Protokoll der Sitzung vom 31.08.2006

[Beifall bei der Linkspartei.PDS – Vereinzelter Beifall bei der SPD]

Ein Wort zur Problematik Girokonto für jede Frau und jedermann: Diese Forderung wird – mit Ausnahme der Sparkasse – von den Kreditinstituten nach wie vor nicht ausreichend erfüllt. Ende 2005 besaßen 11 % der Schuldnerinnen und Schuldner, die in die Beratungsstellen kamen, kein eigenes Konto. Unter diesen Bedingungen reicht die von der Bundesregierung verabredete Selbstverpflichtung der Kreditwirtschaft überhaupt nicht aus. Hier müssen wir verbindlicher herangehen.

[Beifall bei der Linkspartei.PDS]

Zurzeit planen wir gemeinsam mit der Bundesverbraucherzentrale und der Evangelischen Fachhochschule eine Ringvorlesung für Verbraucherschutzthemen, um Sozialarbeiter, Sozialpädagogen und Pflegemanager für ihre späteren Aufgabenfelder auch in Sachen Verbraucherschutz zu qualifizieren. Ich bin davon überzeugt, dass wir mit solchen Partnern Verbraucherinnen und Verbraucher stärker machen.

In der Großen Anfrage spielt der gesamte Pflegebereich eine zentrale und umfangreiche Rolle, zu Recht, weil es durch die zunehmende Trägerpluralität im ambulanten und stationären Pflegebereich und durch den Unterbietungswettbewerb nötig ist, hier mehr Qualitätskontrolle und Transparenz zu haben. In meiner Verwaltung werden alle Pflege- und Betreuungsverträge vor Vertragsabschluss bewertet. Bei Vertragsverletzung gibt es Eingriffsmöglichkeiten vor allen Dingen der Pflegekassen.

Auch im Pflegebereich brauchen wir eine Qualitätsoffensive. Das ist für mich eines der wichtigsten Ziele. Ich denke, mit der Qualifizierung der Heimbeiräte, die von unserem Haus vorangetrieben wird, und mit der besseren personellen und technischen Ausstattung der Heimaufsicht haben wir es geschafft, in enger Kooperation mit dem medizinischen Dienst der Krankenkassen das Netz der Qualitätskontrolle im Pflegebereich enger zu ziehen. Ich sage auch ganz klar: Hier muss noch sehr viel mehr geschehen, damit wir diesen Bereich tatsächlich so aufstellen können, wie es die alten Menschen, die betreut werden müssen, verdient haben.

Ein Wort zur Verbraucherzentrale: Sie alle wissen, dass die Verbraucherzentrale nach wie vor eine der wichtigsten Verbraucherschutzorganisationen in Berlin ist. Neben der aktiven Medien- und Öffentlichkeitsarbeit und vielfältigsten Beratungsaufgaben hat sie durch das Klagerecht ein Alleinstellungsmerkmal. Das wird ganz besonders deutlich bei Aktivitäten wie der Sammelklage gegen die Preiserhöhung der GASAG. Die Verbraucherzentrale wird vom Land Berlin gefördert. Wir haben die Fördersumme reduziert, das wissen Sie. Aber als Notlagenland zahlt das Land Berlin immer noch mehr als die reichen Länder Bayern, Baden-Württemberg, Hessen oder Niedersachsen – alle CDU-regiert.

Manchmal ist weniger mehr. Die Verbraucherzentrale hat sich modernisiert, ihr Beratungsangebot konzentriert und spezialisiert. Sie hat sich mit anderen Institutionen vernetzt. Sie kooperiert mit anderen Verbraucherzentralen. Diese Vernetzung macht Spezialisierung möglich und erhöht die Dienstleistungsqualität. Genau das ist der richtige Weg.

Eine Fusion Berlin-Brandenburg steht zurzeit nicht auf der Tagesordnung. Zu unterschiedlich sind die Probleme eines Stadtstaates und eines Flächenlandes. Allerdings gibt es Kooperationsvereinbarungen zwischen den beiden Ländern, die die Zusammenarbeit deutlich verbessert haben.

Gesundheit geht uns alle an. Deshalb steht der gesundheitliche Verbraucherschutz auch im Zentrum unserer Arbeit. Um den Anliegen von Versicherten, von Patientinnen und Patienten in der Berliner Gesundheitspolitik verstärkt Bedeutung zu verschaffen, habe ich Ende 2004 für Berlin als einziges Bundesland eine Patientenbeauftragte berufen. Es war eine gute und richtige Entscheidung,

[Beifall bei der Linkspartei.PDS und der SPD]

nicht nur deshalb, weil sie eine umfängliche Beratungs- und Aufklärungsarbeit leistet, sondern vor allen Dingen deshalb, weil sie nachhaltig Initiativen und Anstöße gibt, die für die qualitative Weiterentwicklung der Gesundheitsversorgung und vor allem für die Transparenz des Leistungsangebots stehen. Ich bin überzeugt davon, der beste gesundheitliche Verbraucherschutz ist die größtmögliche Transparenz über Qualität und Leistungsgeschehen in Krankenhäusern, in Arztpraxen und Pflegeeinrichtungen. Das wird deshalb auch der Schwerpunkt für die Zukunft bleiben müssen. Versicherte, Patientinnen und Patienten brauchen gute Argumente für ihre eigenen, ihre individuellen Entscheidungen, wo sie die beste medizinische Versorgung bekommen können. Der vom „Tagesspiegel“ veröffentlichte Klinikführer ist ein erster wichtiger Schritt zu mehr Transparenz, ein lesbarer Schritt, ein Schritt, der es Konsumenten, Patientinnen und Patienten leichter macht, durch das Gewirr des Gesundheitssystems hindurchzufinden. Im nächsten Jahr soll für Verbraucherinnen und Verbraucher eine Transparenzplattform im Internet zur Verfügung stehen, übrigens

erstmalig in der Bundesrepublik. Deshalb darf man das gern betonen.

[Beifall bei der Linkspartei.PDS]

Diese Entwicklung wollen wir auch für den Bereich der ambulanten Versorgung. Erste Gespräche haben hier mit KV und Kassen stattgefunden. Wichtig ist in diesem Zusammenhang als ein weiterer Schwerpunkt des gesundheitlichen Verbraucherschutzes die Stärkung von Patientenrechten.

Zum Schluss möchte ich feststellen, dass die Anforderungen an die Verbraucherschutzbehörden und -institutionen in den letzten Jahren qualitativ und quantitativ stetig angestiegen sind, unter anderem auch durch europäisches Recht. Diese Entwicklung wird sich fortsetzen. Deshalb möchte ich an dieser Stelle das Engagement der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in den Behörden und im Verbraucherschutz Tätigen würdigen, die im täglichen Betrieb, aber besonders in Krisensituationen unter großem Einsatz ihre Arbeit verrichten. Ich werde jedenfalls alles tun, damit eine sachgerechte Ausstattung mit Personal und Sachmitteln für die Lösung dieser Aufgaben auch in Zukunft sichergestellt wird. – Herzlichen Dank!

[Beifall bei der Linkspartei.PDS – Vereinzelter Beifall bei der SPD]

Herzlichen Dank, Frau Senatorin! – Für die Besprechung und Beratung steht den Fraktionen 10 Minuten pro Fraktion zur Verfügung. Es beginnt die Fraktion der SPD. Frau Abgeordnete Hertlein hat das Wort. – Bitte sehr!

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Frau Senatorin! Ich nehme Sie gleich beim Wort bei Ihrer Zusage, für eine auskömmliche Finanzierung der Verbraucherzentrale Berlin zu sorgen, denn Sie haben einen Vergleich gezogen mit den reiche

Die Verschuldung der Berliner Haushalte hatten Sie, Frau Senatorin, bereits erwähnt. Es ist ein schwacher Trost, dass die Schuldnerberatungsstellen in Berlin besser als im Bundesdurchschnitt ausgestattet sind. Es ist ein Verdienst dieser Koalition, aber es reicht leider nicht aus. Die Probleme werden größer, der Beratungsbedarf und damit auch die Wartelisten. Das bereitet den Boden für unseriöse Schuldnerberater. Es droht sogar, dass sie es durch die Bundesgesetzgebung noch leichter haben werden, deshalb ist es ganz wichtig gegenzusteuern.

In letzter Zeit häufen sich Zeitungsanzeigen, in denen so genannte Insolvenzbetreuer gesucht werden. Was nach einem guten Job aussieht, den man auch moralisch vertreten kann, entpuppt sich als eine Art Schleppertätigkeit, mit der den Anwälten Kunden zugeführt werden, die sie dann sehr oberflächlich beraten. Auch hier hilft nur Aufklärung, denn man kann davon ausgehen, dass die agierenden Anwälte sich noch im legalen Bereich bewegen.

Auch das Thema Guthabenkonten hat die Senatorin schon erwähnt. In diesem Zusammenhang muss ich darauf verweisen, dass die Wirtschaftsverwaltung sich sehr restriktiv verhalten hat. Wir hatten einen Beschluss in diesem Haus, unterstützt von allen Fraktionen außer der CDU, der sich für eine Bundesratsinitiative für Guthabenkonten einsetzt. Die Wirtschaftsverwaltung hat dies schlicht verweigert. Zum Glück hat inzwischen die Bundesebene den Handlungsbedarf erkannt, und sie wird in diese Richtung etwas unternehmen. Aber es hätte dem Land Berlin zur Ehre gereicht – wir waren das einzige Parlament, das eine solche Initiative vorgeschlagen hat –, die Initiative tatsächlich zu ergreifen.

ren Flächenländern. Ich vergleiche die Ausstattung mit dem armen Stadtstaat Bremen. Da sieht Berlin sehr viel schlechter aus. Es ist meine letzte Rede hier in diesem Haus. Ich will mich mit finanziellen Forderungen nicht unbeliebt machen, aber ich glaube, in diesem Zusammenhang ist das doch angebracht.

[Beifall bei der SPD – Beifall der Frau Abg. Herrmann (CDU)]

Sie haben die Wichtigkeit der Öffentlichkeitsarbeit besonders betont. Das ist auch einer meiner Schwerpunkte gewesen in den neun Jahren, die ich diesem Haus angehört habe. Ich habe regelmäßig Beratung an Verbrauchertelefonen angeboten und dabei festgestellt, was auch alle anderen sagen, die mit solchen Beratungen zu tun haben, dass die Bürgerinnen und Bürger leider oft erst dann kommen, wenn man das Kind aus dem Brunnen holen muss. Deshalb ist es wichtig, vorzubeugen, zu beraten, zu warnen, zu informieren.

Verbraucherschutz ist heute auf weiten Feldern nur möglich, wenn die Verbraucher in die Lage versetzt werden, sich durch Information selbst zu schützen: vor Geldverschwendung z. B. durch falsche Energieverwendung – jetzt gerade aktuell – oder durch Übervorteilung angesichts zunehmender illegaler Praktiken. Viele Probleme dürfte es laut Gesetz nicht geben. Um nur zwei Beispiele zu nennen: Die kalten – also unerbetenen – Firmenanrufe sind verboten. Die Ansprüche der Passagiere bei Zugverspätungen und ausgefallenen Flügen sind klar und verbraucherfreundlich geregelt – der EU sei Dank. Wir haben in diesem Haus übrigens auch beschlossen, dass der Nahverkehrsplan verbraucherfreundliche Regelungen enthalten wird, was die Ansprüche bei Verspätungen von BVG und S-Bahn betrifft.

[Zuruf der Frau Abg. Hämmerling (Grüne)]

Diese rechtlichen Regelungen helfen oft nicht. Die Rechte der Verbraucher werden missachtet und wenn es nur das Recht auf einen ungestörten Abend zu Hause ist.

Die Bedeutung der Verbraucherzentrale kann nicht genug betont werden. Sie versorgt die Bürgerämter in den Bezirken regelmäßig mit Informationen, mit ihren neuesten Pressemitteilungen, auch mit den neuesten Warnungen vor den gerade aktuellen Gaunertricks. Insofern erübrigt sich auch das Info-Mobil, das die CDU gefordert hat: So wünschenswert es wäre, so wenig ist es zu bezahlen. Aber die Verbraucherinformationen liegen in den Bürgerämtern vor, und es liegt an den einzelnen Bezirken, dafür zu sorgen, dass sie nicht untergehen, dass sie gut sichtbar präsentiert und von den Bürgern auch wahrgenommen werden.

Mein Wunsch an die Schulen ist, dass alle jungen Berliner, die nach zehn Jahren die Schule verlassen, ein Mal erfahren haben, wo sie neutrale, firmenunabhängige Beratung finden:

[Beifall bei der SPD]

z. B. in der Verbraucherzentrale, aber auch in der Stiftung Warentest.

[Frau Jantzen (Grüne): Das Wort zur SPD!]

Zum Thema Lebensmittelsicherheit möchte ich sagen, dass sie in diesem Land generell hoch ist und dass sich das Land Berlin auch, was die Probenahmen betrifft, nicht zu verstecken braucht, obwohl eine Studie der Verbraucherzentrale, Bundesverband, das Gegenteil behauptet. Auch hier geht es im Wesentlichen um Aufklärung, denn es erstaunt mich persönlich immer wieder, was die Menschen alles in ihre Einkaufswagen packen – mit zu viel Salz, zu viel Fett, zu viel Zucker.

Mich ärgert immer wieder die Behauptung, man könne sich nur mit reichlich Geld gesund ernähren. Die Studenten und jungen Familien, die ebenfalls nicht im Geld schwimmen und sich auf Wochenmärkten, bei Discountern und aus allen möglichen Quellen das Richtige, Gesunde, Bezahlbare heraussuchen, treten den Gegenbeweis an. Unsere Ernährung beeinflusst oder verhindert schätzungsweise 50 % unserer Krankheiten.

Die Nachrichten von Gammelfleisch und Pestizidbelastung verstärken regelmäßig den Ruf nach mehr Kontrollen. So verständlich er ist und so berechtigt der Zorn auf Firmen, die sich auf Kosten der Konsumenten berei

Ich komme zum Schluss. – Ich fasse zusammen, dass im Land Berlin in den vergangenen fünf Jahren an Informationen, Kontrollen und Hilfen geleistet wurde, was angesichts der Haushaltslage möglich war. Ich wünsche mir, gerade weil wir heute alle die Bro

schüre der Agenda 21 auf dem Tisch haben, dass die dort genannten Verbraucherziele – bewusster Verbrauch, Stärkung des fairen Handels – erfolgreich umgesetzt werden. Ich denke, dass für diese Broschüre die ebenfalls ausscheidenden Kollegen Frau Hinz und Professor Rogall besondere Anerkennung verdienen.

Herzlichen Dank, Frau Hertlein! – Für die CDU-Fraktion hat jetzt Herr Brinsa das Wort. – Bitte schön!

Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Dieses Thema, Große Anfrage Verbraucherschutz, eignet sich eigentlich wenig für den Wahlkampf. Das hat auch die Senatorin als erfahrene Politikerin gewusst, und insoweit hat sie kleine Tupfer hingeworfen und überhaupt nicht das getan, was die antragstellenden Fraktionen mit dem Antrag – das war übrigens die Regierungskoalition – verlangt haben. Ich habe darauf geachtet. – Frau Senatorin, Sie haben zwar ein paar kleine Erfolge erwähnt oder was Sie in den fünf Jahren im Bereich Verbraucherschutz getan haben, aber Sie sind auf die Große Anfrage so gut wie nicht eingegangen. Ich halte das eigentlich für, wenn ich das charmant sagen darf, ungezogen.

chert haben – man muss sagen, dass mehr als Stichproben nicht zu leisten und nicht zu bezahlen sind. Insofern bleibt immer eine Grauzone. Auch hier geht es um Know-how.

Der Verbraucher muss versuchen, sich so gut wie möglich, eine gewisse Sachkunde anzueignen. Dazu hat er in Berlin gute Möglichkeiten. Die Lesesäle der Bibliotheken sind frei zugänglich. Wer sich eine Lesekarte nicht leisten kann, bekommt sie gratis zur Verfügung gestellt. Know-how ist vorhanden und kann abgerufen werden.

In diesem Zusammenhang möchte ich etwas zum jüngsten Bericht über Kinderarmut sagen. Denn Armut, also der bedrückende Zwang, nur das Allernötigste verbrauchen zu können, gehört durchaus in diesen Themenkreis. Aber Geldmangel wird meines Erachtens zu schnell als Entschuldigung für Bequemlichkeit und Vernachlässigung akzeptiert. Damit tut man den vielen Müttern und Vätern in dieser Stadt Unrecht, die sich unter ebenfalls schwierigen Umständen verantwortungsbewusst um ihre Kinder kümmern. Wenn tatsächlich ein Drittel der Berliner Kinder morgens ohne Frühstück in die Schule kommt, dann gibt es dafür meines Erachtens keinerlei Entschuldigung.

[Beifall bei der SPD – Vereinzelter Beifall bei der Linkspartei.PDS]

Der neueste Test von der Stiftung Warentest, wo ich früher gearbeitet habe, weist es nach: Für einen Euro ist ein Kilo ordentliches Früchtemüsli zu haben, und ein Liter Milch kostet 50 Cent. Das kann jeder bezahlen und seinem Kind hinstellen, auch wenn man schon zur Arbeit musste oder morgens nicht aufstehen möchte.

Bibliotheken, die Gratiszeiten der Museen und vieler Ausstellungen und bei Bedarf verbilligte Theaterkarten – auch etwas, wofür sich diese Koalition erfolgreich eingesetzt hat – sorgen dafür, dass materielle Armut nicht Armut an Bildung und Anregung bedeuten muss.

[Vereinzelter Beifall bei der SPD]

Verbraucherschutz im Land Berlin ist weitgehend auf die Gewährleistung von Kontrolle und Information sowie auf eventuelles Krisenmanagement beschränkt – Beispiel Vogelgrippe. Außerhalb des Berliner Einflussbereichs aber läuft vieles schief, oder es drohen fatale falsche Weichenstellungen. Wer einen Kredit sucht und mehrere Banken nach ihren Konditionen fragt, kann allein, weil er sein gutes Verbraucherrecht wahrnimmt, auf die Schufaliste geraten. Das sage ich auch in Richtung unseres Landesbeauftragten für Datenschutz und Informationsfreiheit.

Frau Abgeordnete! Ihre Redezeit ist längst zu Ende. Bitte kommen Sie zum Schlusssatz!