Den Verbraucherinnnen und Verbrauchern, die zum 1. Juli in Berlin von den erhöhten Strompreisen betroffen sind – das sind 90 Prozent der Bevölkerung –, raten wir, mögliche Alternativen der Stromversorgung zu prüfen. Mehrere Stromanbieter haben bereits öffentlich deutlich gemacht, dass sie die Preiserhöhungen von Vattenfall nicht ihrerseits zu Preiserhöhungen nutzen werden. Es existieren mehrere Anbieter, die bei gleicher Qualität der Dienstleistung diese günstiger anbieten. Leider werden die Berlinerinnen und Berliner bei dieser Entscheidung wieder einmal allein gelassen. Denn auch bei den Strompreisen gilt: Der Senat setzt sich nicht ein, weder für mehr Wettbewerb noch für mehr Kontrolle, weder für die Verbraucher noch für die mittelständische Wirtschaft der Stadt. Dieser Einsatz aber wäre dringend notwendig. Hier ist der Senat leider ein Totalausfall.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Für mich war die Ankündigung von Vattenfall, dass demnächst wieder die Strompreise erhöht werden sollen, wenig überraschend. Überraschend hingegen ist, mit welchem klassenkämpferischen Tenor sich heute FDP und CDU im gemeinsamen Kampf gegen die Monopole eingereiht haben.
[Beifall bei der Linksfraktion und der SPD – Beifall von Kurt Wansner (CDU) – Zuruf von Joachim Esser (Grüne)]
Wenn Sie jetzt solche Töne spucken und den Kampf gegen die Monopole angesagt haben, dann frage ich gerade die CDU: Wer hat es zugelassen, dass der landeseigene Betrieb Bewag an den Monopolisten Vattenfall verkauft worden ist?
Das sind Sie doch gewesen! Wo haben Sie sich schützend vor die Berlinerinnen und Berliner gestellt, als ihr landeseigenes Unternehmen verkauft worden ist?
Wo war da die FDP? Mir ist keine einzige Aktion bekannt, mit der sich die FDP gegen den Verkauf gewandt hat.
Zweites Stichwort: Wasser. Wo ist die CDU gewesen, als die Wasserbetriebe teilprivatisiert worden ist? Wer hat zugelassen, dass der Vertrag mit Privaten unterzeichnet werden konnte,
und somit den Privaten einen Gewinn garantiert, unter dem heute alle Berlinerinnen und Berliner leiden? – Das war die CDU.
Nun zu dem Sachthema Preiserhöhungen. Mich hat überrascht, mit wie wenig Sachkunde FDP und CDU an dieses Thema herangegangen sind. Wenn Sie schon gegen Monopolbildung sind, sollten Sie sich mit der Frage auseinander setzen, was mit dem Monopol Strommarkt künftig passieren soll. – Zu den Fakten: die Strompreise von Vattenfall werden damit begründet, dass die Preise an der Leipziger Strombörse gestiegen seien. Erst Anfang diesen Jahres geriet die Leipziger Strombörse in den Verdacht, bei den Preisen zu manipulieren. Wie konnte dieser Vorwurf entstehen? – Bekanntermaßen wird an der Börse der Preis über Angebot und Nachfrage geregelt. So, sollte man meinen, auch an der Strombörse. Doch wie kann dieses Spiel funktionieren, wenn sich vier Stromriesen den bundesdeutschen Markt aufgeteilt haben und somit faktisch eine Monopolstellung besitzen? An der Leipziger Strombörse werden nur 10 Prozent der deutschen Stromkapazitäten gehandelt. Der dort festgelegte Preis gilt aber für den gesamten Strommarkt. Es kann also bereits durch
den Handel von kleineren Mengen Strom der Preis für den gesamten Strommarkt beeinflusst werden. So bestimmen letztlich die vier marktbeherrschenden Unternehmen aufgrund ihrer Stellung den Strompreis. Genau diese Strukturen sind es, weshalb der Verdacht der Preismanipulation durch künstlich erzeugte Stromknappheit aufkommen konnte und im letzten Jahr die EUKommission ermittelte und auch die Leipziger Staatsanwaltschaft eingeschaltet wurde.
Der Vorwurf – so ist im aktuellen „Mietermagazin“ nachzulesen – lautet, dass die Stromerzeuger im letzten Jahr mehr Strom produziert hätten, als verbraucht wurde. Dies hätte eigentlich den Verkauf der überschüssigen Kapazitäten an der Leipziger Strombörse zur Folge haben müssen – hatte es aber nicht. Dieser Vorgang zeigt einmal mehr: Transparenz bei der Preisbildung der Energieversorger ist dringend notwendig.
[Michael Schäfer (Grüne): Aber getan hat er nichts! – Dr. Martin Lindner (FDP): Sprüche und nichts dahinter!]
Wir kommen gleich dazu, was er getan hat. – In seiner Presseerklärung vom 2. Mai konstatiert er, dass es keinen wirklichen Wettbewerb gebe und die Preise an der Strombörse teilweise das Doppelte der Produktionskosten betrügen. – Wir nähern uns dem Problem der Preisgestaltung. Hören Sie ruhig ein bisschen zu! – Was ist das für ein Wettbewerb, wenn die vier Marktbeherrscher erst einmal dafür sorgen, dass überhöhte Preise an der Börse gehandelt werden, um diese selbst künstlich erhöhten Preise dann – siehe Vattenfall – als Rechtfertigung für die eigene Preiserhöhung zu nehmen! Der Preis an der Leipziger Strombörse wird auch maßgeblich durch Vattenfall mitbestimmt, um ihn dann – mit Hinweis auf die erhöhten Kosten – an die Verbraucher weiterzuleiten.
Auch wenn wir wissen, dass die vier Stromriesen in Deutschland nicht dem Gemeinwohl, sondern dem Gewinnstreben verpflichtet sind – diese Art von Preistreiberei schlägt dem Fass den Boden aus.
In dieses Bild passt der aktuelle Beschluss des Oberlandesgerichts Düsseldorf, mit dem der Bundesnetzagentur in ihrer Entscheidung recht gegeben wurde, Vattenfall zur 18-prozentigen Senkung der Netzgebühren zu verpflichten.
Es passt auch ins Bild, dass Vattenfall seinen Gewinn für 2006 deutlich steigern konnte. Der erzielte Überschuss soll sich laut Pressemeldung um 29 Prozent auf 934 Millionen € erhöht haben. Der Umsatz steigerte sich um 6 Prozent auf 11,1 Milliarden €. Beinahe fassungslos ist
man, wenn dann in derselben Pressemeldung zu lesen ist, dass der Vorstandsvorsitzende von Vattenfall der Meinung sei, die Anhebung der Strompreise um durchschnittlich 6,5 Prozent sei moderat.
Genau das ist es, was die Verbraucherinnen und Verbraucher zu Recht wütend macht: extrem hohe Gewinne einerseits, steigende Preise andererseits. Die Strompreise sind zu hoch, und die Verbraucherinnen und Verbraucher haben angesichts der fast monopolartigen Stellung von Vattenfall in Berlin kaum Alternativen beziehungsweise Ausweichmöglichkeiten.
Die Frage ist, ob die Preise durch den Staat reguliert werden können und wie Transparenz bei der Preisgestaltung hergestellt werden kann. Hierzu gab es allein in den letzten Monaten zwei Mündliche Anfragen an den Wirtschaftssenator,
Es geht um die Beantwortung dieser Fragen, weil ständig behauptet wird, der Senat habe nichts gemacht. Ich zitiere jetzt aus den Antworten.
Sie, Herr Lindner, haben in der Abgeordnetenhaussitzung vom 22. Februar die Frage gestellt, wie der Senat der Tatsache begegne, dass die Tarifgenehmigungspflicht der Strompreise durch die Landesregierung am 1. Juli 2007 außer Kraft trete und der Senat damit keinerlei Aufsicht mehr über die Strompreisentwicklung mehr habe. So wie Sie diese Frage formuliert und gleichzeitig festgestellt hatten, dass der Senat ab dem 1. Juli 2007 die Aufsicht über die Strompreisentwicklung verliert, können Sie sich selbst die Frage beantworten, warum Vattenfall ausgerechnet zum 1. Juli die Preise erhöht! Aber statt noch einmal nachzubohren, statt Klartext über die Ursachen solcher Preisspiralen und Monopolgebaren zu reden, wollen Sie nur eins: der Öffentlichkeit weismachen, der Senat schütze die Strommonopolisten und nicht die Berlinerinnen und Berliner. Das ist absurdes Theater.
Ich möchte Sie, liebe Kolleginnen und Kollegen von der FDP, daran erinnern – und jetzt komme ich zu der Frage, was der Senat getan habe –, dass Vattenfall im September vorigen Jahres auf Druck der Aufsichtsbehörden die Strompreise für Berliner Privat- und Gewerbekunden um rund 6 Prozent senken musste.
Allerdings – liebe Kolleginnen und Kollegen von der CDU – wurde am Anfang dieses Jahres die 3-prozentige Erhöhung der Mehrwertsteuer an die Stromkunden durchgereicht.
Ich erinnere Sie noch einmal daran, Herr Lindner, dass Senator Wolf in seiner Antwort auf Ihre schon erwähnte Mündliche Anfrage darauf hingewiesen hat, dass auch die
Sie sollten sich das in Ihr Gedächtnis rufen. – Nach der Trennung von Stromerzeugung, Stromnetz und Stromvertrieb gab es nämlich keine Möglichkeit, wirkungsvoll über die Preisgenehmigung vorzugehen, da die Rendite, wie schon von mir erwähnt, über den Verkauf der Stromkapazitäten an der Leipziger Strombörse erzielt wird.
Senator Wolf hat bereits im Februar erklärt, dass die Wirtschaftsministerkonferenz sich wiederholt mit der Frage befasst habe, wie eine erhöhte Transparenz und mehr Wettbewerb beim Netzzugang erreicht und wie das Kartellrecht gestärkt werden könne, um der Wettbewerbsverzerrung, beispielsweise auf dem Strommarkt, zu begegnen. Was die Stärkung des Kartellrechts betrifft, muss ein starkes Durchgriffsrecht bei Verdacht der Manipulation von Preisen zugunsten des Unternehmens verankert werden. Auch eine Umkehr der Beweislast muss vorgenommen werden. Die Stromkonzerne müssen im Sinne von mehr Transparenz beweisen, dass ihre Preise gerechtfertigt sind.
Der Bundeswirtschaftsminister hat jetzt, im April, eine Novelle des Gesetzes gegen Wettbewerbsbeschränkung und eine Kraftwerksnetzanschlussverordnung vorgelegt. Vorsichtig formuliert der Bundeswirtschaftsminister in der Begründung seiner Vorlage, dass die vor acht Jahren erfolgte Marktöffnung für Energieunternehmen noch nicht zu funktionierenden Wettbewerbsmärkten geführt habe. Mit den jetzt vorgelegten Regelungen soll unter anderem eine bessere Klarstellung des Verbots von Preisen und Entgelten, die Kosten in unangemessener Weise überschreiten, erreicht werden. Die Regelungen umfassen darüber hinaus die bereits angesprochene Beweislastumkehr sowie die sofortige Vollziehbarkeit von kartellbehördlichen Missbrauchsverfügungen. – Es wundert mich, dass ich als Mitglied der Linksfraktion vortragen muss, welche Maßnahmen ein CDU/CSU-Wirtschaftsminister plant.
Darüber kann noch nicht einmal die CDU hier berichten. – Das zeigt, wie gut Sie sich vorbereitet haben.
Mit diesen geplanten Regelungen sollen laut Bundeswirtschaftsministerium die Kartellbehörden in die Lage versetzt werden, Missbräuche im Energiesektor leichter nachzuweisen und effektiver zu bekämpfen.