Protokoll der Sitzung vom 10.05.2007

Lfd. Nr. 16:

Beschlussempfehlungen

Nach dem Karlsruhe-Urteil (II): unrechtmäßige Rahmenvereinbarung mit Krankenkassen kündigen!

Beschlussempfehlungen GesUmVer und Haupt Drs 16/0456 Antrag der FDP Drs 16/0032

Die Fraktion der Grünen erklärt Folgendes:

Zum unterschiedlichen Abstimmungsverhalten beim Tagesordnungspunkt 16 im Fachausschuss und im Hauptausschuss erklärt die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen, dass sie wie im Hauptausschuss für den Antrag der FDP gestimmt hat.

Das war ein redaktionelles Versehen.

[Andreas Gram (CDU): Gott sei Dank, dass das klargestellt ist! – Mario Czaja (CDU): Das bewegt das Volk!]

Die lfd. Nr. 20 steht auf unserer Konsensliste.

Jetzt kommen wir zur

lfd. Nr. 21:

Beschlussempfehlung

Berlin stellt sich dem Wettbewerb – professionelles Benchmarking für die gesamte Verwaltung einführen!

Beschlussempfehlung VerwRefKIT Drs 16/0473 Antrag der CDU Drs 16/0159

Hier werden die Redebeiträge zu Protokoll gegeben.

Am 1. Dezember 2006 hat Herr Finanzsenator Sarrazin seine Schlussfolgerungen aus einem Vergleich zwischen Berlin und 27 deutschen Städten der Presse vorgestellt. Dabei hat er im Wesentlichen für einzelne Leistungen die Personalausstattung der Berliner Bezirke mit denen anderer Städte verglichen.

In der entsprechenden Pressemitteilung seiner Verwaltung vom 1. Dezember 2006 heißt es wörtlich:

Die Berliner Bezirke könnten ihre kommunalen Leistungen für die Bürger mit über einem Drittel weniger Personal erbringen, wenn sie sich konsequent an den effizientesten Verwaltungen deutscher Städte orientieren würden.

Die schlichte Botschaft des Finanzsenators lautete also: In den Bezirken können 10 000 Stellen eingespart werden.

Dass der Finanzsenator mit dieser Vergleichsstudie in den Bezirken parteiübergreifend für kritische Reaktionen gesorgt hat, kam wenig überraschend, die Heftigkeit allerdings schon: Während die Fraktionsvorsitzende der PDS/Linkspartei in der Berliner Zeitung vom 2. Dezember „erbost“ und mit „Argwohn“ auf Sarrazins Vorstoß reagierte, verlangte die SPD-Bezirksbürgermeis

terin von Charlottenburg-Wilmersdorf, Frau Thiemen, am 9. Dezember in der „Berliner Zeitung“, dass das Ergebnis korrigiert werden müsse, Sarrazin habe mit „unzulässigen Methoden“ gearbeitet.

Weiterhin bezweifelt Frau Thiemen, dass sich aus der Studie eine Personaleinsparung ableiten lässt. Die wirklichen Einsparpotenziale lägen nicht in den Bezirken, die nur über 20 Prozent der gesamten Personalausgaben verfügen. 80 Prozent würden in den Hauptverwaltungen ausgegeben. Sarrazin solle dort mit seiner Suche beginnen“. Der Finanzsenator stößt nicht nur auf entschiedenen Widerstand in den Bezirken und der eigenen Partei, sondern auch bei den Gewerkschaften.

So bezweifelt Joachim Jetschmann, Vorsitzender des Gesamtpersonalrates und Chef des Deutschen Beamtenbundes Berlin „dass tatsächlich 40 Prozent des Personals in den Bezirken gekürzt werden kann“, vermutet, dass über diesen Weg offenbar die bezirkliche Verwaltung zerschlagen werden solle, und ist ebenfalls erbost darüber, dass die Studie erst der Öffentlichkeit vorgestellt wurde, ohne dass vorher mit dem Rat der Bürgermeister, den Gewerkschaften oder den Personalräten gesprochen wurde, und zieht die Schlussfolgerung: „Das ist der übliche miese Stil!“

Recht schnell hat sich also herausgestellt, dass der Sarrazinsche Vergleich fragwürdig war. Neben der Belastbarkeit der Vergleichsdaten haben sich folgende Kritikpunkte herauskristallisiert:

Der Vergleich bezog sich lediglich auf die Bezirke, die kostenintensivere Hauptverwaltung wurde völlig ausgeblendet. Es sind auf der Aufwandsseite lediglich die Anzahl der Vollzeitstellen verglichen worden, nicht die Personalausgaben, geschweige denn die Personalkosten oder der gesamte Aufwand einschließlich Sachkosten, Transfers usw. Die Leistungsseite wurde unzureichend berücksichtigt, insbesondere sind die Erträge nicht dem Aufwand gegenübergestellt worden.

Ein solch willkürlicher Vergleich, wie von Finanzsenator Sarrazin hier praktiziert, birgt die ernsthafte Gefahr, dass falsche Schlussfolgerungen gezogen werden, die letztlich das Ziel, die Wirtschaftlichkeit der Verwaltung zu erhöhen, konterkarieren. Benchmarking, Herr Sarrazin, ist mehr als ein fragwürdiger Folienvortrag, der nur dazu dienen soll, die Berliner Verwaltung zu erschrecken. Doch nur weil Herr Sarrazin mit der falschen Methode an einen solchen Vergleich herangeht, ist dieses Instrument nicht untauglich, es ist grundsätzlich zu befürworten. Man muss nur wissen, wie es geht. Wir halten Benchmarking – richtig und zielgerichtet durchgeführt – für ein unverzichtbares Hilfsmittel um Berlin im internationalen Maßstab wettbewerbsfähig zu machen und in so vielen Segmenten wie möglich an die Spitze zu bringen.

Mit der Kosten- und Leistungsrechnung bestehen seit langem die Voraussetzungen für ein professionelles Bench

marking, das permanente Leistungsvergleiche auf Vollkostenbasis ermöglicht, und das geeignet ist, organisatorische Defizite zu analysieren und auch qualitative Indikatoren zu berücksichtigen. Das gelingt aber nur, wenn wir als ersten Schritt das Instrument der Kosten- und Leistungsrechnung endlich flächendeckend, also auch und insbesondere in der Hauptverwaltung einführen.

Wir haben gerade von Herrn Sarrazin die Daten aus der Kosten- und Leistungsrechnung für die Finanzämter bekommen. Die Lektüre ist erschütternd! Da teilen Sie uns mit, Herr Sarrazin, dass die Kostenerfassung in den Finanzämtern stark fehlerbehaftet sind. Herr Sarrazin, Sie, der Berliner Finanzsenator sind nicht in der Lage, die Kostenerfassung in Ihrer eigenen Verwaltung zu organisieren, Sie kennen ihre eigenen Zahlen nicht und erheben den Anspruch, Benchmarking betreiben zu können?

Ins Bild passt auch, dass die Stadtentwicklungsverwaltung nicht in der Lage ist, dem Abgeordnetenhaus ihre Daten zum Bebauungsplanverfahren und zur Bauaufsicht nicht vorlegen kann, obwohl ihr dafür acht Wochen Zeit gegeben wurde. Offensichtlich fürchtet Frau Junge-Reyer das Benchmarking mit den Bezirken!

Sie müssen es doch auch merken, meine Damen und Herren von der Koalition. Es gibt in der Verwaltung – gerade bei den sogenannten Häuptlingen – eine starke Abneigung gegen die Reform. Diejenigen, die heute nicht produktiv sind wollen auch morgen nicht wirtschaftlicher werden. Der Wasserkopf hat sich eingerichtet und versucht, der Politik weis zu machen, dass eine betriebswirtschaftliche Steuerung Teufelswerk ist.

Und man hat bei Ihnen Erfolg; der Finanzsenator hat ja an den Innensenator einen Brief geschrieben, der das neue transparente Rechnungswesen diskreditiert; da hat doch der Schwanz ganz eindeutig mit dem Hund gewedelt.

Wer in Berlin mehr und bessere Dienstleistungen für den Bürger will, wer endlich die Qualitätsdiskussion ernsthaft führen will, der kann sich nicht ernsthaft gegen unseren Antrag stellen. Wir müssen das System der Kosten- und Leistungsrechnung endlich flächendeckend einführen, damit es seine Wirkung entfalten kann. Erst dann können wir die Möglichkeiten dieses Systems, Qualitätsstandards abzubilden und über Kennzahlen zu steuern wirklich nutzen. Wer sich hier diesem Ziel verweigert, macht sich zum Erfüllungsgehilfen der Exekutive und gibt den Anspruch, qualifizierte politische Entscheidungen zu treffen, auf.

Wenn in Berlin über Benchmarking geredet wird, dann sollte man auch im Punkt betriebswirtschaftliche Steuerung die Führungsrolle beanspruchen und nicht unter seinen Möglichkeiten bleiben, ich bitte Sie deshalb, Ihre im Ausschuss getroffene Entscheidung zu revidieren!

Jetzt muss ich zunächst darauf hinweisen, dass „Benchmarking“ von Ihnen eindimensional übersetzt und interpretiert wird: Es geht eben nicht allein um Gegenüberstellungen bzw. Vergleiche, sondern um die „Optimierung von Geschäftsprozessen und die Überprüfung der strategischen Ausrichtung aufgrund der Analyse von Standards und Bezugspunkten“.

Wir können nur vergleichen, was auch vergleichbar ist. Benchmarking kann kamerale Buchhaltungsergebnisse vergleichen, wenn Sie vorliegen, aber Benchmarking muss auch Anhaltspunkte für Plausibilitätsüberlegungen liefern.

Die Senatsverwaltung für Finanzen betreibt dies seit langem – Benchmarking im Sinne von GPO und Überprüfung der strategischen Ausrichtung mit anderen Ländern. Wenn Sie das auch wollen – und die Debatte im Ausschuss, auch die Rückzüge im Ausschuss von Herrn Birk und Herrn Schmidt deuten dies ja an –, dann ziehen Sie Ihren Antrag einfach zurück und unterstützen Sie SenFin im eingeschlagenen Weg!

Ihr Antrag hebt auf Professionalität und auf in der Privatwirtschaft angewandte Methoden ab, die Gespräche mit einer Reihe von Beratungsunternehmen, haben jedoch ergeben, dass Erfahrungen der Wirtschaft nicht automatisch auf Verwaltungen übertragbar sind.

Der Vorschlag, umfassende Ländervergleiche anzustellen, wird sich auf absehbare Zeit nicht realisieren lassen, das wissen Sie, ich muss hier nicht das Ausschussprotokoll zitieren.

Der Bundesrechnungshof hat deshalb in einem bemerkenswert deutlichen Gutachten vom 17. August 2006, Bundestags-Drucksache 16/2400, den Bundesminister der Finanzen aufgefordert, das Haushaltswesen für Bund und Länder nach den unübersehbaren Zersplitterungstendenzen der letzten zehn Jahre wieder zu vereinheitlichen und dabei auch sinnvolle Elemente aus Kostenrechnungen und Produkthaushalten zu übernehmen. Diese Forderung unterstützen wir, zumal der Bundesrechnungshof empfiehlt, sich bei der Vereinheitlichung des Haushaltswesens an internationalen Standards zu orientieren.

Die Hauptverwaltungen sind innerhalb eines jeden Landes Unikate. Deshalb könnten sie nur bundesweit einem Benchmarking unterworfen werden. Da es jedoch keine bundesweite KLR gebe, ist ihr Antrag, so weit er darauf abzielt, KLR als Basis zu verwenden, nicht praktikabel.

Teilbereiche der Hauptverwaltungen jedoch sind vergleichbar, ich denke da an die Personalverwaltungen, Facility Management und andere Teilbereiche – und diese sollen natürlich einen Benchmarking unterworfen werden. Dafür treten wir ein.

Ein naives Verständnis von der Vergleichbarkeit kameraler Daten berücksichtigt nicht die grundsätzlichen Qualitäts- und Kostenunterschiede. Es gibt ein Benchmarking der Finanzämter, jeder Haushaltsaufstellung geht eine Benchmarking-Runde voraus. Die Bezirke vergleichen untereinander ihre Produkte. Mit allen Bezirken werden Gespräche darüber geführt, Leistungen, die vor allem bürgernahe Qualität haben, mit sogenannten Qualitätsgarantien und Regressverpflichtungen zu verknüpfen. In meiner Geburtsstadt Braunschweig ist ein derartiges System bereits realisiert worden.

Sie wecken mit Ihrem Antrag jedoch Erwartungen, die so nicht einlösbar sind. Lassen Sie uns über Inhalte reden, lassen Sie uns über Qualität reden. Ihr Antrag ist formalistisch, Ihnen geht es um ein Drumherum, was es in dieser Ausprägung nirgendwo in der Privatwirtschaft gibt.

Wir werden als Koalition dem Ausschussvotum folgen und den Antrag hier ablehnen.

Dr. Peter-Rudolf Zotl (Linksfraktion) [zu Protokoll ge- geben]:

Der CDU-Antrag geht von drei Prämissen aus:

1. Ein bundesweites Benchmarking sei möglich, man muss es nur wollen.

2. Man könne ein System des Benchmarking aus der Industrie in der Verwaltung übernehmen.

3. Berlin mache nichts und hinkt hinterher.

Alle drei Prämissen sind grundfalsch, und das weiß die CDU.