1. Wieso hat der Senator für Schulwesen von dem Brief der Rütli-Hauptschule vom 28. Februar 2006 erst aus der Presse erfahren, und wie erklärt der zuständige Senator den Umstand, dass die Probleme der Rütli-Schule – die im Grunde seit Jahren bekannt sind – nicht früher zu Unterstützungsmaßnahmen für die Schule und die Lehrkräfte geführt haben?
2. Welche Konsequenzen wird der Senat aus der Weigerung der Leiterin der Außenstelle Neukölln, Oberschulrätin W.-T., ziehen, die es abgelehnt hat, den Brief an den Senator und weitere Adressaten weiterzuleiten, und wie bewertet er dieses Verhalten?
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich möchte die beiden zusammenhängenden Fragen der Reihe nach beantworten. Zur Frage der Frau Abgeordneten SchultzeBerndt stelle ich fest, dass Berlin das einzige Bundesland mit Meldepflicht für jeden Fall von Gewalt ist. Dies gilt nicht nur für körperliche Gewalt, sondern auch für psychische Gewalt wie Mobbing. Diese Vorfälle müssen alle in Berlin, und zwar nur in Berlin, gemeldet werden. Diese Meldepflicht, Frau Kollegin Schultze-Berndt, ist mir nicht oktroyiert worden, sondern entspricht einer Entscheidung von mir zu Beginn dieser Legislaturperiode. Insofern ist
Eine Meldung allein ist nicht ausreichend. Wenn wir wissen, was geschehen ist, können wir bestimmte Zusammenhänge und Umstände analysieren, den Schulen Hilfen bieten, begleitende Maßnahmen einleiten und somit auch Gewalt präventiv verhindern. Dies tut mein Haus im Übrigen auch unter hoher Anerkennung all derer, die sich längerfristig mit dieser schlimmen Erscheinung von Gewalt nicht nur in den Schulen beschäftigen. Dies verdient Anerkennung und nicht Schmähung.
Wir sprechen nachher auch über Respekt. Es ist in der parlamentarischen Demokratie vollkommen legitim, Amtspersonen zu kritisieren. Das ist wahrscheinlich sogar notwendig. Weil wir aber nachher auch über Respekt sprechen, wünsche ich mir soviel Respekt und gegenseitige Achtung, dass Sie mir nicht allen Ernstes unterstellen, mich interessiere Gewalt in den Schulen nicht und würde mich erst interessieren, wenn ein Schüler ermordet sei. Dies halte ich für eine schlichte Unverschämtheit von Ihnen – um das einmal festzuhalten.
Sie können so weiter verfahren. Sie werden an dem Problem nichts ändern. Ich habe auch gar keine Sorge, dass sich das vor Ort ganz anders darstellt als diese verkrüppelte Zusammenfassung und miese Unterstellung, die Sie hier zum Teil auch vornehmen. Null Ahnung, null Peilung, null Bock – ja, das ist eine miese Unterstellung.
Um noch etwas klarzustellen: Mein Haus wird über all diese Fragen systematisch und schnell unterrichtet. Ich kann nicht anhand der Fülle von Gewaltvorfällen über jeden Einzelfall sofort und unmittelbar unterrichtet werden. Das weiß jeder, der sich damit auskennt, wie man Probleme registriert bzw. Maßnahmen einleitet.
Nun zu der Frage vom Kollegen Mutlu. Ich sage eines vorweg, Herr Kollege Mutlu, ich habe das mehrfach öffentlich gesagt: Ich halte den hier aufgetretenen Kommunikationskonflikt bzw. das Kommunikationsdefizit für einen Fehler, obgleich ich weiß – und auch dieses Haus betont das ständig –, dass man dezentral, vor Ort, agieren muss und dass nicht in jedem Fall zentral die Schulaufsicht, der Schulträger bestimmte Fragen in einem Netzwerk angeht und lösen muss. Das ist prinzipiell richtig. Aber wenn es so gravierende Beschwerden gibt – die übrigens gar nicht an mich adressiert waren, es gab einen Riesenverteiler, auch das Abgeordnetenhaus befand sich darin –, ist das nicht richtig.
Ich fasse zusammen, Herr Kollege Mutlu: Ich stelle zunächst nach dieser Auskunft fest, dass die örtliche
Schulaufsicht gehandelt und ein Gespräch geführt hat. Ich stelle ebenfalls fest – so stellt sich mir das dar –, dass es offensichtlich gewisse Kommunikationsprobleme gibt, wie es sie manchmal zwischen Menschen gibt, die Funktionen und Aufgaben inne haben. Ich selbst bedauere, dass ich darüber nicht früher informiert worden bin. Ich halte aber fest: Ich kann aus Sicht der örtlichen Schulaufsicht kein Versäumnis im Sinne eines Nichthandelns feststellen. Sie hat die Fragen aufgegriffen und sich ihnen gestellt, und zwar ganz konkret mit der Schule. Insofern möchte ich aus diesem Schritt – außer der Konsequenz, dass man Kommunikationsprobleme beseitigt und sich immer rechtzeitig kümmert – keine anderen Verfahren ableiten. Vom Zeitablauf her sehe ich, wenn man die Realität in Schule kennt, kein pflichtwidriges Verhalten.
Die erste Nachfrage hat Frau Abgeordnete Schultze-Berndt von der Fraktion der CDU. – Bitte, Frau Schultze-Berndt!
Herr Böger! Ich teile Ihre Empörung, wenn auch aus ganz anderen Gründen. In einem Interview im „Tagesspiegel“ sagen Sie, die Schwelle, ab der Sie informiert würden, sei Mord, Amoklauf und Geiselnahme.
Nun möchte ich Ihnen, Herr Kollege Mutlu, deutlich machen, was die Schulaufsicht mir über den Ablauf dieses Vorgangs gemeldet hat. Ich habe das bislang noch nicht öffentlich gemacht, weil es ein Detailproblem ist. Ich habe das – ich bin kein Kriminalist – nicht nachgeprüft. Ich lese Ihnen jetzt das vor, was mir die Schulaufsicht auf meine Anforderung hin mit Schreiben vom 2. April 2006 zu dem Vorgang mitgeteilt hat:
Eingang des Briefes bei der Rütli-Schule in der Schulaufsicht Neukölln am 2. März. – Am 1. März hat es in Neukölln eine Dienstbesprechung zur Qualitätsentwicklung gegeben. Dort waren alle Schulen und Schulleiter der Sekundarstufe I und II versammelt. Laut Protokoll sind als Teilnehmer von der Rütli-Schule acht Personen anwesend gewesen, darunter auch die kommissarische Schulleiterin, die diesen Brief unterschrieben hat. Es bestand am Rande und in dieser Konferenz jede Möglichkeit, die Schulaufsicht anzusprechen. Das ist von dem Kollegium dort nicht wahrgenommen worden.
Nachdem der Brief dort eingegangen war, hat die zuständige Schulaufsichtsbeamtin sich an die Schule gewendet und um einen Termin mit der Schule am 14. März gebeten, um die Fragen, die in dem Brief dargestellt wurden, zu besprechen. Der Schulleitung der Rütli-Schule war dieser Termin zu kurzfristig.
Die Schulleitung hat also diesen Termin abgelehnt. Man hat den nachfolgenden Dienstag, den 21. März vereinbart.
Am 21. März hat es ein Gespräch in der Schule gegeben, in dem die zuständige Schulrätin, die amtierende kommissarische Schulleiterin und zwei Kollegen von der erweiterten Schulleitung teilgenommen haben. Dort wurde die Situation der Schule entsprechend der Schilderung des Schreibens intensiv diskutiert, die Frage der Ausstattung der Schule mit Lehrkräften und anderen Mitarbeiterinnen angesprochen, Projekte der Schule thematisiert, Schülerzuweisungen unter dem Aspekt der Gruppenbildung
diskutiert. Es wurde in dieser Besprechung auch festgehalten, dass die Zusammenarbeit mit dem Quartiersmanagement zur Folge haben soll, dass umgehend zwei Sozialarbeiter an die Schule kommen.
So weit die Vorgänge aus Sicht der Schulaufsicht. Ich habe – das ist wahr, und das habe ich auch mehrfach gesagt – dieses vor einer Woche aus einer Zeitung erfahren.
Deshalb frage ich Sie, ob Ihr Interview so nicht stimmt und Sie künftig etwas ändern werden an den Informationen über Gewaltvorfälle, die bis zu Ihnen durchgestellt werden.
Herr Präsident! Frau Abgeordnete! An diesem Interview ist nichts zu ändern. Sie haben es nicht ganz vollständig zitiert. Ich werde unmittelbar und direkt informiert. Das heißt, dass jedes andere Dienstgeschäft unterbrochen wird. Selbstverständlich sind mein Haus und ich permanent über alle Fragen im Zusammenhang mit Gewalt informiert. Sie können sich aber nicht den gesamten Tag lang Meldungen vorlegen lassen, die aus den Schulen kommen. Besonders gravierende Meldungen werden mir jedoch unmittelbar und direkt vorgelegt. So ist dieses Interview zu verstehen, und so handele ich auch.
Herr Senator! Ich habe gestern an einer Protestversammlung von Neuköllner Schulen teilgenommen. Dort standen zahlreiche Lehrer, Lehrerinnen und Schulleiter auf und berichteten von Problemen und Kommunikationsschwierigkeiten mit der örtlichen Schulaufsicht. Es handelte sich um die gleichen Probleme, die jetzt in Verbindung mit der Rütli-Schule öffentlich wurden. Wie wollen Sie zukünftig gewährleisten, dass es nicht mehr zu solchen Kommunikationsproblemen kommt? Wie wollen Sie gewährleisten, dass die Informa
Danke schön, Herr Präsident! – Herr Böger! Inwiefern erweist sich die Zweistufigkeit der Berliner Schulverwaltung angesichts des Vorgangs an der Rütli-Schule als zeitgemäß, oder
sollte man nicht vielmehr auf Grund der Erfahrungen – Sie haben Probleme angedeutet – eine Verkürzung der Verwaltungswege anstreben?
Herr Präsident! Frau Abgeordnete Hiller! Die entscheidende Veränderung, die wir gesetzlich bereits geregelt haben, besteht darin, dass so gut wie alle Fragen dezentral in der Eigenverantwortung der einzelnen Schule geregelt werden sollen. Das Land, im konkreten Fall der Stadtstaat Berlin, muss die Rahmenbedingungen absichern. Zudem weise ich Sie darauf hin, dass ich nicht beabsichtige, die Schulträgerschaft der Bezirke abzuschaffen. Ich glaube vielmehr, dass es richtig und notwendig ist, dass der jeweilige Bezirk für seine Schulen verantwortlich ist. Dort ist man nah, es gibt Ausschüsse, und der Bezirk selbst kann entscheiden, ob und welche Schwerpunkte er setzt und wie er mit den einzelnen Schulen umgeht. Das machen die Volksbildungsstadträte sowie viele Bezirksbürgermeisterinnen und -bürgermeister auch.
Darüber hinaus bin ich der Auffassung, dass wir Außenstellen benötigen. Die Konstruktion ist aus meiner Sicht nach wie vor vernünftig, was nicht ausschließt, dass es in Zeiten massiver Veränderungen und in Zeiten vermehrter Personalumsetzungen nicht immer Freude auslöst. Sie wissen, dass wir in den vergangenen zehn Jahren 10 000 Lehrerinnen und Lehrer umgesetzt haben, damit sie dort sind, wo die Schülerinnen und Schüler sind. Dass derartige Schritte auch Frustrationen bei Kolleginnen und Kollegen auslösen, räume ich ein. Ich appelliere an Sie alle, nicht immer auf diejenigen einzudreschen, die vor Ort eine vernünftige Arbeit leisten.
tionen rechtzeitig sowohl zu Ihnen als auch zu den anderen Adressaten gelangen? – Als bildungspolitischer Sprecher der Grünen-Fraktion habe ich den Brief, den die Schule an mich adressiert hat, immer noch nicht erhalten. – Wie wollen Sie dazu beitragen, dass die Schulaufsicht ihren Aufgaben vor Ort zukünftig gerecht wird?
Herr Präsident! Herr Abgeordnete Mutlu! Die Schulaufsicht ist nicht primär in der Postverteilung, vor dem Abgeordnetenhaus und bildungspolitischen Stellen. Ich habe den Brief auch nicht direkt erhalten.
Hinsichtlich der Sachlage in Neukölln glaube ich, dass es sehr sinnvoll ist, in den Schulen, jeweils einzeln in den Quartieren, Dienstbesprechungen durchzuführen. Diese sind in vielen Bereichen intensiv gewesen und auch sehr gelungen. Ich sehe nicht, wie man das System, das wir gemeinsam besprochen haben – dezentrale Verantwortung auf der Schule und Eigenständigkeit einerseits und Kontakt mit der örtlichen Schulaufsicht andererseits –, von der Struktur her ändern sollte. Ich halte es für sehr vernünftig und richtig, dieses zu intensivieren. Wenn es dabei atmosphärische Probleme gibt, bin ich immer dafür, diese zu lösen. Es sind aber keine – wie ich glaube – dienstweglichen Probleme.
Ich entnehme den Zeitungen, dass sich manche Lehrer und Lehrerinnen zu verschiedenen Fragen äußern. Manche sagen, sie hätten vor einem Jahr dieses und jenes geschrieben. Ich kann all diese Fälle exakt nachrechnen, weil es in meinem Haus eine klare Struktur und einen Posteingang gibt, der nachverfolgt wird. Briefe sind auch durch Gespräche vor Ort abgearbeitet worden. In diesen Fällen hat man auf eine formelle Antwort verzichtet. Insofern muss ich diese Fragen in der Regel zurückweisen. Ich bitte ernsthaft darum, Probleme der Schule dort zu besprechen, wo sie anfallen, und mit denjenigen zu besprechen, die etwas regeln und verbessern können, und sie nicht als erstes nach draußen zu tragen. Dieses Vorgehen ist im Grundsatz der Regelfall in allen Schulen, die ich in Deutschland kenne. Zu diesem Vorgehen sollten wir auch wieder zurückkommen.
Ich wiederhole: Es gibt nichts zu vertuschen, aber es gibt auch nichts schön zu reden. Es gibt klare Verfahren, an die man sich halten sollte. Ich bin mir sicher, dass dies auch in Neukölln weiterhin geschieht.