Protokoll der Sitzung vom 18.05.2006

Die Fakten liegen auf dem Tisch. Es ist wieder einmal eine billige Shownummer, Populismus. Sie wollen Sachen ändern, die man in Berlin gar nicht ändern muss. Vor einem Jahr gab es schon einen Brief der Senatsverwaltung an die jeweiligen Ämter in den Bezirken, in denen dazu aufgefordert wurde, flexibel und kundenfreundlich zu agieren. Trotzdem wird es im einzelnen Konfliktfall sinnvoll sein, mit den Anwohnern zu sprechen. Warum negieren Sie das und sagen, Berlin werde eine anwohnerfreie Zone? Das ist nicht der richtige Weg. Wir haben vernünftige, flexible Regelungen, die sich in der Praxis bewährt haben.

[Zuruf von der SPD]

Ich schließe mit einem Satz von Tim Renner, den er in ironischer Weise in der Enquetekommission verwendet hat. Der lautete in etwa: In einer Stadt, die tot ist, kann man ruhig schlafen. – Die FDP will keine tote Stadt, sondern eine lebendige Metropole. – Ich danke Ihnen für Ihre Aufmerksamkeit.

[Beifall bei der FDP]

Danke schön, Herr von Lüdeke! – Für die SPD-Fraktion erhält der Abgeordnete Buchholz das Wort!

Frau Präsidentin! Meine Damen, meine Herren! Meine Damen und Herren von der FDPFraktion! Wir haben schön häufiger an Anträgen Ihrer Partei gemerkt, dass Sie – obwohl Sie sie gerne hätten – wenig Wirtschaftskompetenz besitzen. Dass Sie aber auch keine Gastwirtschaftskompetenz haben, haben Sie heute wunderbar und eindeutig belegt.

[Beifall bei der SPD und der Linkspartei.PDS]

Dieser Antrag ist so überflüssig wie ein leeres Glas Bier: Es ist nichts drin, es ist nichts dran, keine Blume mehr da, gar nichts. Herr von Lüdeke, Sie schauen so zweifelnd. Sie hätten sich einmal erkundigen sollen, welche Regelungen es in Berlin gibt. Hier muss ich ganz uneigennützig auf meine eigene Presseerklärung von vor genau zwei Jahren verweisen.

[Gram (CDU): Hat ja eingeschlagen wie eine Bombe!]

Da haben Sie schon einmal einen Antrag eingebracht, bei dem es um Öffnungszeiten von Schankgärten ging. Ich muss feststellen, dass Sie die vergangenen Jahre nicht genutzt haben, sich fortzubilden. Ich weiß nicht, ob Sie zu kurz oder zu lange in den Vorgärten gesessen haben, jedenfalls haben Sie es offenbar nicht gemerkt, dass es in Berlin dieses Problem in der Praxis fast nicht gibt. Und wissen Sie, warum? – In der Praxis ist es so, dass wir rund 5 000 Schankvorgärten haben, und die meisten davon dürfen – bis auf die Sperrstunde, morgens von 5 bis 6 Uhr – den gesamten Tag geöffnet haben. Sie haben keine Probleme, weil es in den meisten Fällen keine Anwohner gibt, die sich dadurch beeinträchtigt fühlen.

[Dr. Lindner (FDP): Da steht das Ordnungsamt um 9 Uhr auf der Matte!]

So ist es in der Praxis. – Herr Lindner! Sie müssen eins zur Kenntnis nehmen: Wenn es vor Ort einmal Probleme gibt, ist es Aufgabe der Gastwirte, sich mit den Anwohnern zu arrangieren. In den letzten Jahren haben das alle geschafft.

[Beifall bei der SPD, der Linkspartei.PDS und den Grünen]

Sie wollen hier ein Monster aufbauen, das es nicht gibt. Man könnte auch sagen: Sie wollen uns helfen, Probleme zu lösen, die wir ohne Sie und diesen Antrag nicht hätten.

Die Berlinerinnen und Berliner freuen sich – auf laue Sommerabende, auf ein Bier oder eine Limo im Schankvorgarten.

[Heiterkeit bei der FDP]

Ja, so heißen die offiziell. – Das Bayerische Verfassungsgericht hat die Berliner Lärmschutzverordnung und ihre Umsetzung sogar schon einmal ausdrücklich gelobt. Herr Lindner, Sie kommen doch aus Bayern. Dann müsste Ihnen das doch bekannt sein. Wieso können Sie das nicht zur Kenntnis nehmen?

Dieser Antrag ist so überflüssig wie ein leeres Glas Bier. Ich lade Sie trotzdem zu einem gepflegten Glas Bier in einem Biergarten Ihrer Wahl ein. – Vielen Dank!

[Beifall bei der SPD – Vereinzelter Beifall von der Linkspartei.PDS]

Danke schön, Herr Buchholz! – Das Wort für die CDU-Fraktion hat der Abgeordnete Friederici. – Bitte schön!

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Herr von Lüdeke! Eigentlich klingt die Überschrift sympathisch. Wir hatten gewisse Sympathien für den Antrag, Sonderregelungen während der WM zu schaffen, aber der Antrag ist wirklich überholt. Die Zeit ist darüber hinweggegangen, und eine entsprechende Verordnungsänderung, die eine Ausweitung von 22 auf 24 Uhr im Einzelfall während der WM ermöglicht, dürfte der FDP vor Antragsstellung bekannt gewesen sein.

[Dr. Lindner (FDP): Im Einzelfall!]

Der Wirt muss es beantragen und es genehmigt bekommen. Das ist eine Abwägung von Interessen. – Umso mehr verwundert es, dass Sie am 9. Mai 2006 diesen Antrag gestellt haben. Eigentlich war zu diesem Zeitpunkt schon alles gegessen. Wir haben eine gewisse Sympathie für die Forderung des Hotel- und Gaststättenverbandes vernommen. Nur die FDP ist auf diesen Zug aufgesprungen.

Gehen wir ins Detail. Schauen wir uns die Bezirke an. Von der Union wird beispielsweise seit Jahr und Tag im Rahmen eines Schlossstraßenkonzeptes gefordert, auf dem Steglitzer Herrmann-Ehlers-Platz einen Biergarten zu eröffnen. Es gibt Interessenten, die das machen wollen.

Das muss man sehen. Sie wollen das so. Sie sind die große Koalition der Bleischrotverordnung gegen die Entenjagd. Immer wenn es Bürokratie gibt, gibt es eine große Koalition von der CDU bis zur PDS. Deswegen wundert es mich auch nicht, dass Sie jetzt wieder alle untergehakt zusammenarbeiten. Sie sind ein sozialdemokratischer und in kleinen Nuancen sozialistischer Klub, der angetreten ist, die Bürokratie – –

Das linke Spektrum ist dagegen, aber auch die FDP hat die Forderung der CDU bisher nicht unterstützt.

Man muss als Oppositionspartei auch einmal sagen, dass die Entscheidung des Senats in die richtige Richtung geht. Der Senat hat sich in diesem Fall den Forderungen der Wirtschaft, der Fußballverbände, der CDU und der FDP angeschlossen, längere Öffnungszeiten zu ermöglichen. Während der Fußball-WM zeigt sich der Senat wenigstens in diesem Fall weltoffen und international. Das war in der Vergangenheit nicht immer so. Bei der Fanmeile auf der Straße des 17. Juni gab es einige Schwierigkeiten, bis der Senat eingesehen hat, dass das der richtige Ort ist und nicht oberhalb der Schweizer Botschaft.

Für die Zeit nach der Fußball-WM muss in jedem Fall eine verträgliche Lösung gefunden werden, die den berechtigten Interessen der Biergartenbetreiber und der Anwohner Rechnung trägt. Es müssen Einzelfalllösungen her. Das bedeutet keine unnötige Regulierung und auch keine zusätzliche Bürokratie. Die Verwaltung muss Grundsätze und Regelungen aufstellen, an die sich alle halten müssen.

Zum Schluss ein Wort an alle: Wir hoffen nicht nur das Beste für unsere Biergärten, sondern auch für unsere Nationalmannschaft, für unsere Gäste und die Berliner Wirtschaft. Hoffentlich erzielen wir einen guten Erfolg.

[Beifall bei der CDU]

Danke schön! – Herr Dr. Lindner hat um die Möglichkeit für eine Kurzintervention gebeten. – Bitte!

Frau Präsidentin! Verehrte Damen und Herren! Dass von den linken Parteien nichts anderes zu erwarten ist als der Hinweis, dass wir das nicht brauchen, dass das überflüssig ist und wir das schon haben und dass man immer irgendjemanden berücksichtigen muss, bin ich gewohnt, aber dass die Union nicht ein bisschen in unsere Richtung arbeitet, ist völlig unverständlich. Sie sagten selbst, dass der Hotel- und Gaststättenverband diese Forderung erhoben hat. Warum hat er das getan? – Weil es ein bürokratischer Akt für einen Gastwirt ist, in dieser Zeit jedes Mal eine Einzelfallgenehmigung zu beantragen. Es ist natürlich ein qualitativer Unterschied, ob man das pauschal auf diese Zeit beschränkt erlaubt oder mit Einzelfallgenehmigungen arbeitet.

[Beifall bei der FDP]

Jetzt reden wir einmal über den Zustand unabhängig von der WM: Sie sagen, alles sei bestens. Reden Sie doch einmal mit den Wirten! Die erzählen Ihnen, was tatsächlich in Wilmersdorf und Charlottenburg los ist, wo die Bürgersteige breiter sind. Da werden die Ordnungsämter, die wir eingeführt haben, um Kleinkriminelle zu verfolgen und gegen Hundekot u. Ä. vorzugehen, eingesetzt, um Falschparker abzuzocken und die Wirte zu drangsalieren. Ich habe selbst erlebt, dass die dann um 21 Uhr, wenn die Sonne noch nicht untergegangen ist, kommen. Das ist

die Situation. Das genau wollen Sie, Sie Bürokratengesellschaft. Es gibt eben nur eine Partei für die Bürger und Kleinunternehmer, nämlich die FDP.

[Beifall bei der FDP – Zurufe]

[Zurufe von der CDU]

Da wehren Sie sich, Herr Gram. Schauen Sie sich doch einmal an, was Frau Merkel gerade macht: das Antidiskriminierungsgesetz unter anderem Etikett wieder einführen. Das hätten Sie früher auch nicht gedacht, Herr Gram. Es ist Ihre Partei, die da mitmacht. Das zieht sich von der Bundesebene bis in den Kiez hinein. Das ist Sozialdemokratie, Bürokratie. Das ist eine untergehakte Mafia gegen den Bürger. Es muss eine Kraft in diesem Land und in diesem Haus geben, die sich gegen diese Mafia zur Wehr setzt: Das ist die Freie Demokratie. – Herzlichen Dank!

[Beifall bei der FDP – Heiterkeit]

Danke schön! – Herr Friederici möchte erwidern. – Bitte schön!

Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Klarer als mit dieser Rede konnten Sie keinen Wahlkampf machen. Das war knallhart am Thema vorbei und zeigt, warum Sie diesen Antrag eingebracht haben.

[Beifall bei der CDU, der SPD, der Linkspartei.PDS und den Grünen]

Es ist erbärmlich, Herr Lindner, dass nicht Sie im ersten Durchlauf geredet haben, sondern Herr von Lüdeke. Offensichtlich hatte das Thema nicht so viel Gehalt. Dass Sie in der Replizierung reden mussten, ist charakteristisch für den Antrag und Ihren einfachen Politikstil.

Die SPD und natürlich auch die CDU sind Volksparteien. Wir sind keine Klientelparteien. Wir müssen zwischen den Interessen der Biergartenbetreiber und der Anwohner abwägen. Natürlich gibt es Leute, die gezielt in solche Gegenden ziehen, beispielsweise in die Pariser Straße oder nach Prenzlauer Berg, und sich damit abfinden müssen, dass die Biergärten und Schankveranden geöffnet sind, aber diese Leute wissen das, wenn sie dorthin ziehen. Aber wenn in Wohngebieten ein neues Gewerbe dieser Art eröffnet, dann ist es gerechtfertigt, dass man für die Zeit nach 22 Uhr einen Einzelantrag stellen muss. Das hat nichts mit Sozialismus zu tun, sondern mit Gerechtigkeit und der Berechtigung widersprüchlicher Interessen. Die CDU wird in solchen Fällen immer für eine Abwägung der Interessen stehen. Deswegen ist es richtig, zu einer einvernehmlichen Lösung zwischen den Anwohnern und den Biergartenbetreibern zu kommen.

also jenseits von Gesetzen und ähnlichen Bestimmungen! – Dass wir inzwischen in Berlin ein Immissionsschutzgesetz haben, das sich in der Praxis bewährt hat und über weitreichende und durchaus großzügigere als die

vorher existierenden Regelungen verfügt, scheint an Ihnen völlig vorbei gegangen zu sein. Die entsprechenden Anträge sind unkompliziert, sie haben den Vorteil, dass es ein Moderationsverfahren gibt, wenn es zu Konflikten kommt.

In einer Stadt wie Berlin gibt es natürlich Konflikte. Die Kollegen aller Fraktionen haben das dargestellt. Der berühmte Film heißt „Schlaflos in Seattle“ und nicht „Schlaflos in Berlin“. Wenn ich Sie so reden höre, frage ich mich, aus welcher Vorstadt, aus welcher dörflichen Idylle Sie jeden Tag eingeflogen werden? Denn Ihre Sicht auf Berlin scheint eine andere Stadt widerzuspiegeln, als diese Stadt es wirklich ist.

Wenn Sie in gut besuchte Gebiete von Mitte, Friedrichshain und Prenzlauer Berg gehen, wenn Sie sehenden Auges durch Kreuzberg laufen, dann sehen Sie doch, dass das funktioniert. Das funktioniert täglich, das funktioniert jedes Wochenende! Niemand muss verdursten, wenn er draußen sitzen möchte. Alles Mögliche ist realisierbar. Dass einvernehmliche Lösungen besser sind als Verordnungen, müsste selbst Ihnen einleuchten.

Aber ich will Ihnen noch ein unschlagbares Argument vortragen. Der Senat hat in vorauseilendem Gehorsam gegenüber der FDP oder vielleicht gegenüber der Vernunft Ihrem Antrag vom 9. Mai 2006 Handeln folgen lassen. Bedauerlicherweise – oder zum Glück! – stellt die FDP keine Bezirksbürgermeister, ansonsten würden Sie wissen, dass die Senatsverwaltung für Stadtentwicklung in der Sitzung des Rates der Bürgermeister am 11. Mai 2006 an die zuständigen Ämter in den Bezirken appelliert hat, die geltenden Regelungen – und wir können nicht jenseits von Gesetzen handeln, nicht einmal die FDP! – in den Bezirken sinnvoll und ordentlich zu nutzen.

[Beifall bei der CDU, der SPD und der Linkspartei.PDS]

Danke schön! – Für die Linkspartei.PDS hat der Abgeordnete Pewestorff das Wort. – Bitte!