„Der Wirtschaftspolitik kommt in Berlin die Schlüsselrolle zu“ – so heißt es weiter in Ihrem Programm –, „Gestaltungsfreiräume durch Stärkung selbsttragender Wachstumskräfte wiederzugewinnen“.
Wenn man sich dann genauer anschaut, was Sie sich geleistet und weniger für Berlin geleistet haben, sieht man, dass Sie in allen standortrelevanten Punkten versagt haben. Da braucht man nur eine Studie der Bertelsmannstiftung – das ist auch kein FDP-nahes Institut – heranzuziehen, die die Länder verglichen und klar festgestellt haben, dass Berlin zusammen mit Mecklenburg-Vorpommern – ganz zufälligerweise auch rot-rot-regiert – an letzter Stelle der Tabelle liegt.
Bürokratieabbau: Wir haben von Ihnen drei Entbürokratisierungsgesetze vorgelegt bekommen, die Dinge betreffen, die längst veraltet sind. Wir haben als FDPFraktion 68 Anträge unter dem Titel „Mehr Berlin, weniger Staat“ vorgelegt.
Nächster Punkt: Die Wirtschaftsförderung sollte nach Ihrem Koalitionsvertrag auf Medien, Kommunikationswirtschaft, Medizin, Biotechnologie, optische Technik usw. konzentriert werden. Alles, was in Richtung dieser
Der Schulbereich ist auch so etwas. 11,6 % Unterrichtsstunden fallen aus. Es ist alles, was Sie hier geäußert haben betroffen: Sport- und Schulsanierungsprogramm, 52 Millionen €; 41 Millionen € sind gerade angekommen. Eine eigenverantwortliche Schule gibt es auf dem Papier, aber wenn man genau nachschaut, haben sie kein Budgetrecht, sie können ihr Personal nicht aussuchen, sie können nichts, was die Ausprägung angeht, selbst bestimmen, das macht immer noch die Verwaltung. Nichts stimmt mit dem überein, was Sie sich vorgenommen haben, sondern Sie wollen eine Einheitsschule. Das ist auch ganz nett: Wenn die Umgebung nicht ganz so kommod ist wie zum
Beispiel bei der Handwerkskammer, dann wird sie schnell zur „Gemeinschaftsschule“. Oder gestern der Kollege Arndt in Steglitz: als „freiwilliges Angebot“. Als wir ihn dann mit dem Kollegen Müller konfrontierten, der abends in anderer Umgebung beim RBB ganz tapfer noch dabei war, sagte Herr Arndt: Na ja, das ist die Auffassung vom Kollegen Müller. – Auch hier versuchen Sie, den Leuten Sand ins Auge zu streuen, auch mit Hilfe der Grünen. Das muss man bei der Gelegenheit auch sagen. Frau Eichstädt-Bohlig ist ganz charmant. Sie sitzt dann auch bei der Handwerkskammer und sagt: Na ja, dass ist ein zusätzliches freiwilliges Angebot, das irgendwann einmal kommen soll. – In anderer Umgebung ist es dann schon mehr die Einheitsschule. Das gilt auch für andere Sachen. Zum Beispiel hört man bei der Ausbildungsplatzabgabe: Also, die Handwerkskammer muss man nur so ein bisschen haben, um die Unternehmen zu piesacken. – Beim RBB wird dann schon gesagt: Also, man muss damit einmal ein bisschen Druck ausüben.
Technologien und Wirtschaftszweige geht, unsere Vorschläge zum Urheberschutz für die Musikwirtschaft, Stammzellforschung und Ähnliches, haben Sie abgelehnt. Es ist das alte Berliner Gießkannenfördersystem geblieben, und dann wird es teilweise auch noch zweckentfremdet. Darüber werden wir später noch zu reden haben, Herr Wolf, wo die Wirtschaftsfördermittel tatsächlich landen.
Die Wasserbetriebe haben die Preise erhöht. Bei den Verkehrsbetrieben, BVG, gibt es ebenfalls Preiserhöhungen, bei der BSR, und die Wohnungsbaugesellschaften haben knapp 8 Milliarden € Kreditverbindlichkeiten aufgehäuft. Ihre eigenen, schon sehr gering gesteckten Privatisierungsziele von etwa 3 Milliarden € haben Sie dann zusammenschrumpfen lassen und um 1 Milliarde € unterschritten. Sie lassen es dafür zu, dass auf breiter Front den Bürgern in die Tasche gegriffen wird.
Das sage ich an der Stelle auch ganz klar: Am 17. September werden die Berlinerinnen und Berliner die erste Gelegenheit haben, zu zeigen, was sie von dieser Abkassierorgie auf Bundes- und Landesebene zu halten haben. Bei der Mehrwertsteuer haben Sie tapfer Ihr Wahlversprechen als unfair bezeichnet und über Bord geworfen. Einkommensteuererhöhung, egal, was man auf Landesebene angeht, Straßenausbaubeitragsgesetz, wo auch immer Sie eine Gelegenheit finden, dem Bürger in die Tasche zu greifen, haben Sie es getan, tut es die SPD auf Bundesebene, tut es die SPD auf Landesebene. Einmal hilft Ihnen dabei die CDU, und einmal helfen Ihnen dabei die Linken von der PDS. Egal, wo man hinschaut, kassieren Sie ab. Das wird eine gute Gelegenheit für die Bürger sein, zu zeigen, dass damit Schluss ist.
Kommen wir zu Ihrer Armutsbilanz: 70 000 Berlinerinnen und Berliner leben mehr in Armut als zu Beginn Ihrer Amtsperiode. Das ist ganz interessant. Wir sehen das gerade immer wieder auf Podiumsdiskussionen in Schulen. Anhand dieses Beispiels kann man ganz eindrücklich und wunderbar den Unterschied zwischen sozialdemokratisch und sozialistisch auf der einen und sozial auf der anderen Seite erklären. Das hat nichts miteinander zu tun. Sie machen sozialistische und sozialdemokratische Politik; sozial ist etwas anderes.
Ich muss Ihnen ganz klar sagen: Wer versucht, sich zwischen alle Stühle zu setzen, wird am Ende auf dem Boden landen.
Sie müssen sich irgendwann einmal entscheiden, ob Sie in Richtung Liberalität oder ob Sie weiter in Richtung PDS gehen. Irgendwann müssen Sie dem Bürger das klar machen. Ich denke auch immer an Ihr Bild, Herr Ratzmann: Wenn Sie nicht rot sehen wollen, müssen Sie grün wählen! – Die Bürger müssen aufpassen: Wer im Moment grün träumt und grün wählt, wacht am Ende vielleicht mit zwei zusätzlichen grünen Senatoren auf, hat dann aber nach wie vor Herrn Flierl und Herrn Wolf auf der Bühne sitzen. Das muss man ganz klar sehen.
Wir haben eine Bilanz – die haben wir Ihnen auch einzeln aufgeschrieben –, die schaurig und schlecht ist und zeigt, dass Sie auf ganzer Linie versagt haben. Ich sage Ihnen ganz klar: Wir machen Berlin nicht mies. Wir reden von Ihrer Regierungsverantwortung. Herr Kollege Sarrazin macht Berlin mies.
Er erklärt, dass wir hier noch 1947 haben. Wir sagen, dass Berlin eine großartige Stadt ist, großartige Kultur, Wissenschaft, prächtige Gebäude, und die Berlinerinnen und Berliner sind auch weit über Ihrem Niveau. Das sieht man übrigens auch bei der OECD-Studie, wo die Berliner Kinder in Fragen der Intelligenz und naturgegebener Begabung über dem OECD-Schnitt liegen, aber in den Bereichen, die sie dann auf Ihren traurigen Schulen lernen, Herr Böger, Mathematik und Deutsch, sind sie dann unter dem OECD-Schnitt. Sie starten mit großer Begabung und werden durch Ihre Schulen am Ende unter dem Bundesdurchschnitt liegen.
Wir sind auch nicht irgendeine durchschnittliche Großstadt, und dafür gibt es Gründe, die ich gerne noch einmal nenne. Die Wunden der Teilung sind in der Stadt so sichtbar wie kaum woanders; auch heute leiden wir mitunter noch darunter. Die Wiedervereinigung war finanzpolitisch von uns zu bewältigen, und es war richtig, dass die große Koalition damals in das Zusammenwachsen und in die Infrastruktur der Stadt investiert hat. Wir hätten es gar nicht ausgehalten, auf engstem Raum zwei unterschiedliche Lebensverhältnisse zu haben. Es war richtig investiertes Geld, auch wenn es uns heute mitunter fehlt.
Wir haben 3,5 Millionen Einwohner in unserer Stadt, 46 % Alleinerziehende, Migration – eine Chance und große Bereicherung für unsere Stadt, die aber auch Probleme mit sich bringt. Aus diesem Grunde investieren wir mehr als andere in Bildung und Betreuung, und das ist auch richtig so, das wollen wir uns bildungspolitisch leisten.
Wir brauchen eine Regierung, die zu dieser Stadt passt, die nicht dieses mindere Niveau hat, das Sie in den letzten Jahren vorgeführt haben.
Ich komme zum Schluss noch einmal auf die Bertelsmann-Studie zurück. Statt Ihrer Wahlpropaganda, die sowieso nichts wert ist – wie Herr Müntefering sagt –, Ihrer ganzen Versprechen und Ihrer ganzen Schwindeleien mal hier, mal da: Schauen Sie sich diese Bertelsmann-Studie an. Dort, wo Liberale in Regierungsverantwortung waren und sind, Rheinland-Pfalz, Baden-Württemberg, Niedersachsen, ist oben, und wo Sie Regierungsverantwortung tragen, sind diese Länder unten, Mecklenburg-Vorpommern und Berlin an allererster Stelle.
Die Berlinerinnen und Berliner können das auch haben, was die Baden-Württemberger, die Niedersachsen und jetzt die Nordrhein-Westfalen haben, eine Regierung, die sie nach oben bringt und nicht nach unten und sie nicht unten lässt, wie Sie das getan haben. Am 17. September werden die Berliner Gelegenheit haben, Sie abzuwählen und liberale Kraft in den Senat zu bringen. Wir brauchen einen Neustart in der Stadt.
Danke schön, Herr Kollege Lindner! – Das Wort für die SPD-Fraktion hat nunmehr deren Vorsitzender, Herr Kollege Müller! – Bitte schön, Herr Müller, Sie haben das Wort!
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Herr Kollege Lindner! Das war aber eine schwache Vorstellung!
Ich dachte, es würde ein Feuerwerk abgebrannt, aber da kam nichts, keine inhaltliche Alternative, keine neu entwickelten Vorstellungen der FDP.
Nach wie vor kommen die ganz einfachen Antworten auf große Probleme. Ihr Privatisierungsextremismus, mit dem Sie uns immer wieder quälen, und Ihre Vorstellung, man müsse alles nur entbürokratisieren, an Finanzinvestoren privatisieren und hunderttausend Leute aus dem öffentlichen Dienst rausschmeißen – schreiben Sie das doch, auf Ihre Plakate, dann wissen die Leute, woran sie sind. Das sind nicht die Antworten für diese Stadt, da können Sie sicher sein, Herr Lindner!
Ihr Pamphlet von elf Seiten, Ihr Antrag, den wir heute noch diskutieren sollen, ist eine einzige Miesmacherei dieser Stadt und bietet keinen einzigen inhaltlichen Ansatzpunkt, über den es sich zu diskutieren lohnt. Sie treffen damit nicht im Geringsten die Situation in dieser Stadt. Ich sage das ganz deutlich, auch in andere Richtungen: Berlin 2006 ist nicht zu vergleichen mit Berlin 1947!
Wir haben auch eine Hauptstadtfunktion zu erfüllen und wollen sie für den Bund und für die anderen Bundesländer erfüllen, und natürlich erwachsen uns daraus auch Verpflichtungen.
Die Handlungsfähigkeit wiederherzustellen, den Mentalitätswechsel, den Klaus Wowereit 2001 ausgerufen hat, umzusetzen – das waren die Aufgaben, vor denen wir 2001/2002 bei Regierungsübernahme standen. Das war eine schwierige Ausgangssituation, auch das muss man sich vor Augen halten. Die erste schwierige Entscheidung, die im Parlament zu treffen war, war die Frage, wie wir mit der Bankgesellschaft umgehen, mit dieser finanzpolitischen Katastrophe. Das war die erste Entscheidung für die neu gewählten Abgeordneten, und es war richtig, auch hier Verantwortung zu übernehmen und die Bankgesellschaft zu retten, die Sparkasse und viele Tausend Arbeitsplätze zu erhalten. Wir haben sie auf einen guten Weg gebracht und können jetzt mit der Privatisierung und den Milliardenerlösen einen großen Teil der Immobilienrisiken abdecken, die in den nächsten Jahren noch auf uns zukommen. Auch das war ein erster und richtiger, wichtiger finanzpolitischer Schritt.
Die konsequente Konsolidierung, die Strukturveränderungen in unserer Stadt waren nötig und wichtig – Konsolidierungspolitik ist Zukunftspolitik,
Wir haben diese finanzpolitischen Handlungsspielräume auch genutzt, z. B. für die Bildungspolitik. Das
Schul- und Sportstättensanierungsprogramm bedeutet, dass jedes Jahr über 40 Millionen € in die Schulen und Sportstätten zu deren Sanierung fließen. Das ist ein wichtiger Punkt, den wir auch in der nächsten Legislaturperiode absichern. Wir haben unser Schulreformgesetz umgesetzt, für das wir landauf, landab gelobt werden. Es bedeutet: Verlässliche Halbtagsgrundschule von 7.30 Uhr bis 13.30 Uhr, die Ausweitung des Ganztagsschulangebots, Sprachstandtests, Einstellungen von rund 600 Lehrern in diesem Jahr,