscheidungen der Bürgschaft und der ersten Rettungsaktion. Damit wir das Thema auch gleich durch haben: Auch die Bürgschaft war ein Fehler. Im Nachhinein muss man sagen: Auch die erste Rettungsaktion war ein Fehler. Aber es waren politische Fehler.

Wenn wir noch eine Minute bei Herrn Strieder bleiben, dann kann man schon sagen: Er hat eine treibende Funktion gehabt. – Erinnern wir uns an die Vorgeschichte, als das Tempodrom noch an seinem alten Standort war. Da schrieb Herr Strieder Briefe an die Bundesregierung. Er hat daraufhin eine Ermahnung der Senatskanzlei erhalten, vom Staatssekretär Kähne, wo ihm mitgeteilt wurde, er möge sich an die Geschäftsordnung des Senats halten und sich nicht immer mit Briefen an die Bundesregierung wenden, mit Dingen, für die er gar nicht zuständig ist. Es hat keine 14 Tage gedauert, dann schrieb er wieder einen Brief, diesmal an den Finanzminister Lafontaine. Es hat ihn überhaupt nicht geschert, ob er eine Zuständigkeit hat oder nicht. Er hatte im Hintergrund eine treibende Rolle. Das muss man feststellen. Er ist zurückgetreten, damit ist es dann auch erledigt. Er hat die Verantwortung dafür übernommen. Punkt, Ende, aus! Er wusste, warum er sie übernommen hat.

Ihrem Zeitplan für die Behandlung der zweiten Rettungsaktion nicht einmal eine ganze Sitzung zubilligen wollten.

[Klemm (Linkspartei.PDS): Sie hatten doch gar keine Zeugen mehr!]

Es ist auch sehr ärgerlich, dass wir uns darauf geeinigt hatten, einen Ausschussbericht des Büros, der Verwaltung des Abgeordnetenhauses zu akzeptieren und die politischen Stellungnahmen der Fraktion hinten anzuhängen. Wir haben das getan. Wir als Opposition haben den Ausschussbericht der Parlamentsverwaltung so übernommen, wie er war. Sie haben Ihre Bewertungen hineingeschrieben und diesen neutralen Ausschussbericht verändert. Dadurch wird schon der Eindruck erweckt, dass Ihre Bewertungen direkte Aussage und Ablauf dieser Untersuchungen waren. Das ist schon ärgerlich, weil es teilweise die Abläufe anders darstellt, als sie waren.

Insgesamt – und damit will ich die Vergangenheitsbewältigung auf der gruppendynamischen Ebene beenden –

[Beifall des Abg. Zackenfels (SPD)]

ist das alles ziemlich unerfreulich gewesen, was in diesem Ausschuss abgelaufen ist. Es gab immer wieder Versuche der Koalition, bei den Fragestellungen, bei der Zeugenauswahl und bei der Themensetzung einschränkend zu wirken und immer wieder Einfluss auf Zeugen zu nehmen. Der Ausschussvorsitzende hat dies in einem persönlich interessanten Stil abgewehrt und das Recht durchgesetzt, dass Frau Oesterheld überhaupt an den Sitzungen teilnehmen konnte. Wenn es nach Ihnen gegangen wäre, wäre das nicht der Fall gewesen.

[Beifall bei den Grünen, der CDU und der FDP]

Aber das gegenseitige Hochputschen war sicherlich für die Tätigkeit des Ausschusses nicht hilfreich.

Jetzt, Frau Kolat, sagen Sie, es war nicht Herr Strieder allein. Da haben Sie Recht. Er war es nicht allein.

[Klemm (Linkspartei.PDS): Warum schreiben Sie das dann nicht in Ihrem Antrag?]

Ach, wissen Sie, vielleicht haben Sie ein Problem mit der deutschen Sprache, aber wenn Sie genau lesen, dann finden Sie vieles in unserem Bericht! –

[Zurufe von der Linkspartei.PDS]

Was war denn der Auslöser dieses Untersuchungsausschusses? – Der Auslöser war nicht die Bürgschaft. Der Auslöser war auch nicht die erste Rettungsaktion. Der Sonderbericht des Rechnungshofs bezog sich einzig und allein auf die zweite Rettungsaktion – eine Rettungsaktion unter Rot-Rot. Die staatsanwaltschaftlichen Ermittlungen, die strafrechtlichen Vorwürfe bezogen sich einzig und allein auf die zweite Rettungsaktion, es sei denn, Sie wollen das Spendenessen mit einbeziehen, aber das war bisher nie Ihr Interesse.

[Zurufe von der SPD und der Linkspartei.PDS]

[Zurufe von der SPD und der Linkspartei.PDS]

Wir haben nicht einen Rechnungshof, der sagt: Hier ist massiv Haushaltsrecht gebrochen worden –, wie er es bei der zweiten Rettungsaktion gesagt hat. Das ist der feine Unterschied. Und das ist auch die Rolle von Herrn Strieder.

[Beifall bei den Grünen, der CDU und der FDP]

Er hat in diesem Schreiben an Lafontaine EU-Mittel zugesagt, ohne dass überhaupt ein Bauantrag vorlag. Das ist ein klarer Widerspruch gegen alle rechtlichen Grundlagen. Und er hat in der ersten Rettungsaktion im Senat verkündet, dass er sich für Änderungen der Betreiberverträge einsetzen wird, zu einem Zeitpunkt, als diese längst erneut abgeschlossen waren, also gar keine Änderung mehr möglich war. Er hat damit seine Kolleginnen und Kollegen ein Stück weit hinters Licht geführt. So weit zur Vergangenheitsbewältigung.

Warum konnte er diese Rolle ausfüllen? – Er konnte diese Rolle nur deswegen so ausfüllen, weil die gesamten Frühwarnsysteme der Verwaltung nicht funktioniert haben, weil der eine nicht wusste, was der andere tut, und weil das ganze Verfahren, die ganze Verwaltungsstruktur letztlich nur als organisierte Verantwortungslosigkeit zu bezeichnen ist. Dazu gehört es auch, dass ängstliche Verwaltungsbeamte ihre Bedenken zwar zu Papier gebracht haben, diese aber nicht gegenüber ihren Abteilungsleitern vehement vertreten haben. Auch hier müssen wir uns überlegen, was zu tun ist, um Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in solchen Situationen zu stärken und zu ermutigen, laut Alarm zu geben und nicht einfach zu unterschreiben, in der Hoffnung, es werde schon nicht so schlimm werden.

Ich halte es für absurd, dass wir Gesellschaften fördern – ob es nun gemeinnützige Stiftungen, Wirtschaftsunternehmen oder Zuwendungsempfänger anderer Art sind – und diese dann eine Gehaltsstruktur haben, die sich beim Tempodrom auf einen derart hohen vierstelligen Eurobetrag pro Monat beläuft. Ich denke, das kann nicht die Funktion der Förderung sein. Wenn wir öffentliche Mittel investieren, muss auch klargestellt werden, dass man sich an einer Entlohnungsstruktur orientiert, die allgemein üb

lich ist und nicht das Doppelte und Dreifache ausmacht. Sonst handelt es sich letztlich um die Umleitung öffentlicher Mittel in private Taschen, und das kann nicht der Sinn öffentlicher Finanzierung sein.

Vorletzter Punkt: Das Parlament ist nach unserer Auffassung zu informieren, wenn von Bürgschaftsrichtlinien abgewichen werden soll, und auch dann zu informieren, wenn Bürgschaften oder Auszahlungen gegen das ausdrückliche Votum der Bank erfolgen sollen. Denn die Bank weiß schon, warum sie in manchen Fällen die Ausgabe eines Kredites für zu gefährlich hält. Wenn man trotzdem politisch anders entscheiden will, dann sollte man das Parlament einbeziehen, auch das wollen Sie jedoch nicht.

Letzter Punkt, den ich auch sachlich und ruhig vortragen werde: Wir hatten in den letzten Jahren immer dann vermehrt Probleme in einer Rechtskonstruktion eines gemeinnützigen Zuwendungsempfängers, einer Stiftung, eines Erbbaurechtsberechtigten, der mit gewerblichen Töchtern arbeitet, wenn es eine Personenidentität bei den Geschäftsführern gab. Auch hier sind Tür und Tor geöffnet, Mittel der gemeinnützigen Gesellschaft über dieselbe Person in den gewerblichen Bereich zu überführen und damit zu privatisieren und zweckzuentfremden. Auch das haben wir beim Tempodrom erlebt. Es bedarf dringend rechtlicher Hemmschwellen, um das zu erschweren. Hier wollen Sie ebenfalls nicht mitgehen. Ich glaube, Sie haben noch viel zu tun in der Aufarbeitung der Tempodromaffäre.

[Beifall bei den Grünen und der CDU]

Wenn man einen Untersuchungsausschuss einsetzt, sind Vergangenheit und Schuldaufarbeitung eine Sache. Die andere Sache ist es aber, die Konsequenzen zu ziehen. Zwei Konsequenzen sind gezogen worden: die Änderung der Bürgschaftsrichtlinien und die Kündigung von PwC als Gutachter. Weitere Konsequenzen sind auf Grundlage unserer Anträge gestern im Hauptausschuss beschlossen worden: das „Poolen“ der Genehmigungsverfahren, der Zuwendungsverfahren, wenn es mehrere Geldgeber gibt, die Informationspflicht gegenüber den bürgschaftsgebenden Verwaltungen, die Erfüllung der Bürgschaftsauflagen und die Information des Parlaments beim Abweichen von Bürgschaftsrichtlinien.

Bei anderen Punkten, liebe Kolleginnen und Kollegen von Rot-Rot, wollten Sie aber nicht mitgehen, und ich denke, das ist ein Fehler. Es müssen weitere Konsequenzen folgen. Was Sie aus unseren Anträgen heute nicht mittragen, ist die Feststellung, dass bei Bürgschaftsverfahren zukünftig der bürgschaftsgebenden Stelle alle Akten auch anderer Verwaltungen bekannt sein müssen. Wir hatten den Vorgang, dass in der Finanzverwaltung, in der Kulturverwaltung verschiedene Schreiben des Tempodroms lagen, die sagten: Wir können keinen Kredit nehmen und brauchen mehr Geld von euch, von der öffentlichen Hand, da wir aus den laufenden Mitteln keine Kredite zurückzahlen können. – Trotzdem wurde eine Bürgschaft zur Bedienung eines Kredits gegeben, weil diese Akten der bürgschaftsvergebenden Stelle nicht bekannt waren. Hier müssen die Informationsflüsse wesentlich besser werden.

Der zweite Punkt, nach der ersten Rettungsaktion: Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Senatsverwaltung sitzen in den Aufsichtsgremien des Tempodroms und berichten uns dann, sie hätten ihre Senatoren, sie hätten ihre politische Spitze faktisch nie informiert, weil sie dort als Interessenvertreter des Tempodroms und nicht als Interessenvertreter des Senats gesessen hätten. Hier muss die Geschäftsordnung des Landes ganz klar regeln, wie die Informationsflüsse auch zur politischen Spitze des Hauses zu laufen haben. Ihr Verweis auf BAT und Beamtenrecht ist hier bei Weitem nicht ausreichend, denn das sagt nicht im Konkreten, wie Mitarbeiter, die in Gremien sitzen, die Senatoren informieren müssen.

Dritter Punkt, den ich erwähnen will – ich will hier nicht alle vorlesen:

[Frau Senftleben (FDP): Schade!]

[Beifall bei den Grünen – Vereinzelter Beifall bei der CDU und der FDP]

Wir haben mit diesen Anträgen den entsprechenden Versuch gemacht. Das war kein Schnellschuss, denn wir haben im Ausschuss lange genug daran gearbeitet. Sie wollen nur einen Teil davon mitgehen. Wir werden diesem Teil zustimmen, aber damit ist die Aufarbeitung der Geschichte noch lange nicht beendet.

[Beifall bei den Grünen, der CDU und der FDP]

Danke schön, Herr Kollege Schruoffeneger! – Für die FDP hat der Kollege Meyer das Wort. – Bitte schön, Herr Meyer!

[Wansner (CDU): Meyer! Jetzt aber sehr deutlich!]

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Zunächst einmal auch von mir den Dank an die Ausschussmitarbeiter, auch an die Referenten der Fraktionen. Vor allem die Ausschussmitarbeiter hatten sicherlich bei den Konflikten, die wir in den letzten zwei Jahren im Ausschuss ausgetragen haben, eine schwierige Rolle, gerade als es um die Frage des abweichenden Abschlussberichts ging. Aber dennoch denke ich, dass wir alle mit der Arbeit sehr zufrieden sein können.

Mit dem Vorsitzenden können wir im Großen und Ganzen auch zufrieden sein, Frau Kolat. Es ist nämlich nicht so, dass der Ausschuss unter dem Vorsitzenden Braun litt. Ich würde sagen, der Ausschuss litt – auch die

Herr Wechselberg! Sie haben sich vielleicht zu Recht beschwert, dass von den Grünen und uns eventuell etwas zu unkritisch die Rolle von Herrn Strieder und die man

gelnde Rolle von CDU-Beteiligten gesehen wurde. Aber auch da hat Herr Schruoffeneger bereits Recht gehabt: Das Problem für Oppositionsfraktionen lautet in einer solchen Situation immer: Wie sollen wir uns gegenüber einer Ausschussmehrheit verhalten?

Herr Wechselberg! Das sage ich Ihnen persönlich: Es ist sicherlich so, dass der Umgang mit Ihnen sehr objektiv, sehr neutral und sehr zielgerichtet war. Dafür danke ich Ihnen. Sicherlich haben Sie auch in Ihrer Fraktion öfter die Situation gehabt, dass Sie sich gegenüber dem großen Koalitionspartner nicht haben durchsetzen können, wenn es um die Behandlung einzelner Anträge etc. im Ausschuss ging. Deshalb ist das Verhalten der Grünen oder gerade unser Verhalten in dieser Frage wohl nicht verwunderlich.

Das Thema Tempodrom und die Verfehlungen, die sich dabei ergeben haben – diese ganze Geschichte ist sicherlich zuvorderst unter der Überschrift: „Das Tempodrom und seine Finanzierung sind ein Kind der großen Koalition“ zu bewerten. Das ist vollkommen unstrittig. Die entscheidenden Fragen – Umzug des Tempodroms, Bürgschaftsvergabe – wurden in der Zeit der großen Koalition entschieden, und dementsprechend gibt es selbstverständlich eine Verantwortung sowohl der CDU als auch der SPD. Die große Koalition – und das vergisst die SPD ja in der Regel – bestand aus SPD und CDU und nicht nur aus der CDU.

heutige Diskussion hat dies gezeigt – ein wenig an der Fixierung auf den Namen Peter Strieder. Das gilt zum einen sicher in Bezug auf die das eine oder andere Mal über das Ziel hinausschießenden Attacken vor allem der CDUFraktion bezüglich eines bereits zurückgetretenen Senators. Auf der anderen Seite war aber ein fast schon ins Bemuttern gehender Schutzreflex der rot-roten Koalition, vor allem der SPD, festzustellen. Jedes Mal, wenn der Name Strieder auftauchte, hat man zwar gesagt, Herr Strieder ist natürlich verantwortlich, wenn es aber darum ging, Details zu hinterfragen, was Herr Strieder konkret zu verantworten hat, kam dann schnell die Ausschussmehrheit zum Tragen.

Zu dem Auftreten von Herrn Braun im Ausschuss und auch hier muss man feststellen: Gerade Sie, Frau Kolat, haben es Herrn Braun immer sehr einfach gemacht, seine in der Tat etwas gewöhnungsbedürftige, rustikale Art auszuleben.

[Klemm (Linkspartei.PDS): Seine Unfähigkeit, einen Ausschuss zu leiten!]